Peter Paul Gantzer (Nürnberger Rede)

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Der Artikel Peter Paul Gantzer (Nürnberger Rede) enthält die Rede von Prof. Dr. Peter Paul Gantzer bei der Großkundgebung „EMPÖRT EUCH – Recht und Freiheit für Gustl Mollath“ am 27. Juli 2013 in Nürnberg.

Peter Paul Gantzer
Streibl, Gantzer, Rödel, Riebe

Einführung

Professor Dr. Peter Paul Gantzer, MdL, redet grundsätzlich frei und hat daher nie Redemanuskripte. Als den Kern seiner Botschaft sandte er folgenden Text:

„Der eigentliche Skandal ist, daß die Anzeigen von Gustl Mollath weder vom Staatsanwalt noch vom Gericht und damit auch nicht den Steuerbehörden beachtet wurden. Nur die HypoVereinsbank hat intern reagiert, aber aus bankenpolitischen Gründen eine Offenlegung ihres Revisionsberichts gescheut, in dem Gustl Mollaths Anzeigen bestätigt worden sind. Der Fall Gustl Mollath ist noch nicht zu Ende. Nach Einsetzung des neuen Bayerischen Landtags werden wir eine „Wiederaufnahme“ des Untersuchungsausschusses beantragen.“

Prof. Dr. Peter Paul Gantzer

Rede

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Liebe Freunde von Gustl Mollath, liebe Unterstützer, also von mir auch zuerst einmal herzliches Dankeschön, daß Sie gekommen sind.

Ich finde das toll, daß so viele sich empören über diesen Skandal, den wir in der Justiz haben. Ich sage das auch selber, weil ich Jurist bin und im Mollath-Untersuchungsausschuß bin. Und ich sage Ihnen, ich hab schon viel erlebt im bayerischen Landtag. Aber hier sträuben sich mir noch alle Haare. Deshalb vielen Dank auch an die Grünen, an die Freien Wähler, die das mit mitinitiiert haben. Ich hab da sehr, sehr geholfen, daß wir diesen Untersuchungsausschuß zustandebekommen. Das war wirklich notwendig. Und wenn ich dann die Arbeit sehe, die wir geleistet haben, ein gutes Zeichen für die neue Regierung, die wir in sechs Wochen in Bayern bilden werden, nämlich diese drei Funktionen zusammen.

Liebe Freunde, es ist eigentlich schon alles Wichtige gesagt worden. Und deswegen faß’ ich das als Jurist mal zusammen, um es auf den Punkt zu bringen. Das ganz Entscheidende des gesamten Mollath-Verfahrens ist die Verteidigungsschrift, die auch manchmal „Konvolut“ genannt wird, ist die Verteidigungsschrift, die Mollath eingereicht hat, beim Gericht, bei der HypoVereinsbank, bei der Staatsanwaltschaft. Alle haben diese Verteidigungsschrift gehabt. Aber sie ist nur von der Bank selber beachtet worden, untersucht worden, weil die Angst hatten, daß sie in der Öffentlichkeit schlecht dastehen könnten. Deswegen haben die es auch nicht öffentlich gemacht, aber - und das hat sich herauskristallisiert im Untersuchungsausschuß - der Staatsanwalt hat diese Schrift nicht zur Kenntnis genommen. Gleich drei Staatsanwälte hintereinander haben sie nicht zur Kenntnis genommen. Der Richter hat sie nicht zur Kenntnis genommen. Der Pflichtverteidiger hat seine Pflichten nicht wahrgenommen und hat diese Verteidigungsschrift nicht wahrgenommen. Das heißt mit anderen Worten. Da ist die Ursache des ganzen Problems.

Und, es ist schon gesagt worden: Wenn man sieht, daß wir heute 24 Verfahren noch laufen haben aufgrund dieser Verteidigungsschrift, dann sehen wir, wie Recht eigentlich Gustl Mollath gehabt hat. Aber was ist passiert? Wir haben ein mangelhaftes Gerichtsverfahren bekommen, und dieses mangelhafte Gerichtsverfahren, das hat dazu geführt, daß Gustl Mollath eingesperrt worden ist, aber wir spüren nicht, daß die Justiz das beunruhigt, sondern die Justiz überprüft nicht dieses Unrechtsurteil, das damals vom Landgericht Nürnberg gefällt worden ist. Sie berufen sich immer wieder auf die Unabhängigkeit der Justiz. Aber es gibt ein weiteres Grundrecht, ein weiteres Menschenrecht, nämlich die Freiheit des Menschen ist unverletzlich, und das wird mit einem solchen Gerichtsurteil gebrochen. Und die berufen sich auf die Unabhängigkeit des Gerichts und der Gerichte und der Justiz.

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Und das muß man klar und deutlich darstellen, meine Damen und Herren: Selbstverständlich darf der Staat nicht auf den Richter einwirken, daß er bestimmte Urteile fällt, daß er bestimmte Handlungen vornimmt, aber was nicht verboten ist, und das tun die bei der Justiz so: Nicht verboten ist, daß wir die Justiz auch kritisieren können, denn sie sind Bestandteil dieser Gesellschaft. Das ist kein Elfenbeinturm, in dem die leben, sondern sie müssen sich der gesellschaftlichen Kritik an ihren Urteilen stellen. Und ich sage Ihnen als Jurist: Wer diese 112 Seiten gelesen hat, die jetzt dieses Gericht zur Ablehnung des Wiederaufnahmeantrags geführt hat, geschrieben hat, und wer daneben legt, den ersten, unkorrigierten Antrag des Staatsanwalts Meindl auf Wiederaufnahme des Verfahrens, meine Damen und Herren, das hätte zur Wiederaufnahme führen müssen. Das Gericht hätte so entscheiden müssen.

Aber Sie wissen, der schöne Spruch:

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.

Und das ist in diesem Fall leider nicht gewesen, denn Gott hätte auch anders entschieden, als dieses Gericht es jetzt getan hat. Und – machen Sie sich nicht die Mühe, das ganze Urteil zu lesen – lesen Sie den letzten Satz. Da wird alles ganz deutlich, wie diese Justiz im Augenblick denkt und handelt und auch urteilt. Der letzte Satz nach 112 Seiten steht auf der letzten Seite, ein Satz als allerletzter. Der heißt:

Dem Untergebrachten – damit meinen sie Mollath – dem Untergebrachten bleibt es unbenommen, künftig weitere Wiederaufnahmeanträge zu stellen.

Meine Damen und Herren, das ist juristisch ausgedrückt „lieber Bürger, Du kannst mich mal“.

Und das ist wirklich, wo ich sagen muß, da hat die Justiz ihre Grenze erreicht. Und das zweite, was mich als Jurist unheimlich mitgenommen hat, und Herr Schlötterer hat es kurz erwähnt. Aber ich hab das auch hinterfragt, ich hab es auch mir bestätigen lassen; es gibt zwei Zeugen. Gustl Mollath ist von diesem Richter Brixner, der ihn reingeschickt hat in die Psychiatrie, ist massiv angebrüllt worden, weil Mollath hat sich verteidigt und hat gesagt, hier habe ich doch meine Verteidigungsschrift. Und da hat der Brixner gebrüllt und hat gesagt: „Wenn Sie noch einmal auf diese Verteidigungsschrift weisen, dann schmeiße ich Sie aus dem Saal, schmeiße Sie aus dem Saal und verhandle alleine.“

Mein Damen und Herren, dann können wir unsere Gerichtsverfahren auch gleich in Zimbabwe durchführen oder in China. Das geht nicht.

Ich schließe ab, meine Damen und Herren, und sage Ihnen: Der Fall Mollath ist nicht erledigt. Der Landtag ist zwar aufgelöst, und damit auch der Untersuchungsausschuß. Aber für mich geht das weiter. Und wenn nicht alles hilft, dann werden wir einen neuen Untersuchungsausschuß Mollath einsetzen, denn da ist noch soviel aufzuklären, was da Justiz und Verwaltung gemacht hat, daß man sich wirklich schämen muß.

Und deswegen sage ich: Wir werden Mollath nicht vergessen. Wir werden weiter für Mollath kämpfen. Freiheit für Mollath! Dankeschön.

  • Mitschrift der Rede: Martin Riederer

Kontakt

Prof. Dr. Peter Paul Gantzer, MdL
Bayerischer Landtag
Maximilianeum
81627 München
http://www.gantzer.de/

Wissenschaftlicher Assistent:
Lukas Graf
Ismaninger Str. 17
81675 München

Tel. 089 4126 2630
lukas.graf(at)gantzer.de

Literatur

Presse

  • Marcus Klöckner: Fall Gustl Mollath. „Wenn nötig, gehen wir vor den Europäischen Gerichtshof“. Am Mittwoch hat das Landgericht Regensburg die Wiederaufnahme des Verfahrens von Gustl Mollath abgewiesen. Dessen Rechtsanwältin Erika Lorenz-Löblein gibt sich im FOCUS-Online-Interview aber kämpferisch – und nährt zugleich Zweifel. In: FOCUS, Samstag, 27. Juli 2013 - focus.de

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Justiz- und Psychiatrieopfer

Netzverweise

  • Großkundgebung „Recht und Freiheit für Gustl Mollath“ - Facebook

Einzelnachweise und Anmerkungen