Korrektoren in der Presse

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Die Korrektoren in der Presse waren Anwälte des Lesers. Sie sorgten dafür, daß richtig und verständlich geschrieben wird. Sie gehören zu den aussterbenden Berufen, weil der Computer die Korrekturarbeit übernehmen soll.

Geschichte

Seit es das Druckgewerbe gibt, gab es Korrektoren.

Am 1. August 1999 wurde bei den meisten Zeitungen die reformierte Rechtschreibung in Gestalt der Presseorthographie der Deutschen Presse-Agentur und einer eigenen Hausorthographie eingeführt. Bis dahin hatten die meisten Korrektoren den Duden im Kopf und mußten nur selten nachschlagen. Danach aber mußten sie zeitaufwendig in mehreren Wörterbüchern nachschlagen, z.B. im Duden, im Bertelsmann-Rechtschreibwörterbuch, im Wörterverzeichnis der Deutschen Presse-Agentur und im hauseigenen Wörterverzeichnis der jeweiligen Zeitung.

Rechtschreibreform

Nach der Schulschreibreform von 1996 [1] übernahmen die meisten Zeitungen am 1. August 1999 die Presseorthographie der Deutschen Presse-Agentur, [2] die trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes und entgegen dem Volksentscheid in Schleswig-Holstein vom 27. September 1998 freiwillig umgestellt hatte. Die Zahl der Schreibfehler stieg seitdem. [3] Leserbriefe in herkömmlicher Rechtschreibung wurden in der Regel in diese Presseorthographie umgewandelt. Auch das ist eine Fehlerquelle. Anzeigentexte, wie z.B. Todesanzeigen, und Fortsetzungsromane mußten jedoch auf Wunsch der Autoren unter Beachtung des Urheberrechtes in der traditionellen Orthographie veröffentlicht werden.

Einsparung von Korrektoren

Im Pressewesen wurden Korrektoren eingespart, denn die Zeit zum Redigieren fehlt. Der Computer soll mit seinem Korrekturprogramm die Korrekturarbeit übernehmen. Aber das Korrekturprogramm baut viele Fehler hinein, z.B. Fraktion-schef. All das muß von Hand korrigiert werden und von Hand in einen Thesaurus der Ausnahmen hineingeschrieben werden. Durch die Einsparung von Korrektoren fördern die Medien die Verschlampung der Sprache.

Beispiele

Main-Echo

2003 wurden 10 Korrektoren im Main-Echo betriebsbedingt gekündigt. Zwei wurden für die Todesanzeigen behalten.

Main-Post

Nachdem der Musikjournalist Diether Steppuhn am 8. Februar 2007 im Congress Centrum Würzburg in der großen Bastian-Sick-Schau zum Buch: »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod«  war, schrieb er an die MAIN-POST: „Das MAIN-POST-Lesen ist … nicht angenehmer geworden („Stängel“ und „aufwändig“ sind und bleiben falsch und ärgerlich), … und die Rechtschreibfehler nehmen zu, wie es auch zu erwarten war und was unvermeidlich noch schlimmer werden wird... Gestern war ich bei Bastian Sick, und heute lese ich die Meldung vom Handy, das in einen Öltank fiel: Da war „einem Mieter sein Handy ... in den Öltank gefallen“. Es stimmt schon: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod! Es ist schon schade, daß es bei den allermeisten Zeitungen keine Lektoren mehr gibt, denen solch ein Schnitzer auffällt...“

Literatur

  • Der Sprachwart. Monatsblatt für Sprachpflege und Rechtschreibung. Fachmitteilungen für die deutschen Korrektoren, hrsg. von der Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands. 19.1927 - 25.1933,7; damit Erscheinen eingestellt. Berlin, 1927
  • Mal so - mal so. Eine Auslese aus der deutschen Rechtschreibung für jedermann. Nach Duden bearbeitet im Auftrage der Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands von Alfred Cziszewski. Aussig: Selbstverlag 1938, 158 S. (Über häufige Rechtschreibfehler und Sinnentstellungen im Alltag)
  • Mal so - mal so. Eine Auslese aus der deutschen Rechtschreibung für jedermann. Herausgegeben im Auftrage der Korrektoren Deutschlands nach Duden bearbeitet von Alfred Blaschko-Cziszewski. Berlin: A-B-C-Fachbuchverlag 1947, 158 S.
  • Klaus Kolbe: Die Einheitlichkeit der Rechtschreibung war immer oberstes Gebot der Jünger Gutenbergs. In: DRUCK + PAPIER Nr. 6, Dezember 2004, S. 5 – Leserbriefe - VRS-Forum
  • Kristina Wied: Redigieren und Kritisieren. Ergebnisse einer Befragung von Printjournalisten. Universität Bamberg, Oktober 2006 - [1]
  • Magnus Zawodsky: Der unfreiwillige Humor des Rechtschreibprogramms. Wenn aus der Saurierhaut auf einmal Sauerkraut wird. In: Nürnberger Zeitung Nr. 90 vom 17. April 2008, S. 24

Querverweise

Netzverweise

  • Korrektor/in - Bundesagentur für Arbeit - BA
  • Werbetexter / Korrektoren / Lektoren als Opfer - VRS-Forum
  • Computer- und Internet-Orthographie - VRS-Forum

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Es wurde und wird in der Presse häufig kolportiert, es gebe ein Rechtschreibgesetz. Auch diese von vielen Medien verbreitete Desinformation führte dazu, daß die meisten Zeitungen nicht mehr in der traditionellen Rechtschreibung erscheinen, die in der Bevölkerung vorwiegend üblich ist, sondern eigene Hausorthographien verwenden. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1998, Az.: 1 BvR 1640/97, S. 59, wurde festgestellt, es gebe kein Rechtschreibgesetz, sondern bloße Kultusministererlasse. Jedermann könne außerhalb des Schulbereichs so weiterschreiben wie bisher. Damit bestätigte das Bundesverfassungsgericht den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26. März 1998: „Die Sprache gehört dem Volk.“ So wurde beispielsweise auch das Stadtlexikon Nürnberg in der traditionellen Orthographie verfaßt.
  2. Die Deutsche Presse-Agentur hatte eine von der Rechtschreibreform abweichende eigene Hausorthographie geschaffen, weil sie mit der Schulschreibreform in etlichen Punkten nicht einverstanden war.
  3. Stephanus Peil: Presse-Orthographie nach der Umstellung auf die Neuregelung ab 1.8.1999. 2. Auflage, St. Goar: Leibniz-Verlag, 2000, 60 S., ISBN 3-931155-13-7