Aufwendig / aufwändig

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Der Artikel über die Schreibweise des Adjektivs (Eigenschaftsworts) aufwendig / aufwändig dient der Information und Aufklärung über den Schreibgebrauch (Usus).

Zur Problematik

Anhänger der Rechtschreibreform ändern in Texten „aufwendig“ in „aufwändig“. Doch Bearbeitungen des Artikels sollen eine Verbesserung bringen. Die Änderung von „aufwendig“ in „aufwändig“ bringt aber keine Verbesserung, sondern Verwirrung.

1. Im Duden 2000 heißt es in der „Vergleichenden Gegenüberstellung ‚alter’ und neuer Schreibungen“: „aufwendig“ – auch: „aufwändig“. Die Reformer nennen zuerst als Hauptform die bewährte Schreibweise „aufwendig“ und dann als Variante bzw. Nebenform eine neue Schreibweise: „aufwändig“. Damit wollen sie schreibschwachen Schülern entgegenkommen, stiften damit aber nur Verwirrung, wie man hier sieht.

2. Im Duden 2000 heißt es z.B. auch nicht „aufwänden, Aufwändung“, sondern weiterhin „aufwenden, Aufwendung“. Man geht gewöhnlich von dem Tätigkeitswort aus: aufwenden, daher aufwendig. „aufwändig“ ist eine Art Verlegenheitsschreibung, die ermöglichen soll, daß schreibschwachen Kindern kein Fehler angerechnet wird.

Schreibvarianten „aufwendig / aufwändig“

Außerhalb der Schulen kann jeder weiterhin die traditionelle Orthographie verwenden und „aufwendig“ schreiben, auch die Zeitungen; denn es gibt kein Rechtschreibgesetz. Die meisten Zeitungen haben sich jedoch freiwillig der Schulschreibung von 1996 unterworfen und eine eigene Presseorthographie und darüber hinaus eigene Hausorthographien eingeführt. Dabei haben sie sich oft ohne Not die - manchen „progressiv“ erscheinende - neue Variante „aufwändig“ ausgesucht. Manch eine Zeitung tritt als Korrektor auf und verändert eigenmächtig die herkömmliche Schreibweise „aufwendig“ in Artikeln und Leserbriefen in ihre neue Variante „aufwändig“.

Sprechvarianten / Phonetik

„Kakophone“ Schreibweise bezieht sich auf die Phonetik bzw. die Aussprache und somit auch auf die Betonung. „Kakophone“ Schreibweise bedeutet, daß die Schreibweise der neuen Schulschreibung nicht mit der Aussprache übereinstimmt, sondern diese entstellt bzw. sogar verhunzt. Dies stellt man bei Fernsehansagern fest, die nicht mehr dem Sprachgebrauch folgen, sondern sich krampfhaft an die neuen kakophonen Schreibweisen halten.

Zur Wortgeschichte (Etymologie)

Das vierbändige „Grammatisch-kritische Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart“ von Johann Christoph Adelung (1. Auflage Leipzig 1774-1786, hier zitiert aus der Auflage Wien 1808) gilt nach Einschätzung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin als „das legendäre Nachschlagewerk“, das „detailliert die Herkunft, die Bedeutung und die Verwendung des deutschen Wort- und Sprachschatzes in der Mitte und am Ende des 18. Jahrhunderts beschreibt und damit in einzigartiger Weise den Entwicklungsstand der Sprache im klassischen Zeitalter der deutschen Literatur dokumentiert“. [1] Unter dem Stichwort Aufwenden heißt es: „S. Wenden, an oder auf etwas wenden, in der figürlichen Bedeutung des einfachen Verbs. Fleiß oder Mühe aufwenden, anwenden. Er wendet viel auf, läßt viel Geld aufgehen, wendet viel Geld auf seine Person und sein Vergnügen. S. auch Aufwand.“ Und darunter heißt es: „Der Aufwand, . . . was aufgewendet wird, und der Zustand, in welchem man viel aufwenden muß. Großen Aufwand haben, viel Geld zu seinen Bedürfnissen ausgeben müssen. Vielen Aufwand machen, viel Geld zu seinen Bedürfnissen ausgeben. Eine Sache, welche vielen Aufwand, viele Kosten erfordert. Etwas mit großem Aufwande erhalten. S. Aufwenden.“ - Daraus geht hervor, daß das Substantiv „Aufwand“ von dem Verb „aufwenden“ abgeleitet ist. Das Wort „aufwenden“ ist wiederum von „wenden“ abgeleitet, wie auch aus dem fünfbändigen „Volksthümlichen Wörterbuch der Deutschen Sprache“ von Theodor Heinsius (Hannover 1818) hervorgeht: „Aufwenden (s. Wenden), an oder auf etwas wenden, dazu gebrauchen: Fleiß u. Mühe aufwenden.“ Entsprechend „Aufwand, dasjenige, was aufgewendet wird: Ein übertriebener Aufwand (Luxus): diese Sache erfordert großen Aufwand an Geld, an Zeit, an Kräften . . .“

Urheber dieser unsinnigen Neuerung „aufwändig“ ist der Rechtschreibreformer Gerhard Augst. [2]

Zur lexikographischen Erfassung

Duden

Wikipedia

Erfassung des Schreibgebrauchs

Ein Google-Test kann zur Erfassung des Usus hilfreich sein:

  • Ergebnisse ungefähr 1.450.000 für „aufwendig“.
  • Ergebnisse ungefähr 1.110.000 für „aufwändig“.

Und das, obwohl viele Druckerzeugnisse in vorauseilendem Gehorsam auf den Neuschrieb umgestellt haben.

Pädagogische Beurteilung

Als Pädagoge strebt man Einheitlichkeit und Eindeutigkeit der Schreibweisen durch Vermeidung unnötiger Varianten an. Durch die sog. Rechtschreibreform von 1996, die nur für die Schulen gilt, wurde gegen das pädagogische Prinzip der Eindeutigkeit verstoßen; denn außerhalb der Schulen verwenden sprachbewußte Schreibberufler nach wie vor die Schreibweise „aufwendig“.

Welchen Nutzen hat demzufolge die Änderung in die Schulschreibung „aufwändig“? Durch Varianten kommt nur Verwirrung zustande. Es entstehen Interferenzen in den Köpfen und damit mehr Schreibfehler.

Die Rechtschreibreform soll nicht dazu dienen, Schüler zu schikanieren, die die richtige Schreibweise „aufwendig“ verwenden. Diese intelligenten Schüler dürfen nicht bestraft werden. Das würde die Situation geradezu regelwidrig verschlimmern. Zu diesen intelligenten Schülern gehört Josephine Ahrens, die durch Gerichtsverfahren erwirkt hat, weiterhin die bisherige traditionelle Qualitätsorthographie verwenden zu dürfen.

Vermeidungsschreibung „kostspielig“

Verunsicherte wollen sich oft keine Blöße geben und flüchten in die Vermeidungsschreibung „kostspielig“. Seit der Rechtschreibreform hat sich der Trend zur Vermeidungsschreibung verstärkt. Auf diese Weise kann man unerwünschten Schreibungen ausweichen. An die Stelle einer Schreibfreiheit ist ein Schreibzwang getreten. Diesem Zwang weicht man durch Wahl alternativer Wörter aus.

Sprachberatung unter dem Aspekt der Sprachkultur

Das Nebeneinander von traditioneller Erwachsenenorthographie und Kinderrechtschreibung in der Rechtschreibreform hat zur allgemeinen Schreibverwirrung und einer Beliebigkeitsschreibung beigetragen.

Letztlich führt das Durcheinander auch in den Zeitungsredaktionen zu einer gewissen Gleichgültigkeit und Wurstigkeit. Hinzu kommt, daß man die Korrektoren entlassen hat, die Schreibfehlern auf der Spur waren.

Weder die Zeitungen noch die Schüler brauchen sich an die reformierten Schreibweisen zu halten. Sie können die traditionelle Orthographie verwenden. „Das wäre ein Beitrag zur Sprachkultur“ (Theodor Ickler).

Auch der ehemalige Rechtschreibreformer Horst Haider Munske empfiehlt den Lehrern: „Alles Rotgedruckte ist falsch! Man vermeide die roten Giftpilze im Duden!“

Der Duden reagierte schon: In der 25. Auflage, 2009, verzichtete er auf die bisherige Rotmarkierung der Neuschreibungen.

Literatur

  • Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. 1. Auflage Leipzig 1774-1786, hier zitiert aus Auflage, Wien 1808
  • Theodor Heinsius: Volksthümliches Wörterbuch der Deutschen Sprache, 5 Bände, Hannover, 1818
  • Theodor Ickler: Kritischer Kommentar zur ‚Neuregelung der deutschen Rechtschreibung‘, 1997, 2. durchgesehene u. erw. Auflage, 1998, mit einem Anhang zur „Mannheimer Anhörung“, Erlangen und Jena: Verlag Palm & Enke, 1999 (Erlanger Studien, Band 116) - http://www.vrs-ev.de/KritKomm.pdf
  • Horst Haider Munske: Rechtschreibung gegen Schlechtschreibung. Germanistische Sprachwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Germanistische Sprachwissenschaft, 19. August 2004 - im Netz

Querverweise

Netzverweise

  • Synonyme zu „anspruchsvoll • anstrengend • aufwändig • ...“ - openthesaurus.de
  • Interferenzen und Ranschburgsche Hemmung - VRS-Forum

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Adelung, Johann C.: Grammatisch-kritisches Wörterbuch: http://www.ub.fu-berlin.de/digibib_neu/datenbank/metalib/titel/KOB11869.html
  2. Am weitesten war der Reformer Gerhard Augst 1985 gegangen, als er einen ganzen Katalog von Änderungen vorsah. Davon ist eine Zufallsauswahl von <ä>-Schreibungen durchgesetzt worden: aufwendig (Variante), behende, belemmert, Bendel, Gemse, Stengel, überschwenglich; bleuen, Greuel, greulich, schneuzen.
    Theodor Ickler kommentiert diese Änderungen in seinem Kritischen Kommentar (1997) und nennt eine kleine Auswahl von Wörtern, die man ebenfalls ändern könnte:
    heften (wegen haften), prellen (prallen), schellen (schallen), wecken (wachen) und andere Kausative, dazu fertig (Fahrt), Mensch (Mann), Geschlecht (Schlag), fest (fast), Krempe (Krampe), gerben (gar), Henne (Hahn), kentern (Kante), sperren (Sparren), Wels (Waller), Eltern (alt).