Was ist Bildung? (Wolfgang Illauer)

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Dieser Beitrag Was ist Bildung? ist ein Vortrag, den der Studiendirektor Wolfgang Illauer am 30. März 2010 im Gymnasium bei St. Anna, Augsburg gehalten hat, im Rahmen einer Vortragsreihe der Societas Annensis.

Einführung

Das Thema ist von höchster Relevanz; denn in unserem Land herrscht ein sehr beschränkter Bildungsbegriff: Erwerb derjenigen „Kompetenzen“, die zu Leistungen befähigen, mit denen Deutschland im internationalen Wettbewerb ein Spitzenplatz gesichert werden kann.
Als Einleitung bzw. Hinführung stelle ich, Wolfgang Illauer, deshalb eine politische Mainstream-Rede voran mit allen dazugehörigen Phrasen.

Der Hauptteil soll dem Bildungsbegriff seinen umfassenden Inhalt zurückgeben. Zuerst definiere ich den Begriff Bildung im Sinn des Humanismus und widerlege den ethischen Relativismus.

Dann beschreibe ich (steigernd) fünf „Terrassen“ der Bildung: von der Gesundheit des Körpers (I) über die Lebenstüchtigkeit (II), die charakterliche Rechtschaffenheit (III), das vom Zeitgeist unabhängige Urteilsvermögen (IV) bis zur Erfahrung der wesentlichsten Dinge: Kunst, Natur, Literatur, Philosophie, Religion (V) ... Abgerundet wird der Vortrag durch einen Mythos, den Entenmythos.

Was ist Bildung?

Von Wolfgang Illauer

Sehr geehrter Herr Oberstudiendirektor, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler!
Hören Sie bitte zum Einstieg eine politische Musterrede zur überragenden Wichtigkeit von Bildung!

Einleitung: Politische Musterrede

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Unser Land ist arm an Bodenschätzen und natürlichen Ressourcen, aber es besitzt ein überaus wertvolles Kapital, das in schier unbegrenzter Fülle zur Verfügung steht und das wir wegen unseres völlig überholten Schulsystems (ich erinnere an die barbarische, unmenschliche, jede Chancengleichheit im Keim erstickende Frühselektion und Aussortierung nach der 4. Klasse!) und wegen unserer viel zu niedrigen Akademikerquoten bisher nur in sehr beschränktem Umfang nutzen: unser Humankapital.

Nachhaltige und effiziente Nutzung unseres Humankapitals ist nur möglich, wenn wir unser Bildungssystem radikal modernisieren und den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anpassen. Nachhaltige und effiziente Nutzung unseres Humankapitals durch zeitgemäße Bildung ist das Gebot der Stunde. Akademisch geschulte Klein- und Kleinstkindpädagoginnen, multimedial operierende Lernberater und Lernberaterinnen, Lernmoderatoren und Lernmoderatorinnen, Lernassistenten und Lernassistentinnen, das selbstgesteuerte Lernen am Computer professionell organisierende Bildungsmanager und Bildungsmanagerinnen müssen bereitstehen, damit sie unserer Jugend alle notwendigen Schlüsselkompetenzen vermitteln, damit sie unseren Nachwuchs be-treuen und integrativ be-schulen von der ganztägigen Kinderkrippe über den ganztägigen Kindergarten und das ganztägige gemeinsame Lernen in einer ganztägigen dreizehnjährigen Gemeinschaftsschule bis zum Abitur und zur Universität! Die ganztägige Be-treuung und Be-schulung der Kinder vom Säuglingsalter bis zum Abitur muß strukturiert und rhythmisiert sein nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen der modernen Hirnforschung. Nur dann, wenn all die genannten Voraussetzungen gegeben sind, werden wir konkurrenzfähig bleiben den anderen Ländern gegenüber, nur dann kann unser Humankapital Zinsen bringen und Früchte tragen! Die Früchte, das sind hochqualifizierte Fachkräfte, das sind multikompetente Arbeitnehmer, Unternehmer und Führungskräfte!

Bildung ist unser wichtigstes Investitionsgut! Bildung, das heißt Zukunftsfähigkeit, Bildung, das heißt Innovation, Bildung, das heißt Fitsein für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts! Bildung schafft soziale Gerechtigkeit und sozialen Aufstieg! Moderne Bildungspolitik ist Integrations-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in einem. Ohne Bildung kein Fortschritt, kein Wohlstand! Ohne Bildung kein lebenslanges Lernen, ohne Bildung keine Chance, in der globalen Kommunikations-, Informations- und Wissensgesellschaft erfolgreich zu bestehen. Ohne Bildung keine Zukunft für den Standort Deutschland!

Richten wir unsere Blicke nach Südafrika! Denken wir an unsere deutsche Fußballnationalmannschaft, die sich dort bald in fairem Wettkampf messen wird mit den Besten der Welt, um den herrlichsten Titel zu gewinnen, den unser Globus zu vergeben hat: Fußballweltmeister. Vergessen wir den kleinen Rückschlag im Testspiel gegen Argentinien! Schauen wir nach vorne! Nehmen wir unsere Nationalspieler, diese sympathischen Botschafter deutschen Kampfwillens und deutscher Leistungsstärke, zum Vorbild für unser Streben, Deutschland auch auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Technik, des allgemeinen Menschheitsfortschritts an die Weltspitze zu katapultieren. Deutschland muß die besten Fachkräfte der Welt heranbilden, Deutschland muß die besten Ideen entwickeln auf dem Gebiet aller zukunftsweisenden Technologien! Denken Sie nur, meine Damen und Herren, ans Elektroauto! Deutschland muß Sieger werden im internationalen Wettbewerb! Deutschland muß zur Bildungsrepublik werden!
Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!


Diese politische Musterrede enthält zweifellos viele unbestreitbare Wahrheiten.

Sie weckt in mir allerdings auch manchen Zweifel, manchen Widerspruch. An einigen Stellen wird’s mir sogar ein bißchen unheimlich, und als besonders ärgerlich empfinde ich den auf ein Minimum reduzierten Bildungsbegriff: Gebildet ist, wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen vermag, die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichern.

Ich bin jetzt beim Thema meines Vortrags angekommen: Ich werde reden über das Wesen der Bildung, um den zur Unkenntlichkeit verstümmelten Bildungsbegriff wiederherzustellen. Außerdem werde ich ein paar Hinweise geben, wie die Schule im Rahmen ihrer Möglichkeiten Bildung vermitteln kann.
Bevor ich den Begriff definiere, drei einleitende Bemerkungen:

Erstens: Das Prädikat „gebildeter Mensch“ darf nicht beschränkt werden auf die Akademiker. Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wieder Menschen, die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muß, und unter den Akademikern finden sich immer wieder Leute, denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kann. Manche Akademiker sind bornierte Wirr- und Schwachköpfe, und manche unter den sogenannten Führungspersönlichkeiten, die angeblich zur obersten Elite gehören, sind schlichtweg charakterlose Lumpen!

Zweitens: Lehrer und Eltern (die in enger Verbindung sein sollten und meist auch gut zusammenarbeiten) haben bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe viele Konkurrenten. Die Entwicklung der Kinder wird in entscheidender Weise beeinflußt durch die gerade herrschenden Lifestyle-Moden, den Freundeskreis, die Medien, Internet und Computer, die allgegenwärtige Werbung, bewunderte Popsänger, Schauspieler, Models, Spitzensportler usw.
Solche konkurrierenden Einflüsse machen die Arbeit von Schule und Elternhaus dann leichter, wenn sie vereinbar sind mit den dort vermittelten Bildungsvorstellungen; sie erschweren und zerstören die Arbeit der Schule und des Elternhauses, wenn sie in eine völlig andere Richtung (ver)führen. Da rackern sich die Lehrer tagsüber ab, ihre Schüler über schmale und steile Bergpfade zu den edlen und erhabenen Gipfeln der Bildung zu führen, aber abends und bis spät in die Nacht suhlen sich eben diese Schüler (nicht alle natürlich, aber wohl zu viele) in den wohlig warmen und angenehm prickelnden Sumpflöchern irgendwelcher Medien und lassen sich infizieren von den geist- und charakterschädigenden Viren einer lärmenden Oberflächlichkeit und einer in unzähligen Variationen über den Computerschirm oder den Fernsehschirm flimmernden Dummheit und Geschmacklosigkeit. Der Schund hat leider erheblich höhere Einschaltquoten als das in den Medien zweifellos auch gebotene Wertvolle und Gute.

Drittens: Ich komme auf meine Politikerrede zurück, auf das Ärgernis der Reduzierung des Bildungsbegriffs. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Ich bestreite keineswegs, daß unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer, Unternehmer und Manager braucht (welch letzteren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden könnte), ich bestreite keineswegs, daß zur Schulbildung selbstverständlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehört, aber – sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzieren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig), sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Mäusefangens (zweifellos wichtig in mäusegeplagten Haushalten), sowenig ich den vollkommenen Fußballspieler reduzieren darf auf den Spieler mit hervorragender Kondition (Kondition ist sehr wichtig, doch der Fußballspieler braucht mehr, der Fußballspieler braucht neben Kondition Balltechnik, Zweikampfstärke, Kopfballstärke, Antrittschnelligkeit, Torinstinkt, mentale Präsenz und noch vieles andere ... Fußballfreund Edmund Stoiber würde mir begeistert zustimmen), sowenig ich Hunde, Katzen und Fußballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion, sowenig darf man den Menschen als Ganzes (Fußballfreund Edmund Stoiber hätte jetzt vielleicht gewisse Verständnisschwierigkeiten) reduzieren auf seine Rolle im Wirtschaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen Wettbewerb.

Weil unsere Politiker diese Reduzierung vornehmen, deshalb scheint es nötig, über Bildung zu reden.

Hauptteil: Bildung

Definition

Wenn man über etwas redet, dann ist es unerläßlich, zuerst den Begriff, um den es geht, in aller Kürze zu definieren.

Was ist Bildung?

Bildung ist nichts anderes als die Erziehung bzw. Formung zum – Menschen. Das ist die humanistische, immer noch einzig sinnvolle und zufriedenstellende (weil umfassende) Kurzdefinition.

Einwand: Das kleine Kind wäre dann also noch kein Mensch, wenn es erst zum Menschen geformt werden muß?

Antwort: Natürlich ist es ein Mensch (bisweilen) den Erwachsenen haushoch überlegen – man vergleiche etwa die Tätigkeit eines Kindes, das voller Hingabe mit kreativer Genialität in einem Bächlein Dämme und Wasserrinnen baut, und die Tätigkeit eines Erwachsenen, der Kartoffelchips knabbernd vor seinem Fernseher hockt und „Wetten daß“ glotzt), natürlich ist das Kind ein Mensch, aber jeder Mensch verändert sich, entwickelt sich. Vernachlässigt man kleine Kinder, stimmen wichtige Rahmenbedingungen nicht (dazu gehört beispielsweise auch die Architektur des Hauses, des ganzen Stadtviertels), dann kann es sein, daß die Kinder verwahrlosen, daß sie später Schaufensterscheiben einschlagen, Autos anzünden, in U-Bahnen harmlose Leute anpöbeln und zusammenschlagen usw. usw., und es kann natürlich auch sein, daß die Kinder später als Erwachsene von Fernsehsendungen, die über das Niveau von „Wetten daß“ oder „Deutschland sucht den Superstar“ hinausgehen, intellektuell überfordert sind, von anspruchsvollen Büchern ganz zu schweigen.

Bildung ist die Formung zum Menschen. Ich meine damit erstens die Entfaltung all derjenigen Fähigkeiten, die Entwicklung all derjenigen Tugenden, die für den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sind (z. B. seine gesellige Natur, Tugenden wie Mitleid und Hilfsbereitschaft; seine schöpferische Veranlagung zu Kunst und Handwerk; sein angeborenes Streben nach Erkenntnis; seine Fähigkeit zu staunen; seine Neigung, über Sinnfragen nachzugrübeln), ich meine damit zweitens all diejenigen Eigenschaften, die zwar im Dienst des Bösen stehen können, die aber auch für die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sind (z.B. Erfindungskraft, Ehrgeiz, Emotionalität, Durchsetzungsvermögen, rhetorische Begabung – der griechische Dramatiker Sophokles hat über die gewaltigen Fähigkeiten des Menschen, die auch dem Bösen dienen können, ein berühmtes Chorlied geschrieben), ich meine natürlich n i c h t die Entfaltung und Förderung der vielen schlechten Eigenschaften, Anlagen und Verhaltensweisen, die leider auch für uns Menschen charakteristisch sind und die wir bekämpfen müssen: Undankbarkeit; Haß und Neid; Grausamkeit und Bosheit; Schadenfreude; Neigung zum Vorurteil, zur Rechthaberei, zum Opportunismus, zum Aberglauben; fanatische Intoleranz; Macht- und Karrierestreben um jeden Preis; Anfälligkeit für hirnrissige Ideologien; Manipulierbarkeit, Feigheit und Kadavergehorsam; Scheinheiligkeit, Verlogenheit und Heuchelei; lächerliche Eitelkeit, Arroganz und Selbstüberschätzung; ferner jenes Laster, das im Lateinischen „avaritia“ heißt, im Altgriechischen pleonexía , im Bayerischen „Ruach“,[1] also die Gier, mehr zu haben als die anderen, und jene dem Ruach entspringende Neigung, aus allem, aber auch aus allem Profit zu schlagen, ohne Rücksicht darauf, ob man anderen Menschen schadet; schließlich (um meine unvollständige Aufzählung zu beenden mit zwei harmloseren Dingen) jene krankhafte Geltungssucht, die manche Leute dazu veranlaßt, die lächerlichsten und peinlichsten Dinge vor einem Millionenpublikum zu tun (ich meine bestimmte Sendungen im Fernsehen!), und jene Perversion des menschlichen Erkenntnisstrebens, die sich darin äußert, daß man aus dem Privatleben irgendwelcher Prominenter oder sogenannter Stars die intimsten Einzelheiten wissen will. Was gibt’s Neues aus dem Liebesleben von Boris oder Lothar oder Heidi oder ... ?

Ich wiederhole meine Definition: Bildung ist Formung, Erziehung zu einem Menschen, der den Namen Mensch verdient. Leute, die sich durch die zuletzt aufgezählten schlechten Eigenschaften hervortun, sind entweder Teufel oder erbärmliche Witzfiguren oder beides gleichzeitig. Der wissenschaftliche Name Homo sapiens sapiens [2] wirkt, auf diese Menschen angewendet, wie eine bissige Ironie.
Adalbert Stifter hat das Wesen der Bildung in einem Aufsatz aus dem Jahr 1849 ganz ähnlich definiert: Es gebe „keine heiligere Pflicht für den Menschen als eben seine reinstmögliche Menschwerdung“.[3]
Eine hervorragende humanistische Kurzdefinition! Das Ziel der Bildung (ich formuliere jetzt platonisch) ist dasjenige Bild vom Menschen, auf das hinschauend man sich selber und andere bildet: sozusagen die Idee des Menschen. Dieses Ziel wird man nie erreichen können! Bildung, Menschwerdung ist ein lebenslanger Prozeß, eine lebenslange Aufgabe. Das Ziel der menschlichen Vollkommenheit ist ein weit entfernter Stern, wir fliegen darauf zu (oft leider auch davon weg), unser ganzes Leben lang, und immer wieder müssen wir den Kurs überprüfen und korrigieren. Ich zitiere den alten Platon: „Man darf die paideia (das altgriechische Wort für Erziehung/Bildung) nicht geringschätzen, da sie vielmehr unter den größten Gütern, welche den besten Menschen zuteil werden, den ersten Rang einnimmt. Und wenn sie jemals zugrunde geht und es noch möglich ist, sie wiederzuerwecken, so muß hierauf ein jeder stets und sein ganzes Leben hindurch hinarbeiten, soweit er vermag.“

Was ist Ausbildung? Wer ausgebildet wird, geht in eine Lehre, wird geschult, wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Tätigkeit: Computerfachmann, Verkäufer, Bäcker, Sänger, Journalist, Schauspieler, Lehrer ... Jeder Mensch braucht natürlich beides: Ausbildung und Bildung! Ausbildung gibt es tausenderlei, Bildung gibt es nur eine, nämlich: Formung zum Menschen, Menschwerdung!

Und „Allgemeinbildung“? Was ist das? Ich mag den Begriff nicht besonders. Er übersteigt den Begriff Ausbildung zwar in Richtung Bildung, ist aber trotz seines ersten Bestandteils nicht umfassend genug. Er bezieht sich zu sehr auf bloßes Wissen, erinnert zu sehr an die Quizsendungen unseres Fernsehens: oberflächliche Kenntnisse, Auswendiggelerntes, Lexikonwissen auf allen nur denkbaren, meist völlig unwichtigen Gebieten. Vielwisserei ohne Hintergrund. Natürlich ist das Allgemeinwissen (soweit sinnvoll und unverzichtbar) im umfassenden Begriff Bildung als Teil enthalten.

Zurückweisung des Relativismus

Ich komme jetzt zum zweiten Punkt des Hauptteils, zur Zurückweisung eines Einwands! Dieser Einwand muß unbedingt widerlegt werden, sonst bricht mein ganzer Vortrag in sich zusammen. Er lautet folgendermaßen:
„Du scheinst, lieber Illauer, an ein zeitübergreifendes, immer gleichbleibendes Wesen der Bildung zu glauben, an absolute Normen und Maßstäbe, an denen sich die Bildung zu orientieren hat. Das aber ist Unsinn! Solche Maßstäbe gibt es nicht. Es gibt nichts Zeitübergreifendes! Es gibt keinen fernen Stern, der absolute Orientierung ermöglicht. Jede Zeitepoche, jede Gesellschaft hat ein jeweils anderes Menschenbild und damit einen jeweils anderen Bildungsbegriff. Der Bildungsbegriff ändert sich ständig. Heute geht es um die Zukunft des Standortes Deutschland. Arbeitslosigkeit und steigende Armut machen uns zu schaffen! Also brauchen wir einen Bildungsbegriff, der diesen Problemen abhilft. Unsere Politiker haben deshalb völlig recht, wenn sie im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes ein effizientes Bildungssystem fordern. Was du bringst, lieber Illauer, ist die unangebrachte Polemik eines verstaubten Altphilologen und Bücherwurms. Laß erfolgreiche Leute wie Angela Merkel oder Horst Seehofer über Bildung reden oder Joseph Ackermann oder Theodor zu Guttenberg oder meinetwegen auch Franz Beckenbauer oder Thomas Gottschalk oder Edmund Stoiber! Aber erspare du uns bitte dein idealistisches und weltfremdes Gerede! Und dann mußt du ausgerechnet noch Adalbert Stifter zitieren, diesen notorischen Langweiler und unerträglichen Schönschwätzer!“

Ich würde zuerst schlucken, würde mich sehr ärgern (auch wegen einiger Namen von Leuten, denen ich das Prädikat „gebildet“ nicht unbedingt in vollem Umfang zusprechen möchte, auch wegen der beleidigenden Herabsetzung eines meiner Lieblingsschriftsteller), und dann würde ich ein paarmal tief durchatmen und versuchen, möglichst ruhig zu sprechen: Ich würde meinen Kritiker fragen, ob er die Frauen für vollwertige Menschen halte. Als konsequenter Relativist, dessen persönliche Ansichten europäisch-westliche Prägung aufweisen, müßte er so antworten: er persönlich halte die Frauen schon für vollwertig, aber das sei seine ganz subjektive Auffassung; die Beurteilung des Wertes der Frauen sei von Kultur zu Kultur, von Zeitepoche zu Zeitepoche verschieden. Eine objektiv gültige Antwort gebe es daher nicht.
Ich würde ihn dann fragen, ob er es für richtig halte, daß die Frauen in bestimmten Kulturen zwangsverheiratet würden, schlimme Demütigungen von seiten der Ehemänner erdulden müßten, nicht selten auch Säureangriffe (Abertausende Säureangriffe z. B. in Pakistan), daß sie bisweilen sogar umgebracht würden der Familienehre wegen, wenn sie gewisse Traditionen nicht befolgten. Als konsequenter Relativist müßte mein Kritiker antworten: er halte das nicht für richtig, aber das sei nur seine relative persönliche Meinung, andere Menschen und Kulturen hätten eben eine andere Auffassung.
Ich würde ihn zuletzt fragen, wie er die Taten der Nationalsozialisten beurteile, wie er Auschwitz beurteile, ob er die Massenmorde in Auschwitz für ein grausiges Verbrechen halte oder nicht. Als konsequenter Relativist müßte er antworten: Er ganz persönlich halte Auschwitz schon für ein grausiges Verbrechen, aber die Nationalsozialisten hätten eine andere Meinung gehabt, und sogar diese Meinung müsse respektiert werden. Er sei eben Relativist, er sei Empirist und Positivist, alle moralischen Urteile seien irrational, subjektiv und gleichwertig, einen objektiven Maßstab gebe es nun einmal nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Sie werden mir wahrscheinlich zustimmen, wenn ich folgendes sage: Der konsequente und radikale Relativismus meines fiktiven Gesprächspartners ist nicht haltbar. Die Greueltaten der Nationalsozialisten sind der Beweis für die Unhaltbarkeit des Relativismus, der Beweis dafür, daß es objektive und absolute, immer und überall gültige Normen gibt, deren Übertretung immer und überall unmenschlich und verbrecherisch ist. Die Menschenrechte gibt es, es handelt sich dabei nicht lediglich um die zeitgebundene Erfindung bestimmter Denker der westlichen Welt. Zwangsprostitution, Kindesmißbrauch, Menschenhandel, die Verführung Jugendlicher zum Rauschgiftkonsum, Quälerei und Demütigungen aus Freude am Quälen und Schikanieren ..., das sind, objektiv und absolut gesehen, inhumane, im allerhöchsten Grad verwerfliche, gegen die Menschenwürde und gegen fundamentale ethische Normen verstoßende Verhaltensweisen, das sind Taten, die überall und zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften als verabscheuungswürdige Verbrechen zu gelten haben. Wenn bestimmte Unmenschlichkeiten in bestimmten Gesellschaften allgemein üblich geworden sind (Entmündigung und Entwürdigung der Frau, Sklaverei, Folter, Mord als Massenunterhaltung wie bei den Amphitheatralischen Spielen im alten Rom), dann heißt das noch lange nicht, daß solche Unmenschlichkeiten und Mißstände in ihrer Zeit, in ihrem Umfeld in Ordnung sind oder waren. Ein Unrecht wird nicht deshalb zum Recht, weil es von den privilegierten Mitgliedern einer Gesellschaft allgemein praktiziert wird und von den nichtprivilegierten Opfern stillschweigend hingenommen wird. Sensible Leute wie Cicero, Seneca und Plinius haben ihren Abscheu gegen die unmenschliche Behandlung von Sklaven und gegen die Gladiatorenspiele kundgetan.

Sie hatten recht! Gefühllose Sklavenhalter, die glaubten, man dürfe einen alten und kranken Sklaven wegwerfen wie ein unbrauchbar gewordenes Werkzeug, hatten nicht recht. Der primitive römische Pöbel, der sich im Amphitheater an blutigen Schlächtereien ergötzte und an dieser Art von Unterhaltung nichts Verwerfliches fand, hatte nicht recht! Da soll mir ja kein Relativist daherkommen und sagen, das Urteil eines Cicero, Seneca, Plinius und das Urteil des nach Blut lechzenden römischen Pöbels seien gleichwertig, es gebe keinen objektiven Maßstab, der es erlaube, das Urteil des Pöbels als unrichtig einzustufen. Statt Gladiatorenspiele Fußballspiele, das ist – Plinius, Seneca, Cicero und Fußballfreund Edmund Stoiber würden mir zustimmen –, absolut gesehen, ein riesiger Fortschritt. Abschaffung von Folter und Sklaverei auf der ganzen Welt, das wäre, absolut gesehen, ein Fortschritt.
In einem berühmten Text (er wird im Lateinunterricht der Oberstufe hoffentlich immer noch gelesen und ist nicht der Entrümpelungsaktion zum Opfer gefallen) hat Cicero den Relativismus zurückgewiesen:
„An diesem Gesetz (gemeint ist das mit der Natur in Einklang stehende Vernunftgesetz) etwas zu ändern ist Frevel; seine Geltung zu beschränken ist nicht erlaubt, und es kann auch nicht als Ganzes außer Kraft gesetzt werden. Weder durch den Senat noch durch das Volk können wir von diesem Gesetz entbunden werden (...) Und es wird nicht ein anderes Gesetz in Rom sein, ein anderes in Athen, ein anderes jetzt, ein anderes später, sondern alle Völker und zu aller Zeit wird ein einziges, ewiges und unveränderliches Gesetz umschließen, und einer wird der gemeinsame Meister gleichsam und Herrscher aller sein: Gott!“ (De re publica, Buch III, 22)

Natürlich bin ich mir bewußt, daß es von Kultur zu Kultur, von Zeitepoche zu Zeitepoche auffällige Unterschiede im Menschenbild geben kann; aber die Gemeinsamkeiten sind weit größer als die Unterschiede. Würden wir vergleichen, welche Eigenschaften die großen Schriftsteller und Philosophen aller Zeiten und Völker einem edlen Menschen zuschreiben und welche Eigenschaften sie einem schlechten Menschen zuschreiben, dann würden wir feststellen, daß die Übereinstimmung überwältigend groß ist.

Das Ziel der Erziehung und Bildung

Ich habe versucht, die Unhaltbarkeit eines konsequenten Relativismus kurz zu begründen, und komme jetzt zum Kern meines Vortrags: Wenn Bildung in der Entfaltung der charakteristischen menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten besteht (soweit sie positiv sind oder neutral), wenn sie besteht in der lebenslangen Annäherung an das nie erreichbare Ziel der Vollkommenheit (denn der Kampf mit unseren destruktiven Anlagen kostet Zeit und Kraft und verursacht herbe Rückschläge!), wenn Bildung Menschwerdung bedeutet, dann gilt es jetzt, die entscheidende Frage zu beantworten:
Aufgabe eines Bäckers ist es (u.a.), gute Brezen zu machen!
Aufgabe eines Metzgers ist es (u.a.), einen guten Preßsack zu machen! Aufgabe eines Musikers ist es (u.a.), richtige und schöne Töne zu produzieren. Aber ein noch so guter Bäcker kann ein Unmensch sein, ein noch so guter Metzger kann ein Unmensch sein! Ein noch so guter Musiker kann ein Unmensch sein. Ich muß also fragen (Aristoteles hat genau diese Frage im ersten Buch seiner Nikomachischen Ethik gestellt): Was ist die Aufgabe eines Menschen, insofern er Mensch ist? Mit anderen Worten: Welches Verhalten und welches Tun charakterisiert das Mensch-Sein eines Menschen? Welches über die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen, welche Fähigkeiten und Eigenschaften braucht er, um die Bezeichnung Mensch zu verdienen? Ich werde das jetzt ausführen. Prüfen Sie bitte bei jedem Punkt, ob er zeitübergreifend bestehen könnte, ob alle vernünftigen Menschen auf der ganzen Welt zustimmen könnten! Korrigieren Sie mich, rufen Sie laut dazwischen, wenn Sie glauben, daß ich etwas Dummes oder Falsches sage! Ich werde fünf Punkte steigernd anordnen. Jeder Punkt ist sehr wichtig. Wegen der steigernden Anordnung rede ich von übereinanderliegenden Bildungsstufen oder Bildungsterrassen.

Bevor ich mit dem ersten Punkt beginne, möchte ich die Aufgabe der Schule definieren. Lege ich meine zuletzt gemachten Ausführungen zugrunde, muß diese Definition so lauten: Die Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin, bei den Schülern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen, daß sie später gute Ärzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirtschaftsführer werden können (das sind meine unteren Terrassen I und II) – sie besteht vor allem darin, die Schüler so zu erziehen, daß sie später ihre Aufgabe als Menschen, insofern sie Menschen sind, ausüben können (das sind meine oberen Terrassen III, IV und V).

Und jetzt beginne ich, nach langen, aber unerläßlichen Vorreden, meine steigernd angelegte Erörterung der fünf Bildungsinhalte:

Stufe I: Körper

Stellen Sie sich, meine sehr verehrten Damen und Herrn, einen Menschen vor, den man so gemeinhin für gebildet hält: er kann kompetent und eloquent reden über Wissenschaft, über Literatur, versteht etwas von Mathematik und Musik und Philosophie, ist Dauergast im Konzert und Theater, hat einen anspruchsvollen akademischen Beruf, aber – : sein Körper gleicht einer Idealgestalt, freilich nicht der eines griechischen Kouros, sondern der Idealgestalt der Kugel, weil dieser hochgebildete Mensch unmäßig ißt und trinkt. Mit ihm eine Bergtour machen zu wollen, wäre aussichtslos, da er schon nach wenigen Höhenmetern keuchend und schwitzend aufgeben müßte. Außerdem raucht er wie ein Schlot. Er stirbt zwanzig oder dreißig Jahre zu früh. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Zuhörer, aber ich habe die größten Schwierigkeiten (bei aller Achtung für die sogenannte Allgemein- oder Geistesbildung), diesen Kugel-Menschen im umfassenden Sinne für gebildet oder gar vorbildhaft zu halten. Der Kerl muß einen Punkteabzug bekommen, das Test-Gesamturteil über menschliche Gesamtqualität könnte nie „sehr gut“ lauten, allerhöchstens könnte ein solcher Kugel-Mensch die Note „2–3“ bekommen (vorausgesetzt, daß er neben seiner Allgemeinbildung noch einen menschenfreundlichen und liebenswerten Charakter hat, denn sonst gäbe es, trotz Allgemeinbildung, die Note ungenügend!).
Ausdrücklich möchte ich betonen, daß unverschuldete Krankheit oder Körperbehinderung von der menschlichen Gesamtqualität nichts wegnehmen, im Gegenteil! Diese Menschen erreichen, wenn sie mit ihrer Behinderung zurechtkommen und, der Behinderung zum Trotz, ihr Leben meistern, eine bewundernswerte menschliche Größe.

Es reizt mich, in unserer Zeit des übertriebenen Schönheits-, Erotik- und Körperkultes (von einer schönen Seele ist nie die Rede) ein kleines bißchen zu polemisieren, ein kleines bißchen zu spotten, zum Beispiel über die wunderschönen weiblichen Models, die mit einem seltsam provozierenden Wackelschritt über Laufstege stöckeln, die auf Anweisung irgendwelcher Fotografen irgendwelche erotisch wirkenden Körperverrenkungen machen, damit die Bilder dann in irgendwelchen Katalogen oder Magazinen erscheinen, Bilder, die dann, wenn die Verrenkungen besonders gelungen sind, der Besitzerin des jeweiligen Körpers zu Weltruhm verhelfen, weil sie dann ein Supermodel ist.
Natürlich möchte ich diese Frauen auf keinen Fall diskriminieren, um Gottes willen, nur das nicht! Vielleicht gibt es ganz wunderbare Menschen unter ihnen; wahrscheinlich ist es ein dummes Vorurteil von mir, zu glauben, ihre Gesichter wirkten leer, geistlos, maskenhaft – solche Models seien auf dem Laufsteg keine Menschen mehr, sondern ferngesteuerte Puppen oder aufs Hin- und Herlaufen dressierte Zirkuskatzen; wahrscheinlich ist es ein dummes Vorurteil, zu glauben, solche Körperwesen könnten sich privat nur über Sex, Klamotten, Life-Style und Gesellschaftsklatsch unterhalten; vielleicht führen sie sehr anspruchsvolle Gespräche, etwa im Sinne des Horaz (ich zitiere aus der 6. Satire des zweiten Buches, Vers 71 ff.): „So entspinnt sich denn die Unterhaltung, nicht über Landhäuser und Stadtpaläste anderer Leute, auch nicht, ob Herr Lepos [Name eines Tänzers] gut oder schlecht tanzt; nein, wir sprechen über das, was uns mehr betrifft und was nicht zu wissen von Übel ist: ob Reichtum, ob Tugend das menschliche Glück begründet, ob wir Freundschaft nur aus Vorteil schließen oder um uns sittlich zu fördern; wir sprechen über das Wesen des Guten und über das höchste Gut.“

Ich könnte mich noch äußern über das eher problematische Körperverständnis von Spitzensportlern; ich könnte reden über Bulimie und Magersucht; ich könnte reden über Asketen, die ihren Körper abtöten, um Erleuchtungen zu haben, ich könnte ferner reden über das sehr körpernahe Thema Sexualität, ich könnte schließlich auch nachdenken über eine geradezu tragische Sache: Künstler und Spitzendenker brauchen angeblich Drogen (Alkohol, Zigaretten und was sonst noch alles; der Philosoph Sartre z.B. war ein Kettenraucher par excellence), um ihre höchsten Denk- und Gestaltungsziele zu erreichen. Ohne dieses Doping geht angeblich gar nichts in der Kunst. Ich schweige zu all diesen Punkten und ziehe das Fazit meines Abschnitts über den Körper:
Ein gesunder und leistungsfähiger Körper ist eine so wichtige Voraussetzung für alles andere im Leben, daß man ihn pflegen und hegen muß wie ein überaus wertvolles Kleinod. Wer seinen Körper leichtfertig schwächt und beschädigt, handelt wie einer, der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes während der Fahrt systematisch und konsequent anbohrt. Unser Körper ist das Fahrzeug unserer Lebensreise, die bis zu hundert Jahre dauern kann. Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag für Tag zu beschädigen und immer schwerfälliger, langsamer und sinkbarer zu machen, ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft. Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschen.

Ich komme nun zu den höheren Ebenen, die zu tun haben mit
Geist, Seele, Charakter,
zu weiteren vier übereinanderliegenden Stufen, Terrassen...

Stufe II: Berufstauglichkeit und Lebenstüchtigkeit

Deren unterste Terrasse (also die zweite nach dem Körper) nenne ich Berufstauglichkeit und Lebenstüchtigkeit: Ich zähle blitzschnell alle Voraussetzungen auf, alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die von klein auf geübt und vermittelt werden müssen und die jeder Mensch braucht, wenn ihm das Prädikat Bildung im umfassenden Sinn nicht abgesprochen werden soll. Denn niemand wird wohl die große Bedeutung von Berufstauglichkeit und Lebenstüchtigkeit bestreiten. Lesen, Schreiben, Rechnen, Umgang mit dem Computer; die Kompetenz, im Internet zu recherchieren, aber auch in einer Bibliothek (es wäre ein schwerwiegender Irrtum, wenn jemand glaubte, das Internet mache die Benutzung von Bibliotheken überflüssig; Referate, die nur aus dem Internet erstellt werden [Wikipedia vor allem], dürften in der Schule eigentlich nicht toleriert werden), Beherrschung der Muttersprache, Beherrschung des Englischen, vielleicht sogar einiger weiterer moderner Sprachen, schnelle Auffassungsgabe, gutes Gedächtnis; genaue, konzentrierte, sorgfältige Arbeitsweise; die Fähigkeit zum problemlösenden, kombinierenden Denken, zur Unterscheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen; die Fähigkeit, Qualitätsunterschiede zu erkennen (nur dann kann man beispielsweise aus dem Internet oder aus dicken Büchern das Brauchbare und Wertvolle herausfiltern); die Fähigkeit, mit unbekannten Problemen fertigzuwerden; ferner Organisationstalent und die sogenannte Teamfähigkeit. Oft benötigt man auch gewisse künstlerische und musische Voraussetzungen. Für alle Berufe braucht man Energie, Belastbarkeit (als Voraussetzung dazu eine möglichst robuste Gesundheit), Fleiß und Pünktlichkeit, einen Kopf voller Phantasie und Ideen, gleichzeitig aber auch einen nüchternen Realitätssinn und ein klares, vom gesunden Menschenverstand diktiertes Urteil, eine gewisse Risikobereitschaft, die sich aber in Grenzen hält, Durchsetzungsfähigkeit, rhetorische Begabung, damit man andere Menschen überzeugen kann, Menschenkenntnis und gute Beobachtungsgabe; die Fähigkeit, die Folgen des eigenen Handelns einzuschätzen; die Bereitschaft, eigene Fehler zuzugeben und zu verbessern; schließlich ein gesundes Mißtrauen, denn die Welt ist voller Betrüger und Schwindler! Nicht zuletzt brauchen wir gute Kenntnisse in der Welt der praktischen Geschäfte, zum Beispiel der Geldgeschäfte. Wer alle diese Fähigkeiten, Eigenschaften und Kenntnisse erworben hat (bei mir selber fehlt es in vielen Punkten ganz gewaltig), der hat Erfolg im Leben und im Beruf. Der kommt zu etwas. Der ist angesehen. Der hat ein Stück Bildung.

Aber es fehlt ihm noch etwas sehr Wichtiges. Denn all das, was ich aufgezählt habe, muß auch der Chef einer Gangsterbande besitzen, wenn er auf die Dauer erfolgreich sein will. Die Gesamtsumme des oben Genannten kann ausnahmslos zum Bösen mißbraucht werden. Auch der Berufsverbrecher braucht alle Sekundärtugenden, auch er muß kreativ, innovativ und flexibel sein, auch er muß immer auf dem neuesten Wissensstand sein, auch er braucht Menschenkenntnis und gesundes Mißtrauen, kluge Einschätzung der Realität, kluges Vorausdenken, damit er überleben kann, damit er nicht ins Gefängnis kommt, damit er nicht im internationalen Wettbewerb des globalisierten Berufsverbrechertums ins Hintertreffen gerät oder gar von konkurrierenden Gangstern umgebracht wird.
Ich steige deshalb auf die nächsthöhere Terrasse und nenne diese Terrassenstufe die Stufe des rechtschaffenen Charakters. Erst ab dieser Terrasse beginnt der Mensch, der im Sinne eines Platon und Aristoteles den Namen Mensch verdient. Denn bis jetzt könnte es sich, wie gesagt, auch um einen gesunden, dynamischen, intelligenten, erfolgsorientiert und mit höchster Professionalität arbeitenden Mafiaboß handeln!

Stufe III: der rechtschaffene Charakter

Das Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Guten. (Natürlich meldet sich jetzt wieder mein unbelehrbarer Kritiker, der Relativist, Empirist und Positivist, und fragt mich, woher ich denn wisse, was moralisch gut sei, da gebe es keinen absoluten Maßstab!). Ich erinnere ihn an meine Widerlegung des Relativismus, die er offenbar nicht begriffen habe. Weil ich aber geduldig bin, zitiere ich ihm eine Seneca-Stelle und behaupte, daß hier ein überzeitlich gültiges Bildungsziel formuliert wird (Seneca ep. mor. 95, 50):
„Wir [Seneca meint alle Menschen ohne Ausnahme, auch die Sklaven] sind die Glieder  e i n e s  großen Körpers. Die Natur schuf uns als Blutsverwandte, da sie uns aus demselben Stoff und zu demselben Zweck hervorgebracht hat; sie senkte Nächstenliebe in unsere Brust und machte uns gesellig. Sie schuf Recht und Gerechtigkeit. Nach ihrer Satzung macht es elender, dem anderen zu schaden, als selber Kränkung zu erleiden. Sie heißt unsere Hände, denen zu helfen, die Hilfe brauchen. ... Wir sind füreinander geboren. Unsere Gemeinschaft ist einem Steinbogen überaus ähnlich, der eben dadurch aufrecht gehalten wird, daß die Steine sich gegenseitig am Herabstürzen hindern.“

Gewisse Verhaltensweisen sind böse, unmoralisch und verwerflich (daran besteht nicht der geringste Zweifel), und die entgegengesetzten Verhaltensweisen sind gut. Beispiel: Wenn jemand ein kleines Kind sexuell mißbraucht und dann mit einem Ziegelstein erschlägt, wenn ein Nazi-Offizier sich einen Spaß daraus macht, gefangene Judenkinder mit Whisky zu vergiften, den er ihnen mit Gewalt einflößt, dann ist so etwas zu allen Zeiten und in allen Kulturen ein grausiges Verbrechen. Wenn jemand einem Schwachen hilft ohne Aussicht auf eine materielle Belohnung, gar noch einen persönlichen Nachteil in Kauf nimmt, dann ist das immer und überall bewundernswert und moralisch gut. Das Handeln eines jeden Menschen spielt sich im wesentlichen ab auf zwei Ebenen: es betrifft zum einen seinen privaten Umgang mit den ihm unmittelbar nahestehenden Menschen (Familie, Freunde, Kollegen).

Und das Handeln hat zweitens eine weiterreichende öffentliche Dimension. Ich meine den Beruf, und ich meine den Menschen in seiner Rolle als Staatsbürger.

Wie verhält sich ein charakterloser und schlechter Mensch seinen Angehörigen und Kollegen gegenüber (Freunde hat er nicht, ein solcher Typ hat keine Freunde)? Er ist ein gewalttätiger Tyrann, ein rücksichtsloser Egoist. Er kümmert sich nicht um seine Kinder, betrügt seine Frau mit zahllosen anderen Frauen (hält sich natürlich deswegen für einen ganz besonders tollen, unwiderstehlichen Kerl), und seine Kollegen schaltet er aus mit üblen Intrigen. Seine einzigen Lebensziele sind Besitz, Karriere und persönliches Vergnügen.

Wie sich ein rechtschaffener Mensch seinem Ehepartner, seinen Angehörigen, Freunden und Kollegen gegenüber verhält, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, meine sehr verehrten Damen und Herrn, Sie wissen es, und fast alle Menschen auf der ganzen Welt wissen es.

Der schlechte, charakterlose, böse Mensch (ich komme zur beruflich-öffentlichen Dimension des Lebens) denkt nur an seinen eigenen Gewinn, der angerichtete Schaden ist ihm egal. Er lebt von der Dummheit und Gutgläubigkeit der anderen, macht Geschäfte mit übelster Pornographie, mit brutalen Computerspielen, mit dem Verkauf verdorbener Lebensmittel; er ist ein korrupter Politiker; er verdient Millionen mit raffinierten Geschäften, zahlt keine Steuern und versteckt sein Geld in der Schweiz; er ist Drogen- und Menschenhändler; er ist Zuhälter; er organisiert Sextourismus und Kindesmißbrauch ...
Der rechtschaffene Mensch hingegen hat einen Beruf, der niemandem schadet und der der Gemeinschaft Nutzen bringt; er besitzt (ich zitiere aus dem Alterswerk Platons, aus den Gesetzen) jene „Tugend“ (arete), „welche Lust und Liebe dazu einflößt, ein vollkommener Bürger zu werden, der sich darauf versteht, mit Gerechtigkeit zu herrschen und zu gehorchen.“ Diese sittliche Tüchtigkeit ist übrigens für den alten Platon der Kern aller Bildung und verdient seiner Meinung nach allein den Namen Bildung (paideia).

Ist der rechtschaffene Mensch ein Politiker, dann zeichnet er sich aus durch Integrität und Unbestechlichkeit, und er macht eine Politik, die seine Gemeinde oder seinen Staat und damit ein kleines bißchen sogar die ganze Welt voranbringt; immer ist er darauf bedacht, die Armen und Schwachen zu schützen, Wohlstand, Frieden und Versöhnung zu schaffen, Krieg zu verhindern, die Umwelt zu retten und zu bewahren.

Ob Intellektueller, Künstler, Wissenschaftler, Journalist, Handwerker oder Arzt – an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun, um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten, um Schaden von ihr abzuwenden. Man sollte übrigens die sogenannten einfacheren bzw. nichtakademischen Berufe nicht verachten. Sie sind unverzichtbar. Wie wäre unser Leben, wenn wir keine Müllmänner hätten, keine im Dienst der Allgemeinheit schwitzenden Straßenarbeiter, keine Polizisten, keine Bäcker, keine Metzger, keine Automechaniker, keine flinken Kellnerinnen und Kellner, keine Wirte und Wirtshäuser? Nicht auszudenken, entsetzlich! Viel lieber möchte man da auf solche Akademiker verzichten, die unverständliche und überflüssige Bücher schreiben oder an völlig sinnlosen Projekten arbeiten. Noch eine Schlußbemerkung zum Charakter: Natürlich ist der Charakter aller Menschen gemischt. Wir haben die nie endende Aufgabe, diese Mischung zu verbessern, das Gute in uns zu stärken, das Böse zu bekämpfen. Wer Dostojewskij liest oder Strindberg oder Ibsen oder Balzac oder Melville oder Joseph Conrad oder Schiller oder Thukydides oder Tacitus, der weiß, daß es Abgründe des Bösen im Menschen gibt.

Was kann die Schule tun, um die ihr anvertrauten Schüler zu rechtschaffenen Menschen zu machen? Sie kann natürlich keine Wunder wirken, aber sie muß sich redlich bemühen, auch wenn der Samen oft auf unfruchtbaren Boden fällt. Die Lehrer sollten vor allem etwas beherzigen, was Friedrich Paulsen in seiner Geschichte des gelehrten Unterrichts im Jahr 1921 geschrieben hat: „Mit den schönsten ,Gesinnungsstoffen‘ ist wenig getan, auf den Lehrer kommt es an; (...) ist er (...) ein treuer, wahrhafter und aufrechter Mann, so wird auch ideale Gesinnung in seiner Umgebung gedeihen; ist er dagegen ein hohler und affektierter, ein heuchlerischer und streberischer, ein hochmütiger und rechthaberischer Mann, so mag er das Evangelium mit Engelszungen predigen, es bleibt totes Redewerk.“ Die Lehrer sollten ihren Schülern mit einfachen und klaren Worten feste Orientierung geben. Sie sollten sich nicht anstecken lassen von einem modischen ethischen Relativismus. Sie sollten den Schülern klarmachen, daß honestum und utile, also das sittlich Gute und der Nutzen, letztlich zusammenfallen. Ein guter Mensch hat wahrscheinlich größere Chancen, ein erfülltes, sinnvolles und glückliches Leben zu führen, als ein schlechter.

Stufe IV: der eigenständig denkende und vernünftig urteilende Mensch

Die Bewahrung eines möglichst gesunden und leistungsfähigen Körpers (I), Berufstüchtigkeit, Lebenstüchtigkeit (II) und anständiger Charakter (III) reichen noch nicht aus, einem Menschen das uneingeschränkte Prädikat „gebildet“ zu geben. Wir müssen auf eine weitere Terrasse aufsteigen. Wenn ich von aufsteigen rede, dann meine ich jetzt nicht einen charakterlichen Aufstieg, denn etwas Höheres als einen anständigen Menschen, dessen Charakter sich in kritischen Situationen bewährt, der sogar Tyrannen Widerstand leistet, gibt es nicht. Und ich bin auch fest davon überzeugt, daß charakterlich anständige Menschen zu 90 Prozent das besitzen, was jetzt auf der neuen Ebene zu fordern ist. Der gebildete Mensch muß befähigt sein zu einem selbständigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebens; er muß unabhängig sein vom gerade herrschenden Modedenken, er darf nicht jeden Unsinn nachschwätzen, der ihm vorgeschwätzt wird, darf nicht alles kopieren und imitieren, was ihm vorgemacht wird, darf sich seine Lebensphilosophie nicht von den nächstbesten Männer- und Frauenzeitschriften, von den nächstbesten Fernsehmoderatoren oder Prominenten diktieren lassen. Das wäre ein riesiger tiefschwarzer Fleck auf der weißen Weste seiner Bildung. Der gebildete Mensch ist kein imitationssüchtiger Konformist, sondern ein kritischer, ideologieresistenter, nicht manipulierbarer Nonkonformist. Nicht nachmachen und nachschwätzen lautet seine Devise, sondern nachdenken. Natürlich wird er sich niemals ganz den Einflüssen der eigenen Zeit entziehen könnten. Aber er bemüht sich darum, zu unterscheiden zwischen dem Neuen, das gut ist, und dem Neuen, das nichts taugt.
Ich zähle ein paar wenige Beispiele auf für dumme oder üble Zeitgeist-Erscheinungen bzw. Zeitgeist-Botschaften bzw. Zeitgeist-Strömungen, die sich teilweise schon wieder verströmt haben, die teilweise noch recht kräftig strömen: rechte oder linke Ideologien; die sogenannte sexuelle Revolution, die eng verbunden war mit der Lehre von der antiautoritären Erziehung und mit dem Traum von der idealen sozialistischen Gesellschaft (in einem hessischen Lehrerhandbuch aus dem Jahr 1977 stand der folgende Satz: „Wir brauchen die sexuelle Stimulierung der Schüler, um die sozialistische Umstrukturierung der Gesellschaft durchzuführen und den Autoritätsgehorsam einschließlich der Kinderliebe zu den Eltern gründlich zu beseitigen.“); [4] die weitverbreitete „Unfähigkeit, andere Wertunterschiede als diejenigen wahrzunehmen, die sich in Geld berechnen lassen“ (Vittorio Hösle); eine „Überproduktion von Informationen“ (Hösle), die zur Orientierungslosigkeit führt; der bornierte relativistische und ebenfalls zur Desorientierung beitragende Glaube, jede Lebensform sei gleichwertig, eine Homosexuellenehe beispielsweise sei in jeder Hinsicht der Ehe zwischen Mann und Frau gleichwertig und selbstverständlich müsse ein Homosexuellenpaar das uneingeschränkte Recht auf Adoption von Kindern besitzen; die Verherrlichung und schamlose geschäftliche Nutzung von Horror, Gewalt und hemmungslos ausgelebter Sexualität; die flächendeckend angebotene und als bedeutsame soziale Errungenschaft geltende Massenabtreibung (in den letzten Jahrzehnten wurden in Deutschland mehrere Millionen ungeborener Kinder getötet); ich schließe meine Aufzählung mit drei harmloseren, sehr aktuellen Zeitgeistbotschaften, die aber großen Schaden anrichten: es handelt sich um drei von großer Ignoranz zeugende, aber sogar von der Süddeutschen Zeitung seit vielen Jahren ununterbrochen ausposaunte Botschaften zum Thema Schule und Didaktik: das Klagelied über allzu frühe „Selektion“ bzw. „Aussortierung“, die Behauptung, der sogenannte Frontalunterricht sei die schlechteste aller Unterrichtsmethoden und sollte am besten ganz abgeschafft werden, und schließlich die geradezu wahnwitzige Vorstellung, man müsse und könne fast jeden zweiten Schüler eines Jahrgangs in acht Jahren zu einem Qualitätsabitur führen, wenn nur der Stoff sachkundig entrümpelt werde und wenn nur die Gymnasiallehrer es endlich einmal verstünden, den richtigen Unterricht zu halten und ihre Schüler individuell zu fördern und zu motivieren.

Besonders anfällig für dieses Bildungsdefizit (Realitätsverweigerung und Verlust der gesunden Urteilskraft, des gesunden Menschenverstandes) sind die sogenannten Intellektuellen!
Ich erkläre mir das so: die Intellektuellen gleichen hochgezüchteten, hochkomplizierten, überaus verfeinerten, mit Elektronik vollgestopften Automobilen, die aber eben deshalb störanfällig sind.
Ein Beispiel von vielen möglichen möchte ich anführen: Daß Stalin nicht gerade ein edler Mensch war, konnte sich jeder schlichte Zeitungsleser und Radiohörer denken, wenn er nur ein Minimum an Realitätssinn besaß. Aber wie urteilte der Nobelpreisträger Pablo Neruda, dessen geistige Kapazität sich zur geistigen Kapazität eines Durchschnittsmenschen verhält wie ein Formel-1-Rennwagen zu einem Goggomobil? Nach dem Tod Stalins (1878–1953) schrieb der Nobelpreisträger eine Lobeshymne auf einen der schlimmsten Massenmörder der Weltgeschichte, eine Lobeshymne, bei deren Lektüre man aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommt. Ich zitiere eine kurze Stelle mit Auslassungen:

Städte erblühten. Wüsten sangen / zum ersten Mal mit Wassers Stimme. (...) Stalin baute auf. Es entstanden / unter seinen Händen Getreidefelder / Traktoren, Schulen, Wege / und er war da / einfach wie du und ich / wenn es dir und mir gelänge / einfach zu sein wie er. / Aber wir werden es lernen. / Seine Schlichtheit und seine Weisheit (...) / hilft uns, Mensch zu sein an jeglichem Tag / hilft uns jeden Tag, Mensch zu werden. / Mensch sein! Das ist das Stalinische Gesetz / (....) Stalin ist der hohe Mittag / des Menschen und der Völker Reife. [5]

Diesen unsäglichen Blödsinn brauche ich wohl nicht weiter zu kommentieren.
Interessant übrigens: Pablo Neruda definiert Bildung genau wie Adalbert Stifter: Menschwerdung. Nur: er hat sich mit Stalin ein weniggeeignetes Beispiel ausgesucht, keinen Menschen, sondern ein Monstrum.

Was kann die Schule tun, um selbständig denkende, nüchtern und realistisch urteilende Nonkonformisten hervorzubringen?

Ich möchte, bevor ich diese Frage beantworte, das Krankheitsbild „ideologische Verblendung“ bzw. „Wirklichkeitsverweigerung“ (diese Krankheit ist mit dem Prädikat „gebildeter Mensch“ unvereinbar) genauer beschreiben: Solche Menschen sind Opfer des KNK-Effekts bzw. des PPM-Syndroms. Sie kennen diese Begriffe nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren? Kein Wunder, denn die Begriffe sind, wie das berühmte Nasobem aus der Feder des Christian Morgenstern, aus meiner Feder, richtiger: aus meiner Computertastatur entsprungen. Unterschied: das Nasobem existiert in der realen Tierwelt nicht, den KNK-Effekt bzw. das PPM-Syndrom gibt es in der realen Menschenwelt sehr wohl!

Hans Christian Andersen:
Des Kaisers neue Kleider.
Flensted Verlag, 1958

KNK-Effekt ist eine Abkürzung für den Kaisers-Neue-Kleider-Effekt. „Schaut, welch wunderbare Kleider der Kaiser anhat!“ schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer, die sich für fortschrittlich halten. Und wir Einzelnen schreien brav mit, obwohl wir mit eigenen Augen sehen, daß der Kaiser nackt ist. Und warum schreien wir mit? Weil wir Angst haben, als ungebildet, rückständig und dumm zu gelten. Wir dürfen einfach nicht sagen, daß der Frontalunterricht unverzichtbarer Kern eines jeden Unterrichts bleiben muß, sonst werden wir für rückschrittlich gehalten; wer traut sich noch zu sagen, daß die Ganztagsschule nicht für alle Schüler notwendig, gut und förderlich ist, für manche sogar eine Qual? Wer traut sich noch zu sagen, daß nicht 40 Prozent eines Schülerjahrgangs ein Abitur machen können, das den Namen Abitur verdient, sondern allerhöchstens 15 Prozent? Wer wagt es noch, die Kinderkrippen als Notlösung zu bezeichnen? Wer riskiert noch eine kritische Äußerung zur Praxis der Massenabtreibung? Man läuft dann Gefahr, für einen fanatischen christlichen Fundamentalisten gehalten zu werden, dem zuzutrauen ist, daß er zur nächsten Abtreibungsklinik rennt und dort den nächstbesten Abtreibungsarzt totschießt.

Peter Plüsch ist ein Maulwurf
Wikimedia Commons

PPM ist eine Abkürzung für Peter-Plüsch-Morbus, also Peter-Plüsch-Krankheit. Peter Plüsch ist ein Maulwurf, der Held einer Fabel des 1933 verstorbenen Schriftstellers Manfred Kyber.[6] Peter Plüschs Philosophie lautet so: Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gänge. Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gänge. Und in dieser Unterwelt habe ich zu wühlen. Eine Oberwelt mit Gras, Bäumen und Himmel gibt es nicht.

Leute, die am PPM-Syndrom leiden, haben ein ganz bestimmtes (einseitiges und falsches) Welt- und Menschenbild, und alles, was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild übereinstimmt, leugnen sie weg, auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegt. Es existiert für sie einfach nicht. Und die Ursache für diese Blindheit? Bei der Peter-Plüsch-Krankheit ist es nicht die Angst, für dumm gehalten zu werden (wie beim KNK-Effekt), sondern teils wirkliche Dummheit, teils sind es wohl auch prägende Erlebnisse, heiße Herzenswünsche. Beispiel für letzteres: Da erlebt jemand einen gnadenlosen kapitalistischen Unternehmer, und er sehnt sich nach einer besseren und gerechteren Welt. Was liegt näher, als brennenden Herzens vom Kommunismus zu träumen? Daß der Kommunismus auch nicht gerade menschenfreundlich ist, weil die Methode „Abschaffung des Privateigentums“ nicht funktionieren kann, nimmt er natürlich nicht zur Kenntnis. Daß Stalin und Mao nicht gerade menschenfreundliche Politiker sind bzw. waren, nimmt er nicht zur Kenntnis. Daß es auch anständige Unternehmer gibt, nimmt er nicht zur Kenntnis. Auch ein recht gescheiter Mann wie Bertolt Brecht litt an der Peter-Plüsch-Krankheit: So sehr war er fixiert auf seinen Kommunismus, daß er wütend wurde, wenn er etwas zu sehen bekam, was diesem Weltbild nicht entsprach. Ich zitiere aus einem Aufsatz von Reich-Ranicki über Bert Brecht: „Die Schweiz ist ein kapitalistisches Land, also können dort – Brecht wußte das – für Arbeiter nur Slums gebaut werden. Und siehe, er fand eben das vor, was er finden wollte: ,alles winzig, es sind gefängniszellen, räumchen zur wiederherstellung der ware arbeitskraft, verbesserte slums‘. Mithin alles in Ordnung. Frisch allerdings berichtet, daß ,Brecht, anfänglich verwundert über so viel Komfort für die Arbeiterschaft, sich mehr und mehr belästigt fühlte durch eben diesen Komfort, der Grundfragen nicht zu lösen gedenkt; plötzlich, in einem properen Neubau, fand er sämtliche Zimmer zu klein, menschenunwürdig, und in einer Küche, wo nichts fehlte und alles glänzte, brach er ungeduldig die Besichtigungsfahrt ab.‘[7]

An der Peter-Plüsch-Krankheit leiden Christen, die aus lauter vermeintlicher Frömmigkeit und Bibeltreue gesicherte Ergebnisse der Naturwissenschaft wegleugnen.

An der Peter-Plüsch-Krankheit leiden aber auch Naturwissenschaftler, wenn sie die Existenz all dessen bestreiten, was mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht nachgewiesen werden kann: ob es sich um die objektive Qualität von Kunstwerken handelt, um objektive moralische Normen, um Gott und Freiheit, ganz zu schweigen von der Existenz einer unsterblichen Seele.

Ich möchte jetzt nicht mißverstanden werden, und darum betone ich ausdrücklich: Jeder Mensch leidet mehr oder weniger an der Peter-Plüsch-Krankheit. Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, immer richtig und vernünftig zu urteilen. Unsere Erkenntnis ist zu beschränkt, und niemand kann sich dem Zeitgeist völlig entziehen, niemand ist gegen Irrtum gefeit. Das gilt sogar für wirklich große Geister wie Platon und Aristoteles. Auch dem KNK-Effekt kann man sich wohl nicht ganz entziehen. Man ist halt nicht immer mutig genug.

Was kann die Schule tun, um selbständig denkende, nüchtern und realistisch urteilende Nonkonformisten hervorzubringen, bei denen sich KNK-Effekt und PPM-Syndrom in möglichst engen Grenzen halten? Was kann sie tun gegen krankhaften Realitätsverlust? Die Lehrer sollten ihren Schülern immer wieder (natürlich in Verbindung mit anschaulichen Beispielen und überzeugender Argumentation) die folgenden vier Maximen bzw. Einsichten nahebringen:

1) Wenn die Wirklichkeit nicht übereinstimmt mit deiner vorgefaßten Meinung, dann leugne nicht die Wirklichkeit weg, sondern korrigiere deine Meinung!

2) Wenn du nach gründlicher Prüfung den Eindruck gewinnst, daß ein nackter Kaiser herumläuft, dem alles zujubelt, weil er angeblich so schöne Kleider trage, dann juble nicht mit, sondern übernimm die Rolle des Kindes!

3) Die Welt (nicht nur die Natur, sondern auch das, was der Mensch hervorbringt und hervorgebracht hat) ist von einem so unendlichen Reichtum, daß es für jeden einzelnen Menschen einen riesigen Verlust an wunderbaren Erlebnissen und Erfahrungen bedeutete, wenn er sich abschlösse im engen Raum einer Ideologie und nichts zu sich hereinließe. In diesem Fall wäre er nicht nur ein bedauernswerter Peter Plüsch (weil ihm so vieles entginge), er wäre auch ein blinder, verblendeter Peter Plüsch, dessen Urteile fast nur noch aus Vorurteilen und Dummheiten bestünden.

4) Wir brauchen natürlich hervorragende und kompetente Spezialisten. Aber du sollst, lieber Schüler, kein Fachidiot werden, der, ein Peter Plüsch par excellence, sich ausschließlich in seinem Fachgebiet vergräbt. Der deutsche Mathematiker, Naturwissenschaftler und Satiriker Georg Christoph Lichtenberg hat im Jahr 1789 einen berühmten und vielzitierten Satz geschrieben: „Wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht.“ Allgemeiner formuliert: Wer nur sein Fachgebiet versteht, versteht auch das nicht recht. Klaus Bartels, ein Journalist, bemerkt dazu in der NZZ vom 29. August 2005: Der Ausdruck Fachidiot „macht drastisch klar, wie nahe höchste Kompetenz und schiere Inkompetenz beieinander liegen: Nur ein paar Scheuklappen liegen dazwischen.“ Jüngeren Schülern wäre ich natürlich eine Erläuterung schuldig: Wieso versteht eigentlich einer, der nur sein Fachgebiet versteht, auch das nicht recht? Ganz einfach: Weil dieses Fachgebiet dann aus dem großen Zusammenhang gerissen ist wie ein Stückchen Text aus dem Sinnzusammenhang. Ein aus dem Sinnzusammenhang gerissener Text ist aber nicht mehr gut verständlich, in der Regel wird er sogar falsch interpretiert.

Das waren vier Ratschläge an die Schüler. Einen wichtigen Punkt muß ich noch hinzufügen: Ein hervorragendes Mittel, in der Schule gegen den KNK- und PPM-Virus vorbeugend zu impfen, ist die Lektüre von Texten. Von welchen Texten?

Albert Einstein gibt einen wertvollen Hinweis (1952): „Einer, der nur Zeitungen liest und, wenn’s hochkommt, Bücher zeitgenössischer Autoren, kommt mir vor wie ein hochgradig Kurzsichtiger, der es verschmäht, Augengläser zu tragen. Er ist völlig abhängig von den Vorurteilen und Moden seiner Zeit, denn er bekommt nichts anderes zu sehen und zu hören (...). Der klugen Menschen mit klarem Geist und Stil und mit gutem Geschmack sind gar wenige in einem Jahrhundert. Was von ihnen bewahrt worden ist, gehört zum wertvollsten Gut der Menschheit.“[8] Albert Einstein hat das geschrieben, kein Philologe, dem man solche Aussagen nicht abzunehmen pflegt.

Welche Anforderungen müssen Texte erfüllen, damit sie bei den Schülern das Gegenteil bewirken von ideologischer Indoktrination, damit sie die Abwehrkräfte gegen die Peter-Plüsch-Krankheit stärken? Die Texte (sie stammen von großen Naturwissenschaftlern, Schriftstellern, Dichtern, Geschichtsschreibern, Philosophen) zeigen in ihrer Summe mit höchster Überzeugungskraft und Wahrhaftigkeit das Wesen des Menschen; sie vermitteln Grundeinsichten in die Natur, deren Teil der Mensch ist, und in die Geschichte. Sie stellen die Menschenrechte, die Menschenwürde und die Notwendigkeit der Beachtung grundlegender moralischer Normen und Pflichten nicht in Frage. Sie zeigen die Gefährdung des Menschen durch all das, was an destruktivem Potential in ihm steckt; sie diskutieren alle existentiellen Fragen unseres Lebens mit äußerster Klarheit, Prägnanz und radikaler Grundsätzlichkeit; sie regen den Schüler an zum eigenen Weiterdenken, zum eigenen Philosophieren.

Ich möchte solche Texte mit wertvollen Heilpflanzen vergleichen. Fundstellen gibt es in den Wäldern und Wiesen einer jeden Literatur: im italienischen Wald, im spanischen Wald, im französischen Wald, im englischen und amerikanischen Wald, im russischen Wald, im deutschen Wald usw., natürlich auch, und nicht zuletzt, und zwar in besonderer Qualität (schließlich ist es die Urheimat dieser Pflanzen) im altgriechischen und lateinischen Wald.

Es würde zu weit führen, viele Beispiele aufzuzählen und die Beispiele zu erläutern, das wäre ein eigener stundenlanger Vortrag.
Ich beschränke mich deshalb auf wenige Stichworte zu den antiken Fundstellen: Bei Sophokles etwa oder bei Platon, Cicero, Thukydides und Tacitus geht es um die Wesensbeschreibung von Tyrannen (man denke beispielsweise an die Gestalt des Kreon in der Antigone des Sophokles), um das Recht des Stärkeren, um das höchste Gut, um die obersten sittlichen Normen, um die beste Staatsform, um das Wesen der Gerechtigkeit, um das Problem des ethischen Relativismus, um die Analyse und Beschreibung autoritärer Herrschaft, um das Verhalten der Menschen unter autoritärer Herrschaft, um die Manipulation des menschlichen Denkens durch Manipulation der Sprache, um den Mißbrauch von Begriffen wie Freiheit und Gerechtigkeit, um die tiefsten Ursachen von Krieg und Gewalt ... Bei Lucan (er war der Neffe Senecas und ein genialer junger Dichter) steht ein Satz, der den Kadavergehorsam einem Führer gegenüber entlarvt und anprangert (Pharsalia, Buch I, 376 ff.):

Pectore si fratris gladium iuguloque parentis condere me iubeas plenaeque in viscera partu coniugis, invita peragam tamen omnia dextra...
Wenn du mir (Caesar) befehlen solltest, mein Schwert zu versenken in der Brust meines Bruders oder in der Kehle meines Vaters oder im Leib meiner schwangeren Frau, ich würde es tun, wenn auch mit zögernder Hand.

Setzen sich die Schüler intensiv und über Jahre hinweg mit Texten dieser Art auseinander und haben sie die von Friedrich Paulsen gewünschten Lehrer, dann besteht die begründete Hoffnung, daß sie später weniger anfällig werden für beschränkte Ideologie als solche Jugendliche, die ihre gesamte Bildung aus dem Privatfernsehen oder aus Videotheken oder aus dem Herumsausen in Internetautobahnen beziehen.

Das achtjährige Gymnasium läßt weniger Zeit für die Lektüre solcher Texte. Es muß ja entrümpelt werden, und der Entrümpelung fällt vor allem das zum Opfer, was keinen praktischen Nutzen zu bringen scheint. Außerdem setzt der hohe Anspruch dieser Texte ältere Schüler, 18- bis 19jährige, voraus. Die um ein Jahr jüngeren G8-Oberstufenschüler sind im Durchschnitt dafür noch weniger aufnahmefähig. Die Heranbildung ideologieresistenter, selbständig denkender Menschen durch Lektüre der auch von Albert Einstein geforderten hervorragenden Texte ist also im G 8 aus diesen zwei Gründen (weniger solche Texte, jüngere Schüler) stark eingeschränkt worden. Eine bedenkliche Entwicklung! Warum haben wir uns das G 8 gefallen lassen? Das G8 ist eine hohe Treppenstufe von der Bildung in Richtung Ausbildung hinuntergestürzt! Man hat einem Edmund Stoiber, der genau so wenig von Bildung versteht wie von – Banken, blind gehorcht. Eine Kürzung der Fußball-Grundversorgung im deutschen Fernsehen wäre wohl kaum möglich gewesen. Aber wenn es nur um humanistische Bildung geht...

Im Zusammenhang mit humanistischer Bildung hört man oft den folgenden Einwand: Was wollt ihr denn mit eurer humanistischen Bildung? Sie konnte die Katastrophen des 20. Jahrhunderts nicht verhindern. Sie hat den Praxistest nicht bestanden. Sie hat versagt. Dieser Einwand ist verfehlt, und zwar aus zwei ganz leicht verständlichen Gründen:

1) Es wäre äußerst naiv, anzunehmen, das humanistische Gymnasium allein für sich (das im übrigen nur von einer winzigen Minderheit eines Schülerjahrgangs besucht wurde) hätte es schaffen können, das destruktive Potential, das im Menschen steckt, zu domestizieren, gar einen ins Verderben führenden übermächtigen Zeitgeist unwirksam zu machen. Wenn das Gymnasium der zum Abgrund treibenden Strömung damals noch so sehr und mit aller Kraft entgegengepaddelt hätte: die Strömung war zu stark und zu schnell.

2) Das humanistische Gymnasium hat der Zeitströmung gar nicht mit aller Kraft entgegengepaddelt. Es hat sich treiben lassen, hat sogar in Richtung Abgrund mitgepaddelt. Denn Auswahl und Interpretation der antiken Texte waren einseitig und entstellend. Im Vordergrund standen Krieg und Kampf, Opfertod und Heldentod, Soldatentugenden, rassistisch bzw. nationalistisch Deutbares. Den wirklichen Homer, den wirklichen Platon, den wirklichen Tacitus, den wirklichen Cicero, den wirklichen Thukydides haben wahrscheinlich nur wenige Lehrer im Unterricht gezeigt. Die Texte der alten Schriftsteller wurden aus dem Zusammenhang gerissen und verfälscht; bedeutende Textstellen, die Krieg und Gewalt, verblendeten Nationalismus, dummen Rassismus und das lächerliche und ekelhafte Geschwätz von einer Herrenrasse hätten in Frage stellen können, wurden gar nicht gelesen. Und wenn solche Stellen gelesen wurden, dann wurden sie in aller Regel mühsam Wort für Wort übersetzt, ohne daß die Schüler über den Sinn des Übersetzten wirklich nachgedacht, geschweige denn ihn begriffen hätten. Ich will es mit äußerster Schärfe formulieren: Das humanistische Gymnasium damals war kein humanistisches Gymnasium. Der Zellkern des humanistischen Gymnasiums war entfernt bzw. aufs schwerste geschädigt.

Stufe V: die höchste Bildungsstufe

Ich fahre fort mit meiner Darstellung der fünf Bildungsterrassen:

Wir gingen aus von der Ebene des Körpers (I), kamen zur Terrasse der Berufstauglichkeit und Lebenstüchtigkeit (II), dann zur Terrasse des rechtschaffenen Charakters (III), dann zur Terrasse des eigenständigen Denkens und Urteilens (IV).

Jetzt erklimmen wir die letzte und höchste Terrasse (V), deren Namen ich noch nicht nenne, damit Sie, liebe Zuhörer, gezwungen werden, die Bezeichnung für die letzte Terrasse selber zu finden.
Ich zitiere zuerst aus einem Interview, erzähle dann von einer literarischen Gestalt, berichte dann von zwei persönlichen Erlebnissen.

Am 29. August 1999 stand in der neugriechischen Sonntagszeitung To Vima ein Interview mit der Sängerin Jessye Norman. Unter anderem sagte sie:

„Ich bin mir ganz sicher, daß mit das Schönste ist, was einem Menschen zustoßen kann, wenn er das entdeckt, was er wirklich liebt, was ihn begeistern kann.“

Eine der wunderbarsten Erzählungen nicht nur der russischen Literatur, sondern der Weltliteratur, ist die Novelle „Der Mantel“ von Nikolaj Gogol aus dem Jahr 1842. Es geht um einen vielfach benachteiligten, ganz und gar nicht intelligenten kleinen Beamten, der am Schluß der Geschichte (aber das tut jetzt nichts zur Sache) ein schreckliches Erlebnis hatte und ganz elend sterben mußte. Dieser Beamte war natürlich das ideale Mobbingopfer. Seine Kollegen streuten z. B. weiße Papierschnitzel über seinem Kopf aus und sagten: „Es schneit“... Der Beamte hieß Akakij Akakiewitsch, seine Aufgabe war es, in Schönschrift von Dokumenten Kopien anzufertigen. Worauf es mir jetzt ankommt, ist die folgende Stelle aus der Geschichte:

„Es hieße ihn verkennen, wenn man behaupten wollte, daß er eifrig seine Pflicht erfüllte – er erfüllte sie mit Liebe. In den Abschriften, die er anzufertigen hatte, tat sich eine bunte und reiche Welt vor ihm auf. Der Genuß, den ihm seine Arbeit bereitete, drückte sich in seinem ganzen Gehaben aus. Gewisse Buchstaben waren seine besonderen Lieblinge; wenn er sie hinmalte, geriet er wie außer sich: er lächelte, blinzelte mit den Augen und half mit den Lippen nach, so daß man fast jeden Buchstaben, den seine Feder aufs Papier setzte, von seinem Gesicht ablesen konnte ...“

Jetzt zu meinen zwei Erlebnissen:
Einmal fuhr ich mit meiner Frau im Bayerischen (östlich von Augsburg) im Auto spazieren. Auf einem Bauernhof entdeckten wir einen riesigen, wunderschönen Taubenschlag. Er sah aus wie ein Schloß, eine Art Neuschwanstein für Tauben. Der Bauer stand in der Nähe, meine Frau sprach ihn an und drückte ihre Bewunderung aus für den schönen Taubenschlag. Der Bauer freute sich und sagte etwas sehr Bedeutsames. Leider beherrsche ich die Aussprache des Baierischen nicht, deshalb transponiere ich den Satz in mein ordinäres Kriegshaber-Schwäbisch:

„Dr Mensch braucht o ebbas, was nix eibringt, was ma oifach so macht, aus reiner Fraid, wals schee isch.“

Und jetzt erschrecken Sie bitte nicht. Ich berichte ein zweites persönliches Erlebnis, in dem es um – Striptease geht. Ich war vor vielen, vielen Jahren mit meiner Frau in Schweden unterwegs. Wir nahmen einen jungen Anhalter mit. Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Der junge Mann war in Stripteasevorführungen gewesen und erzählte davon. Und nun kommt das Besondere, das Wunderbare, das Ergreifende, das Berührende! Wie reden Männer üblicherweise von solchen Dingen? In obszöner, schlüpfriger Weise, so wie eben Zyniker und schmierige Typen vom Schlage eines … über solche Dinge zu reden pflegen. Wie aber sprach unser junger Anhalter? Ich werde es nie vergessen: Er sprach voller Ehrfurcht, voller Andacht wie von etwas Heiligem. Für ihn waren diese Frauen Offenbarungen einer Schönheit, die weit mehr ist als lediglich die Schönheit einzelner Körper.

Sie haben längst gemerkt, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, worauf ich mit meinen Beispielen hinauswill: Die Veranlagung, sich für etwas begeistern zu können, Schönheit zu erleben und hinter der Schönheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schönheit zu ahnen, ist ein Wesensmerkmal des Menschen.
Ich will diesen Gedanken noch einmal zuspitzen und verdeutlichen, indem ich einen Bergwanderer, der in den Allgäuer Alpen herumspaziert, mit einer Allgäuer Kuh vergleiche. Was ist das Gemeinsame zwischen einer Allgäuer Kuh und dem Wanderer? Was ist der Unterschied?
Kein Biologe wird mir widersprechen, wenn ich behaupte, daß einer Allgäuer Kuh die duftende Allgäuer Bergwiesenkräutermischung hervorragend munden dürfte. Genauso gut schmeckt dem Bergwanderer seine Brotzeit, die er aus dem Rucksack holt. Am Essen freuen sich also beide. Beim Trinken dürfte es einen Unterschied geben: die Kuh trinkt Wasser, der zünftige Bergwanderer hat sein Bier dabei, seine Gipfelhalbe. Aber in dem folgenden entscheidenden Punkt, und daran kann wohl kein Zweifel bestehen, übertrifft der menschliche Wanderer die Kuh: letztere dürfte nämlich, im Gegensatz zum Menschen, kaum in der Lage sein, die Schönheit der Allgäuer Alpen zu würdigen, sie bleibt unbeeindruckt von den geradezu mythischen Berggestalten eines Hochvogel, einer Höfats, eines Schneck ... Der Mensch ist so geartet, daß er sich für bestimmte Dinge begeistern kann, die ihren Wert in sich selbst haben, die nicht dem bloßen Überleben dienen, keinem materiellen Gewinn, keinem selbstsüchtigen Zweck; er kann sich diesen Dingen hingeben, ganz in ihnen aufgehen, sich selber dabei vergessen und ein intensives Glück empfinden, staunend, bewundernd, Geheimnisse und große Zusammenhänge ahnend, einen letzten tiefen Sinn, vielleicht sogar Gott. Ich zitiere Albert Einstein (zwei Zitate):

- „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen.“[9]

- „Seine Religiosität [gemeint ist die Religiosität des Forschers] liegt im verzückten Staunen über die Harmonie der Naturgesetzlichkeit, in der sich eine so überlegene Vernunft offenbart, daß alles Sinnvolle menschlichen Denkens und Anordnens dagegen ein nichtiger Abglanz ist.“[10]

Der Mensch ist fähig zu Erlebnissen und Erfahrungen, die ihn hinausführen über ihn selbst, die ihn sein beschränktes Alltagsleben übersteigen lassen; Wissenschaft um ihrer selbst willen; Kunst, Musik, Philosophie, Religion und das Erlebnis der Schönheit spielen dabei eine entscheidende Rolle. „Übersteigen“ heißt auf lateinisch „transcendere“. Der Mensch ist fähig zur Transzendenz. Das ist meine Überschrift für die letzte Bildungsstufe (V).

Der Pianist Alfred Brendel sagte in einem Interview, das in der NZZ vom 31. Dezember 2005 abgedruckt war, zur transzendierenden Wirkung der Musik folgendes: Große Musik besitze die Fähigkeit, „aus dem Menschlichen hinauszuführen ins Schicksalhafte, ins Phantastische, ins Dämonische, ins Seraphische, ins Zeitlose, in die Stille.“

Nehmen wir an, jemand befinde sich in einem wunderbaren Kirchenraum, die Luft sei erfüllt von Lichtstrahlen und Weihrauch, und von der Empore ertöne eine Messe von Mozart oder Haydn mit Pauken und Trompeten und schönen Menschenstimmen und Streicherklängen. Nehmen wir an, dieser Jemand bleibe von all dem völlig unberührt, nehmen wir weiter an, dieser Jemand bleibe auch kalt und unberührt beim Anblick des Meeres, beim Anblick des Gebirges, beim Anblick blühender Bäume, beim Anblick eines schön strömenden Flusses (Homer hat ein eigenes Epitheton für die Schönheit eines strömenden Flusses: der Fluß ist kalliroos), nehmen wir all das an und nehmen wir weiter an, daß dieser Jemand äußerst intelligent sei mit einem IQ von 150, höchst erfolgreich im Leben und daß er dank seinem stupenden Allgemeinwissen bei Günther Jauch eine Million gewonnen habe, ohne auch nur einen einzigen Joker verwenden zu müssen – – – der Kerl ist trotz seiner Intelligenz, trotz seines Wissens ein Banause, ein Prolet, er besitzt eine Bildungslücke, die so groß ist wie das Ozonloch über dem Nordpol, so groß wie das Finanzloch der Bundesrepublik Deutschland.

Was kann die Schule tun, damit ihre Schüler diese letzte Stufe der Bildung erreichen: die Stufe der Begeisterung, der Freude, die Stufe des Glücks, das hervorgerufen wird durch Erfahrungen des Schönen, des Geheimnisvollen, des Transzendenten?

Die Antwort ist sehr einfach: Jeder Lehrer muß seine Schüler spüren lassen, daß er selber begeistert ist von den Gegenständen, die er unterrichtet. Ich hatte in St. Stephan einen Griechischlehrer, Pater Theodor, der oft mürrisch und mißmutig in den Unterricht kam. Aber bald hellte sich seine Miene auf, und sein Gesicht begann immer glücklicher zu strahlen. Die Ursache? Wir lasen – Homer! Das glückliche Strahlen unseres Pater Theodor, der die Schönheit der Homerischen Verse aufs intensivste empfand, half uns jungen Schülern dabei, die Bedeutung Homers wenigstens zu ahnen: dem großen Homer gelingt es, genau wie dem großen Mozart, eine wunderbare Heiterkeit zu verbinden mit dem Dunklen und Schweren der menschlichen Existenz.
Bildungspolitiker reden immer davon, wie teuer Bildung sei. Wäre es für solche Politiker ausnahmsweise nicht einmal eine sehr erfreuliche Nachricht, wenn sie erführen, daß das glückliche und ansteckende Strahlen von Lehrergesichtern, ein Strahlen, das für die Jugendbildung, nebenbei bemerkt, weitaus wichtiger ist als alle möglichen sündteuren Beamer oder sonstigen Geräte – – überhaupt nichts kostet?
An dieser Stelle füge ich, bevor ich zum Ende meines Vortrags komme, einen kleinen Exkurs ein. Er betrifft den allerhöchsten überhaupt denkbaren, über die eben beschriebene letzte Terrasse noch hinausragenden und wohl nur für wenige Menschen erreichbaren Bildungsgipfel. Zuletzt sprach ich von der wunderbaren Veranlagung des Menschen, Begeisterung und Glück empfinden zu können beim Erlebnis von Harmonie, Schönheit, Gesetzmäßigkeit. Aber wir Menschen sind auch dem Leid ausgesetzt, der Krankheit, der Einsamkeit, bösem Unrecht und böser Gewalt, entsetzlichen Zufällen und Schicksalsschlägen. Oft bleibt den schwer Geschlagenen nur noch eine einzige Reaktion: Verzweiflung.
Gelingt es nun aber einem vom Leid getroffenen Menschen, sich aus dem tiefsten Abgrund der Verzweiflung zu befreien, weil er Trost, Hilfe und Halt findet in der Kunst, der Musik, der Literatur, der Wissenschaft, der Philosophie, der Religion, dann beweist dieser Mensch eine Größe, die ein unbeschwert-fröhlicher Liebhaber der Erkenntnis und des Schönen, einer, den noch kein großes Leid getroffen hat, aufs tiefste bewundern muß.

Schluß: Der Enten-Mythos

Wir haben fünf immer höhere Terrassen erklommen, ich habe versucht, ein möglichst umfassendes Bild der menschlichen paideia [11] zu entwerfen, von der Sorge um den Körper bis zur Erfahrung des Transzendenten. Ich wäre kein Platon-Fan, wenn ich nicht diesen großen Meister in meiner bescheidenen Weise nachahmen würde. Platon setzt oft Mythen oder Gleichnisse an den Schluß seiner Dialoge. Deshalb beschließe auch ich meinen Vortrag mit einem Gleichnis, nämlich dem Entengleichnis.
Auf die Entenidee brachte mich eine Stelle aus Saint-Exupéry (Wind, Sand und Sterne): Saint-Exupéry schreibt vom Flug der Wildenten und von der Wirkung ihres Flugs auf die zahmen Hausenten: „Und siehe da, in diesem kleinen harten Kopf (der Hausente), in dem (noch eben) bescheidene Bildchen kreisten vom Pfuhl, von den Würmern, vom Entenhaus, entstehen die kontinentalen Weiten, (entsteht) der Geschmack der Winde der hohen See und die Geographie der Meere. Das Tier wußte nicht, daß sein Gehirn groß genug war, so viele Wunder zu fassen, aber siehe da, es schlägt mit den Flügeln, verachtet das Körnchen, verachtet die Würmer und möchte Wildente werden.“

Diese Stelle hat mich elektrisiert, weil sie so wunderbar platonisch klingt: Wir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten. Erreicht uns der Ruf der Wildente, dann spüren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne, Weite, Überblick, Erkenntnis; Platon spräche von Wiedererinnerung und vom Eros, der uns emporzieht ins Reich der Ideen!
Ich werde, den platonischen Gedanken weiterspinnend, eine kleine Entenkunde entwickeln. Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten:

Die Hausenten

Da sind zunächst, wie gesagt, die Hausenten. Ihr Horizont ist beschränkt auf den Heimattümpel und ein kleines Fleckchen Himmel. In ihren harten Köpfen gibt es nur praktische Gedanken, und alles Wissen, das sie haben, dient fast ausschließlich praktischen Zwecken. Die Vorstellung, daß Wissen auch Selbstzweck sein könnte, ist ihnen fremd. Sie entwickeln kaum Individualität, statt dessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie. Wenn sie (und das ist häufig der Fall) Langeweile verspüren, geschieht folgendes: Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequake, oder mehrere Enten tollen wie verrückt in einem Tümpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen. Die Masse der Enten, den Teich dicht umhockend, hört und schaut ganz gebannt zu. Die Enten nennen das Enter-tainment. Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung. Im Fernsehen trat vor einigen Jahren ein Quakenterich auf, der, strahlenden Auges und Triumph in der Stimme, davon schwärmte, daß wir „gigantische Datenmengen um den Globus jagen.“ Zuerst war ich ungeheuer beeindruckt von diesem gewaltigen Wort, aber dann überkam mich sokratische Skepsis. Mein kritischer Einwand lautet: Wenn Hausenten sich global vernetzen, dann entsteht aus der Summe ihrer Tümpelchen noch lange kein Meer; sie bleiben die alten Hausenten. Allerdings: Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich. Dieses Erbe schlummert tief in ihrem Genpool. Und es kann geweckt werden.

Die Höhlenenten

Da sind zweitens die Höhlenenten. Sie sind verwandt mit „Peter Plüsch“, [12] man könnte sie deshalb auch Maulwurfshöhlenenten nennen. Diese Maulwurfshöhlenenten (Anas talpina spelaea / lat. anas = Ente, talpina = Maulwurfs-, spelaea = Höhlen-) hausen, wie der Name sagt, in Höhlen, tief unten. Sie sind blind. Ihr dunkles, enges Höhlenrevier halten sie für die einzige und ganze Wirklichkeit. Den Ruf der Wildente können sie nicht mehr vernehmen. In ihrer Höhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit: Verbissene Rangordnungskämpfe, gieriges Sammlen von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Höhlenbären und Faustkeile), Lustbarkeiten auf unterstem Tropfsteinniveau! In der Weltliteratur spielen die Höhlenenten eine bedeutsame Rolle, z. B. in den Erzählungen und Romanen eines Nicolai Gogol: es sind selbstverliebte, profilierungssüchtige, zwar ausgebildete, aber gänzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlköpfe ohne jeden Horizont, voller Egoismus, Hinterhältigkeit, Tyrannei und Besitzgier. Liebe kennen sie nicht, nur wüste Sexorgien. Sie sind unfähig, jene höheren Güter auch nur zu ahnen, die Augustinus „bona beatifica“ (bona = Güter / beatifica = glücklich machende) genannt hat.

Die Wildenten

Zum Enten-Mythos: ein Wildentenpaar
Wikimedia Commons

Und da sind drittens die Wildenten: Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige. Platon war eine Wildente, Augustinus war eine Wildente. Mozart war eine Wildente. Michelangelo war eine Wildente. Shakespeare war eine Wildente. Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen. Die Wildenten zeigen uns eine höhere Wirklichkeit, die unseren Hausentenhorizont überragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge.
Woran erkennt man den Ruf der Wildente? Man erkennt ihn an einem eigentümlichen, mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns. Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspüren, etwa bei Mozarts Requiem oder bei den späten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert, dann haben wir den Ruf der Wildente gehört.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Schülerinnen und Schüler!
Ich appelliere an Sie und an Euch und an mich selber: Vergessen wir nie unser Wildentenerbe! Mobilisieren wir nicht unseren inneren Schweinehund oder gar unsere inneren Kampfhunde und Bluthunde – diese Untiere müssen wir ausrotten –, sondern mobilisieren wir die Wildente in uns! Und sinken wir niemals herab zur Höhlenente! Denn aus der Höhle wieder herausfinden, zurück zum Licht – diese Aufgabe überstiege unser Einsichtsvermögen und unsere Kraft. Helfen und uns die Richtung weisen könnte dann nur einer: der gnädige und barmherzige Gott!

Literatur

  • Friedrich Paulsen: Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. Band 1; 3., erw. Auflage. Hrsg. und in einem Anhang fortges. von Rudolf Lehmann. Leipzig: de Gruyter, 1919, XXVII, 636 S.
  • Wolfgang Illauer: Latein darf nicht sterben. Leserbrief. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 155 vom 8. Juli 2002, S. 48
  • Jan Ross: Was ist Bildung? Innovationsgipfel schaden der Wissenschaft. Das Lernen, Lehren und Forschen verträgt kein Schielen nach Produktideen oder Sozialnutzen. In: Die Zeit vom 22. Januar 2004 - zeit.de

Querverweise

Netzverweise

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. avaritia = Habgier / pleonexia = das Mehrhabenwollen / Ruach = Raffgier
  2. Anmerkung: „Homo sapiens sapiens“ ist ein Begriff der Biologie und kein Schreibfehler. Er bedeutet soviel wie „der weise, weise“ oder „kluge, kluge Mensch“. Er bezeichnet die allerhöchste Stufe der menschlichen Evolution. Den homo sapiens gab es schon länger. (Wolfgang Illauer)
  3. Adalbert Stifter: Gesammelte Werke: Bd. Kleine Schriften. Band 6 von Gesammelte Werke. Frankfurt am Main: Insel-Verlag, 1959, Seite 369
  4. Prof. Dr. Hans-Jochen Gamm im Handbuch für Lehrer: „Anleitung zur Handhabung der Rahmenrichtlinien für Sexualkunde in Hessen“, 1977
  5. Zitiert aus Gerd Koenen: Die großen Gesänge – Lenin, Stalin, Mao, Castro ... Sozialistischer Personenkult und seine Gesänge von Gorki bis Brecht – von Aragon bis Neruda. Frankfurt am Main: Eichborn, 1987, 221 S., ISBN 3-8218-0403-3; hier: Seite 139
  6. Manfred Kyber: Peter Plüsch. In: Manfred Kyber: Unter Tieren. Zweiter Band. Stuttgart-Heilbronn: Walter Seifert Verlag, 1926, 218 S.
  7. Marcel Reich-Ranicki: Nachprüfung / Aufsätze über deutsche Schriftsteller von gestern. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1990, Seite 299
  8. Albert Einstein: Zeiten des Staunens, hrsg. von Harald Schützeichel, Freiburg im Breisgau 1993, Seite 150 f.
  9. Albert Einstein, ebenda, S. 20
  10. Albert Einstein, ebenda, S. 64
  11. Paideia ist das altgriechische Wort für „Erziehung / Bildung“.
  12. Peter Plüsch ist ein Maulwurf, der Held einer Fabel des 1933 verstorbenen Schriftstellers Manfred Kyber, siehe oben das PPM-Syndrom bzw. Peter-Plüsch-Syndrom.
  13. Rüdiger Kuhnke: Es handelt sich um eine kurze sinngemäße Wiedergabe des erwähnten Leserbriefs, der mich damals sehr beeindruckt hatte. Als das G8-System in Bayern dann „akut“ wurde, habe ich der Süddeutschen Zeitung vorgeschlagen, ausnahmsweise einen, nämlich besagten, Leserbrief ein zweites Mal zu veröffentlichen. Das wurde mit einem barschen „Das werden wir nicht tun“ abgelehnt.

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