Josephine Ahrens

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Josephine Ahrens (* 1989) ist eine ehemalige Gymnasiastin aus Oldenburg, die durch ihre erfolgreichen Gerichtsverfahren gegen die Rechtschreibreform bekannt wurde.

Josephine Ahrens

Leben und Wirken

Herkunft

Josephine Ahrens ist eine Tochter von Professor Carsten Ahrens und Gabriele Ahrens. Sie lebt in Oldenburg.

Schule

Josephine Ahrens besuchte ein Gymnasium in Oldenburg. 1998, in der dritten Klasse, kam sie mit einem Diktat nach Hause, in dem sie das Wort „Zucker“ wie gewohnt mit zwei k getrennt hatte: „Zuk-ker“. Ihre Lehrerin hatte ihr das als falsch angestrichen und ihr eine schlechtere Note gegeben; denn gerade war die Rechtschreibreform in den Schulen eingeführt worden, nach der man „Zu-cker“ trennen sollte. Ihre Eltern regten sich darüber auf, weil die Reform über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden worden war. Sie beließen es nicht dabei, sich bei der Schule zu beschweren, sondern klagten gegen das niedersächsische Kultusministerium. Josephine sollte weiterhin das Recht haben, in der traditionellen Duden-Orthographie unterrichtet zu werden und darin zu schreiben.

Klage gegen die Rechtschreibreform

Ähnlich wie die Gymnasiastin Christine Schanderl in Bayern erfolgreich gegen das Verbot des Tragens einer Stoppt-Strauß-Plakette klagte, hatte Josephine Ahrens 1998 erstmals gegen die Einführung der neuen Rechtschreibung geklagt und durchgesetzt, nach den alten Regeln unterrichtet zu werden. Diese Entscheidung hob das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Juni 2001 wieder auf.

Mit Hilfe des Rechtsbeistandes ihrer Eltern, des Professors für Rechtswissenschaften an der Universität Jena, Rolf Gröschner, klagte Josephine Ahrens erneut beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg.

Gröschner hatte auch 1998 die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Reform geführt. Der Ansatz damals: Eine Reform könne nicht ohne parlamentarische Zustimmung durchgesetzt werden, sonst sei sie verfassungswidrig. Die Richter sahen das anders und erlaubten die Einführung durch die Kultusminister. Die Grundrechte von Eltern und Schülern würden nicht verletzt.

Das OVG gab Josephine Ahrens trotzdem in der Sache recht, weil der Klagegrund im Fall Josephine ein anderer sei, so Gröschner. Jetzt kämpften er und seine Mandantin dagegen, daß Schüler für die korrekte Anwendung der alten Schreibweise bestraft werden. Im Beschluß des Eilverfahrens bescheinigten die Richter Josephine Ahrens, daß in ihren Schularbeiten die „herkömmliche Rechtschreibung“ weder beanstandet noch als falsch gewertet werden dürfe. Außerdem habe sie Anspruch darauf, in der „von ihr bevorzugten“ allgemein gebräuchlichen Orthographie unterrichtet zu werden.

Das OVG begründet seinen Beschluß damit, daß die allgemein akzeptierte Rechtschreibung auch die richtige sei. Es sei aber „höchst zweifelhaft“, ob das auf die neugeregelte Orthographie zutreffe. „Erhebliche Teile im deutschen Volke“ lehnten die Reform der Kultusminister ab, und in Presse und Literatur würden „zunehmend“ wieder die alten Regeln gelten.

Die Richter kritisierten auch das Rechtschreiburteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998: Einerseits gehe Karlsruhe davon aus, eine Schreibweise müsse im Land allgemein üblich sein, um verbindlich sein zu können. Andererseits bestätige das Urteil selbst, daß die neue Schreibweise den Unterricht einer erst noch zu erwartenden Änderung anpasse. Das sei „denkgesetzlich unmöglich“. Dennoch habe das Verfassungsgericht den Kultusministern erlaubt, die Reform an Schulen und Behörden einzuführen. Eine einstweilige Anordnung an den niedersächsischen Kultusminister, die alte Rechtschreibung gelten zu lassen, wollten die Lüneburger Richter allerdings nicht erteilen. Die Schülerin müsse auf ein Urteil warten, mit dem aber vor „Ende der Schulzeit der Antragstellerin“ nicht zu rechnen sei. [1]

Josephine Ahrens

Josephine Ahrens ist der Überzeugung, daß man mit dem Trick arbeite, den Fall so lange aufzuschieben, bis sie das Abitur gemacht habe. Dann entfiele der Klagegrund, so daß man den Fall nicht mehr entscheiden werde.

Interessen

Josephine Ahrens spielte vier Jahre im Schultheater und war einige Jahre seit ihrem elften Lebensjahr am Oldenburger Staatstheater beschäftigt. Sie sang drei Jahre in einer Band und nahm etwa vier Jahre lang Gesangsunterricht. [2]

Auszeichnung

Veröffentlichungen

Literatur

  • Astrid Geisler aus Elsfleth: Ein Kind aus der ß-Klasse. „ß kann ich viel schneller schreiben als ss“, sagt die Tochter. In ihrem Schulheft steht: „Laßt mich in Ruhe“. Dazu hat der Deutschlehrer bisher nichts gesagt. Reportage. In: taz vom 30. August 2001 - TAZ
  • Josefine Ahrens (15) aus Elsfleth: „Ich klage gegen die Rechtschreibreform“. In: bella Nr. 49 vom 24. November 2004, S. 23 - VRS-Forum
  • Reinhard Markner: Josephine, die Klägerin. Eine Schülerin scheitert vor Gericht mit ihrer Beschwerde gegen die neue Rechtschreibung. In: Berliner Zeitung vom Freitag, 10. Juni 2005 - BZ und: VRS-Forum
  • OVG Lüneburg Beschluß vom 13.09.2005, AZ: 13 MC 214/05 - im Netz [3]
  • Wer herkömmlich schreibt, macht keinen Fehler. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 217 vom Samstag, 17. September 2005, S. 1 - VRS-Forum
  • Prozeß: 16-Jährige gewinnt Klage gegen Rechtschreibreform. Eine Oldenburger Schülerin setzt sich mit ihrer Beschwerde gegen die neue Rechtschreibung durch: Die Richter bescheinigten Josephine Ahrens, 16, dass ihre alten Schreibweisen nicht als falsch gewertet werden dürfen. In: SchulSPIEGEL vom 30.09.2005 - SchulSPIEGEL, auch: [1]
  • RECHTSCHREIBREFORM: Höchst zweifelhaft. In: DER SPIEGEL Nr. 40 vom 1. Oktober 2005, S. 20 - SPIEGEL, auch: VRS-Forum
  • Dr. Wolfgang Kopke, Mainz: Briefe an die Herausgeber. Rechtschreibreform erneut vor Gericht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom Dienstag, 4. Oktober 2005, S. 8 - VRS-Forum
  • Carola Padtberg: Interview zur neuen Rechtschreibung. „Die arbeiten mit Tricks“. Die Oldenburger Schülerin Josephine Ahrens, 16, klagte gegen die Rechtschreibreform - und bekam Recht. Im SchulSPIEGEL-Interview erzählt sie, warum sie sich von den Gerichten trotzdem übers Ohr gehauen fühlt und was ihr an den neuen Regeln nicht passt. In: SchulSPIEGEL vom 7. Oktober 2005 - SchulSPIEGEL
  • Judith Lembke: Porträt. Eine Schülerin gegen die Rechtschreibreform. In: F.A.Z., 14.10.2005, Nr. 239 / Seite 48 - FAZ.Net
  • Gerichtsurteil: Elftklässlerin darf theoretisch (!) alte Rechtschreibung benutzen. In: Der Lehrerfreund vom 18. Oktober 2005 - im Netz
  • Manuela Sies: Ein Leben für die Orthographie. Seit acht Jahren kämpft die Oldenburger Schülerin Josephine Ahrens, 16, gegen die Rechtschreibreform. Kürzlich errang sie einen Etappensieg vor Gericht – und fürchtet doch, dass die landesweit verbindliche Entscheidung ausgesessen wird. In: taz Nord Nr. 7845 vom 14.12.2005, Seite 27 - TAZ und Schrift & Rede
  • Wolfgang Hildebrandt: Mich stört die Sinnveränderung vieler Wörter. Fragen an die Rechtschreibrebellin Josephine Ahrens. In: Deutsche Sprachwelt Ausgabe 22, Winter 2005/06 - im Netz
  • Jan Fleischhauer und Christoph Schmitz: Hit und Top, Tipp und Stopp. Seit dem 1. August 2005 gilt die neue Rechtschreibung in den meisten Bundesländern als verbindlich, die Lehrer aber können sie kaum durchsetzen. Die Bevölkerung hat die Reform ohnehin nicht akzeptiert. In den deutschen Schulen herrschen Unsicherheit, Verwirrung - und kollektiver Ungehorsam. In: DER SPIEGEL 1/2006 vom 2. Januar 2006, S. 124-132 - SPIEGEL
  • Die Sprachwahrer des Jahres 2005: Stadt Mühlhausen, Josephine Ahrens und Benedikt XVI.. In: DEUTSCHE SPRACHWELT vom 15. März 2006, Pressemitteilung - DSW
  • Thomas Paulwitz: Was Benedikt XVI. mit dem Papsthasser Müntzer verbindet. Die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT haben die Sprachwahrer des Jahres 2005 gewählt. In: DEUTSCHE SPRACHWELT Ausgabe 23, Frühling 2006, S. 10
  • Theo Müller, 15 Jahre alt, Schüler aus Oldenburg: Kampf der Walda-Meise. Wie aus einem Schuldiktat ein Gerichtsprozess wurde. In: Schekker Jugendmagazin (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung) Nr. 42, Februar 2007 - im Netz

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Netzverweise

  • Neues Gymnasium Oldenburg - im Netz

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. RECHTSCHREIBREFORM: Höchst zweifelhaft. In: DER SPIEGEL Nr. 40 vom 1. Oktober 2005, S. 20
  2. Am 13.03.2008 schrieb sie: „Ich bin Josephine Ahrens aus Oldenburg und bin 18 Jahre alt. Seit meinem elften Lebensjahr bin ich am Oldenburger Staatstheater beschäftigt und ich habe 3 Jahre in einer Band gesungen. Seit etwa 4 Jahren nehme ich Gesangsunterricht. Zudem habe ich bereits Kameraerfahrung und habe 4 Jahre im Schultheater gespielt.“ In Neue Gesichter Frauen - im Netz
  3. Anmerkungen: Nun können sich Schüler, die wie ihre Eltern die traditionelle Orthographie verwenden, auf den Beschluß des OVG Lüneburg vom 16.09.2005 berufen. Die vom OVG Lüneburg festgestellte fehlende Akzeptanz der Reform heißt zugleich, daß damit auch die Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1998 nicht vorhanden ist. Bei einer neuerlichen Anrufung müßte das BVerfG daher anders entscheiden.