Weißgerbergasse

Aus NürnbergWiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Die Weißgerbergasse ist eine Straße in Nürnberg. Sie gehört zu den wenigen erhaltenen Baudenkmälern und historischen Sehenswürdigkeiten der Nürnberger Altstadt und ist daher eine Station der „Historischen Meile Nürnberg“.

Weißgerbergasse
Wikimedia Commons

Lage

Die Weißgerbergasse liegt im Nürnberger Stadtbezirk 1 - Mitte in der nördlich der Pegnitz gelegenen Sebalder Altstadt. Sie führt von dem im Süden in Pegnitznähe gelegenen Maxplatz zunächst nordöstlich, dann östlich Richtung St. Sebald zum Weinmarkt. Nördlich verlaufen parallel zur Weißgerbergasse der Geiersberg und die Irrerstraße. Die Irrerstraße beginnt am Weinmarkt. Die Südseite des Eckhauses Irrerstraße 1 liegt an der Weißgerbergasse.

Zur Geschichte

Etwa zwanzig mittelalterliche Fachwerkhäuser [1] in der Weißgerbergasse haben die schweren Bombenangriffe auf Nürnberg[2] überstanden. Die Weißgerbergasse spiegelt daher ein Stück des historischen Nürnberg insbesondere eines alten Handwerkerviertels innerhalb des Nürnberger Burgviertels wider. Der Name der Gasse kommt von den Weißgerbern, die im Mittelalter dort ansässig waren und im Gegensatz zu den Rotgerbern mit Hilfe von Alaun, Kochsalz, Mehl, Eiern und Baumöl rohe Tierhäute zu feinem, hellen Leder, dem sogenannten Weißleder verarbeiteten. [3] Da das Gerben der Tierhäute damals sehr viel Wasser beanspruchte und zudem eine nicht unerhebliche Geruchsbelästigung darstellte, kommt es nicht von ungefähr, daß die Handwerkshäuser fast alle über einen privaten Brunnen verfügten und am Ortsausgang in der Nähe der abfließenden Pegnitz angesiedelt waren.

Erwähnenswert ist neben der Irrerstraße auch das „Irrertürlein“, ein ehemaliger Fußgängerdurchlaß in der Neutormauer westlich des Maxplatzes. Das „Irrertürlein“ und die Irrerstraße hatte man nach den um die Weißgerbergasse und die Irrerstraße ansässigen „Irrern“ (= Weißgerber) benannt. [4]

1837 beantragten Bewohner der Weißgerbergasse, diese in Hallertorgasse umzubenennen, da der Berufsstand hier nicht mehr ansässig sei. Doch die Regierung des Rezatkreises (Mittelfranken) wies das Gesuch mit dem Hinweis auf die historische Bedeutung des Straßennamens als Zeugnis früherer Anwohner ab. [5]

Den Nürnberger Altstadtfreunden und den Hausbesitzern ist es zu verdanken, daß die meisten Häuser liebevoll renoviert wurden und man so einen kleinen Einblick gewinnen kann, wie das alte Nürnberg einmal ausgesehen hat. An den Häusern Weißgerbergasse 16 und 25 findet man sogar zwei der Nürnberger Chörlein, d.h. Erker an der Hausfassade, die das strenge Bild der Nürnberger Hausfassaden auflockerten. Sie dienten zugleich der Beobachtung des Straßengeschehens. [6]

Noch in den Jahren um 1970 lag das Fachwerk in der Weißgerbergasse unter Verputz. Deshalb beteiligten sich die Altstadtfreunde motivierend, planend und finanzierend an der Renovierung von Fachwerkfassaden und Dacherkern der Häuser Weißgerbergasse Nr. 21, 23, 26, 30 und 35. [7] Doch die Fachwerkfreilegungen der Altstadtfreunde, durch die die Gasse zu einer Vorzeigestraße und Touristenattraktion wurde, wurden nicht nur begrüßt, sondern auch kritisiert. Deshalb nahmen Stadtbaudirektor i.R. Julius Lincke (1909-1991), ein Berater der Altstadtfreunde, [8] anläßlich des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 und später auch Erich Mulzer, der Vorsitzende der Altstadtfreunde Nürnberg e.V., in den Nürnberger Altstadtberichten dazu Stellung.

Die Altstadtfreunde kauften 1997 das am Eingang zur Weißgerbergasse gelegene Eckhaus Irrerstraße 1, das zugleich die westliche Platzbegrenzung des Weinmarktes bildet, und restaurierten es. [9] Ebenso kauften die Altstadtfreunde im Jahr 2000 das historische ehemalige Gerberhaus Weißgerbergasse 10 und sanieren es mit einem Aufwand von 1,5 Millionen Euro als „Erich-Mulzer-Haus“. [10] Im Oktober 2009 wurde es eingeweiht. Ende 2006 konnten die Altstadtfreunde den Dacherker auf das Haus Weißgerbergasse 8 aufsetzen. Inzwischen wurde er eingedeckt, eingeputzt und farblich gefaßt.

Heute befinden sich in der Weißgerbergasse überwiegend Wohnungen, viele kleine Bars und Kneipen und diverses Gewerbe wie Friseur, Weinhandlung, Goldschmied, Bücherklinik und Kosmetikstudio. Hier lebt der Kunstmaler Patrice Kerguillec, der in der Weißgerbergasse auch sein Atelier hat.

Verkehrssituation

Noch in den 1970er Jahren führte der Autoverkehr durch die Weißgerbergasse. Heute ist die Weißgerbergasse Fußgängerzone.

Die Weißgerbergasse hat durch die Straßenbahnhaltestelle am Hallertor und durch die Bushaltestelle in der Weintraubengasse [11] eine gute Verkehrsanbindung an den öffentlichen Nahverkehr des Verkehrsverbundes im Großraum Nürnberg (VGN). Die U-Bahn am Plärrer ist daher schnell erreicht.

Sehenswürdigkeiten

Erich Mulzer schrieb über das Ensemble Weißgerbergasse und dessen Sehenswürdigkeiten: „Mit 22 alten Häusern ist die Weißgerbergasse die am besten erhaltene Straße in der heutigen Altstadt. Im Gegensatz zur Füll herrschen hier allerdings schmälere und meist aus Fachwerk gebaute Häuser vor. Es entsteht dadurch, trotz etwa gleicher Straßenbreite und Häuserhöhe wie in der Füll, ein wesentlich bewegteres und bunteres Bild – charakteristisch für die Handwerkergassen der alten Stadt, in denen sich stets auch vielfältiges tätiges Leben abspielte. Kunstwerke treten dagegen im Gesamteindruck zurück: So gibt es hier nur ein einziges altes Chörlein (an Nr. 25), und die Dacherker bleiben meist schmucklos. Typisch für Handwerkerhäuser sind statt dessen das Weißgerberemblem von 1708 und das Schlosserzeichen von etwa 1820 (beides an Nr. 24) sowie die kleine Biedermeiertüre mit geschnitzten Früchte-Füllhörnern (Nr. 28). Die Eckfigur des St. Egidius mit der Hindin (Nr. 26) ist eine Kopie von einem zerstörten ähnlichen Fachwerkhaus an anderer Stelle. Einige reizvolle und malerische Höfe (Nr. 19, 21, 23 und 35) sind nicht allgemein zugänglich. Das gilt auch von einem eindrucksvollen barocken Gartensaal mit reicher Stuckierung (im Durchgang hinter der Einfahrt neben Nr. 27).“[12]

Ein Nürnberger Bürgerhaus umfaßte in der Regel Vorderhaus, schmale Seitenflügel, Hof und Hinterhaus. Der Hof mit Brunnen, Treppenturm, Aufzugserker und manchmal einem kleinen Gärtchen war oft auch der Mittelpunkt des täglichen Lebens. Zumindest der Seitenflügel trug in allen Stockwerken offene Galerien (genannt „Gänge“) als Verbindung von Vorder- und Hinterhaus. Oft umzogen diese Galerien aber auch auf zwei oder drei Seiten oder allseitig den Hof. Die Schmuckarchitektur der Galerien war ein Nürnberger Mischstil aus einem gotischen Maßwerk in den Brüstungen und späteren Renaissancesäulen und Barockkonsolen. Die der Renaissance eher entsprechende Form mit Baluster-('Docken'-)Brüstungen findet sich aus Holz in der Weißgerbergasse 23. Zeitlos einfache Bretterbrüstungen besitzt die Weißgerbergasse 35. [13]

Besichtigungen mancher Höfe sind hin und wieder anläßlich der von den Altstadtfreunden organisierten Altstadtspaziergänge und am Tag des offenen Denkmals möglich. Die Altstadtfreunde organisieren außerdem Führungen durch ihre eigenen Häuser, auch schon während der archäologischen Forschungsarbeiten.

Literatur

  • Isabel Lauer und Claudia Urbasek: Discokugelverbot, Hassbriefe und Existenzängste: Streit um Bars in der Altstadt treibt Blüten. Müssen Kneipen bald um zwei Uhr schließen? In: Nürnberger Zeitung Nr. 208 vom 5. September 2008, S. 9 - NZ
  • John P. Zeitler (Hrsg.): Gerber im mittelalterlichen Nürnberg. Begleitheft zur gleichnamigen Ausstellung der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg e.V. vom 21. Februar bis 4. Juli 2010. Redaktion: John P. Zeitler; Autoren: Melanie Langbein, Marcus Beck, Sandra Münzel, Jessica Rentèl, Saskia Gresse, John P. Zeitler. Nürnberg: Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg, 2010, 79 S., ISSN 0077-6025 - NGN
  • Thomas Susemihl: Farbenfroher Anstrich für die Weißgerbergasse. „Kulturlandschaften-Architektur prägt Lebensräume“. In: Nürnberger Zeitung vom 28. Februar 2012 - NZ

Querverweise

Netzverweise

  • WeißgerberLog: Weißgerbergasse in den 1950ern und heute - im Netz - Die Fotos kann man durch Anklicken vergrößern!
  • Panorama-Ansicht Weißgerbergasse - im Netz
  • Manfred Wirth: Weißgerbergasse - im Netz - Fotos
  • Städte mit historischen Stadtkernen - Wikipedia
  • Kunst- und Baudenkmäler der Stadt Nürnberg - Wikipedia
  • Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz - Wikipedia

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Erich Mulzer: Der Nürnberger Fachwerkbau. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg (MVGN), Band 55 (1967/68), Seite 300-331 - MVGN
  2. Presse- und Informationsamt der Stadt Nürnberg: Luftkrieg und Zerstörung in Nürnberg - im Netz
  3. * Paul Koelner: Weissgerber. In: Die Safranzunft zu Basel und ihre Handwerke und Gewerbe - im Netz
    • Leder (Vorbereitung der rohen Häute, Lohgerberei, Weißgerberei, Sämischgerberei, Geschichtliches). In: Meyers Konversationslexikon, 1889, Band 10, S. 607-612 - im Netz
    • Früher schrieb man „Gärber“ und nannte das Handwerk und die Werkstätte „Gärberey“. „Gärber, ein Handwerksmann, welcher die rohen Thier=Häute gärbet, und sie dadurch zu allerley Arten des Gebrauches geschickt macht; Gärberey 1. Die Beschäftigung eines Gärbers. 2. Dessen Werkstätte“. In: Johann Georg Krünitz: Oekonomische Encyklopädie (1773 - 1858) - im Netz
  4. Helge Weingärtner: Irrertürlein. In: Michael Diefenbacher; Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: W. Tümmels Verlag, 1999, ISBN 3-921590-69-8, S. 480 - im Netz
  5. Wiltrud Fischer-Pache: Weißgerbergasse. In: Michael Diefenbacher; Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: W. Tümmels Verlag, 1999, ISBN 3-921590-69-8, S. 1170 - im Netz
  6. Hedayatollah Hedayati: Chörlein. Ein Spaziergang in der Nürnberger Altstadt. Juli 2004 - im Netz
  7. Abgeschlossene Bauprojekte der Nürnberger Altstadtfreunde - PDF-Datei
  8. Erich Mulzer: Sechs Jahrzehnte Arbeit für die Altstadt. Zum Gedenken an Julius Lincke. In: Nürnberger Altstadtberichte, Hrsg.: Altstadtfreunde Nürnberg e.V., Nr. 17, 1992, S. 93-96
  9. Haus Irrerstraße 1 - das ehemalige Irrerbad - im Netz
  10. ,Erich-Mulzer-Haus‘ geplant. In: Nürnberger Nachrichten vom 19. Januar 2006 - NN
  11. Stadtplan mit Weißgerbergasse, Straßenbahnhaltestelle am Hallertor und Bushaltestelle Weintraubengasse - im Netz
  12. Erich Mulzer: Das Burgviertel. In: Erich Mulzer: Baedeker Nürnberg - Stadtführer, 9. Auflage. Von Karl Baedeker. Ostfildern-Kemnat: Baedeker, 2000, 134 S., ISBN 3-87954-024-1 - im Netz
  13. Erich Mulzer: Altstadthöfe. In: Michael Diefenbacher; Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: W. Tümmels Verlag, 1999, ISBN 3-921590-69-8, S. 67 - im Netz