Eduard Rudolf

Aus NürnbergWiki
Version vom 12. September 2011, 12:41 Uhr von Manfred Riebe (Diskussion | Beiträge) (Neu: Eduard Rudolf)

(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Eduard Rudolf (* 4. November 1922 in Hermsdorf im Braunauer Ländchen in Nordböhmen, Sudetenland; † 3. September 2011 in Nürnberg) war als Oberschuldirektor Leiter des Amtes für Berufliche Schulen im Schul- und Kulturreferat der Stadt Nürnberg und zugleich mit der staatlichen Schulaufsicht beauftragt. Er war Mitglied der SPD. Er ist der geistige Vater und Organisator des Berufsbildungszentrums Nürnberg (BBZ), des größten berufsbildenden Schulzentrums Deutschlands mit der modernsten Druckwerkstatt der Welt.

Eduard Rudolf, etwa 1962
Foto: privat

Leben und Wirken

Herkunft / Elternhaus

Eduard Rudolf berichtete, sein Onkel Professor Dr. Alban Prause, O.S.B., sei Lehrer am Gymnasium des Stifts des Benediktinerklosters Braunau gewesen. Er sei 1945 ermordet worden, woran ein Gedenkstein erinnere.

Schule, Schulabschluß

Wehrmacht

1941 wurde Eduard Rudolf zur Wehrmacht eingezogen. Er war bei der Luftwaffe und geriet in Gefangenschaft.

Politische Prägungen

Nach eigener Aussage wurde Eduard Rudolf 1946/47 in Hannover politisch geprägt durch Kurt Schumacher. Beeindruckt habe ihn auch Carlo Schmid, der gesagt habe: „Was heißt SPD? = Selbständig politisch denken.“ Stadtrat in Mellrichstadt

Pädagogische Ausbildung und Tätigkeit

Volksschullehrer

In der Lehrerbildungsanstalt Aschaffenburg wurde Eduard Rudolf zum Volksschullehrer ausgebildet. Bereits da beschäftigte er sich intensiv mit John Locke, Voltaire und Jean Jacques Rousseau. Damals erhielt er den Spitznamen „Jean Jacques“. Gern zitierte er auch Voltaire mit seiner Antwort an Rousseau:

  • „Ich kann keinem Ihrer Worte zustimmen, werde aber bis an mein Ende Ihr Recht, diese auszusprechen, verteidigen.“
  • „Du bist anderer Meinung als ich, und ich werde dein Recht dazu bis in den Tod verteidigen.“

Er war dann einige Zeit in Unterfranken als Volksschullehrer tätig.

Berufsschullehrer

Doch dann ließ er sich am Berufspädagogischen Institut (BPI) in München zum Berufsschullehrer umschulen. Er erinnerte sich an Streitgespräche mit einem Professor Simuleit oder Simoneit aus Ostpreußen. Dabei habe er zusammen mit einem anderen Kritikus Gegenthesen aufgestellt, was ihm den Spitznamen „Rudolfski“ eingetragen habe.

Rudolf erinnerte sich daran, daß Professor Josef Dolch seine Studenten zum akzentuierten Sprechen aufforderte. Eduard Rudolf habe für Josef Dolch ganze Bibliotheken nach Fundstellen zum Begriff „Unterrichtsimpulse“ durchsuchen müssen. Bei Josef Dolch schrieb er seine Zulassungsarbeit über „Das Selbständigkeitsprinzip im Unterricht“.

In Nürnberg unterrichtete Eduard Rudolf dann Jungarbeiter an der Beruflichen Schule 3.

Politische Ämter und Ambitionen

  • 1955 AG sozialdemokratischer Lehrer: bundesweite Schulungen über Berufliche Bildung
  • Im SPD-Parteiausschuß: Godesberger Programm, Wehrpflicht
  • 1963/64 GEW-Vorsitzender in Nürnberg
  • Landratskandidat für den Landkreis Lauf
  • Bewerbung als Schulreferent in Köln
  • Bewerbung als Jugendreferent in München (Hamm-Brücher)

Exkurs: Ehe und Familie

1965 heiratete Eduard Rudolf die Witwe eines Kollegen, Else Geer, mit der er einen Sohn hatte. Else Geer brachte zwei Töchter mit in die Ehe. Sie war Konrektorin der Volksschule Billrothstraße.

Leiter des Amtes für Berufliche Schulen der Stadt Nürnberg

Eduard Rudolf war unter Schul- und Kulturreferent Hermann Glaser und Oberbürgermeister Andreas Urschlechter von 1969 bis 1987 Leiter des Amtes für Berufliche Schulen der Stadt Nürnberg. Sein Vorgänger war Otto Pröpper (1904-1990).

Eduard Rudolf wird gemeinhin als großer Baumeister der beruflichen Bildung in Nürnberg bezeichnet. Auch der Titel „Vater des Nürnberger Berufsschulwesens" wurde Eduard Rudolf bereits vor Jahren zuerkannt.

Als Leiter des Amtes für Berufliche Schulen der Stadt Nürnberg unterstanden ihm 14 Berufsschulen mit angegliederten Berufsfachschulen, Meisterschulen, an der B 6 auch eine Berufsaufbauschule, an der B 9 die Rudolf-Diesel-Fachschule, dazu die Wirtschaftsschule und die Fachoberschule.

Eduard Rudolf hatte die Idee, die Alte Messe am Stadtpark in ein Berufsbildungszentrum mit modernsten Werkstätten in allen Handwerksberufen umzubauen, um auch an der Schule Theorie und Praxis miteinander zu verknüpfen. Für die Verwirklichung dieses Planes kämpfte der leidenschaftliche Pädagoge Rudolf erfolgreich. Allerdings beschränkten fehlende finanzielle Mittel den Bauumfang erheblich.

Seine Denkschrift über Datenverarbeitung im Schulwesen sahen manche als Einführung des gläsernen Lehrers an. Weil er gegen vernetzte Interessengruppen und gegen veraltete Organisationen wetterte, hatte Rudolf nicht nur Freunde, sondern auch Feinde, sogar in den Reihen der SPD. In solchen Anfeindungssituationen hatte er immer einen rettenden Engel, wie er sagte.

Nachfolger Eduard Rudolfs war von 1988 bis 1996 Hans Jürgen Fuß (1940-2010).

Beauftragter für die staatliche Schulaufsicht

Innerhalb des Schulwesens der Stadt Nürnberg - und wohl auch bayernweit - hatte Eduard Rudolf eine einzigartige Sonderstellung; denn das Staatsministerium für Unterricht und Kultus hatte ihn mit der Schulaufsicht für die Berufs- und Berufsfachschulen der Stadt Nürnberg beauftragt, und dies obwohl er SPD-Mitglied war. Dies war außergewöhnlich; denn die Schulaufsicht wurde in der Regel bei der Regierung von Mittelfranken in Ansbach ausgeübt. Die dortige Schulaufsicht beschäftigte einige Schulaufsichtsbeamte. Insofern repäsentierte Eduard Rudolf im Nürnberger Rathaus als einziger den Freistaat Bayern und insofern auch ein Stück Liberalitas Bavariae.

Dementsprechend beanspruchte Eduard Rudolf auch für seine städtische Schulaufsicht Studiendirektoren, die ihn in pädagogischen Fragen, Rechtsfragen und in Streitfällen unterstützten. Eduard Rudolf machte hin und wieder auch persönlich Unterrichsbesuche, um sich von der Qualität des Unterrichts zu überzeugen.

Das Amt für Volksschulen und Sonderschulen unter Kurt Gemählich (* 1922) [1] und das Amt für Gymnasien, Realschulen und Gesamtschulen unter Dr. Harald Straube (* 1923) [2] besaßen keine staatliche Schulaufsicht.

Mitarbeiter Eduard Rudolfs

Eine Reihe von Mitarbeitern Eduard Rudolfs im Amt für Berufliche Schulen halfen ihm, seine Ziele zu erreichen. Im pädagogischen Bereich waren es zugleich immer zwei bis drei Studiendirektoren.

Ruhestand

1987 ging Eduard Rudolf mit 65 Jahren in Pension. Bei seiner Verabschiedung in den Ruhestand erklärte Oberbürgermeister Andreas Urschlechter: „Ohne die Tatkraft, die Intelligenz und den Witz des Pädagogen Eduard Rudolf gäbe es diese fortschrittliche Einrichtung der Stadt Nürnberg (das Berufsbildungszentrum) nicht“ und würdigte seine Leistungen für das moderne berufliche Schulwesen als „einmalig in dieser Stadt“.

Krankheit, Tod und Trauerfeier

Am 3. September 2011 starb Eduard Rudolf im Kreise seiner Kinder. Der Trauergottesdienst fand am Donnerstag, den 8. September 2011, um 13.30 Uhr in der Evangelisch-Lutherischen Pfarrkirche Sankt Nikolaus und Sankt Ulrich in Nürnberg-Mögeldorf statt. Unter den vielen Trauergästen waren auch ehemalige Schulleiter, Lehrer und u.a. auch Professor Dr. Hermann Glaser und der Leiter des Amtes für Berufliche Schulen, OStD Walter Lang.

Pfarradministrator Jürgen Kalb, früher katholischer Religionslehrer an der Beruflichen Schule 3 Nürnberg, [3] hielt die Andacht und die Ansprache mit einem Rückblick auf das Leben des Verstorbenen. Eine weitere Ansprache hielt Dr. Dieter Wolz, von 2002 bis 2008 Schulreferent der Stadt Nürnberg. Das Requiem für Eduard Rudolf wurde musikalisch von dem HARMONIA VOCALIS a capella”-Ensemble gestaltet, in der Franz Rudolf die Bariton-Stimme singt.

Nach der Aussegnung in der Kirche erfolgte die Prozession zum Grab auf dem Friedhof Mögeldorf der evangelischen Kirchengemeinde Mögeldorf, Ziegenstraße 41, Nürnberg. Auch dort sang das HARMONIA VOCALIS-Ensemble.

Nach der Beerdigung fuhr man nach Diepersdorf zum Distlerhof, in dem Eduard Rudolf gern zu Gast war, und wohin Franz Rudolf die Trauergemeinde eingeladen hatte.

Charakteristika

Es sind einige humorige und kernige Aussagen Eduard Rudolfs überliefert, die ihn charakterisieren:

  • „Das Leben ist Krieg. Und es ist schön, daß Krieg ist, solange nicht scharf geschossen wird!“ [4]

Eduard Rudolf ließ im Berufsbildungszentrum an einer Wand im Erdgeschoß in großen Buchstaben folgenden pädagogischen Hinweis anbringen:

  • „Womit die anderen Völker das Wort Deutschland verbinden: MIT Sauberkeit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Genauigkeit, Arbeitsdisziplin, Technische Intelligenz. ABER AUCH MIT Maßlosigkeit, Hochmut, Unterwürfigkeit, Eigensinn.“

Ehrungen und Auszeichnungen

  • 4. November 1997 Feier anläßlich des 75. Geburtstages im Berufsbildungszentrum Nürnberg mit Büffet der B 3
  • Bundesverdienstkreuz am Bande
  • silberne Ehrennadel des Bayerischen Städteverbandes (seit 1982 „Bayerischer Städtetag“)
  • 1991 Nürnberger Trichter, der Buchpreis „Lesen für den Beruf“ der Bundesanstalt für Arbeit

Schriften

Zulassungsarbeit

  • Das Selbständigkeitsprinzip im Unterricht, Zulassungsarbeit bei Professor Josef Dolch am Berufspädagogischen Institut (BPI) in München, München, 1954

Denkschriften über das berufliche Schulwesen

  • 1. Zehn Thesen zur Neugestaltung des beruflichen Schulwesens der Stadt Nürnberg
  • 2. Infoschrift Über den Aufbau des beruflichen Schulwesens
  • 3. Denkschrift zum Ausbau der Alten Messe
  • 4. Hrsg. Neugestaltung des beruflichen Schulwesens der Stadt Nürnberg. Teil 4, ca. 1971
  • Denkschrift über Datenverarbeitung im Schulwesen: Vernetzung aller Beruflichen Schulen, 1986 (Eduard Rudolf holte Dipl.-Ing. ins Amt, Fa. Kienzle beriet)
  • 5. Alternative Denkschrift: Neubau eines BBZ in Langwasser für die B 2, B 5, B 6 und für die Abteilungen anderer Berufsschulen

Literatur

  • hpb (= Hans-Peter Buschheuer): Mann des Monats: Eduard Rudolf. Der Rohrstock-Pädagoge. In: Plärrer, Jg. 7, Heft 1, 1985, S. 9
  • Leonhard Lutz: Die kaufmännische Berufsschule 4, Nürnberg. Tradition und Innovation, B 4 50 Jahre 1946 – 1996. Nürnberg: Berufsschule 4, April 1996, 139 S.
  • uwo = Ute Wolf: Eduard Rudolf feiert heute seinen 75. Geburtstag — Großer Empfang in der B 3. Baumeister der beruflichen Bildung. In: Nürnberger Zeitung vom 4. November 1997
  • Egon Scholz: Die Gemeinden Hermsdorf und Johannnesberg. Forchheim, Obfr.: Heimatkreis Braunau, Sudetenland, 1982, 176 S. (Dorfbücher des Kreises Braunau, Sudetenland; Band 4)
  • Das Braunauer Land. Ein Heimatbuch des Braunauer Ländchens, des Adersbach-Wekelsdorfer und Starkstädter Gebietes. Hrsg. vom Heimatkreis Braunau. - Forchheim: Heimatkreis Braunau, 1971, VIII, 760 S.
  • NZ: Eduard Rudolf ist tot. Kämpfer für die Berufsschule. In: Nürnberger Zeitung Nr. 205 vom 5. September 2011, S. 9
  • Franz Rudolf, Sohn, u.a. Verwandte: Eduard Rudolf, * 4.11.1922, † 3.9.2011. Oberschuldirektor der Stadt Nürnberg i.R., Vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit der Schulaufsicht für Berufs- und Berufsfachschulen Beauftragter. Todesanzeige. In: Nürnberger Zeitung Nr. 207 vom 7. September 2011, S. 14

Medienecho

1950/51 2 Fernsehsendungen

Querverweise

Netzverweise

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Kurt Gemählich war von 1960 bis 1966 Vorsitzender des Nürnberger Lehrervereins (NLLV). Er ist Ehrenmitglied des BLLV. Er hielt bei der 35. Vertreterversammlung 5. bis 8. Juni 1963 in Nürnberg einen Vortrag über die „Demokratisierung der Schulaufsicht“.
  2. Harald Straube: Modell eines neuen Gymnasiums. Eine Denkschrift des Schul- und Kulturreferats der Stadt Nürnberg. Hrsg.: Referat Schul- und Kulturverwaltung der Stadt Nürnbrg. Freiburg im Breisgau: Rombach, 1966, 80 S. (Nürnberger pädagogische Modelle; Band 1); 2. Auflage, 1968
    Harald Straube und Paul Roller: Planung für das Schulzentrum Nürnberg-Langwasser. Nürnberg: Schul- und Kulturreferat, 1969, 173 gez. Bl.
    Harald Straube: Kleine Schulgeschichte. Die Nürnberger Gymnasien und Realschulen im letzten Vierteljahrhundert. Hrsg.: Stadt Nürnberg, Amt für Gymnasien, Realschulen und Gesamtschule. Nürnberg: Stadt Nürnberg, 1988, 70 S.
  3. Jürgen Kalb wurde 2006 zum Priester für die Diözese Eichstätt geweiht und war seitdem Kaplan in den Pfarreien St. Rupert und St. Wunibald.
  4. Sein Mitarbeiter Klaus Hauenstein am 9. September 2011