Paul Dreykorn

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Paul Dreykorn (* 26. Februar 1923 in Nürnberg, † 11. Dezember 2008 in Nürnberg) war Gymnasiallehrer, Oberstudiendirektor und Leiter des Bildungszentrums (früher Volkshochschule) der Stadt Nürnberg.

Dr. Paul Dreykorn
© Hochbauamt Nürnberg

Zum Leben und Wirken

Herkunft und Familie===

Paul Dreykorn ist ein Sohn des Bankbeamten Paul Dreykorn und seiner Frau Anny, geb. Stahl. Er wurde evangelisch getauft.

Paul Dreykorn heiratete 1974 die verwitwete Rosemarie Weigmann. Sie brachte den Sohn Michael und die Tochter Anja [1] in die Ehe ein, denen der „Zweitvater“ bis zuletzt eng verbunden war. Rosemarie Dreykorn starb 1993 nach kurzer Krankheit.

Schule

Nach dem vierjährigem Besuch der Volksschule in Helmbrechts (Oberfranken) trat er im Mai 1933 in die Alte Oberrealschule oder „Oberrealschule an der Löbleinstraße Nürnberg“ (früher: Königliche Kreisrealschule, heute: Hans-Sachs-Gymnasium) ein, an der er nach der achten Klasse im März 1941 die Reifeprüfung bestand.

Ein Mitschüler berichtete: Im Dritten Reich, in dem die Leibeserziehung, d.h. der Sport und die körperliche Ertüchtigung, im Vordergrund standen, habe Paul Dreykorn eher als „Held des Geistes“ gegolten. Der Deutschlehrer Dr. Walter Kluge habe sein Interesse für die Germanistik geweckt. Da Paul Dreykorn eine Schwäche für Paul Ernsts (1866-1933) „Erdachte Gespräche“ (1921) gehabt habe, habe er den Spitznamen „Paul Ernst“ erhalten. 1941 bestand Paul Dreykorn das Abitur.

Wehrdienst

Paul Dreykorn war von 1941 bis 1945 als Soldat im Meldedienst in der Ukraine. Eine waghalsige Flucht – zusammen mit anderen Kameraden – bewahrte ihn vor dem russischen Gefangenenlager.

Studium und Promotion

Paul Dreykorn studierte vom Wintersemester 1945/46 bis 1949 an der Philosophischen Fakultät der Universität Erlangen Germanistik, Philosophie, Geschichte und Englisch. Im Herbst 1948 legte er den ersten Teil des Lehramtsexamens in den Fächern Deutsch und Philosophie ab.

1949 wurde er von der Philosophischen Fakultät mit der Dissertation „Studien über Hölderlin und Kleist vom Problem der Schuld in ihrem Drama aus“ zum Dr. phil. promoviert. Der Tag der mündlichen Prüfung war der 5. Mai 1949.

Ehrenamtliches Engagement

Literarischer Kreis Lauf

Ab 1951 beschäftigte sich Paul Dreykorn zunehmend mit der Erwachsenenbildung. Am Anfang stand ein Literaturkreis in Lauf an der Pegnitz, der aus einer privaten Initiative hervorging. Nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Diktatur und einem verheerenden Krieg hatten sich Bürgerinnen und Bürger in Lauf in einem „Literarischen Kreis“ zusammengefunden, um die „Weltverhältnisse neu und diesmal richtig zu verstehen“. Paul Dreykorn – bald auch Rosemarie Weigmann - versuchte, die neueste Literatur zu erklären. Über Brecht wurde damals gestritten, aber auch neue Autoren vorgestellt (z.B. Jean-Paul Sartre, Ernest Hemingway, Wolfgang Koeppen, Max Frisch), problematische Themen angesprochen. Vorträge über historische und medizinische Themen kamen hinzu.

Verein Volkshochschule Lauf

1957 wurde der Literarische Kreis zur privaten Volkshochschule ausgebaut. Träger der Einrichtung war ein eingetragener Verein unter der Leitung von Dr. Paul Dreykorn und Rosemarie Weigmann. Sitz der Volkshochschule wurde das „Stadtheim“ in der Glockengießerstraße, das die Stadt Lauf zur Verfügung gestellt hatte. Dort organisierten die Mitglieder des Vereins in ehrenamtlicher Arbeit Vorträge, Arbeitsgemeinschaften und Kurse, und so erschien bereits im Herbst 1957 der erste, achtseitige „Arbeitsplan“ mit dem Trimester-Angebot. Es kamen Kurse zur beruflichen Qualifikation, alltäglichen Lebensbewältigung und Gesundheitsbildung ebenso wie Fremdsprachenlehrgänge und Kreativangebote hinzu.

Erst Ende der 80er Jahre entschlossen sich die Stadt und der Verein Volkshochschule Lauf zur Gründung des Zweckverbandes Volkshochschule Unteres Pegnitztal. Der Verein Volkshochschule Lauf e.V. wirkt seitdem in den Gremien der VHS mit und organisiert u.a. Sonderveranstaltungen, Konzerte, Studienreisen und Vortragsreihen. [2]

Beruflicher Werdegang

Paul Dreykorn war bis 1961/1962 Lehrer für Deutsch, Geschichte und Englisch am Nürnberger Wirtschaftsgymnasium, dem späteren Scharrer-Gymnasium.

Der damalige Schul- und Kulturreferent Hermann Glaser berief Paul Dreykorn 1962 als stellvertretenden Direktor an die Volkshochschule Nürnberg. Als Dozent war er dort bereits ab 1957 tätig. 1968 wurde Dreykorn Direktor dieser Einrichtung und leitete sie bis zu seinem Ausscheiden aus den Diensten der Stadt im Jahr 1985. In seiner Amtszeit verzehnfachten sich das Kursangebot und die Zahl der Hörer/-innen.

Die Erwachsenenbildung war seine selbst gestellte Aufgabe, und das hieß: Weg von der Volkshochschule alten Zuschnitts, hin zu neuer Erwachsenenbildung, die in der Lage ist, die vielfältigen Bedürfnisse nach Kreativität, nach neuen Fähigkeiten, später nach Selbsterkenntnis und Lebenshilfe zu erfüllen und die auch die unterschiedlichen Zielgruppen ansprach. 17 Jahre lang stand Paul Dreykorn an der Spitze des Bildungszentrums, das in der Bundesrepublik bald, vor allem wegen seiner breiten Angebotspalette, als Musterbeispiel für die Erwachsenenbildung galt (z.B. der Bereich „Angebote für behinderte/nichtbehinderte Menschen“)“.

Das Besondere war Dreykorns Arbeit als Mann der Literaturvermittlung (auch während seiner Direktionszeit gab er regelmäßig Literaturkurse) und des Diskurses. Er ließ im Planetarium das philosophische Gegensatzpaar Edgar Traugott (damals NZ-Chefredakteur) und Hermann Glaser über die Probleme unseres Seins streiten, er versammelte nach jeder Schauspielpremiere Regisseure, Schauspieler und Kritiker zur kritischen Analyse von Stück und Aufführung und diskutierte mit Komponisten und Interpreten über zeitgenössisches Musiktheater.

Aber auch die Auseinandersetzung mit Geschichte und Politik – insbesondere das Dritte Reich und die Folgen – waren ihm wichtig. So war er wesentlich an der Gründung und Entwicklung des Jugendzentrums für Politische Bildung beteiligt. Und auch die „Nürnberger Gespräche“ lagen ihm sehr am Herzen: Dafür konnte er - in enger Zusammenarbeit mit Hermann Glaser - viele bedeutende Podiumsteilnehmer gewinnen: u.a. François Bondy, Hartmut Hentig.

Seinen alten Laufer Literaturkreis ließ er – so sehr sich dieser auch veränderte – nicht im Stich und referierte dort über die neuesten Bücher von Günter Grass, Peter Handke, Thomas Bernhard, Martin Walser, Peter Härtling und allen anderen dieser Kategorie – Unbedeutendes haßte er. Bei aller organisatorischen BZ-Arbeit, die er glänzend erledigte - war er ein „Homme de lettres“, und er blieb es auch, als sich die deutsche literarische Produktion mehr durch Masse als durch Klasse auszuzeichnen begann. [3] Außerdem besprach er regelmäßig für die Nürnberger Zeitung Buchneuerscheinungen.

Für sein berufliches Engagement erhielt Dreykorn – der „Sisyphus des Nürnberger Bildungswesens“ (so der ehemalige Nürnberger Kulturreferent Dr. Hermann Glaser) – am 15. Dezember 1980 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Weitere Ehrenämter

Präsident des Bayerischen Volkshochschulverbandes

Von 1980 bis 1984 war Dreykorn erster Vorsitzender des Bayerischen Volkshochschulverbands. Von 1977 bis 1985 war er im Vorstand des Deutschen Volkshochschulverbands (DVV).

Bildungsinitiative „Arbeit und Leben“

Paul Dreykorn war zusammen mit Herrn Tippelt (DGB) Mitbegründer von „Arbeit und Leben“, einer Bildungsinitiative im DGB in Nürnberg, der er von 1945 bis 1985 angehörte. Dieser einmaligen Initiative in Bayern schloß sich später die Münchner Volkshochschule an. An der Nürnberger Volkshochschule endete „Arbeit und Leben“ 1998.

Gefängnisbeirat

Außerdem war Paul Dreykorn jahrelang im Gefängnisbeirat der Justizvollzugsanstalten Nürnberg tätig.

Krankheit, Tod und Trauerfeier

Paul Dreykorn starb nach schwerer Krankheit im Alter von 85 Jahren. Gustav Roeder schrieb: „Mit ihm ist ein Stück Nürnberger Bildungsgeschichte verbunden, ein Aufbruch, der sich nach seinem Abschied als Leiter des Bildungszentrums im Februar 1985 wie von selbst fortsetzte.“

Am Mittwoch, 17. Dezember 2008, fand in der St.-Johannis-Kirche auf dem Johannisfriedhof in Nürnberg die Trauerfeier für Paul Dreykorn statt. Neben Angehörigen und engen Freunden gaben ihm viele seiner Schüler/-innen das letzte Geleit. Außerdem erschienen der amtierende erste Vorsitzende des Bayerischen Volkshochschulverbands, viele ehemalige und noch tätige Mitarbeiter/-innen des Bildungszentrums, des Bayerischen Volkshochschulverbands, städtischer Ämter und Vertreter des Pegnesischen Blumenordens, Ulrike Kreppner, Vorsitzende des Vereins „Frau und Kultur e.V. Nürnberg“, Klaus Dornisch, ehemals Leiter des Fachbereichs Geschichte und Archäologie am Bildungszentrum Nürnberg, der Präses des Pegnesischen Blumenordens Werner Kügel und der Schriftsteller Godehard Schramm. Die Kirche faßte nicht alle Trauergäste. Paul Dreykorn hatte seine Trauerrede selber schon Monate vor seinem Tod verfaßt, „aber mit solcher Heilsgewißheit und solchem Humor, daß man lächelnd die Feier verläßt“. [4]

Auszeichnungen

  • 1980 Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
  • 1993 Zuwahl (Kooptation) in den Pegnesischen Blumenorden

Nachlaß

Vorträge (inkl. besprochener Tonbänder), eine Übersicht über die abgehaltenen Kurse u.a. beim BZ und weitere Skripten – darunter eine Broschüre mit den in den Jahren 1968 bis 1983 erschienenen Buchbesprechungen in der Nürnberger Zeitung – gingen auf Wunsch des dortigen Leiters an das Stadtarchiv Nürnberg.

Die Erben versuchten, den Nachlaß im Sinn Paul Dreykorns sinnvoll weiterzugeben: Seine umfangreiche Bibliothek - mit Büchern aus den Themenbereichen Literatur, Philosophie, Geschichte, Zeitgeschichte, Kulturgeschichte und Bildende Kunst – ging an den Lehrstuhl für Germanistik der Universität Skopje (eine Partnerstadt Nürnbergs). Einen Teil seiner Kunstgegenstände und Bilder erhielt das Germanische Nationalmuseum [5], Schallplatten und CDs die Hochschule für Musik Nürnberg. [6]

Veröffentlichungen

Dissertation

  • Studien über Hölderlin und Kleist vom Problem der Schuld in ihrem Drama aus. – Universität Erlangen, Phil. Fakultät, Dissertation vom 20. Mai 1949. Erlangen, 1949, 173 gez. Bl. [Maschinenschrift]

Aufsätze (Auswahl)

  • Der Zwanzigste Juli 1944. Ursache – Ereignis – Bedeutung. In: Volkshochschule im Westen. Zeitschrift des Deutschen Volkshochschul-Verbandes Jg. 17, 1965, Heft Nr. .., S. 217-224
  • Katharina Blum in den Fängen der Presse. Der neue Böll: faszinierende Erzählung eines Rufmords. In: Nürnberger Zeitung, Nr. 226 vom 28. September 1974, S. 2
  • Arbeitslose Lehrer - Kann die Volkshochschule helfen? In: Das Forum (Bayerischer Volkshochschul-Verband), 1983, Heft 2, S. 30-33
  • Prinzip Verantwortung In: Volkshochschule im Westen. Zeitschrift des Deutschen Volkshochschul-Verbandes Jg. 35, 1983 Heft Nr., S. 10-13
  • Leiden an Deutschland. Zu den Tagebüchern Thomas Manns von 1944-1946. In: Nürnberger Zeitung, Nr. 31 vom 7. Februar 1987, S. 2. [Rez. von I. Jens,
  • Peter Handkes Weltvertrauens-Übung. In: Programmheft zu „Über die Dörfer“, dramatisches Lied in zwei Akten (vier Bildern) nach Peter Handkes gleichnamigem dramatischen Gedicht. Libretto eingerichtet von Anja Weigmann, Musik von Walter Zimmermann. Auftragskomposition des Musiktheaters Nürnberg mit finanzieller Unterstützung der Gesellschaft der Oper und Konzertfreunde Nürnberg e.V., Uraufführung am 12. Juni 1988
  • Erzählt von einem Freunde: Peter de Mendelssohns Lebensbeschreibung des Thomas Mann. Dreykorn, Paul, Nürnberg. [s.n.]. 1975, 2 S.

Literatur

  • Martin Fill: »Vollpension 1.800 Lire, der Liter Wein 200 Lire ...«. In: Kastelruther Gemeindebote, Mitteilungsblatt der Gemeinde Kastelruth - Jahrgang 23 - Nr. 11 - Dezember 2006, S. 12 - im Netz
  • Hermann Kumpfmueller: Zum sechzigsten Geburtstag von Dr. Paul Dreykorn 1983. In: Das Forum (Bayerischer Volkshochschul-Verband), 1983, Heft 1, S. 54-54
  • Gerhard Jochem: Geschichte der Nürnberger Volkshochschule (Bildungszentrum / BZ). - PDF-Datei
  • Detlef Oppermann und Paul Röhrig (Hrsg.): 75 Jahre Volkshochschule. Vom schwierigen Weg zur Humanität, Demokratie und sozialen Verantwortung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 1995, 227 S., ISBN 3-7815-1052-2 (Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung) - PDF-Datei
  • Volkshochschule Lauf: 50 Jahre Erwachsenenbildung in Lauf - Einladung zur Jubiläumsfeier am 5. Oktober 2007 - im Netz
  • Paul Dreykorn: Wie war das damals vor 50 Jahren?, Lauf, 5. Oktober 2007 [Festrede mit Rückblick auf die Anfänge der Erwachsenenbildung in Lauf]
  • Dieter Bednarz: HEILUNG. Der Magier und der Mythos In: SPIEGEL special 6/2007 vom 06.11.2007, Seite 36 - im Netz (Anja Weigmann, 59, und ihr Stiefvater Paul Dreykorn, 84)
  • Paul Dreykorn. VHS-Gründer starb mit 85. In: Pegnitz-Zeitung Nr. 294 vom 17. Dezember 2008, S. 1
  • Dr. Friedrich J. Bröder: Die Volkshochschule als „Hochschule des Volkes“, Nachruf auf Dr. Paul Dreykorn (1923 – 2008). In: Diskurs. Das Magazin des deutschen Volkshochschulverbands, 1, 2009

Querverweise

Netzverweise

  • Nr. 1649 Dr. Paul Dreykorn Nürnberg. Aufgenommen Juni 1993, Stammliste des Pegnesischen Blumenordens (Stand: 23.03.2004) - im Netz

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Anja Weigmann (* 1948 in Lauf an der Pegnitz), Musikdramaturgin und Persönliche Referentin des GMD am Musiktheater Nürnberg, Dozentin und Pädagogische Mitarbeiterin am Bildungszentrum
  2. Volkshochschule Lauf: 50 Jahre Erwachsenenbildung in Lauf - Einladung zur Jubiläumsfeier am 5. Oktober 2007 - im Netz
  3. Gustav Roeder: Zum Tod von Paul Dreykorn. Vom Literaturkreis zum Bildungszentrum. In: Nürnberger Zeitung Nr. 291 vom 13. Dezember 2008, S. 12 - NZ
  4. Trauerfall. In: Chronik 2008 des Blumenordens - im Netz
  5. Dr. Silvia Glaser: Asymmetrie in Schwarz und Weiß. Ein ungewöhnliches Porzellanensemble aus den 1950er Jahren. In: Kulturgut III: Quartal (Veröffentlichung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg) 2010
  6. Alle Textergänzungen von Anja Weigmann, E-Mail vom 2. August 2010

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