Wilhelm Schlötterer (Nürnberger Rede)

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Der Artikel Wilhelm Schlötterer (Nürnberger Rede) enthält die Rede des Ex-Steuerfahnders Dr. Wilhelm Schlötterer bei der Großkundgebung „EMPÖRT EUCH – Recht und Freiheit für Gustl Mollath“ am 27. Juli 2013 in Nürnberg.

Dr. Wilhelm Schlötterer
von rechts: Rödel, Streibl, Schlötterer
Schlötterer Macht und Missbrauch TB.jpg
Schlötterer Wahn und Willkür.jpg

Einführung

Dr. Wilhelm Schlötterer (CSU), der frühere oberste bayerische Steuerfahnder, wurde durch sein Buch Macht und Mißbrauch bekannt, das Einblicke in bayerische Korruptionsaffären von Strauß bis Seehofer gibt. Nach dem Erscheinen des Buches „Macht und Mißbrauch“ bat Gustl Mollath ihn um Hilfe.[1]
Schlötterer besuchte Mollath in der Psychiatrie Bayreuth. Am 5. März 2011 hielt Wilhelm Schlötterer in der Villa Leon in Nürnberg anhand seiner etwa 30seitigen Fallanalyse einen Vortrag vor etwa 150 Personen: Der Fall Gustl Mollath, an dem auch Nürnberger Juristen teilnahmen.

  • Dr. Wilhelm Schlötterer: Der Fall Gustl Mollath, Vortrag Nürnberg, Villa Leon, 5. März 2011, Teil 1: YouTube; Teil 2: YouTube (Neben Dr. Schlötterer sitzt ein Organisator der Veranstaltung, der Richter i.R. Rudolf Heindl.)

Beim darauffolgenden Haftprüfungstermin am 9. Mai 2011 im Landgericht Bayreuth sagte Dr. Wilhelm Schlötterer in die Fernsehkamera: „Als ehemaliger Ministerialbeamter schäme ich mich, daß so etwas in einem angeblichen Rechtsstaat möglich ist.“ [1]

Die 30seitige juristisch fundierte Analyse Wilhelm Schlötterers zum Fall Gustl Mollath wurde beim Haftprüfungstermin am 9. Mai 2011 im Landgericht Bayreuth nicht beachtet.

Am 23. Juli 2013 stellte Schlötterer in Bayreuth sein neues Buch „Wahn und Willkür“ vor. Schlötterer beschreibt darin ausführlich den Fall Mollath. Im Vorwort schreibt er: „Die an Gustl Mollath verübte Schandtat ist die abscheulichste Ausgeburt dieser Skrupellosigkeit: Es war kein Justizirrtum, alle bekannten Fakten lassen auf vorsätzliches Handeln schließen!“ [2]

Rede

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»Die Freiheit Mollaths ist unser aller Freiheit.«

Das war das Grußwort des Anwalts Dr. Strate aus Hamburg. Nur allzu wahr! Die Tragweite des Falles Mollath kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Denn was ist denn sonst noch möglich, wenn es möglich ist, einen Menschen, der Schwarzgeldverschiebungen in millionenfacher Höhe anzeigt, in die Psychiatrie wegzusperren, um ihn mundtot zu machen, meine Damen und Herren?

Ich habe in meinem Buch „Macht und Mißbrauch“, das 2009 erschien, und in meinem neuesten Buch, das jetzt vor zwei Tagen erst erschien, mit dem Titel „Wahn und Willkür“, diese Übergriffe der Mächtigen dokumentiert, nicht bloß angesprochen, sondern dokumentiert. Bitte lesen Sie das nach, meine Damen und Herren!

Nicht, daß jeder jetzt befürchten muß, demnächst ebenfalls in die Psychiatrie zu kommen. Aber durch dumme Zufälle, die das Leben schafft, kann man mit irgendwelchen politischen Interessenkonflikten in Kollision kommen und dann den Kürzeren ziehen, sei es in einem Zivilprozeß, den man verliert, sei es in einem Strafprozeß, sei es, daß man verurteilt wird wegen Verleumdung oder daß eine eigene Verleumdungsklage, ein Verleumdungsantrag scheitert, weil diese Staatsanwaltschaft alles herunterbügelt.

Meine Damen und Herren, der Fall Mollath ist kein Justizirrtum. Er ist kein Justizirrtum, es war Vorsatz am Werk. Der Fall Mollath ist ein glasklares Verbrechen. Es ist ein Verbrechen der schweren Freiheitsberaubung über siebeneinhalb Jahre hinweg. Ich will das nicht einfach so behaupten, obwohl ich vom Fach bin, aber deshalb darf ich noch einige Fälle zitieren, meine Damen und Herren. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat in ihrem ursprünglichen Wiederaufnahmeantrag, den dann der hier ansässige Hasso Nerlich, seines Zeichens Generalstaatsanwalt, zurechtgestutzt hat - zahlreiche scharfe Zähne gezogen hat - , in diesem ursprünglichen Antrag folgendes ausgeführt: „Die zahlreichen Verstöße gegen grundlegende Verfahrensvorschriften, die das gesamte Verfahren wie ein roter Faden durchziehen (besser schwarzer Faden!), und ein erhebliches Gewicht haben, bilden für sich schon ein hinreichendes Indiz für eine sachfremde Motivation und damit für den Vorsatz zur Rechtsbeugung.“

Die Süddeutsche Zeitung hat weitere Zitate aus diesem ursprünglichen, geschwächten Wiederaufnahmeantrag gebracht. Sie führte aus, daß der Richter Brixner gegen Regelungen verstoßen hat, die - so eben dieser Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg - juristisches Allgemeingut seien, die jeder Dienstanfänger kenne. Und dann der weitere Vorwurf: „Die von ihm [Brixner] gewählte Vorgehensweise erfüllt den Straftatbestand der Rechtsbeugung.“

Mollath hat sich in seiner Not, während er bereits in der Haft war, wiederholt an Brixner gewandt, als den zuständigen Richter, mit Eingaben, und dazu bemerkt die Staatsanwaltschaft Regensburg: Brixners Verhalten, Eingaben nicht weiterzuleiten, hat dazu gedient, sein eigenes rechtsbeugendes Vorverhalten zu verdunkeln.“ Daß Herr Hasso Nerlich diese Passagen zweifellos in Absprache mit Frau Beate Merk wieder kassiert hat, eliminiert hat, meine Damen und Herren, setzt ihn dem Verdacht ebenfalls der Rechtsbeugung aus. Dieser Herr wird sich - darüber soll er sich nicht täuschen - ggf. einem Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung und Fortsetzung schwerer Freiheitsberaubung zu stellen haben.

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Ich darf noch einen weiteren ...helfer zitieren, Strafrechtsprofessor Dr. Henning Müller von der Universität Regensburg. Er schrieb in einem Internet-Blog: „Die Strafsache Mollath ist eine von mir nie gesehene Ansammlung von vorsätzlichen Gesetzesverletzungen, gravierenden Verfahrensfehlern, gepaart mit schweren Verteidigungsfehlern und Versagen von kontrollierenden Instanzen.“

Wer sind die kontrollierenden Instanzen? Das sind zunächst einmal die leitenden Oberstaatsanwälte, das sind die Generalstaatsanwälte, von Herrn Nerlich angefangen rückwärts gehend, und natürlich das Justizministerium. Und da bin ich jetzt bei Frau Merk angekommen. Meine Damen und Herren, Frau Merk ist mit diesem Fall nicht erst durch die Presse konfrontiert worden, sondern bereits im Jahre 2003 aufgrund einer Eingabe Mollaths. Sie mußte dazu gegenüber dem Landtag Stellung nehmen, und natürlich erklärte sie alles für in Ordnung, wobei dem Landtag Unterlagen nicht zugegangen sind im Rahmen dieser Eingabe, die sie dem Landtag zur rechten Zeit hätte zuleiten müssen.

Meine Damen und Herren, Frau Merk wird sich ebenfalls einem Ermittlungsverfahren zu stellen haben. Die Urteile der Gerichte ergehen nicht im Namen von Frau Merk oder anderer politischer Größen, die hier jetzt im Hintergrund bleiben oder früher im Hintergrund standen, meine Damen und Herren, sie ergehen immer noch im Namen des Volkes. Noch!

Aber eines ist nach dem derzeitigen Zustand ganz klar festzustellen: Bayern ist in politischen Fällen kein Rechtsstaat mehr. Das sage ich nicht aus billiger Polemik heraus. Ich habe das in meinem neuen Buch [„Wahn und Willkür“] so niedergelegt, und zwar nach reiflicher Überlegung. Im Normalfall, da tun die Staatsanwaltschaft ihre Pflicht und die Gerichte selbstverständlich auch. Aber in Fällen mit politischem Bezug, und dafür gibt es eben nicht nur den Fall Mollath als Beleg, nein, auch in vielen anderen, die ich in meinen Büchern aufgeführt habe, meine Damen und Herren, da zeigt sich das gleiche Phänomen. Immer, wenn eine ganz bestimmte Interessenlage vorliegt, dann wird plötzlich von oben her eingegriffen und gesteuert. Das geht doch immer in die gleiche Richtung: Bayern ist in Fällen mit politischem Bezug kein Rechtsstaat mehr.

Aber, meine Damen und Herren, ein Rechtsstaat sind wir auch dann nicht mehr, wenn Gustl Mollath zwar freikommt, aber die Verantwortlichen nicht bestraft werden. Es kann nicht angehen, daß Leute wie der Vorsitzende Richter Brixner, daß die verantwortlichen Staatsanwälte, daß die Frau Merk sich nach Ausgang des Falles sich dann bequem zurücklehnen und ihre Pension in aller Ruhe genießen können. So nicht!

Meine Damen und Herren, jetzt ein Wort zu Regensburg. Die Staatsanwaltschaft hat sich aktiv gemacht, auch wenn sie dem Druck des Justizministeriums und des Herrn Hasso Nerlich nicht standhalten konnte und ihre Anträge revidieren mußte. Erst der dritte Antrag, meine Damen und Herren, wurde eingereicht, der dritte erst fand das Gefallen! Bereits 18 Tage, nachdem die Ministerin die Weisung erteilt hatte, ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten, legte die Staatsanwaltschaft Regensburg einen solchen Antrag vor. Aber die fanden nicht das Gefallen oben, und deswegen mußte ja revidiert, gesäubert werden. Ich habe die jetzige Entscheidung gelesen. Meine Damen und Herren, was ich da lese, das ist ein Witz! Was diese Herren da in Regensburg fabriziert haben, ich gebrauche ganz bewußt „fabriziert haben“, meine Damen und Herren, das ist nicht hinnehmbar. Diese Entscheidung steht genauso unter dem dringenden Verdacht der Rechtsbeugung wie das ursprüngliche Ausgangs... Ich will das belegen, ich will Ihnen das plausibel machen.

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Meine Damen und Herren, es werden zwar Rechtsverstöße zugegeben, wenn es gar nicht anders ging, aber dann heißt es: „Diese Verstöße waren nicht elementar.“ Für Gustl Mollath waren sie sehr wohl elementar, denn er sitzt seit siebeneinhalb Jahren in der Psychiatrie, meine Damen und Herren. Um einen bestimmten Verstoß als Wiederaufnahmegrund anzuerkennen, dazu bedürfte es eines schweren Verdachts, aber hier liege nur ein Anfangsverdacht vor, und das reiche nicht aus.

Also zuerst stuft man einen Regelverstoß als Anfangsverdacht herunter, und dann sagt man: „Das reicht nicht aus.“ Oder aber man sagt zu der mutmaßlichen Absicht des Richters, das sei bloße Spekulation. Bloße Spekulation, meine Damen und Herren! So kann man die Dinge natürlich auch bagatellisieren mit der katastrophalen Folge, daß Mollath weiterhin einsitzt. Wir haben hier heute einen wunderschönen Tag, und demnächst fahren die meisten von uns in Urlaub, aber Gustl Mollath hat heute wie seit Jahren nur eine Stunde Hofgang.

Eine besondere Pikanterie, meine Damen und Herren: Diese Juristen der Kammer in Regensburg, die haben die ehemalige Ehefrau des Herrn Mollath für voll und ganz glaubwürdig erklärt. Ihre Glaubwürdigkeit sei nicht erschüttert. Damit erklären sie eigentlich ihre eigenen Kollegen von der Staatsanwaltschaft, das ist immerhin der Leitende Oberstaatsanwalt sowie der Oberstaatsanwalt, der die Sache unmittelbar bearbeitet hat, für nicht zurechnungsfähig oder jedenfalls nicht fachlich qualifiziert. Denn diese haben nämlich geschrieben, daß die Glaubwürdigkeit der Ehefrau Mollath ausgeräumt sei und daß ihre Angaben nicht glaubhaft seien; und jetzt plötzlich geht das ganz anders.

Meine Damen und Herren, der Fall Mollath ist im Grunde schlimmer als der Fall Dreyfus. Der Fall Dreyfus wurde wiederholt in der Presse zitiert, aber am Anfang des Falles Dreyfus, da stand ein tatsächliches Fehlurteil, basierend auf einem Irrtum. Aber dann, als dieser Irrtum offenbart wurde, wollte man den nicht zugeben. Aber hier steht am Anfang ein vorsätzliches Fehlurteil, gar keine Frage!

Und jetzt will ich Ihnen den Kernpunkt des Falles Mollath schildern: Über den vielen Einzelheiten könnte man den Überblick verlieren. Aber im Grunde ist der Fall Mollath ganz, ganz einfach zu verstehen, und zwar aus folgender Weise: Man hat Mollath in die Psychiatrie eingewiesen mit der Begründung, seine Angaben über Schwarzgeldverschiebungen in seinen Strafanzeigen seien paranoide Wahnvorstellungen. Die Staatsanwaltschaft und ebenso das Gericht haben sich jedoch hartnäckig geweigert, geweigert (!), diese Angaben überhaupt zu überprüfen. Sie waren daher außerstande, überhaupt zu behaupten, daß diese Angaben nicht zuträfen, gar, daß es Wahnvorstellungen seien - Paranoia oder Schizophrenie -, wie es im medizinischen Gutachten steht, das dann wortgleich, in vollem Umfang, vom Urteil übernommen worden ist.

Meine Damen und Herren, der dümmste Staatsanwalt, der dümmste Richter kann diese primitive Logik, daß man etwas nicht als Wahn einstufen kann, was man nicht überprüft hat, nicht verkannt haben, und das mag diesen Herren noch zum Verhängnis werden. Es mag sein, daß diese Wahl keine Wende bringt, keinen Regierungswechsel bringt, und dann werden diese Herrschaften mit Sicherheit ungeschoren bleiben, aber es ist noch nicht aller Tage Abend. Es gibt einen [Rechtsgewahr?].

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Noch mal zurück zum Fall Mollath, Entschuldigung: zum Fall Dreyfus. Sehen Sie: Dreyfus wurde auf eine Insel verbannt, im Atlantik, so auf der Höhe von Südamerika, aber nach vier Jahren wurde er zurückgeholt. Er kam frei. Warum? Weil sich ein Oberst aus dem Kriegsministerium für ihn eingesetzt hat, das Ganze offenbart hat. Hier findet sich kein Oberer aus irgendeiner Verwaltungsbehörde, Gerichtsbehörde, Justizministerium, der sich für Mollath einsetzt, meine Damen und Herren.

Meine Damen und Herren, wir sprechen vom Fall Mollath, und das ist richtig, aber der Fall Mollath ist zugleich ein Fall Merk. Das braucht man gar nicht mehr besonders herauszuarbeiten. Diese Dame hat nicht nur die Verantwortung, daß der Fall Mollath so gelaufen ist, wie er gelaufen ist. Das ist das eine, dafür hat sie die volle Verantwortung, denn das geschah in ihrer Amtszeit, und sie wurde, das habe ich schon ausgeführt, wiederholt mit diesem Sachverhalt konfrontiert.

Zum zweiten aber, meine Damen und Herren, hat sie, nachdem der Fall publik geworden ist, den Landtag belogen. Belogen und getäuscht! Und das läßt sich sogar per Urkundsbeweis nachweisen. Sie hat einen schriftlichen Bericht vorgelegt. Wenn man das mit der Realität vergleicht, dann kann man ihr vorhalten: Jawohl, hier, Sie haben gelogen.

Meine Damen und Herren, Kabinettsmitglieder haben gegenüber dem Parlament eine Wahrheitspflicht aufgrund der Verfassung. Wenn sie dagegen verstoßen, dann verletzten sie ihre verfassungsrechtlichen Pflichten. Das ist bei Frau Merk im Übermaß der Fall. Aber der Fall Merk ist zugleich ein Fall Horst Seehofer. So sehr Sie das jetzt verblüffen mag, meine Damen und Herren. Denn er hat diese Frau, obwohl er genau von ihren Lügen gegenüber dem Landtag weiß, er hält diese Frau im Amt, er hat ihr im Landtag sogar sein ausdrückliches, sein uneingeschränktes Vertrauen ausgesprochen. Ein Ministerpräsident darf nicht hinnehmen, daß ein Kabinettsmitglied den Landtag belügt, und wenn der Ministerpräsident das tut, dann verletzt er in massiver Weise seine verfassungsrechtlichen Pflichten, meine Damen und Herren, dann befindet er sich außerhalb der Rechtsstaatlichkeit. Und daß er weiterhin jetzt zumindest festhalten will an ihr, bis eine neue Regierung da ist, meine Damen und Herren, das ist doch nicht hinnehmbar. Die Rechtspflege geht doch weiter.

Ich habe bei einer Tagung, die die freien Wähler im Plenum - nein, nicht im Plenum, sondern im Landtag - abgehalten haben, nachdem aus dem Publikum der Fall Mollath nach vorne gebracht wurde, gesagt: „Solange Frau Merk an der Spitze der bayerischen Justiz steht, sehe ich die objektive Anwendung des Rechts nicht gewährleistet.“ Und das gilt natürlich auch, bis eine neue Regierung im Amt ist.

Warum hat sie überhaupt die Unwahrheit gesagt, meine Damen und Herren? Haben Sie sich darüber überhaupt Gedanken gemacht? Was wäre denn die natürliche Reaktion eines Justizministers oder einer Justizministerin gewesen, nachdem der Skandal publik geworden ist? Der hätte - oder sie hätte - die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt: „Um Gottes Willen! Wenn hier ein Fehlurteil vorliegen sollte, dann muß das natürlich sofort überprüft werden. Ich werde alles tun.“ Und Frau Merk hat genau das Gegenteil getan. Sie hat sich in den Landtag hingestellt, meine Damen und Herren, ich habe es selbst von der Zuschauertribüne aus verfolgt. Sie hat gesagt: „Dieser Mann gehört weiterhin in die Psychiatrie, der sitzt dort zu Recht.“

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Ich will jetzt einmal zurückblenden, damit Sie nicht glauben, das Phänomen, der Fall Mollath sei so was ganz Neues, das sei ein zufälliges Ergebnis vielleicht der letzten Jahre. Nein, wir können weiter zurückgehen: Im Januar 1994 hat der frühere Staatssekretär im Innenministerium und frühere Oberbürgermeister von München nach seiner Rückkehr als Landtagsabgeordneter in den Landtag (er wurde damals von der Justiz bedrängt) wütend folgendes geäußert - wohlgemerkt, im Rechtsausschuß des Landtags und in Gegenwart des damaligen Justizministers Hermann Leeb aus Aschaffenburg. Er sagte: „Spezielle Teile von Staatsanwaltschaft und Gerichten lassen sich in Bayern zu politischen Zwecken gebrauchen und werden dazu mißbraucht.“ Das ist gang und gäbe. Das heißt, die Dinge waren damals schon bekannt. Es begann im übrigen unter Strauß. Unter Alfons Goppel - ich habe Alfons Goppel noch zehn Jahre lang erlebt, ich war insgesamt 30 Jahre im Finanzministerium tätig -, meine Damen und Herren, unter Goppel habe ich von derlei Machenschaften, Brutalitäten nichts gehört.

Und ich darf auch noch zusätzlich den früheren Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer zitieren. Er war Generalstaatsanwalt im Oberlandesgerichtsbezirk München. Er wurde im Rahmen des Schreiber-Untersuchungsausschusses von einem Augsburger Staatsanwalt heftig angegriffen. Dr. Winfried Maier, so war sein Name, beschuldigte ihn, daß er rechtswidrig und massiv in die Ermittlungen eingegriffen habe.

Darauf mußte sich natürlich Froschauer vor dem Untersuchungsausschuß rechtfertigen. Und wie rechtfertigte er sich? Ich lese Ihnen vor. Hören Sie bitte genau zu:

„Die Staatsanwaltschaft hat auch das Kräftefeld der politischen Strebungen, Erwünschtheiten, Besserverträglichkeiten einzubeziehen.“

Ja, wenn es erwünscht ist, daß Gustl Mollath mundtot gemacht wird, in die Psychiatrie eingewiesen wird, ja offenbar ist das dann eine Leitlinie für die Staatsanwaltschaft, die sie zu beachten hat.

Als sich Frau Merk im Landtag immer wieder, sowohl im Rechtsausschuß wie zuvor im Plenum, hinter der Unabhängigkeit der Gerichte verschanzt hat, die sie zu wahren habe, da habe ich mir gedacht: Ja eigentlich hat doch die Staatsanwaltschaft das Verfahren ursprünglich betrieben. Sie hat ermitteln müssen, sie hat angeklagt. Und dann habe ich mir das Protokoll der Sitzung vom 8. August 2006 hergenommen und habe mal nachgesehen: Was hat denn der Staatsanwalt in der Sitzung eigentlich beantragt? Und siehe da: Er hatte beantragt die Einweisung Gustl Mollaths in die Psychiatrie. Und das, meine Damen und Herren, und das, obwohl er genau wußte, aus eigener Kenntnis heraus und eigenem Erleben heraus, daß die Staatsanwaltschaft eben diese Angaben Mollaths über die Schwarzgeldverschiebungen nicht überprüft hatte. Und obwohl er erlebt hatte - in der Verhandlung selber -, daß der Vorsitzende Richter Brixner Gustl Mollath niederbrüllte, wenn er auf die Schwarzgeldverschiebungen zu sprechen kommen wollte. Und er mußte darauf zu sprechen kommen, weil er ja deswegen in die Psychiatrie eingewiesen werden sollte!

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Meine Damen und Herren, es steht fest, und zwar aufgrund der Aussage eines Schöffen, daß Mollath niedergebrüllt wurde von dem Vorsitzenden Richter, und es steht fest, auch aufgrund von Briefen, die ich in Händen habe, von Prozeßteilnehmern, daß er niedergebrüllt wurde. Wenn wir Rechtspflege hier in Bayern so betreiben, dann ist das eigentlich das Ende des Rechtsstaats. Der Rechtsstaat steht hier am Abgrund!

Es gab Anzeigen, meine Damen und Herren, es gab Anzeigen gegen die Verantwortlichen, ursprünglich laufen unter Unbekannt, gegen Unbekannt. Die wurden nach Augsburg gegeben, meine Damen und Herren. Augsburg war auch nicht der richtige Aufbewahrungsort für solche. Dort residiert nämlich ein Staatsanwalt namens Nemetz, meine Damen und Herren. Daß er sämtliche Verfahren gegen die Betroffenen eingestellt hat, das hat nicht überrascht. Ein Mann hat im Internet einen Lösungsvorschlag gemacht, und ich habe ihn hier wiedergefunden auf einem Plakat:

Gustl Mollath und Beate Merk müssen sofort entlassen werden!

Noch einen allerletzten Querverweis, meine Damen und Herren: Auch Beamte - Spitzenbeamte! - haben die Unwahrheit gesagt. Es steht fest, Dr. Jüptner, der Präsident des Landesamtes für Steuern, und Herr Hasso Nerlich desgleichen. Gegen diese Beamten ist ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wegen des Verdachts der Verletzung der Wahrheitspflicht! Beamte haben gegenüber öffentlichen Institutionen und allzumal gegenüber der Volksvertretung eine Wahrheitspflicht, und wenn sie diese verletzen, und sei es nur fahrlässig, auch nur fahrlässig, meine Damen und Herren, dann begehen sie ein Dienstvergehen.

Und der Umstand, daß bisher gegen den Herrn [Roland] Jüptner, den Präsidenten des Landesamtes für Steuern, von seiten des Herrn Söder kein Verfahren eingeleitet worden ist, läßt die Schlußfolgerung zu, daß er dessen Verhalten billigt, meine Damen und Herren! Das müssen Sie sich auch vor Augen führen. Und das gleiche gilt entsprechenderweise für die Beate Merk in bezug auf diesen Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich.

Meine Damen und Herren, wenn Gustl Mollath jetzt herauskommen sollte nach der Landtagswahl - man hat es ja wohl so hintricksen wollen -, dann nicht aufgrund dessen, daß ein Wiederaufnahmeverfahren erfolgt ist. Nein, er wird dann entlassen (wenn er von einem bayerischen Gericht entlassen wird), weil man sagt: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist verletzt, und er ist nicht mehr gefährlich. Und dann, meine Damen und Herren, dann erhält er keinen Euro Entschädigung. Dann ist dieser Mann arm wie eine Kirchenmaus!

Meine Damen und Herren, wenn Sie wollen, Sie als Nürnberger wollen, daß Mitbürger in dieser Weise malträtiert werden, dann wählen Sie demnächst die Politiker wieder, die das zu verantworten haben.

Stenogramm: Alfred Bomanns

Erläuterung

Die Rede Wilhelm Schlötterers beruht auf dem Kapitel „Die paranoide Wahnsymptomatik des Ingenieurs Gustl Mollath“ seines neuen Buches „Wahn und Willkür“ (2013). Diesem Kapitel liegt seine Analyse des Falles Gustl Mollath vom 28. März 2011 mit der Überschrift „Justiz in Bayern“ zugrunde, die er mit seinen Beobachtungen bis in die Gegenwart fortsetzte. [3] Wie die Überschrift „Die paranoide Wahnsymptomatik des Ingenieurs Gustl Mollath“ ankündigt, widmet er sich in diesem Kapitel der Psychiatrisierung Gustl Mollaths durch die gerichtlich bestellten Gutachten von Klaus Leipziger, Hans-Ludwig Kröber und Friedemann Pfäfflin, die unter Überschreitung anerkannter Grundregeln der Psychiatrie, unkontrolliert durch die Justiz, fragwürdige Diagnosen und Prognosen stellten.

Fotogalerie

Kontakt

Bücher

Presse

  • Dirk Walter: Buchautor Wilhelm Schlötterer. Er ist Mollaths stärkste Waffe. Ein Mann polarisiert: Wilhelm Schlötterer sorgte vor vier Jahren mit einem CSU-kritischen Buch für Wirbel. Das ist fast schon Vergangenheit. Schlötterers Interesse gilt nun dem Fall Mollath. Er hat ihn selber ausgelöst. In: Münchner Merkur vom 25. April 2013 - merkur-online.de
  • Marcus Klöckner: Fall Gustl Mollath. „Wenn nötig, gehen wir vor den Europäischen Gerichtshof“. Am Mittwoch hat das Landgericht Regensburg die Wiederaufnahme des Verfahrens von Gustl Mollath abgewiesen. Dessen Rechtsanwältin Erika Lorenz-Löblein gibt sich im FOCUS-Online-Interview aber kämpferisch – und nährt zugleich Zweifel. In: FOCUS, Samstag, 27. Juli 2013 - focus.de
  • brk: Nürnberger Demonstranten solidarisieren sich mit Mollath. Zahlreiche Menschen fanden sich am Kornmarkt zusammen und forderten Freilassung. Am Samstagnachmittag trotzten einige Parteien und Gruppierungen vor dem Nürnberger Gewerkschaftshaus der Gluthitze und demonstrierten für den seit Jahren in der Psychiatrie sitzenden Gustl Mollath. In: Nordbayern.de vom 27. Juli 2013 - nordbayern.de Ein Leser „Franz Freiheit“ faßte in seinem Kommentar zusammen, was man in der Presse nicht lesen konnte.[4]
  • Andreas Franke (Nürnberger Nachrichten): 500 Teilnehmer bei Mollath-Kundgebung in Nürnberg. Oppositionspolitiker fordern, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. In: Nürnberger Nachrichten Nr. 173 vom 29. Juli 2013, S. 9 - NN (Papierausgabe: „Gustl Mollath und Beate Merk müssen sofort entlassen werden.“)
  • Ursula Prem: Demonstration am 27. Juli 2013 in Nürnberg - Dankschreiben von Gustl Mollath. In: Autorenblog ein-buch-lesen.de, Mittwoch, 31. Juli 2013 - ein-buch-lesen.de

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Justiz- und Psychiatrieopfer

Netzverweise

  • Großkundgebung „Recht und Freiheit für Gustl Mollath“ - Facebook

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Das Versagen von Politik und Justiz im Fall Gustl Mollath - Report Mainz vom 4. Dezember 2012 - Veröffentlicht am 05.12.2012 von cassandracoloreless - YouTube (Darin kommt mehrere Male Dr. Wilhelm Schlötterer während des Haftprüfungstermins am 9. Mai 2011 im Landgericht Bayreuth zu Wort.)
  2. Pascal Durain, MZ: Gustl Mollath kommt zu Buchvorstellung. In Bayreuth nimmt Gustl Mollath am Dienstag an einer Pressekonferenz teil. Sein Erscheinen wurde mit Spannung erwartet – denn Mollath sitzt seit knapp sieben Jahren gegen seinen Willen in der forensischen Psychiatrie. In: Mittelbayerische Zeitung vom 23. Juli 2013 - mittelbayerische.de
  3. Wilhelm Schlötterer: Die paranoide Wahnsymptomatik des Ingenieurs Gustl Mollath. In: Wilhelm Schlötterer: Wahn und Willkür. Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt. München: Heyne, 22. Juli 2013, 448 S., ISBN 978-3-453-20047-0; hier: S. 318-425
  4. „Franz Freiheit“ schrieb am 29.07.2013:
    „Wer der Öffentlichkeit mittels Nachrichtensatz im Rundfunk oder Leitsatz in der Zeitung vermitteln möchte, Sektierer - und Rechtsextremisten wären bei der Mollath-Demo in Nürnberg an der Straße der Menschenrechte auffällig beteiligt gewesen, der will - vorsätzlich oder auch nur fahrlässig - in die Irre führen und den Eindruck vermitteln, die Unterstützung für Mollath und der Einsatz für unsere Rechtsstaatsprinzipien würde zu einer Plattform für Rechtsextremisten und das eigene Engagement der Menschen deshalb kontraproduktiv. Nein, solche irreführende Verknüpfung mit RECHTSEXTREMISTEN ist deutlich zurückzuweisen. Ich habe weder rechte Parolen, noch rechte Glatzen, abgesehen von kahlgeschorenen Polizeiköpfen gesehen. Dominiert haben PIRATENplakate und -embleme im hinteren Teil der wohl knapp tausend Leute am Platz und die FREIE WÄHLERtafeln vor der Bühne. Auf der Bühne gab es echte Informationen lediglich von Schlötterer, der die Fakten zur richterlichen Rechtsbeugung auch in der Entscheidung des Regensburger Gerichts darstellte, sowie des Initiators des NÜRNBERGWiki, der die Fallentwicklung und die Initiativlosigkeit der Nürnberger Stadtspitze vor dem Hintergrund des Nürnberger Anspruchs als Stadt der Menschenrechte gelten zu wollen, kritisierte. Der hessische Vertreter auf dem Podium, ein Steuerfahnder legte anschaulich dar, dass es nicht nur in Bayern verkommene Staatsanwälte und Richter gibt, sondern auch in Hessen. Ja und wir, das Publikum, wir bemerkten nichts von Rechtsextremisten, wohl aber hörten wir von Rechtsbeugern, Rechtsmissbrauchern und einer extrem rechtsverweigernden bayerischen Justiz. Klar wurde, daß die Regensburger Landrichter diese Ablehnungsentscheidung wohl treffen konnten, weil ein Generalstaatsanwalt Nerlich eine Weisung an den Oberstaatsanwalt Meindl gegeben hat, aus dessen Wiederaufnahmeantragsentwurf alle Faktenfeststellungen zu Rechtsbeugungen des Richters Brixner herauszunehmen. Nach der dritten Korrektur hatte die Regensburger Justiz freie Bahn - das ist der eigentliche Wahn. Also bitte, keine Rufschädigung der Mollath-Unterstützer !!! Das sind brave, rechtschaffene Leute, wie wir sehen konnten.“