Korpsgeist der bayerischen Justiz (Gerhard Strate)

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Der Artikel Korpsgeist der Bayerischen Justiz (Gerhard Strate) gibt alle Redebeiträge wieder, die Rechtsanwalt Gerhard Strate im Rahmen einer Podiumsdiskussion am 2. Juli 2013 in München im PresseClubforum leistete. Darin kritisierte er insbesondere das Landgericht Regensburg und den Korpsgeist der Bayerischen Justiz: In Bayern dächten alle Richter wie Staatsanwälte.

Oktober 2014
Dezember 2014

Einführung

Im Sonder-Revisionsbericht der HVB vom 19. März 2003 heißt es, allen Mitarbeitern waren schwere Vergehen gegen interne Vorgaben und gegen externe Vorschriften anzulasten. Als externe Vorschriften werden genannt das Wertpapierhandelsgesetz, das Geldwäschegesetz und die Abgabenordnung. Es ging also um strafrechtliche und nicht nur um dienstrechtliche Vergehen. Da hätte man unbedingt ermitteln müssen. Quelle: Martin Runge (Nürnberger Rede)

Trotz des Mollath-Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtages schob das Langericht Regensburg seine Entscheidung über die Wiederaufnahmeanträge vor sich her. Gerhard Strate machte sich daher auf Grund seiner langjährigen Beobachtungen der bayerischen Justiz schon lange und nun erneut Gedanken über deren Mängel.

Dank gebührt Alfred Bomanns, der die Redeteile Gerhard Strates stenographierte und in Langschrift übertrug. Er hatte bereits die Nürnberger Rede Wilhelm Schlötterers übertragen.

Die von Gerhard Strate angegebenen Quellen wurden durch genauere bibliographische Angaben, Netzverweise und Fußnoten verifiziert und ergänzt. Die Rede wurde durch stichwortartige Inhaltsangaben gegliedert.

Übertragung der Rede

Vorgeschichte des Strate-Gutachtens

Minuten:
[0:00]
Ruthart Tresselt, Vorsitzender des Internationalen PresseClubs München: „Herr Strate, wollen Sie anfangen?“
Gerhard Strate: „Ja, wie soll ich anfangen? Also, ich könnte Ihnen einfach noch mal kurz erzählen, da bin ich allerdings in eine Falle gekommen, ich bin ja einer der erst später Dazugekommenen, ... Herr Schlötterer aus Nürnberg hätte auch noch mit dazugehört, ...
Bei mir war es so: Ich bekam Mitte November [2012] einen Anruf in Hamburg aus München. Solche Anrufe kommen nicht häufig. Und mich fragte ein Assistent von [unverständlich] und Streibl, ob ich denn bereit sei, im Fall Mollath ein Gutachten zu schreiben. Ich tat natürlich so, als ob mir der Fall Mollath gegenwärtig wäre. Ich wußte von dem Fall zu dem Zeitpunkt nichts.
[1:00]
Aber wie man das - das kennen Sie ja auch aus Ihrer Profession - man überspielt das halt, und bat ihn doch, mir die Dokumente zu schicken. Ich würde mir das dann anschauen.

Strafanzeige Gustl Mollaths

Was ich dann entdeckte, war in der Tat eine Strafanzeige von Herrn Mollath, die exakt das erfüllte, was normalerweise ein Jurist als Strafanzeige zu bezeichnen pflegt. In der Strafanzeige wurden detailliert, wenn auch vielleicht in einem etwas wilden Schriftbild - also Herr Mollath nutzte alle Möglichkeiten aus, die ein PC bietet, unterschiedliche Schriftbilder zu erzeugen: Groß- und Kleinschreibung - es wurden dann eine Vielzahl von Delikten aufgeführt, die sicherlich nicht alle zutrafen, aber nichtsdestotrotz wurden in dieser Strafanzeige Namen genannt, es wurden Verhaltensweisen benannt, die auch durchaus plausibel waren, bekannt waren.

Aufkauf von Banken im Ausland

Alle großen Banken dieser Republik haben in den 90er Jahren nach Einführung der Zinsabschlagsteuer
[2:00]
Banken in Luxemburg, kleine Banken in Luxemburg und in der Schweiz aufgekauft, die wurden dort als Tochtergesellschaften installiert, und dorthin nicht nur Millionen, Milliarden ihrer Kundengelder transferiert. Das lief über CPD-Konten [?], das lief über zum Teil auch Bargeldtransporte, das war eigentlich alles bekannt.

Bundesgerichtshof: Geldtransfers ins Ausland sind Beihilfe

Ich muß gestehen, ... eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dieser Sache, nämlich die vom 1. August 2000, in der der Bundesgerichtshof zum ersten Mal klar sagte, daß diese Handlungen der Bankmitarbeiter nicht etwa, wie man das früher gerne zu sagen pflegte, berufsneutrale Aktivitäten seien, sondern ganz klar bezeichnet hatte, daß diese Aktivitäten - nämlich diese Geldtransfers ins Ausland - sofern sie dazu dienen, daß dort eben Geld der normalen Einkommensteuer-Veranlagung entzogen werden soll,
3:00
daß diese Geldtransfers Beihilfe darstellen. Und ich muß gestehen: Just diese Entscheidung war meine eigene, denn der Bankmitarbeiter, ein kleiner Angestellter bei der Sparkasse in Wuppertal, war mein Mandant. Also insofern war ich mit diesen Sachverhalten durchaus vertraut; sie waren aber nicht nur mir vertraut, sie waren eigentlich allgemein bekannt. Also, das was Mollath dort in der Strafanzeige berichtete, war absolut nichts Neues.

Gutachten Strates über die Strafanzeige Mollaths

Er hatte allerdings in bezug auf die Vermögensabteilung der HypoVereinsbank in Nürnberg einen Sachverhalt geschildert, wo dann auch Namen genannt wurden. Also vier, fünf Mitarbeiter der Vermögensabteilung und dann noch wenigstens 14 oder 15 Kunden. Das stand alles in dieser Strafanzeige drin. Was will man mehr? Das hätte man sich eigentlich fragen müssen. Aber dann fand ich einen Monat später schon einen Bescheid einer Staatsanwältin, Frau Dr. - also ein vierbuchstabiger Name - die dann mitteilte,
4:00
daß die Behauptungen alle zu pauschal seien und sie sähe keine Veranlassung, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Und damit hatte sich's. Insgesamt vier Zeilen. Und das zu beurteilen, war ich von den Freien Wählern aufgefordert worden. Ich habe dann ein kleines Gutachten erstattet und gesagt: Was ein Tatverdacht ist, ist zumindest in den Kommentierungen relativ klar bezeichnet worden: Man muß Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat haben, wobei auch kriminalistische Erfahrung mitzuberücksichtigen ist. Vor dem Hintergrund all dessen, was schon in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom August 2000 geschildert worden war, war das klar, daß er hier das schilderte, was auch andere Banken gemacht haben: die West LB, die Deutsche Bank, die Dresdner Bank, Commerzbank. Das hat er in bezug auf die HypoVereinsbank, und zwar in bezug auf die zuständige Abteilung - Vermögensabteilung - der Filiale in Nürnberg geschildert.
5:00
Es bestand keinerlei Anlaß, diese Anzeige nicht ernstzunehmen. Sie wurde aber nicht ernstgenommen, sondern sie wurde abgetan. Und dann entwickelte sich alles Weitere um diesen Fall Mollath. Vielleicht erst mal. Das war mein Einstieg. Ich bin dann natürlich, für die freien Wähler hatte ich einmal zwei Jahre zuvor eine Strafanzeige gefertigt in bezug auf die Bayerische Landesbank, deshalb waren sie auf mich gekommen, und so kam ich dann [unverständlich] zu dem Fall Mollath und wurde in den Münchner und bayerischen Gazetten mehr erwähnt, als ich jemals in Norddeutschland erwähnt worden wäre. Das ist natürlich ein Verdienst.

Trotz Idiotendichte: Mollath ist ganz normal

Aber sie müssen nicht denken, daß ich damit jetzt irgendwie ganz dicke Mandate auch hier heimhole, mein Büro wird im Moment wirklich, es gibt, die Idiotendichte in unserer Bevölkerung ist wirklich sehr groß. Es gibt viele Verrückte. Das ist wirklich der Fall. Also, nicht Mollath, der ist ganz normal, das ist ein ganz ruhiger Franke, ganz freundlich.
[6:00]
Aber mein Büro wird im Moment täglich von Anrufen heimgesucht, von Zuschriften, die einfach so unglaublich sind, wobei da natürlich auch viele wichtige und - auch das merkt man - auch in dem, was so geschrieben wird, auch Sachverhalte geschildert werden, die wirklich auch eine Grundlage haben; aber ich kann das natürlich nicht bewältigen und das wird auch finanziell ein reines Fiasko, wenn ich all dem mich widmen wollte, also, der Fall Mollath macht mir schon Sorgen genug, in dieser Hinsicht jedenfalls.

Prognose der Entlassung und Rehabilitierung Mollaths

Sonst bin ich absolut zuversichtlich, also Mollath wird auf jeden Fall bald aus der Haft entlassen werden, das ist kein Spruch, und er wird auch mit Sicherheit voll rehabilitiert werden. Da nehme ich den Mund nicht zu voll; ich meine das ernst.“
[6:52]

[19:34]
„Also, da gäbe es eine ganze Menge, die man fristlos feuern müßte. Ich komme gleich mal dazu. Also ich würde es jetzt auch nicht für glücklich finden, wenn wir nun die arme Frau Merk hier immer - es ist zwar völlig richtig, was Sie bisher gesagt haben - jetzt so in den Mittelpunkt rücken würden. Man muß natürlich schon einige systematische Fehler in dem System auch benennen. Für mich ist genauso erschreckend, und das werde ich Ihnen gleich noch mal erzählen können, auch wirklich für Sie völlig nachvollziehbar,

Das bayerische Justiz-System

[unverständlich] für Sie völlig nachvollziehbar, erschreckend das Verhalten der drei Richter der nunmehr 7. Strafkammer beim Landgericht Regensburg ist. Das kann ich Ihnen vielleicht noch mal erläutern. Aber erst mal zum System. Was ich so in Bayern erlebe, Nürnberg kenne ich auch, Regensburg werde ich kennenlernen, was mir insbesondere auffällt, ist, daß einfach die Justiz insgesamt, und zwar die Strafjustiz, doch einen großen Korpsgeist hat, der vor allem dadurch bestimmt wird, daß wir hier ein System haben, wo wir ständig zwischen Staatsanwaltschaft und Richterschaft hin- und herwechseln. Die bayerische Strafjustiz hält das für großartig. Also, das erweitert die Perspektive, so wird behauptet, daß man mal den Standort wechselt. Das ist ja grundsätzlich immer richtig, aber wozu führt das? Es führt einfach schlicht dazu, nicht daß alle Staatsanwälte wie Richter werden, sondern daß alle Richter wie Staatsanwälte werden. Das ist wirklich etwas ganz Spezifisches hier in Bayern. Ich habe in Würzburg mal vier Monate lang verhandelt, und ich habe natürlich, so wie ich es gewohnt bin, auch Anträge gestellt - Beweisanträge -, auch hin und wieder beanstandet, was der Vorsitzende zum Besten gegeben hat. Das Gericht ist in vier Monaten ein einziges Mal abgewichen von den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Die haben immer alles gemacht, was die Staatsanwaltschaft beantragt hat. Und das ist auch einfach eine Mentalität, durch die dieses System hier befördert wird. Des weiteren ist auch ein großes Problem die Art und Weise, [unverständlich] und wie man als Richter befördert wird. Es gibt hier nur eine einzige Stelle, die darüber entscheidet, nämlich das Staatsministerium der Justiz und Verbraucherschutz. Es gibt eine ganze Reihe von Bundesländern, beispielsweise in Hamburg, wo die Richterernennung [?] Aufgabe eines Richterwahlausschusses ist. Da hat natürlich, wie es sich auch gehört, denn die Ernennung des Richters ist natürlich immer auch eine Sache der Exekutive, aber da hat in diesen Richterwahlausschüssen natürlich auch der Senat etwa in Hamburg oder in Berlin [unverständlich] die Landesregierung auch einen maßgeblichen Einfluß. Sie haben eine starke Fraktion innerhalb des Richterwahlausschusses, aber trotzdem werden auch bei der Bürgerschaft bei uns gewählte Bürger, die von den Parteien benannt werden, auch von den Anwaltskammern, gehören mit dazu, die sachkundig sind in Fragen der Justiz. Und so geschieht doch eine Kontrolle bei der Richterernennung und auch bei der Beförderung von [unverständlich] leitender Stellen, die etwas mehr sachkundige Kontrolle hat. Ich habe wirklich den Eindruck - und da komme ich jetzt noch einmal zurück auf mein geliebtes Landgericht Regensburg -, daß hier in sehr weit ausgreifendem, vorauseilendem Gehorsam Gerichte das tun, was quasi die Erwartung auch des politischen Umfeldes ist. Da muß man gar nicht dirigierend eingreifen [unverständlich], sondern das ist ein Prozeß der Osmose, man weiß, was erwartet wird, und das tut man. Und beim Landgericht Regensburg, Sie müssen sich vorstellen: da hängt jetzt unser Wiederaufnahmegesuch.

Staatsanwaltschaft Regensburg: Rechtsbeugung

Also, ich war ja vorgeprescht, und jetzt wissen wir ja, daß die Staatsanwaltschaft eigentlich noch schneller war als ich. Sie hatte ja auch frühzeitiger die Akten und hat auch wunderbare Wiederaufnahmegesuche zumindest schon entworfen, vielleicht auch schon fertig gehabt, die exakt das dann auch beschrieben, was ich dann in meinem Wiederaufnahmegesuch vom 19. Februar dann auch geschrieben habe, nämlich Rechtsbeugung durch den Vorsitzenden der 7. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth.
[24:28]
Und eine davon, die möchte ich Ihnen schon mal bezeichnen, die begreifen Sie sofort. Da muß man wirklich nicht Jurist sein, sondern einfach nur normal denkender Mensch mit einfacher Urteilskraft, die vom Verstand, aber auch durchaus ein bißchen vom Herzen her gebildet wird.

Rechtsbeugung durch Beiordnung eines abgelehnten Verteidigers

Mollath hatte bei seinen ersten Auftritten beim Amtsgericht einen Verteidiger beigeordnet bekommen. Das war ein Verteidiger - ich will jetzt gar nicht den Namen nennen - aus Nürnberg. Und der Verteidiger hat schon bei der ersten Verhandlung [unverständlich] vier Monaten ihm gesagt: 'Gestehen Sie das doch, kriegen Sie eine kleine Geldstrafe, dann hat sich's.' Mollath operierte gegen diesen Verteidiger, und sie verhakten sich immer weiter ineinander und gegeneinander. Mollath lehnte diesen Verteidiger ab, aber er war gerichtlich bestellt worden vom Amtsrichter. Und er blieb auch noch gerichtlich bestellt beim Landgericht. Obwohl die Staatsanwaltschaft und genauso auch die Staatsanwaltschaft ihrerseits wiederholt beantragt hatte, die Beiordnung dieses Verteidigers aufzuheben. Und auch der Verteidiger selbst hatte beantragt, daß doch seine Beiordnung aufgehoben werden möge. Was war der Hintergrund? Also, Mollath muß offenbar - so jedenfalls die Schilderung dieses Nürnberger Kollegen - irgendwann im Jahre 2004 an einem Freitagabend - ich würde mir das auch nicht gefallen lassen - bei dem Kollegen Sturm geklingelt haben, und als er dann mit der Gegensprechanlage fragte: 'Wer ist da?', da sagte er: 'Mollath', und er möchte gerne mit ihm sprechen. Er sei nur noch für einige Tage in Nürnberg, und es sei ganz dringend. Daraufhin sagte der Kollege, der ihm als Pflichtverteidiger beigeordnet war: 'Nein, Freitag abend geht nicht; und rufen Sie am Montag an und machen Sie mit meinem Büro einen Termin aus.' Darüber war Mollath empört, er wollte nur kurz mit ihm sprechen, und wieso verweigert sich der? Dann - so die Schilderung des Kollegen; Mollath schildert es ein bißchen anders; aber belassen wir es bei der Schilderung des Kollegen - Mollath habe daraufhin noch heftig gegen die Haustür gehauen. Und daraufhin sei er dann noch, weil er Mollath nicht begegnen wollte, noch eine Stunde länger im Büro geblieben. Das ist eine Schilderung, die dann der Kollege auch dem Amtsgericht mitgeteilt hat. Das ist natürlich auch befugt, korrekt, weil er diese Mitteilung verbunden hat mit einem Antrag, ihn doch jetzt endlich einmal von dieser Pflichtverteidigung, von diesem [unverständlich] Mandat zu entbinden. Ob Mollath sich da korrekt verhalten hat oder nicht, das will ich jetzt gar nicht beurteilen. Es war jedenfalls Zwiespalt zwischen den beiden, es war ein Konflikt, der auch darauf hinauslief, daß Mollath ihm mehrfach dann gegen die Türe pochte und der Verteidiger um seine Entbindung bat. Dieser Sachverhalt wird auch geschildert in dem Beschluß, den das Amtsgericht gefaßt hat, mit dem es dann die Sache verwiesen hat an das Landgericht. Und dort wird als Beispiel für die Gefährlichkeit Mollaths - also in dem Beschluß steht, es ginge jetzt nicht mehr nur um Aburteilung irgendeiner gefährlichen Körperverletzung, sondern es ging jetzt wirklich um den Schutz der Bevölkerung vor diesem gefährlichen Mollath und um die Unterbringung, und dafür ist jetzt nur noch allein zuständig das Landgericht, d. h., das Amtsgericht mußte das ans Landgericht abgeben. Und in dem Beschluß, mit dem es dann abgibt, beschreibt es exakt diesen Sachverhalt und sagt, nunmehr werde auch noch der Verteidiger angegriffen, das sei ein weiterer Hinweis auf die Gefährlichkeit Mollaths.

Verteidiger Zeuge gegen eigenen Mandanten

Also Resümee: Der Verteidiger ist Zeuge gegen den eigenen Mandanten, und er ist der Beleg dafür, daß M. untergebracht werden muß. Das ist ein ganz klassischer Interessenkonflikt, wie er schlimmer - oder besser - nicht zu schildern ist. Der Verteidiger (kann) hat geschildert eine Attacke seines Mandanten auf ihn, und hat das dem Gericht mitgeteilt. Er kann in einer solchen Situation, im Gesetz steht: Was ist die Aufgabe eines Verteidigers? Er ist Beistand. Er muß seinem Mandanten beistehen. Dazu gehört nicht, daß er dem Gericht schildert, wie dieser Mandant ihn attackiert. Es ist völlig klar: Er durfte von Gesetzes wegen nicht mehr Verteidiger sein in dieser Situation. Das war auch beiden klar, sowohl M. wie auch Herrn Dolmany, dem Kollegen aus Nürnberg, jetzt habe ich den Namen fast aus Versehen genannt, aber er steht auch in meinem Wiederaufnahmegesuch. Und beide haben dann wiederholt darum gebeten, doch jetzt endlich entbunden zu werden. Aber nein, der Vorsitzende Richter am Landgericht Brixner läßt Mollath mit diesem Verteidiger in sein Fiasko sausen in dieser Verhandlung, die nur sechs Stunden gedauert hat, die mit einer Unterbringung endete. M. war nicht verteidigt, M. war nicht verteidigt. Er hatte einen Verteidiger, der nicht hätte auftreten dürfen. Und dieser Sachverhalt - und jetzt komme ich zum Landgericht Regensburg - ist völlig klar. Ich garantiere Ihnen: Jeder von Ihnen stimmt mir hier zu. Er hätte nicht Verteidiger sein dürfen. Ich glaube nicht, daß auch nur irgendeiner dieser Meinung, die ich jetzt hier vertrete, hier widersprechen würde.

Skandalöses Landgericht Regensburg und die Wiederaufnahmegesuche

Aber da gibt es nun das Landgericht Regensburg mit drei Berufsrichtern, erneut wieder drei bayerische Berufsrichter, und das war in der Oberpfalz, und die sitzen über einem Wiederaufnahmegesuch von 140 Seiten von Herrn Strate, die sitzen über einem Wiederaufnahmegesuch der Staatsanwaltschaft von 150 Seiten, und dann sitzen sie auch noch über einem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. August 2006 von 32 Seiten. Und das ist Stoff! Das ist Stoff! Das sind insgesamt 322 Seiten. Und, ja, und ich wurde dann mal etwas ungeduldig und hatte dann Anfang Mai beantragt, daß Herr M., weil die Wideraufnahmegesuche doch zwingend seien, jetzt schon mal vorläufig aus der Haft entlassen wird. Da bekomme ich am 28. Mai von der Vorsitzenden Richterin eine Mitteilung: Das sei alles sehr komplex. Und angesichts der Komplexität der Wiederaufnahmegesuche könne man noch nicht absehen, wann die Kammer überhaupt entscheiden werde. Sie haben bis heute immer noch nicht entschieden. Jetzt haben sie angekündigt, daß sie irgendwie bis Ende Juli entscheiden wollen, wahrscheinlich weil dann die Sommerferien beginnen und die Richter irgendwie noch minderjährige Kinder haben. Das ist dann das Kriterium, daß jemand jetzt über den Freiheitsanspruch Mollaths entscheidet. Das Verhalten dieser Kammer in Regensburg ist so skandalös, die Wideraufnahmegesuche - es reicht nur ein Wiederaufnahmegrund, der mit dem Verteidiger, oder ein anderer von der Staatsanwaltschaft, den ich genauso Ihnen (ich will jetzt nicht weiter reden), den ich genauso Ihnen einprägsam erklären könnte -, das würde reichen, Herrn M. sofort zu entlassen, sofort auf freien Fuß zu setzen. Man läßt ihn aber in der Psychiatrie. Und das finde ich so skandalös, das finde ich noch viel skandalöser als die etwas unbeholfenen und immer wieder sich windenden Interviews, die Frau Merk abgibt. Frau Merk ist mir völlig egal. Das Landgericht in Regensburg ist für mich derjenige, mit seinen Mitgliedern, oder dasjenige, das mit seinen Mitgliedern, [Stimmengewirr, Unterbrechung durch den Moderator] darf ich das noch kurz zu Ende führen. Ich bin jetzt gerade am Schluß. Nicht dazwischenreden. Verzeihen Sie, ich bin Anwalt, ja, ich lasse mir von keinem Gericht dazwischenreden, und auch wenn mein lieber Moderator das gut meint. Ich war gerade beim Schlußsatz. Aber jetzt, nein, nein, jetzt bin ich schon fertig.
[32:28]

[41:36]
Es gibt eine gewisse Zeitverschiebung zwischen dem, was Richter denken, was von ihnen erwartet wird, und dem was [unverständlich] tatsächlich Entscheidenden schon eigentlich von der Justiz erhoffen. Also, da gibt es Unterschiede. Das war jetzt etwas kryptisch; tut mir leid.
[41:58]

Rechtsbeugung durch Richter Brixner

[44:13]
Also, die Rechtsbeugung jetzt gerade in bezug auf die fehlende Verpflichtung des sogenannten Pflichtverteidigers, die ist insofern völlig eindeutig, weil Herr Brixner in dem von ihm allein unterschriebenen Urteil den Vorfall an der Tür der Anwaltspraxis selber noch einmal schildert. Er schildert ihn allerdings noch etwas weitergehend, als der Kollege ihn damals dem Amtsgericht mitgeteilt hat. Dort schreibt der Kollege nur, er habe, um nicht mit Mollath zusammenzutreffen, weil er befürchtete, er würde möglicherweise noch vor dem Haus stehen, er habe noch eine Stunde länger gearbeitet. In dem Urteil gegen Mollath erscheint es so, daß der Kollege durch Mollath anderhalb Stunden eingesperrt sein soll. Also es ist richtig dann noch eine Freiheitsberaubung. Er schildert also, daß Mollath sich einer strafbaren Freiheitsberaubung zum Nachteil seines Verteidigers schuldig gemacht habe. [1] D. h., Herrn Brixner war dieser Interessenkonflikt, daß der nämlich gar nicht Beistand sein konnte, wegen dieser heftigen Auseinandersetzung, war ihm voll bewußt; aber trotzdem hat er den Entpflichtungsanträgen nicht entsprochen und Mollath weiterhin faktisch unverteidigt gelassen. Das ist der klassische Fall, der eindeutige Fall einer absichtlichen Rechtsbeugung. Das ist ein elementarer Rechtsbruch. Und da muß man nicht lange drüber nachdenken, da muß man nicht lange drüber diskutieren. Es ist völlig eindeutig. Weshalb die Staatsanwaltschaft in Regensburg - ich kenne sie ja dort, das sind gute Leute -, sie wurden allerdings, das habe ich mir noch mal als, verzeihen Sie, ich will jetzt nicht wieder zu lange reden, aber ich habe es mitgebracht, ich will es einfach mal vorlesen: die Akte in Regensburg, das ist ganz wunderbar, also ich habe Herrn Dr. Meindl, [2] den ich sehr schätze, wirklich ein feiner Kerl, er hat dieses Wiederaufnahmegesuch in der letzten Fassung unterschrieben, auch schon in früheren Fassungen unterschrieben,

Die Rolle des Generalstaatsanwaltes

aber was da in der Staatsanwaltschaft abläuft, das soll mich jetzt hier nicht interessieren. Der Antrag ist jedenfalls gestellt und er ist gut. Aber wie beginnt das Verfahren in Regensburg? Das beginnt mit einem kleinen Schreiben (3 Zeilen). Da steht oben drauf:

Der Generalstaatsanwalt in Nürnberg. Und dann heißt es: Herrn Leitenden Oberstaatsanwalt in Regensburg. Verfahren Mollath. Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Ohne Anrede, aber das ist innerhalb der Staatsanwaltschaft offenbar nicht üblich. Unter Bezugnahme auf das soeben geführte Telefongespräch bitte ich einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten bei dem zuständigen Gericht zu stellen.

Das letzte Wort ist entscheidend. Nicht etwa zu prüfen, nein, schon zu stellen! D. h., ohne Prüfung wird gesagt: Stellen Sie mal einen Antrag. Das ist natürlich für meinen Mandanten wunderbar, aber, wenn man sich das vorstellt, wie es auch umgekehrt laufen kann: Ziehen Sie diese Anklage wieder zurück! Diese Anweisung gibt es dann natürlich auch genauso. Hier ist es zugunsten meines Mandanten, aber ohne daß überhaupt der zuständige Dezernent die Möglichkeit hatte, überhaupt die Erfolgsaussichten eines Wiederaufnahmegesuches zu überprüfen, wird ihm schon die Anweisung erteilt, es zu stellen. Das ist unglaublich. Das ist gut [?] für meinen Mandanten, der sagt: Da protestiere ich nicht. Nur, Sie müssen einfach mal sehen, wie man hier in der Staatsanwaltschaft in Bayern funktioniert. Und das wird durch diesen Dreizeiler - den wollte ich eigentlich nicht öffentlich machen - aber da ich ja viele interessierte und aufgeklärte Journalisten vor mir habe [unverständlich] mitgebracht.
[48:05]

Literatur

Videos

  • PresseClubforum: Im Namen des Volkes? - Zum Beispiel „Die Affaire Mollath“. Veröffentlicht am 07.07.2013 von F. Fischer - YouTube (Auf dem Podium: Dr. iur. h.c. Gerhard Strate, Rechtsanwalt von Gustl Mollath, Olaf Przybilla und Uwe Ritzer (SZ und Autoren des Buches „Die Affaire Mollath. Der Mann, der zuviel wusste“). Moderation: Ruthart Tresselt, Vorsitzender Internationaler PresseClub München. Gerhard Strate kritisiert den Korpsgeist der Bayerischen Justiz. In Bayern denken alle Richter wie Staatsanwälte.)
    • Thema des Tages: „Mollath wird rehabilitiert“ – bloß wann? Auf dem Podium beim PresseClub-Forum diskutierten: Dr. iur. h.c. Gerhard Strate, Rechtsanwalt von Gustl Mollath, Olaf Przybilla und Uwe Ritzer (SZ und Autoren des Buches „Die Affäre Mollath. Der Mann, der zuviel wusste“). Moderation: Ruthart Tresselt, Vorsitzender Internationaler PresseClub München. In: Internationaler PresseClub München e.V. vom 2. Juli 2013 - presseclub-forum.de

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Netzverweise

  • Ungeschwärzter Sonder-Revisionsbericht Nr. 20546 der HVB vom 19. März 2003, 17 Seiten, als Fax der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vom 3. Dezember 2012. In: Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg an das Landgericht Regensburg vom 18.3.2013, 152 S.; hier: S. 115-152, Numerierung der Staatsanwaltschaft: S. 269-285 - PDF strate.net/de (Darin werden alle Namen der von der HVB geprüften Mitarbeiter, ihre Verfehlungen und die personellen Konsequenzen genannt.)
  • Gustl Ferdinand Mollath an Generalstaatsanwalt Dieter Neumann, Berlin: Anzeige wegen Steuerhinterziehung, Steuerumgehung, Geldwäsche, Anstiftung und Beihilfe dazu, Insidergeschäfte, Schwarzarbeit usw. vom 9. Dezember 2003, 6 Seiten - PDF anstageslicht.de
  • Gustl Ferdinand Mollath an Generalstaatsanwalt Dieter Neumann, Berlin: Anzeige wegen Steuerhinterziehung, Steuerumgehung, Geldwäsche, Anstiftung und Beihilfe dazu, Insidergeschäfte, Schwarzarbeit usw. vom 9. Dezember 2003, 6 Seiten - PDF gustl-for-help.de
  • Sonder-Revisionsbericht Nr. 20546 der HVB vom 19. März 2003, 17 Seiten - PDF swr.de
  • HypoVereinsbank, Prüfungsleiter Heß: Sonder-Revisionsbericht - vertraulich - Prüfungsnummer 20546 vom 19. März 2003, 17 Seiten - us.archive.org Dieser Revionsbericht wird genauer analysiert im sog. Opablog.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Anmerkung: Otto Brixner hat das Urteil zwar unterschrieben. Aber Berichterstatterin war Richterin Petra Heinemann.
  2. Oberstaatsanwalt Dr. Wolfhard Meindl, zugleich Pressesprecher - gustl-glossar.de/
    * Wolfhard Meindl (* 1956), Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Regensburg (ab 17.09.2001, ..., 2012) - 2010, ..., 2012: Pressesprecher bei der Staatsanwaltschaft Regensburg. In: Väternotruf informiert zum Thema Staatsanwaltschaft Regensburg - vaeternotruf.de
    Anmerkungen: Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl beschrieb seine Lage vor dem Mollath-Ausschuß des Bayerischen Landtags so: „Mein Auftrag war: Führe ein Wiederaufnahmeverfahren zugunsten Gustl Mollaths.“ „Ein guter Jurist kann alles in jede Richtung schreiben“, sagte Meindl vor dem Ausschuß. „Sie können Unschuldige hinter Gitter bringen, einen Schuldigen freisprechen.“
    * Beate Lakotta: Alles auf Anfang. Ab nächster Woche findet in Regensburg das Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath statt. Er hat angekündigt, seine Unschuld zu beweisen. In: DER SPIEGEL Nr. 27 vom 30. Juni 2014, S. 30 f. - https://magazin.spiegel.de/digital/index_SP.html#SP/2014/27/127862076