Nürnberger Prozesse

Aus NürnbergWiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Die Nürnberger Prozesse umfassen den Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof sowie zwölf weitere Nachfolge-Prozesse vor einem amerikanischen Militärgerichtshof, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Justizpalast Nürnberg zwischen dem 20. November 1945 und dem 14. April 1949 gegen Verantwortliche des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus durchgeführt wurden.

Der Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher
* Erste Reihe, von links nach rechts: Hermann Göring, Rudolf Heß, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel
* Zweite Reihe, von links nach rechts: Karl Dönitz, Erich Raeder, Baldur von Schirach, Fritz Sauckel
Wikimedia Commons

Geschichte

Das Londoner Viermächte-Abkommen „über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der Europäischen Achse“ vom 8. August 1945 enthielt auch das „Statut für den Internationalen Militärgerichtshof“, der seine Tätigkeit an seinem Sitz in Berlin am 18. Oktober 1945 aufnahm, vom 20. November 1945 an in Nürnberg fortsetzte und mit der Urteilsverkündung am 30. September/1. Oktober 1946 abschloß.

Justizpalast in Nürnberg
Foto: Magnus Gertkemper

Nürnberg bot sich als Verhandlungsort nicht nur aufgrund der Symbolik an, sondern u.a. wegen des großzügig angelegten, weitgehend unzerstörten Justizpalasts in der Fürther Straße und seiner Lage in der US-Zone. Gericht und Anklagebehörde waren ausschließlich von Frankreich, Großbritannien, USA und UdSSR besetzt. Angeklagt waren 23 führende Repräsentanten des NS-Regimes wegen Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit (against humanity) und Kriegsverbrechen.

Richter und Ankläger, Angeklagte und Verteidiger mußten in vier Sprachen miteinander kommunizieren. Den Dolmetschern und Übersetzern kam daher eine tragende Rolle zu. Spezielle Maschinen wurden konstruiert. Die „Nürnberger Prozesse“ wurden zur Geburtsstunde des Simultandolmetschens.

Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Ernst Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher, Fritz Sauckel, Alfred Jodl und Arthur Seyß-Inquart wurden zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung erfolgte am 16. Oktober 1946. Göring beging am Vortag Selbstmord.
Rudolf Heß, Walther Funk und Erich Raeder erhielten lebenslängliche, Karl Dönitz, Baldur von Schirach, Albert Speer und Konstantin Freiherr von Neurath zeitliche Haftstrafen; Hjalmar Schacht, Franz von Papen und Hans Fritzsche wurden freigesprochen. [1]

Bedeutung

Das Verfahren vor dem Internationalen Militärgerichtshof war eine Neuheit im Völkerrecht. Erstmals in der Geschichte der Völker wurden Politiker, Militärs und Wirtschaftsführer eines Kriegsgegners wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

Die Nürnberger Prozesse wirken als Vorbild für das moderne Völkerrecht; denn die „Nuremberg Principles“ bildeten die gewohnheitsrechtliche Grundlage für die 1998 in Rom vereinbarte Einrichtung eines Ständigen Internationalen Strafgerichtshofs.

Quellen

  • Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg / International Military Tribunal: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg 14. November 1945 - 1. Oktober 1946. 42 Bände, amtlicher Text. Deutsche Ausgabe, genehmigte Sonderausgabe, Fotomechanischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg, 1947-1949, Frechen: Komet, ISBN 3-89836-121-7
Gilbert Tagebuch.jpg
Richthofen Zeuge.jpg

Literatur

  • Telford Taylor: Die Nürnberger Prozesse. Kriegsverbrechen und Völkerrecht. Mit Vorworten von James T. Shotwell und Robert M. W. Kempner. Übersetzt aus dem Englischen von Ruth Kempner. Zürich: Europa Verlag, 1950, 168 S.; Erg. Sonderausgabe 1951
  • Eugene C. Gerhart: America's Advocate: Robert H. Jackson. Bobbs Merrill Company; 1St Edition edition (1958), 545 pages
  • Gustave M. Gilbert: Nürnberger Tagebuch. Gespräche der Angeklagten mit dem Gerichtspsychologen. Aus dem Amerikanischen übertragen von Margaret Carroux, Karin Krausskopf und Lis Leonard. Frankfurt am Main: Fischer Bücherei, 1962, 455 S. (Fischer Bücherei; 447/48) Einheitssachtitel: Nuremberg Diary; 75.-76. Tsd., 1995, ISBN 3-596-21885-3
  • Ernst Klee: Persilscheine und falsche Pässe. Wie die Kirchen den Nazis halfen. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1991, 191 S., ISBN 3-596-10956-6 (Fischer; 10956: Geschichte)
  • Telford Taylor: Die Nürnberger Prozesse. Hintergründe, Analysen und Erkenntnisse aus heutiger Sicht. Aus dem Amerikanischen von Michael Schmidt. München: Heyne, 1992, 799 S., ISBN 3-453-08021-1 (Einheitssachtitel: The anatomy of the Nuremberg trials)
  • Klaus Kastner: Der Nürnberger Prozeß. Das Internationale Militärtribunal 1945-1946. November 1995 - PDF-Datei
  • Lore Maria Peschel-Gutzeit (Hrsg.): Das Nürnberger Juristen-Urteil von 1947. Historischer Zusammenhang und aktuelle Bezüge. 1. Auflage. Baden-Baden: Nomos-Verlags-Gesellschaft, 1996, 299 S., ISBN 3-7890-4528-4
  • David Irving: Nürnberg - die letzte Schlacht. Hinter den Kulissen der Siegerjustiz. Aus den geheimen Aufzeichnungen der Ankläger und Richter. Tübingen: Grabert, 1996, 479 S., ISBN 978-3-87847-156-1, ISBN 3-87847-156-4 (Veröffentlichungen des Institutes für Deutsche Nachkriegsgeschichte; Band 23); 3. Auflage, 2006
  • Klaus Kastner: „Der Dolch des Mörders war unter der Robe des Juristen verborgen“: Der Nürnberger Juristen-Prozeß 1947. In: Juristische Arbeitsblätter. Neuwied: Luchterhand, 1997, S. 699-706 - PDF-Datei
  • Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1997, 526 S., ISBN 3-10-039306-6
  • Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Der Nationalsozialismus vor Gericht. Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943 - 1952. Mit Beiträgen von Rainer A. Blasius ... Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1999, 319 S., ISBN 3-596-13589-3 (Fischer; 13589: Die Zeit des Nationalsozialismus)
  • Peter Heigl: Nürnberger Prozesse = Nuremberg Trials. Nürnberg: Fachverlag Hans Carl, 2001, 95 S., ISBN 3-418-00388-5; 4. Auflage 2005 (im Wettbewerb „Die schönsten deutschen Bücher 2002“ durch die Stiftung Buchkunst ausgezeichnet)
  • Steffen Radlmaier (Hrsg.): Der Nürnberger Lernprozeß. Von Kriegsverbrechern und Starreportern. Zusammengestellt und eingeleitet von Steffen Radlmaier. Frankfurt am Main: Eichborn, 2001, 367 S., ISBN 3-8218-4503-1 (Die andere Bibliothek; Band 199)
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2003, 731 S., ISBN 3-10-039309-0
  • Annette Weinke: Die Nürnberger Prozesse. München: Beck, 2006, 128 S., ISBN 978-3-406-53604-5 (Beck'sche Reihe; 2404 : C. H. Beck Wissen)
  • Martina Behr, Maike Corpataux: Die Nürnberger Prozesse. Zur Bedeutung der Dolmetscher für die Prozesse und der Prozesse für die Dolmetscher. München: Meidenbauer, 2006, 93 S., ISBN 3-89975-078-0 (InterPartes; 2)
  • Stefan Stoev: Zeitbrücke – Generationskontakte, Geschichtseinblicke, Freundschaften, etwa 2006 - idea-society.org
    • Stefan Stoev: „Ich wollte nach Europa geschickt werden, um mich am Kampf gegen die Nazis zu beteiligen.“ Zeitzeugengespräch mit Gerald Schwab, zuerst veröffentlicht in: Gedenkdienst, Nr. 2/2005 und in: Jewish News from Austria, Nr. 13, Dezember 2005
    • Christian Url: Die Nürnberger Prozesse
  • Franz W. Seidler: Das Recht in Siegerhand. Die 13 Nürnberger Prozesse; 1945 - 1949. Selent: Pour le Mérite, [2007?], 350, [16] S., ISBN 978-3-932381-38-6
  • Markus Urban: Die Nürnberger Prozesse. Kurzführer. Hrsg. von Geschichte für Alle e.V. - Institut für Regionalgeschichte. Nürnberg: Sandberg-Verlag, 2008, 72 S., ISBN 978-3-930699-52-0 (Historische Spaziergänge; 5) Engl. Ausgabe unter dem Titel: The Nuremberg trials
  • Hartwig Kalverkämper, Larisa Schippel (Hrsg.): Simultandolmetschen in Erstbewährung. Der Nürnberger Prozess 1945. Mit einer orientierenden Einführung von Klaus Kastner und einer kommentierten fotografischen Dokumentation von Theodoros Radisoglou sowie mit einer dolmetschwissenschaftlichen Analyse von Katrin Rumprecht. Berlin: Frank & Timme, 2008, 336 S., ISBN 978-3-86596-161-7 (TransÜD; Band 17)
  • Whitney R. Harris: Tyrannen vor Gericht. Das Verfahren gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg 1945-1946. Hrsg. von Christoph Safferling. Übers. von Christoph Safferling und Ulrike Seeberger. Mit einer Einführung von Robert H. Jackson und mit einem Vorwort zur deutschen Ausgabe von S. E. Hans-Peter Kaul. Berlin: Berliner Wissenschaftsverlag, 2008, 649 S., ISBN 978-3-8305-1593-7 (Juristische Zeitgeschichte, Abt. 4 Leben und Werk, Band 11) Tyranny on trial
  • Siegfried Ramler: Die Nürnberger Prozesse. Erinnerungen des Simultandolmetschers Siegfried Ramler. Aus dem Englischen von Gerd Burger und Petra Huber. München: Meidenbauer, 2010, 194 S., ISBN 978-3-89975-179-6 (Quellen und Dokumente zur europäischen Geschichte; 2)

Presse

  • Peter von Becker, Nürnberg: Fahrstuhl in den Orkus. In einem eisernen Käfig fuhren die 20 angeklagten Nazis vom Gefängniskeller in den Nürnberger Schwurgerichtssaal 600. Da wurde ihnen vor 60 Jahren der Prozess gemacht. Auf den Spuren des ersten internationalen Gerichtshofs der Geschichte. In: Der Tagesspiegel vom 13. November 2005 - tagesspiegel.de und vaeternotruf.de
  • Clara Walther: Kurt Schrimm – Ein Staatsanwalt auf der Suche nach Nazis. NS-Verbrecher sollten sich auch heute nicht zu sicher fühlen. Denn Staatsanwalt Kurt Schrimm (Jahrgang 1949) lässt die Vergangenheit nicht ruhen. Der zweifache Familienvater ist so etwas wie ein „Chef-Nazijäger“. Er leitet die „Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen“ (kurz: „Zentrale Stelle“) in Ludwigsburg. In: Planet Wissen Stand vom 01.03.2013 - planet-wissen.de
  • Reinhard Kalb: Vor 70 Jahren begann in Nürnberg der Ärzteprozess. Als Mediziner zu grausamen Mördern wurden. In: Nürnberger Zeitung Nr. 125 vom 2. Juni 2016, S. 11

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Netzverweise

Presse- und Informationsamt der Stadt Nürnberg: Gedenktage 2005

__________________________
  • Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher - Wikipedia
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Wikipedia
  • United States Holocaust Memorial Museum, Washington, USA - ushmm.org
  • Interviews mit Raymond D'Addario und William Glenny. In: The Nuremberg Trials, American Experience - pbs.org

Einzelnachweise

  1. Hartmut Frommer: Nürnberger Prozeß. In: Michael Diefenbacher; Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: W. Tümmels Verlag, 1999, ISBN 3-921590-69-8 - im Netz
  2. Klaus Weier (* 1937 in Kamenz), aufgewachsen in Kamenz, Studium der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin bis 1966, danach Lehroffizier an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte/Luftverteidigung in Kamenz. Promotion als Militärhistoriker in Potsdam 1986