Karl Albrecht Schachtschneider

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Karl Albrecht Schachtschneider (* 11. Juli 1940 in Hütten bei Gellin in Pommern) ist ein Staatsrechtslehrer. Er ist emeritierter Professor für Öffentliches Recht an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg am Institut für Wirtschaftsrecht in Nürnberg. Er lebt in Nürnberg.

Karl Albrecht Schachtschneider

Leben und Wirken

Herkunft

Schule, Studium und Promotion

Nach dem altsprachlichen Abitur 1960 in Berlin studierte Karl Albrecht Schachtschneider Rechtswissenschaften in Berlin, Bonn und Tübingen. 1964 bestand er das Erste, 1969 das Zweite Juristische Staatsexamen in Berlin. Am 8. Juli 1969 wurde er an der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin mit einer Doktorarbeit Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten zum Dr. iur. promoviert.

Akademische Laufbahn

Rechtslehre

Schachtschneider entwickelt, lehrt und vertritt eine von Immanuel Kants Freiheitslehre sowie den Ideen der europäischen Aufklärung ausgehende und auf Grundlage der Menschenwürde entfaltete Freiheits-, Rechts- und Staatslehre. Danach ist die demokratische Republik die einzige Staatsform, in der die Menschen das Recht, also das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf Grundlage der Wahrheit, finden und verwirklichen können. Recht sind demnach die Gesetze, die sich die verfaßte Bürgerschaft (das Volk, das sich zu einem Staat verfaßt hat, um unter eigenen Rechtsgesetzen zusammenzuleben) in Verwirklichung der Autonomie des Willens selbst gibt. In der Rechtslehre steht Schachtschneiders Lehre durch die Dogmatisierung des Rechts auf der Grundlage der Freiheit als Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür im Gegensatz zur meist vertretenen Herrschaftsdogmatik.

Schachtschneiders Anhänger halten seine Arbeiten für wegweisend. Seine Kritiker werfen ihm vor, eine zu idealisierte Lehre zu vertreten. Er selbst betont, daß es gerade in der Rechtslehre notwendig sei, über das tatsächliche Sein hinaus das Sollen zu bedenken, also das, was richtig ist.

Verfassungsbeschwerden

Karl Albrecht Schachtschneider reichte eine Reihe von Verfassungsbeschwerden beim deutschen Bundesverfassungsgericht ein. Die Verfassungsbeschwerden, die sich gegen bestimmte Schritte der europäischen Integration richteten – etwa gegen den Vertrag von Maastricht oder die Einführung des Euros – erlangten in den Medien große Aufmerksamkeit. Das Bundesverfassungsgericht gab Schachtschneider in nur einem Verfahren, dem Lissabon-Urteil, teilweise Recht. Schachtschneider selbst wertete jedoch noch weitere Urteile als Teilerfolge, da sie zu wichtigen Fortschritten in der Rechtsklärung führten. Zu den Verfassungsbeschwerden, die Schachtschneider beim Bundesverfassungsgericht einreichte, gehören:

vom Bundesverfassungsgericht teils verworfen, teils zurückgewiesen (siehe Maastricht-Urteil)
  • Verfassungsbeschwerde (1 BvR 48/94) gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 1993 wegen der Altschuldenforderung gegen eine LPG i. L. (1994),
vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen[1]
  • Verfassungsbeschwerde (1 BvR 2678/95) gegen die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 21. November 1995 und 13. Februar 1996 wegen Altschuldenforderung gegen einen übernommenen VEB (1995, 1996)
  • Verfassungsbeschwerde (1 BvR 2218/97) gegen den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 2. Oktober 1997 wegen Fondsausgleich (1997),
vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen[2]
  • Verfassungsbeschwerde (1 BvR 2503/97) gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs, Senat für Landwirtschaftssachen, vom 7. November 1997 wegen Unternehmensumwandlung (1997)
vom Bundesverfassungsgericht verworfen[3]
vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen[4]
vom Bundesverfassungsgericht teils verworfen, teils nicht zur Entscheidung angenommen[5]
  • im Auftrag von Peter Gauweiler: Verfassungsbeschwerde (2 BvR 839/05) in Verbindung mit einem Organstreitverfahren gegen das Zustimmungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum Vertrag über eine Verfassung für Europa (2005),
Verfahren eingestellt, da der Vertrag nach gescheiterter Ratifikation in Frankreich und den Niederlanden nicht in Kraft trat[6]
  • im Auftrag von Peter Gauweiler: Verfassungsbeschwerde (2 BvE 2/08 und 2 BvR 1010/08) in Verbindung mit einem Organstreitverfahren gegen das Zustimmungsgesetz und das Begleitgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum Vertrag von Lissabon (2008). Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über das Recht Schachtschneiders, sich in den Medien zu der Sache zu äußern, wurde ihm von Gauweiler das Mandat entzogen, so daß die von Schachtschneider verfaßte Antragsschrift vor dem Bundesverfassungsgericht stattdessen von den Anwälten Dietrich Murswiek und Wolf-Rüdiger Bub vertreten wurde. Allerdings hatte Schachtschneider unabhängig von Gauweiler ebenfalls Verfassungsbeschwerde eingelegt. Im Lissabon-Urteil wurde das Organstreitverfahren verworfen, der Verfassungsbeschwerde gegen das Begleitgesetz jedoch stattgegeben.[7]

Am 23. Oktober 2008 legte Schachtschneider außerdem im Auftrag einer Interessensgruppe vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof eine Individualbeschwerde gegen den 1995 erfolgten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ein.[8]

Am 7. Mai 2010 reichte Schachtschneider zusammen mit den Ökonomen Joachim Starbatty, Wilhelm Nölling und Wilhelm Hankel sowie dem ehemaligen Thyssen-Chef Dieter Spethmann Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Griechenland-Hilfe ein. Ihrer Ansicht nach verstoßen die Finanzhilfen gegen das EU-Recht. Die Beschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt.

Politisches Engagement

Karl Albrecht Schachtschneider war Mitglied der SPD, der CDU sowie Gründungsmitglied des 1994 gegründeten Bundes freier Bürger.

Der Bund Freier Bürger war eine verfassungstreue, liberal-konservative Partei, die aus einer Abspaltung bürgerlicher Kritiker des Maastricht-Vertrages und der europäischen Gemeinschaftswährung von der FDP hervorgegangen ist. Gegründet wurde sie von dem früheren Kabinettschef von EG-Kommissar Bangemann, Manfred Brunner, der zuvor FDP-Landesvorsitzender von Bayern war. Gründungsmitglieder waren u.a. die Staatsrechtler Hans-Heinrich Rupp (Mainz), Karl Albrecht Schachtschneider (Nürnberg-Erlangen) und Michael Kobler (Passau), die Wirtschaftsprofessoren Franz-Ulrich Willeke (Heidelberg) und Joachim Starbatty (Tübingen) sowie die pensionierten Diplomaten Erwin Wickert (Vater von Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert) und Hans Schauer.

Heute stärken viele der ehemaligen BFB-Protagonisten den rechtsbürgerlichen FDP-Flügel:

http://www.nlfdp.de
http://www.rheinischer-kreis.de

Veröffentlichungen

Dissertation

  • Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten. Juristische Fakultät der Freien Universität Berlin [West]. Teildruck. Berlin [West] 1969, XXX S., S. 119-184 (Dissertation vom 8. Juli 1969)

Habilitationsschrift

  • Staatsunternehmen und Privatrecht. Kritik der Fiskustheorie, exemplifiziert an § 1 UWG. Walter de Gruyter, Berlin 1986, ISBN 3-11-010141-6

Rechtswissenschaftliche Publikationen

  • Das Sozialprinzip. Zu seiner Stellung im Verfassungssystem des Grundgesetzes. 1974
  • Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre. Duncker und Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-08124-2
  • unter Mitarbeit von Olaf Gast: Sozialistische Schulden nach der Revolution. Kritik der Altschuldenpolitik. Ein Beitrag zur Lehre von Recht und Unrecht, Duncker und Humblot, Berlin 1996.
  • mit Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling und Joachim Starbatty: Die Euro-Klage. Warum die Währungsunion scheitern muß. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-22395-3
  • mit Angelika Emmerich-Fritsche: Recht der Vertragsärzte des Sozialgesetzbuches V, 1999
  • mit Richard Fuchs: Spenden was uns nicht gehört. Das Transplantationsgesetz und die Verfassungsklage. Rotbuch Verlag, Hamburg 1999, ISBN 3-434-53042-8
  • mit Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Joachim Starbatty: Die Euro-Illusion. Ist Europa noch zu retten?. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 2001, ISBN 3-499-23085-2
  • unter Mitarbeit von Angelika Emmerich-Fritsche, Dagmar I. Siebold, Peter Wollenschläger: Einführung in das Wirtschaftsverwaltungsrecht. 2001/2002
  • mit Wilhelm Hankel und Angelika Emmerich-Fritsche: Revolution der Krankenversicherung. Prinzipien, Thesen und Gesetz. Hansebuch Verlag, Hamburg 2002, ISBN 3-934880-05-3.
  • mit Beiträgen auch von Wilhelm Hankel, Angelika Emmerich-Fritsche, Andreas G. Scherer, Dagmar I. Siebold, Udo Wartha: Rechtsfragen der Weltwirtschaft. Duncker und Humblot, Berlin 2002, ISBN 3-428-10799-3.
  • Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht. 4. Aufl., Lehrstuhl für öffentliches Recht, Nürnberg 2005.
  • Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung. Rechtsgrundsätze versus Gerichtspraxis. Duncker und Humblot, Berlin 2004
  • Der Anspruch auf materiale Privatisierung. Am Beispiel des staatlichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern. Duncker und Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11026-9.
  • Prinzipien des Rechtsstaates. Duncker und Humblot, Berlin 2006, ISBN 3-428-12206-2.
  • Freiheit in der Republik. Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-12343-8.

Literatur

  • Beschwerde beim BVerfG für Verschiebung des Euro. In: Nürnberger Zeitung vom 13. Oktober 1997, S. 3
  • Dagmar I. Siebold, Angelika Emmerich-Fritsche (Hrsg.): Freiheit – Recht – Staat. Eine Aufsatzsammlung zum 65. Geburtstag von Karl Albrecht Schachtschneider. Berlin: Duncker & Humblot, Berlin 2005, 727 S., ISBN 3-428-11920-7
  • Georg Escher: «Dann ist Deutschland keine Demokratie mehr«. Eine Verfassungsklage des Nürnberger Staatsrechtlers Schachtschneider blockiert die Ratifizierung des EU-Vertrags. In: Nürnberger Nachrichten vom 24. Juni 2008 - NN
  • dpa: Dieser Nürnberger will die Athen-Hilfen verhindern. In: Nürnberger Zeitung Nr. 103 vom 6. Mai 2010 - NZ
  • Ursula Knapp, apn: Eilanträge gegen Hilfspaket. Nürnberger Professor führt die Rebellen an. In: Nürnberger Zeitung Nr. 105 vom 8. Mai 2010, S. 4

Querverweise

Netzverweise

  • Ehemaliger Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Lehrstuhlinhaber von 1989 bis 2006, Professor Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider - im Netz
  • Karl Albrecht Schachtschneider - ArztWiki

Einzelnachweise

  1. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts: 1 BvR 48/94
  2. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts: 1 BvR 2218/97
  3. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts: 2 BvR 50/98
  4. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts: 1 BvR 2156/98
  5. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts: Dokumente bei deJure.org
  6. Pressemitteilung von Peter Gauweiler: Bundesverfassungsgericht: Keine Ratifizierung der EU-Verfassung in absehbarer Zeit
  7. Urteil des Bundesverfassungsgerichts: 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09.
  8. Die Presse, 23. Oktober 2008: EU-Verträge: Verfassungsklage gegen Österreichs EU-Mitgliedschaft, vgl. auch die Klageschrift Schachtschneiders.