Joachim Gauck

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Joachim Gauck (* 24. Januar 1940 in Rostock) ist ein studierter Theologe. Er war ein evangelischer Pfarrer, Bürgerrechtler und Abgeordneter der Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2000 war er Bundesbeauftragter für die Unterlagen der Staatssicherheit („Gauck-Behörde“). Seit 2003 ist er Vorsitzender des Vereins »Gegen Vergessen – Für Demokratie«. Anläßlich der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 2010 unterlag Gauck erst im dritten Wahlgang dem von den Regierungsparteien nominierten Christian Wulff. Joachim Gauck lebt in Berlin.

Joachim Gauck, 22. Juni 1990
Wikimedia Commons
Joachim Gauck bei einer Pressekonferenz der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)
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Leben und Wirken

Herkunft

Während der ersten fünf Jahre seines Lebens wuchs Joachim Gauck zusammen mit seiner jüngeren Schwester Marianne im Ostseedorf Wustrow auf, auf dem Fischland, östlich von Rostock an der mecklenburgischen Küste.

Seine Eltern waren der Kapitän Joachim Gauck (* 1907) und Olga, geb. Warremann (* 1910 in Rostock), eine gelernte Bürofachfrau. Der Vater hatte in Wustrow die Seefahrtschule zuerst mit dem Steuermannspatent und 1940 mit dem Kapitänspatent A 6 beendet: Kapitän auf großer Fahrt. Er wurde zur Kriegsmarine eingezogen. Nach einem Einsatz in einer Minensuchflotille wurde er nach Adlershorst bei Gotenhafen (heute: Gdingen) an die Navigationsschule versetzt. Dort wohnte die Familie einige Monate in seiner Dienstwohnung. Kurz vor dem Einmarsch der Russen wurde der Vater von Ostpreußen in die Marine-Kriegsschule nach Flensburg-Mürwik versetzt, wo er in englische Gefangenschaft geriet. Den Einmarsch der Russen in Wustrow erlebte die Familie Gauck am 3. Mai 1945. Wenige Tage zuvor hatte Olga Gauck ihr drittes Kind geboren, Joachim Gaucks Bruder Eckart. Die Mutter zog mit den drei Kindern zu den Großeltern Warremann nach Rostock. Der Vater kehrte im Sommer 1946 aus der englischen Kriegsgefangenschaft nach Hause zurück. Er arbeitete als Arbeitsschutzinspektor für Schiffahrt in Rostock. Am 27. Juni 1951 wurde der Vater „abgeholt“ und verschwand spurlos.

Schule

„Schon im Alter von neun Jahren“ habe er gewußt, „daß der Sozialismus ein Unrechtssystem war“, sagte er 1991 in einem Interview. Bereits in der Schule machte Joachim Gauck keinen Hehl aus seiner Ablehnung des SED-Regimes.

Studium

Als man ihm nach dem Abitur ein Germanistikstudium verweigerte, wählte er statt dessen das Fach Theologie. Die Kirche erfuhr er als einen Freiraum, in dem „Anpassung als dominante Verhaltensform“ nicht gefragt war.

Während seines Studiums heiratete Joachim Gauck seine Jugendliebe Hansi.

Beruf

1965 trat Joachim Gauck in den Dienst der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche von Mecklenburg ein und wurde 1967 ordiniert. Anschließend arbeitete er als Pfarrer in Lüssow bei Güstrow. 1970 übernahm er eine Gemeinde in Rostock-Evershagen und engagierte sich nebenamtlich in der Jugendarbeit. Schon damals fiel sein Redetalent auf. Ab 1982 leitete er die Kirchentagsarbeit in Mecklenburg. Seine kritische Haltung zu Menschenrechtsfragen, Friedens- und Umweltthemen ließen ihn zum Objekt von Ausspähungs- und Disziplinierungsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit werden. 1983 legte die Stasi den Operativvorgang „Larve“ an, um die „staatsfeindlichen Aktivitäten“ des aufmüpfigen Theologen einzudämmen.

Neues Forum in Rostock

1989 gehörte er zu den Mitbegründern des Rostocker Neuen Forums. Im Herbst 1989 machte Joachim Gauck durch seine Predigten in der Rostocker Marienkirche auf sich aufmerksam, mit denen er ein Stück „Theologie der Befreiung“ zu praktizieren versuchte. Von diesen wöchentlich donnerstags stattfindenden Gottesdiensten gingen in Rostock die Massendemonstrationen gegen die SED-Diktatur aus. Schon in dieser Zeit setzte er sich für die Aufdeckung der Praktiken des Überwachungs- und Unterdrückungsapparats der Stasi ein.

Abgeordneter der Volkskammer

Nach dem Mauerfall übernahm Gauck politische Verantwortung: Im März 1990 zog Joachim Gauck als Abgeordneter der Bürgerbewegung in die Volkskammer ein, das erste frei gewählte Parlament der DDR. Er wurde zum Vorsitzenden des Parlamentarischen Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit gewählt.

Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen

Am 3. Oktober 1990 wurde er vom Bundespräsidenten und Bundeskanzler zum „Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes“ berufen. Er wurde laisiert, als er das Amt des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes übernahm. Sein Bundestagsmandat legte er kurz danach nieder.

Der Deutsche Bundestag wählte ihn 1995 mit großer Mehrheit für eine zweite (und letzte) Amtsperiode wieder. Bis zu seinem Ausscheiden im Oktober 2000 wehrte er sich immer wieder hartnäckig gegen die Schließung der Akten und verschaffte sich mit seiner kompromißlosen Amtsführung Respekt und Anerkennung quer durch die politischen Lager.

Joachim Gauck und Daniela Schadt
Foto: privat

Lebenspartnerschaft

Die Leitende Redakteurin Innenpolitik der Nürnberger Zeitung, Daniela Schadt, ist seit dem Jahr 2000 seine Lebensgefährtin.

Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“

Auch nachdem Gauck nach zehn Jahren aus dem Amt des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit ausschied, widmete er sich als Redner und Kommentator weiterhin dem Kampf gegen das Vergessen und Verdrängen der DDR-Vergangenheit.

2003 wurde Joachim Gauck Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, der im April 1993 gegründet worden war.

Lebenserinnerungen

Den Menschen in der DDR, so auch Joachim Gauck, wurden grundlegende Menschenrechte vorenthalten: Reisefreiheit, freie Berufswahl, freie Meinungsäußerung. In seiner Autobiographie vom Oktober 2009 „Winter im Sommer- Frühling im Herbst“ schildert Gauck seine Kindheit, seine Ablehnung der DDR-Diktatur, die Wende 1989, als in einer friedlichen Revolution die SED-Regierung gestürzt wurde, seine Arbeit in der „Gauck-Behörde“ und seinen Kampf für die Demokratie.

Der Anstoß zu dem Erinnerungsbuch ging vom Bertelsmann-Verlag aus. Bei diesem unterzeichnete Joachim Gauck einen Vertrag. Aber er bekennt, daß ihm das Schreiben schwerfiel. Er sei ein Redner, aber kein Schreiber. Deshalb nahm er die Hilfe von Helga Hirsch an, die seine Aufzeichnungen ordnete, straffte und präsentabel gestaltete.

Kandidatur bei der Wahl zum Bundespräsidenten

Im Juni 2010 kandidierte Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten. [1] Er trat für mehr Direkte Demokratie ein und galt als „Kandidat der Herzen“. Die Partei „Die Linke“ boykottierte in allen drei Wahlgängen seine Wahl.

Politisches Profil

In seiner neuen Rolle profitiert Joachim Gauck nicht nur von seiner Biographie, sondern auch von seiner brillanten Rhetorik. Im Juni 2000 wurde ihm insbesondere für seine Rede zum zehnten Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 1999 vor dem Bundestag der Dolf-Sternberger-Preis verliehen. Im August erhielt er in Bonn den Cicero-Redenpreis. Der Geehrte habe „jenseits der öffentlich Floskelsprache zuverlässige Auskunft über die Krise und Entwicklung der Deutschen Einheit erteilt“, hieß es in der Begründung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel urteilte: „Weil Joachim Gauck so eine spannende Persönlichkeit ist, sage ich natürlich aus vollem Herzen, daß ich ihm gerne meine Reverenz erweise, denn er hat sich in herausragender und auch in unverwechselbarer Weise um unser Land verdient gemacht – als Bürgerrechtler, politischer Aufklärer und Freiheitsdenker, als Versöhner und Einheitsstifter in unserem jetzt gemeinsamen Land.“

Auszeichnungen und Ehrungen (Auswahl)

Erinnerungen - Verlag Siedler
  • 1995 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
  • Juni 2000 Dolf-Sternberger-Preis
  • August 2000 Cicero-Redenpreis
  • 2005 Dr. h.c. mult., Ehrendoktor der Universität Augsburg [2]
  • 2010 Geschwister-Scholl-Preis, gestiftet vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Stadt München, verliehen 29. November 2010 für seine Lebenserinnerungen „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“

Veröffentlichungen (Auswahl)

Bücher

Podiumsdiskussionen (Auswahl)

  • Die friedliche Revolution 1989/1990 in Deutschland und Mittel- und Osteuropa. Podiumsgespräch am 21. Januar 2010 anläßlich des 70. Geburtstags von Dr. Joachim Gauck in der Bertelsmann-Repräsentanz, Unter den Linden 1, Berlin. Eine Veranstaltung des Siedler-Verlags und der Bundeszentrale für politische Bildung mit György Dalos, Dr. Joachim Gauck und Prof. Dr. Richard Schröder. Moderation: Thomas Krüger, Präsident Bundeszentrale für politische Bildung.

Literatur (Auswahl)

  • Von der Auflösung der Stasi-Zentralen zum Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Joachim Gauck spricht am 12. Januar 2009 über seine Arbeit als Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. In: Nachrichten der Universität Marburg vom 6. Januar 2009 - im Netz
  • Andreas M. Rink: Politik im Gespräch in Wolfenbüttel. Standing Ovations für Joachim Gauck. In: Vorwärts vom 19. Oktober 2010 - vorwaerts.de
  • lih: Joachim Gauck bei den Fränkischen Literaturtagen. Vom 5. bis zum 15. November lesen auch Joachim Gauck und Wladimir Kaminer in der Region. In: nordbayern.de vom 23. Oktober 2010 - nordbayern.de
  • radl [= Steffen Radlmaier]: Ein bunter Bücher-Herbst. 15. „LesArt“ in Fürth, Ansbach, Lauf und Schwabach. Ausverkauft sind die Auftritte von Joachim Gauck. In: nordbayern.de vom 27. Oktober 2010 - nordbayern.de
  • Herbert Fuehr: Gauck: Freiheit heißt für mich Verantwortung. Bürgerrechtler und Ex-Präsidentschaftskandidat im Gespräch — Lesung bei fränkischen Literaturtagen in Lauf. In: Nürnberger Nachrichten vom 12. November 2010 - NN
  • Isabel Krieger: Stehende Ovationen für Gauck. „Präsident der Herzen“ als Abschluss und Höhepunkt der Laufer Literaturtage. In: Pegnitz-Zeitung Nr. 264 vom 15. November 2010, S. 1 - PZ
  • Beke Maisch: Ossis fehlt die Übung. Joachim Gauck plädiert gekonnt für Verständnis. In: Nordbayerische Nachrichten vom 17. November 2010 - NN Forchheim

Querverweise

Netzverweise

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. tdo/APD/ddp: Joachim Gauck denkt an Heirat – und an Scheidung. In: Spiegel.de vom 20. Juni 2010 - SPIEGEL
  2. EhrendoktorInnen der Universität Augsburg - im Netz
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