Benutzer:Wolfgang Ritter

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Zur Person

Ich, Wolfgang Ritter, wurde 1941 als ehelicher Sohn von Helmut Ritter (* 1914 in Dresden, † 1950 in Berlin) und Friedel Ritter, geb. Pitynek (* 1916 in Berlin, † 2006 in Nürnberg), in Berlin geboren. Ich hatte eine Schwester (Ingeborg, *1943 in Dresden, † 1986 in Winterbach). Mein Vater starb 1950 im Alter von 36 Jahren an einem Schlaganfall, so daß meine Mutter uns beide alleine groß zog. Sie wurde 89 Jahre alt.

Ab der siebenten Schulklasse besuchte ich die Rudolf Steiner Schulen in Berlin und Benefeld und lernte und arbeitete anschließend im Reformhaus meiner Mutter in Frankfurt am Main. Als das Geschäft 1962 aufgegeben wurde, studierte ich Betriebswirtschaftslehre in Kassel und arbeitete anschließend als Diplom-Betriebswirt (FH) bei Henschel in Kassel und Lufthansa in Köln. 1970 nahm ich ein zweites Studium in Nürnberg auf, das ich 1975 zum Abschluss brachte (Diplom-Handelslehrer). Es folgten 24 Jahre Lehrtätigkeit an beruflichen Schulen in Bamberg, Gunzenhausen und Nürnberg. Nach der Versetzung in den Ruhestand 1999 durchstreifte ich die Welt auf der Suche nach anthroposophischen Initiativen, über die ich in Zeitschriften und Vorträgen berichtete. Meine Interessenschwerpunkte waren und sind Modelle und Wirklichkeit alternativer Wirtschafts-, Sozial- und Finanzsysteme (Dreigliederung des sozialen Organismus), alternativer Pädagogik (Waldorfpädagogik) und alternativer Landbaumethoden (biologisch-dynamische Landwirtschaft).

Ich habe mich mit Beginn des zweiten Studiums in die Anthroposophie Rudolf Steiners eingearbeitet, wirke seit 1982 mit an der Gemeinschaftsbildung in der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland e.V./ Arbeitszentrum und Zweig Nürnberg und vertrete die Anthroposophie in der Öffentlichkeit durch Vorträge. Seit 1982 bin ich ehrenamtlicher Finanzverantwortlicher im Zweig und Arbeitszentrum Nürnberg. 2004 begründete ich mit Freunden den gemeinnützigen Bio-Verbraucher e.V. und 2007 den gemeinnützigen Verein Freunde der Malawi-Waisen e.V.

Hier stelle ich Themen aus diesen drei Vereinen dar, die mich bewegen und auch für andere Menschen interessant sein können.

Kontakt

Wolfgang Ritter
Fallrohrstr. 90
90480 Nürnberg
Tel. 0911 - 40 48 27
ritter@bio-verbraucher.de

Baustellen


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Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland e.V./ Arbeitszentrum und Zweig Nürnberg

Rudolf Steiner: Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte.

Rudolf Steiner (1861-1925) hat die Anthroposophie als Erkenntnisweg begründet und diesen Weg in vielen Büchern und Vorträgen dargestellt. Grundlegende Schriften sind „Die Philosophie der Freiheit“ (1894 und Neuauflage 1918), „Theosophie“ (1904), „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten (1904/05), „Die Geheimwissenschaft im Umriss“ (1919).

Die Anthroposophische Gesellschaft pflegt den literarischen und künstlerischen Nachlass Rudolf Steiners, die Erforschung seiner Anregungen und die Verbreitung seiner Ideen. Viele ihrer Mitglieder gehen den von Rudolf Steiner vorgeschlagenen Erkenntnisweg, der die Ausbildung von Tugenden, Übungen und Meditationen beinhaltet, wie sie in seinen Büchern dargestellt sind.

Kontakt: Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland e.V./ Arbeitszentrum und Zweig Nürnberg, Sekretariat im Rudolf Steiner Haus, Rieterstr. 20, 90419 Nürnberg, T. 0911 – 338678, http://www.anthroposophie-nuernberg.de, info@anthroposophie.de ________________________________________________________________________________________________

Esoterische Beiträge

Wie erscheint der Strebende an den Toren zur geistigen Welt?

Darstellung von Wolfgang Ritter bei der Tagung des Arbeitszentrums Nürnberg am 2. Juli 2011

Kurze Zeit nachdem wir den physischen Leib abgelegt haben, legen wir auch den Ätherleib ab. Nachdem wir dann unser gerade vergangenes Erdenleben noch einmal vom Todesaugenblick bis zur Geburt in der Seelenwelt rückwärts erlebt haben, trennen wir uns auch von unserem Astralleib. Sowohl vom Ätherleib als auch von Astralleib nimmt das Ich einen Extrakt, eine Essenz mit in die geistigen Welten. Wie sehen diese Extrakte aus? Stellen wir uns die Erfahrungen, die der Mensch während des Erdenlebens macht, einmal wie Schichten vor, die das Ich umgeben, so wie verschiedene Kleidungsstücke unseren Körper einhüllen.

Bis zum 42. Lebensjahr arbeitet das Ich an Leib und Seele: in den ersten drei Jahrsiebenten bildet es den physischen, den ätherischen und den astralischen Leib aus, in den folgenden drei Jahrsiebenten die Empfindungs-, Verstandes- und Bewusstseinsseele. Alle Erfahrungen, die das Ich dabei macht, prägen sich in den Äther- und Astralleib ein.

Diese Erfahrungen macht jeder Mensch; sie bilden eine erste Schicht von Extrakten.

Durch mehr oder weniger gezielte Arbeit an sich selbst kann der Mensch höhere, bereits veranlagte Wesensglieder ausbilden: 1. Die Arbeit am eigenen Charakter, an der eigenen Moralität verändert den Astralleib und erschafft als höheres menschliches Wesenglied, das Geistselbst. 2. Arbeite ich an meinen Vererbungsbedingungen und Gewohnheiten, so verändert sich mein Ätherleib und es entsteht als höheres Wesensglied der Lebensgeist. 3. Gelingt es mir auch die Abläufe und Funktionen im physischen Leib zu beeinflussen, so bilde ich an meinem Geistesmenschen.

Das Leben stellt eine Schule zur Ausbildung dieser Elemente dar. Wie viel wir aus dieser Schule mitnehmen, hängt von unserer Aufmerksamkeit, unserer Lernbereitschaft und unserem Fleiß ab.

Die erarbeiteten Geistselbst-, Lebensgeist- und Geistesmensch-Elemente bilden eine zweite Schicht von Extrakten.

Im Astralleib gibt es mehrere Haupt- und zahlreiche Nebenkraftzentren. Durch bewusst gestaltete Übungen können wir Kraftzentren aktivieren. Gelingt es uns, jene zwischen den Augen, in der Kehlkopf- und in der Herzgegend zu aktivieren, so schaffen wir uns höhere Wahrnehmungsorgane, die es uns ermöglichen, Einblick in übersinnliche Welten zu nehmen; wir werden hellsichtig.

Der Ätherleib ist durchzogen von Kraftströmen, die der Mensch bewusst zentrieren kann. Er wird das Zentrum der Kraftströme dort zentrieren, wo er schon im Astralleib die Kraftzentren gebildet hat. Zunächst wird er das Zentrum der Ätherströme also zwischen den Augen bilden, dann in den Kehlkopf- und später in den Herzbereich verlegen. Es erschließt sich dem Menschen dadurch das innere Wort; wir werden hellhörig. Wir hören die Worte von Geistwesenheiten in uns.

Die Übungen zur Aktivierung der Kraftzentren und die Zentrierung der Ätherströme bilden nicht nur Hellsehen und –hören aus, sondern bereiten auch ein anders geartetes Denken vor, das künftig unser Verstandesdenken ablösen kann – das Herzdenken. Das Herzdenken wird es uns erlauben, ein anderes geistiges Wesen wirklich zu verstehen. Weil wir seine Denkart beherrschen, können wir wesenseins mit ihm werden.

In der Anthroposophie Rudolf Steiners sind die drei Fähigkeiten, die wir uns auf diese Weise erwerben können, kurz Imagination, Inspiration und Intuition genannt; die notwendigen Übungen sie zu erlangen, werden angegeben.

Auf dem Weg zu diesen höheren Fähigkeiten erwerben wir Wahrdenken, Wahrfühlen und Wahrwollen; sie bilden eine dritte Schicht von Extrakten.

Kann man noch gewichtiger an der Himmelspforte erscheinen? Der physische Leib des Menschen hat ein geistiges Gegenstück, einen Form- und Kräfteleib, der schon ausgebildet wurde, als noch gar kein Äther- und Astralleib vorhanden war, in dem sich ein Ich hätte verkörpern können. Seine spätere Verbindung mit Materie geschah so intensiv, dass er zerstört wurde. Der Mensch aber braucht diesen Geistleib als Spiegelungsapparat für seine Ich-Entwicklung. Der Christus wählte für seinen Erdenaufenthalt einen geistig-physischen Leib, der noch niemals mit Materie in Berührung gekommen war. Das geschah im materiell-physischen Leib des Jesus von Nazareth. Mit diesem völlig intakten geistig-physischen Leib verließ er das Grab. Nach seiner Himmelfahrt bietet er uns an, Anteil zu haben an seinem Auferstehungsleib. Wenn wir das Angebot annehmen und uns mit dem neuen Leib bekleiden, wird uns der Christus zum persönlichen Heiland.

Wenn man eine Weile mit dem neuen Leib gelebt hat, wenn man seine Wirkungen erfahren hat, wenn man gespürt hat, wie die Selbstsucht schwindet, die Wahrheitsliebe zunimmt und eine krankheitsfeindliche, verjüngende Kraft sich im Leibe Geltung verschafft, kann im Menschen - nach Jahren oder Jahrzehnten - der Wunsch auftreten, ganz und gar Eins werden zu wollen mit dem Heiland; also auch über Ätherleib, Astralleib und Ich mit ihm verbunden zu sein.

Dazu sind die beiden Ätherströme, die ständig im Wachbewusstsein getrennt vom Herzen zum Haupte aufsteigen, das ätherisierte Blut des Christus und das eigene ätherisierte Blut, zusammenzuführen. Das kann geschehen durch die Akzeptanz des Christus als den gegenwärtigen Mitgestalter meines Erdenschicksals als dem Herrn des Karma, durch Zufriedenheit mit dem Verlauf meines Lebens, so wie er es für mich gefügt hat.

Will ich meinen Astralleib mit dem Christus verbinden, werde ich die Liebe auszubilden haben – nicht nur zu ihm, sondern auch zu allen seinen Geschöpfen, also zu allen Wesen der Welt.

Mein Ich verbindet sich mit dem Christus-Ich, wenn ich mir ein immer tiefer gehendes Verständnis für seine Wesenheit und seine Erdentat erwerbe. Die Anthroposophie gibt dazu Hilfestellung. Das Ich wird dann Auslöser für den Vereinigungswunsch mit dem Christus. Wenn ich die Bedeutung des Christusimpulses denken kann, will ich mich diesem Impuls verbinden und entsprechend handeln.

Auch durch ein erst anfängliches Zusammenleben mit dem Christus über geistig-physischen, ätherischen und astralischen Leib erscheint das Ich gewichtiger an den Pforten zur geistigen Welt: Der eigene geistig-physische Form- und Kräfteleib zeigt Strukturen der Heilung, der Ätherleib strahlt Ruhe und Zufriedenheit aus und der Astralleib hat Elemente einer neuen Liebe in sich aufgenommen.

Der mit Christus verbundene Mensch hat eine vierte Schicht von Extrakten gebildet.

Insgesamt gilt: Der an sich selbst arbeitende Mensch wird immer mehr vom Geschöpf zum Schöpfer, was in den geistigen Welten bemerkt und berücksichtigt wird. Die göttlich-geistigen Wesen überlassen ihm in zunehmendem Maße die Gestaltung seiner Wesenshüllen für die nächste Inkarnation.

Literatur

GA = Gesamtausgabe; Ziffer hinter dem Kürzel = Bibliographie-Nummer der Rudolf Steiner Gesamtausgabe

1. Theosophie (GA 9)

2. Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten (GA 10)

3. Die Geheimwissenschaft im Umriss (GA 13)

4. Von Jesus zu Christus (GA 131)

5. Anweisungen für eine esoterische Schulung (GA 245)


Jesus von Bethlehem und Jesus von Nazareth

Die heiligen drei Könige besuchten das Jesuskind nicht im Stall

Wolfgang Ritter, 2013

Heute gibt es Krippen-Arrangements und Krippenbilder, die die heilige Familie im Stall mit den heiligen drei Königen zeigen. Diese Szene hat es nie gegeben. Die ältere Literatur spricht auch nicht davon und auch die ältere Malerei hat es so nicht dargestellt. Wer die beiden Geburts- und Kindheitsgeschichten von Lukas und Matthäus aufmerksam vergleicht, wird feststellen: Es werden zwei ganz unterschiedliche Familiengeschichten erzählt.

In beiden Geschichten heißen die Eltern Maria und Joseph, aber sie haben ganz unterschiedliche Vorfahren, die erst ab König David rückwärts einen gemeinsamen Ursprung aufweisen. Der Vater Josephs im Matthäus-Evangelium heißt Jakob und geht zurück auf Davids Sohn Salomon. Der Joseph im Lukas-Evangelium heißt Eli und geht zurück auf Davids Sohn Nathan (vgl. Mat 1,16 und Luk 3,24). Die salomonische wird auch als königliche, die nathanische die priesterliche Linie genannt. Maria und Joseph waren damals keine ungewöhnlichen Namen. Dass die Knaben der beiden Paare den Namen Jesus erhielten ist auch nicht verwunderlich; schließlich werden die Eltern von den die Geburt verkündenden Engeln aufgefordert, ihre Söhne so zu nennen: bei Matthäus (1,20) der Vater, im Traum - wahrscheinlich in Bethlehem, im angestammten Familienwohnsitz der salomonischen Familie - , bei Lukas (1,32) die Mutter, im Wachbewusstsein, in Nazareth.

So wie jede menschliche Individualität sich im vorgeburtlichen, übersinnlichen Leben ihre Eltern auswählt, so auch die Jesus-Individualitäten. Da mit der Geburt schon ein Hinweis darauf gegeben werden sollte, dass sich später, bei der Taufe Jesu durch Johannes im Jordan, ein Gott mit einem Menschen vereinen wird, wurden auch beide Marien nicht von ihren Männern schwanger, sondern sie empfangen ihre Kinder vom Heiligen Geist: In beiden Evangelien sind die Marien mit ihren Männern verlobt, die sie (noch) nicht - oder jedenfalls nicht bewußt - berührt haben (vgl. Mat 1 und Luk 1). Der matthäische Joseph ist ein Witwer und hat schon mehrere Kinder aus erster Ehe. Wie es dazu kommt, daß er die im Tempel aufgewachsene Jungfrau Maria als Verlobte erhält, die er nicht berühren darf, wird im Protevangelium des Jakobus geschildert (dargestellt bei Christoph Rau: Die beiden Jesusknaben und die dreifache Messiaserwartung der Essener, Stuttgart 2012).

Nach neueren Forschungen wird das matthäische oder salomonische Jesuskind im Jahre 0 unserer Zeitrechnung in Bethlehem im Hause der Familie Josephs geboren (vgl. Rau, S. 51). Von einer „Darbietung“ Jesu im Tempel schreibt Matthäus nichts, denn sie hat nicht stattgefunden, weil nach dem jüdischen Gesetz nur der Erstgeborene dem Gott Israels im Tempel geweiht und vom Tempel ausgelöst werden mußte.

Den Weisen im Morgenland erscheint im Geburtsjahr ein heller Stern, der sie bewegt sich aufzumachen, um dem neuen König zu huldigen. Vorbereitung und Reise dauern eine gewisse Zeit. Etwa zwei Jahre später erreichen sie Jerusalem (vgl. Rau, S. 52), erkundigen sich bei Herodes nach dem Kindlein, werden nach Bethlehem verwiesen, treten ein „in das Haus“ (Mat 2,11), über dem sie den Stern erblicken. Matthäus spricht nicht von einem Stall! Im Traum erfahren sowohl die Weisen als auch Joseph von Herodes' Mordabsichten: Die Weisen meiden Jerusalem; Joseph flieht mit Frau und Kind nach Ägypten.

Der lukanische Joseph wohnt in Nazareth, einer Stadt in Galiläa. Er muß sich zu Beginn unserer Zeitrechnung in die Stadt seiner Väter aufmachen, denn er ist ein Abkömmling Davids und dessen Stadt war Bethlehem. Er muß die weite Reise (etwa 300km) auf sich nehmen, weil der neue Statthalter des römischen Kaisers Augustus, Cyrenius, eine Volkszählung, verbunden mit einer Steuerzahlung, angeordnet hat. Seine schwangere Verlobte, Maria, nimmt er mit. Sie bekommt ihr Kind im Stall. Die Hirten besuchen die heilige Familie dort. Beschneidung und Namensgebung erfolgen nach acht Tagen noch an Ort und Stelle. Nach 40 Tagen bringen sie das Knäblein in den Tempel von Jerusalem, denn es ist Josephs Erstgeborener, den er mit zwei Tauben auszulösen hat. Dann tritt die heilige Familie die Heimreise nach Nazareth an (vgl. Luk 2). Diese Ereignisse vollziehen sich etwa zwei Jahre vor dem durch Herodes veranlassten Kindermord in Bethlehem (vgl. Rau, S. 56).

Der matthäische Joseph erhält in Ägypten im Traum die Weisung in die Heimat zurück zu kehren, als Herodes gestorben ist. Er erfährt rechtzeitig, daß nun Herodes' Sohn Archelaus der Herrscher über Judäa ist und fürchtet sich zu seinem Haus in Bethlehem zurückzukehren. Im Traum wird ihm gesagt, er solle nach Nazareth in Galiläa gehen (vgl. Mat 2,19-23). So kommt es, daß die beiden Jesus-Knaben in der gleichen Stadt aufwachsen, sich gut kennen und die beiden Familien sich gegenseitig oft besuchen. Nazareth war ein sehr kleiner Ort.

Schon vielen Theologen waren diese ganz unterschiedlichen Kindheitsgeschichten aufgefallen, aber keiner hatte sie glaubhaft erklären können. Man kam einfach nicht auf die Idee, es könne sich um zwei Familien handeln von denen die Evangelisten Matthäus und Lukas berichten. 1909 war es dann Rudolf Steiner, der dieses Geheimnis aus seiner Geistesforschung heraus enthüllen konnte. Der lukanische Jesus wird, so Steiner, wenige Monate nach dem matthäischen Jesus geboren (vgl. Das Lukas-Evangelium, GA 114, Vortrag am 19.09.1909 in Basel). Er schildert auch die geistigen Hintergründe dafür. Zwei Geistesströmungen fließen zusammen, um sich gegenseitig zu befruchten und die Repräsentanten dieser beiden Strömungen, Buddha und Zarathustra, verkörpern sich in den beiden Jesus-Knaben: Das Ich des Zarathustra im matthäischen Jesus (sonnenhafte Weisheit), Buddha hat Anteil am reinen Ätherleib (ohne Inkarnationen) des lukanischen Jesus (tiefste Innerlichkeit).

Kürzlich sind von Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI., drei Bände zum Leben Jesu erschienen. In dem zuletzt veröffentlichten Band: Jesus von Nazareth, Prolog – Die Kindheitsgeschichten, Freiburg, Basel, Wien (2012), geht er davon aus, daß beide Evangelisten „wirkliche, geschehene Geschichte“ geschrieben haben (S. 29), aber er kann sich in der Auslegung der unterschiedlichen Ereignisse nicht von der theologischen Tradition trennen, daß beide „zum selben Ereignis“ geschrieben haben (S. 48). Er hat offenbar keine Kenntnis von Rudolf Steiners Forschungsergebnissen. Für ihn schreibt Matthäus schließlich doch nicht „wirkliche, geschehene Geschichte“ (siehe oben), sondern „Matthäus war offenbar nicht bekannt, dass sowohl Joseph wie Maria zunächst in Nazareth zu Hause waren.“ (S. 75) Sehr schön erkennt und beschreibt Benedikt die „Jungfrauengeburt und wirkliche Auferstehung aus dem Grab“ als „Prüfsteine des Glaubens“. „Wenn Gott nicht auch Macht über die Materie hat, dann ist er eben nicht Gott.“ (S. 65)

In dem oben angeführten Vortrag verkündet Rudolf Steiner weitere Geheimnisse zu den beiden Jesus-Knaben und ihren Familien. Der lukanische Jesus, war ein Wesen von tiefster Innerlichkeit und außergewöhnlicher Liebefähigkeit, aber Verstehen der äußeren Welt war nicht seine Stärke. In dieser Beziehung würden wir ihn heute, so Rudolf Steiner, ein „zurück gebliebenes Kind“ nennen. Deshalb waren alle, die ihn als Zwölfjährigen im Tempel in Jerusalem hörten - auch seine Eltern, die ihn dort fanden – „außer sich über sein Verständnis und seine Antworten“ (Luk 2,47). Rudolf Steiner löst dieses Geheimnis: Das Ich des mätthäischen Jesus war zu diesem Zeitpunkt in das des lukanischen übergewechselt. Die zwei Freunde waren ganz eins geworden. Kurze Zeit danach starb der matthäische Jesus (a.a.O.).

Aber auch die beiden Jesus-Familien werden eins: Der matthäische Joseph war schon einige Zeit nach der Rückkehr aus Ägypten und der Übersiedlung nach Nazareth gestorben. Die Mutter des lukanischen Jesus starb bald nach der Rückkehr mit dem zwölfjährigen Jesus-Knaben aus Jerusalem. Nun nahm der lukanische Joseph die matthäische Maria in sein Haus auf. Das Ich des matthäischen Jesus war damit wieder bei seiner ursprünglichen Mutter. Ein konkreter Zusammenfluss zweier Geistesströmungen, von Buddhismus und Zarathustrismus, so Rudolf Steiner, hatte stattgefunden (a.a.O.).

Man mag sich wundern über die Komplexität der Vorgänge, aber man kann auch sehr gut verstehen, daß die Inkarnation des Gottes-Ichs, die ja bei der Jordan-Taufe geschehen sollte, einer komplizierteren Vorbereitung bedurfte als bei der eines Menschen. Bei der Taufe im Jordan hob sich dann das Zarathustra-Ich aus dem Jesus von Nazareth heraus, um dem Christus-Ich Platz zu machen (vgl. Rudolf Steiner: Von Jesus zu Christus, GA 131, Vortrag am 07.10.1911 in Karlsruhe). Wir haben also folgendes Phänomen vor uns: 1. Von der Geburt bis zum Alter von 12 Jahren müssen wir uns für Jesus von Nazareth einen ganz reinen Menschen vorstellen, der noch niemals vorher verkörpert gewesen war. Er war aber durchtränkt mit der Liebeskraft und Innerlichkeit des Buddha. 2. Von 12 bis 30 Jahren lebte in ihm mit dem Zarathustra-Ich das reifste Menschen-Ich, das es überhaupt gab. Dieses Ich bereitete den Leib für die Gottes-Inkarnation vor. 3. Von 30 bis 33 Jahren lebte ein Gott in ihm, der Christus. Die Mission des Christus war es, den intakten Geistleib des Jesus von Nazareth durch den Tod hindurch zur Auferstehung zu bringen.

Das Mysterium von Tod und Auferstehung des Christus Jesus

Wolfgang Ritter, 2013

Um dieses Mysterium verstehen zu können, ist es hilfreich folgende Berichte Rudolf Steiners aus seiner Geistesforschung nicht von vorne herein abzulehnen:

1. Die Erden- und Menschenentwicklung vollzieht sich in mehreren großen planetarischen Zuständen. Während seines „Saturnzustandes“ wurde der physische Leib veranlagt und entwickelt, während des „Sonnenzustandes“ der Äther- oder Lebensleib, während des „Mondenzustandes“ der Astral- oder Empfindungsleib und jetzt, während des „Erdenzustandes“, das Ich des Menschen. Das Ich des Menschen vollzieht jetzt seine Entwicklung in wiederholten Erdenleben. Die Einzelheiten dieser Entwicklung schildert Rudolf Steiner in seinem Buch „Die Geheimwissenschaft im Umriss“ (GA 13).

2. Auf dem „Alten Saturn“ wurde ein geistig-physischer Leib als Form- und Kräfteleib entwickelt, der mit leiblichen Augen nicht sichtbar gewesen wäre, wenn es sie denn schon gegeben hätte. Diese Unsichtbarkeit des geistig-physischen Leibes gilt auch für die „Alte Sonne“, den „Alten Mond“ und die Erde. Auch die Äther- und Astralleiber sind nicht äußerlich sichtbar. Erst während des Erdenzustandes nahm der unsichtbare geistig-physische Leib Materie in sich auf (Sündenfall!), die allein sichtbar ist für das physische Auge. Zur Unterscheidung der beiden Leiblichkeiten gebrauche ich mit Rudolf Steiner künftig die Ausdrücke „Geistleib“ oder „Phantom“ und „irdischer Leib“ oder „materieller Leib“. Das Phantom ist, wie oben gesagt, ein Form- und Kräfteleib.

3. Die intensive Verbindung des Phantoms mit Materie führte zu seiner Zerstörung. Dadurch war die weitere Ausbildung des Selbstbewußtseins der Menschen gefährdet, denn wir brauchen heile Geistleiber als Spiegelungsapparat für unsere Ich-Entwicklung (vgl. Steiner, GA131, S. 156 ff.). Die Ich-Entwicklung der Menschen drohte in einer Sackgasse der Evolution zu enden.

4. Es mußte von der Gottheit, die ja die Aufnahme von Materie zugelassen hatte, ein Ausgleich geschaffen, eine Rettung der Ich-Entwicklung eingeleitet werden. Für diese Rettungsmission lebte der Gottessohn Christus für drei Jahre in der Leiblichkeit des Jesus von Nazareth. Dieser Jesus von Nazareth war ein Menschen-Ich, das vorher noch niemals verkörpert war und das daher dem Christus einen völlig reinen, unzerstörten Geistleib bot (vgl. Steiner, GA 131, S. 88).

Wann und wie starb Jesus?

Rudolf Steiner: „An einem Freitag, am 3. April des Jahres 33, 3 Uhr am Nachmittag, fand das Mysterium von Golgatha statt ...“ (zitiert bei Debus, S. 135). Mehrere Forscher haben dieses Datum durch äußerliche Forschungen bestätigt. Humphreys weist z.B. nach, daß nach den historischen Fakten nur Freitag, der 3. April 33 n. Chr. als Todestag infrage kommt. Die von Steiner genannte Todesstunde finden wir auch bei Matthäus und Markus (neunte Stunde = 15.00 Uhr). Das aber ist die Stunde, in der die Lämmer für das Passahmahl im Tempel geschächtet wurden. Deshalb wird Christus als das „Lamm Gottes“ bezeichnet.

Nach Cicero war der Kreuzestod die schrecklichste Todesart, die es damals gab. Die Kreuzigung wurde gerne in den Provinzen des römischen Imperiums angewendet, um vor Aufständen abzuschrecken. Der Kreuzestod war so schrecklich, weil der Tod üblicherweise solange wie möglich hinaus gezögert wurde und der Delinquent dadurch Wundschmerz, Durst, Hunger und Atemnot oft über mehrere Tage hinweg ertragen mußte. Schließlich erstickte er, wenn der Körper zusammensackte, weil er sich nicht mehr auf den Beinen halten, sich nicht mehr mit den Füssen auf der Fußstütze abstützen konnte (vgl. Kersten, S. 163 ff.).

Weil mit dem Sabbat (Samstag, 4. April 33) ein hoher Feiertag bevorstand, der Tag bei den Juden aber schon am Abend des Vortages begann, wollte man die Gekreuzigten nicht am Festtag hängen haben. Sie mußten also vorher sterben und abgenommen werden. Deshalb verlangten die Juden vom römischen Statthalter, daß man ihnen die Beine breche, damit sie schneller zu Tode kämen. Jesus war aber schon nach wenigen Stunden am Kreuz gestorben, schon bevor die römischen Soldaten dem Wunsch der Juden folgten. Und so wurde sein Tod nur durch den Lanzenstich überprüft. Der Tod Jesu trat so rasch ein, weil sein Todesprozess nach Rudolf Steiner schon mit der Taufe durch Johannes im Jordan begonnen hatte. „Langsam starben die Hüllen ab, so daß nach drei Jahren der ganze Leib des Jesus von Nazareth etwas war, das an der Grenze schon stand, Leichnam zu sein und nur eben zusammengehalten wurde von der Macht der makrokosmischen Christus-Wesenheit.“ (GA 130, S. 222)

Nach dem Augenzeugenbericht des Evangelisten Johannes hat das Christus-Ich den Leib Jesu bewußt verlassen. „Es ist vollbracht!“, waren seine letzten Worte. „Und er neigte das Haupt und übergab den Geist.“ (Joh 19, 30). Lukas bestätigt das bewußte Verlassen des Leibes Jesu durch das Christus-Ich: „Vater in deine Hände übergebe ich meinen Geist!“ (Lk 23, 46). Bei Markus und Matthäus sind die letzten Worte: „Eloi, Eloi lemá sabachtháni?“ (Mk 15, 34; Mt 27, 46), übersetzt durch Elsbeth Weymann (S. 59): „Mein Gott, mein Gott, warum verläßt du mich?“ Diese Frage kann aus der Sicht des schwachen, sterbenden Menschen Jesus, in dem für drei Jahre ein Gott lebte, als berechtigt angesehen werden. Rudolf Steiner fand durch Geistesforschung eine andere Bedeutung für diese letzten Kreuzesworte: „Mein Gott, mein Gott, wie hast du das Ich in der Menschheit verherrlicht, vergeistigt.“ (GA 96, S. 295)

Was hatten Joseph von Arimathia und Nikodemus vor? Joseph von Arimathia bat nun bei Pilatus um den Leib Jesu und nahm ihn vom Kreuz. Nikodemus hatte eine Mischung aus Aloe und Myrrhe zur Schädelstätte gebracht – „ungefähr 100 Pfund“ (Joh 19, 38-40) - also eine sehr große Menge. Aloe, damals und heute bekannt als Wundheilmittel und Myrrhe, damals ein Desinfektionsmittel, wurden üblicherweise nicht zur Einbalsamierung von Toten verwendet (vgl. Kersten, S. 171 f).

Sowohl Joseph von Arimathia als auch Nikodemus waren Jünger Jesu im Verborgenen, denn sie waren auch beide Mitglieder des Sanhedrin, des Hohen Rates. Vielen Mitgliedern des Hohen Rates galten Christi Äußerungen, er sei Gottes' Sohn, als Gotteslästerung und sie hatten ihn deshalb schon seit einiger Zeit verfolgt und zu töten gesucht (und am Karfreitag in der Frühe ja auch tatsächlich verurteilt und vor Pilatus gebracht). Joseph und Nikodemus aber glaubten an den Christus und seine Taten. Er hatte u.a. Tote auferweckt (Jüngling von Nain, Lk. 7, 12-15; die Tochter des Jairus, Mk 5, 22-43; Lazarus, Joh 11, 17-44). Weil Christus ja oft davon gesprochen hatte, daß man ihn töten, er aber wieder auferstehen werde, glaubten sie an seine Auferstehung von den Toten. Sie wussten also schon sehr früh, daß er getötet werden würde und wußten wohl auch Todesart und Todesstätte. Sie hatten deshalb alles ihnen mögliche vorbereitet, damit sein Weiterleben möglich sein konnte:

1. Joseph hatte rechtzeitig ein Grundstück auf Golgatha gekauft, wo man zu kreuzigen pflegte, und dort im Felsen eine Gruft anlegen lassen, in die hinein er Jesu Leib nun legte (Mt 27, 60).

2. Jesu Leib wurde dort vorsichtig mit der Mischung aus Aloe und Myrrhe einbalsamiert und in Leinentücher gewickelt, damit die Wunden sich nicht entzündeten und heilen konnten. Damit der Leib über den bevorstehenden Feiertag dort sicher verwahrt bliebe, wälzten Joseph und Nikodemus einen großen Stein vor den Eingang zum Grab.

3. Sie planten in der Nacht zum Sonntag wieder zu kommen, um Jesus aus der Gruft zu nehmen und ihn an einen anderen Ort zu schaffen, wo er im Verborgenen gesund gepflegt werden konnte.

4. Wahrscheinlich informierten sie nur seine engsten Jünger über ihren Rettungsplan, z.B. Maria Magdalena. Sie saß dem Grab gegenüber und hatte die beiden beobachtet (Mt 27, 61).

Was geschah von Freitagabend bis Sonntag früh?

Es verläuft alles ganz anders als von Joseph und Nikodemus geplant. Und kein Mensch damals konnte auch nur ahnen, was jetzt geschah, denn es war ein weltgeschichtlich einmaliger Vorgang, der ohne die Hinweise aus der Geisteswissenschaft oft auch heute noch nicht verstanden wird.

Der Christus steigt zunächst hinunter ins Totenreich. „Im Tode wurde er der Beistand der Verstorbenen, die ihr göttliches Sein verloren hatten“, so drückt es Rudolf Steiner für das Glaubensbekenntnis der Christengemeinschaft aus. „Dann überwand er den Tod nach dreien Tagen“, so heißt es weiter im Glaubensbekenntnis. Das heißt, das Ich des Christus hatte das Kreuz im Todesaugenblick mit den völlig intakten höheren, unsichtbaren Leibern des Jesus von Nazareth verlassen: mit seinem Geistleib, seinem Ätherleib und seinem Astralleib. Der irdische Leib des Jesus, der ins Grab gelegt wurde, zerfiel, denn die von Joseph und Nikodemus angewendeten Substanzen haben am besonderen Leibe Jesu (siehe oben) nicht heilende sondern auflösende Wirkung. Die materiellen Stoffe verflüchtigen sich rasch und gehen in die Elemente über (vgl. Steiner, GA 131, S. 187). An anderer Stelle führt Rudolf Steiner noch etwas anderes an: „Es war mir frappierend, nachdem ich aus okkulten Forschungen heraus gefunden hatte, daß ein Erdbeben stattgefunden hatte, im Matthäus-Evangelium dieses angedeutet zu finden. Es spaltete sich die Erde, der Staub des Leichnams fiel hinein und verband sich mit der ganzen Erde. Durch das Durcheinanderrütteln infolge des Erdbebens wurden die Tücher so gerüttelt, wie man sie dort nach der Beschreibung des Johannes-Evangeliums beschrieben findet.“ (GA 130, S. 223)

Wie wird der Auferstandene wahrgenommen?

Als nun Maria Magdalena am Sonntagmorgen zur Gruft kommt, ist der Stein vom Eingang weg gewälzt; Joseph und Nikodemus waren also schon dort gewesen – und hatten, wie später Petrus und Johannes, den Leib Jesu nicht gefunden. Sie fanden nur noch die Leinentücher vor. Johannes sagt von sich: „Er sah und glaubte.“ (Joh 20, 8) Er glaubte an die Auferstehung, aber er glaubte an sie zu dieser Zeit noch so, wie er sie bei dem Jüngling von Nain, der Tochter des Jairus und Lazarus (Das war er selber! Vgl. hierzu Krüger: Johannes, S. 149) erlebt hatte. Deswegen sagt er Jahrzehnte später, als er das Evangelium verfasst: „Denn sie verstanden die Schrift noch nicht, daß er aus den Toten auferstehen mußte.“ (Joh 20, 9)

Dieses Verständnis von der Auferstehung gilt sicher auch für Joseph, Nikodemus und Petrus als sie das leere Grab vorfanden und für viele zeitgenössische Leben-Jesu-Forscher heute. Holger Kersten glaubt z.B., daß Joseph und Nikodemus Jesus zu den Essenern brachten, daß er dort gesund gepflegt wurde, dann nach Indien ging und dort Jahrzehnte später starb. Die Begegnungen mit Maria Magdalena, seinen Jüngern und Saulus vor Damaskus fanden nach seiner Ansicht im wiederbelebten Leibe statt (vgl. Kersten, S. 203 ff.).

Papst Benedikt XVI. erkennt, dass es so nicht gewesen sein kann: „Wenn es sich bei der Auferstehung Jesu nur um das Mirakel einer wiederbelebten Leiche handeln würde, ginge sie uns letztlich nichts an. Dann wäre sie nicht wichtiger, als die Wiederbelebung klinisch Toter durch die Kunst der Ärzte es ist. An der Welt als solcher und an unserer Existenz hätte sich nichts geändert.“ (Ratzinger, S. 268) „Die Auferstehung Christi ist entweder ein universales Ereignis, oder sie ist nicht, so sagt uns Paulus.“ (S. 269) „Er ist der Gleiche – leibhaftiger Mensch - und er ist der Neue, der in eine andere Weise der Existenz Hinausgetretene.“ (S. 291) „Jesus ist nicht in die empirische Existenz zurückgekehrt, zu der das Gesetz des Todes gehört, sondern er lebt neu in der Gemeinschaft mit Gott, dem Tod für immer entzogen. Andererseits ist wichtig, dass die Begegnungen mit dem Auferstandenen etwas anderes sind als innere Ereignisse oder mystische Erfahrungen – sie sind wirkliche Begegnungen mit dem Lebenden, der auf neue Weise Leib hat und leibhaft bleibt.“ (S. 293)

Benedikt XVI. erkennt das Neue, das durch das Mysterium von Golgatha in die Welt gekommen ist. Er erkennt auch die Schwierigkeit für die Jünger Jesu, das Neue zu verstehen. Es handelt sich ja weltgeschichtlich um ein einmaliges Ereignis. Er beschreibt in schöner Weise die neue Leiblichkeit des Auferstandenen, aber er kennt oder nennt nicht die Begriffe, die die Anthroposophie dafür zur Verfügung hat. Der Christus (das Christus-Ich) erscheint Maria am Grab, den Jüngern im abgeschlossenen Raum und den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus in Jesu Geist-, Äther- und Astralleib. In diesen Leibern erkennen sie ihn nicht sofort, denn es fehlt ja der gewohnte irdische Leib. Sichtbar wurde ihnen schließlich der bis zur „physischen Sichtbarkeit verdichtete Ätherleib“, der aber nicht für alle Menschen sichtbar war (vgl. Steiner, GA 130, S. 223) Diese Sichtbarkeit des Ätherleibes hält bis zur Himmelfahrt Christi an.

Natürlich kannten auch die Verfasser der Evangelien diese Begriffe nicht. Nachdem der Auferstandene unvermittelt unter seine Jünger getreten war und sie glaubten einen Geist zu sehen, läßt Lukas den Christus sagen: „Seht meine Hände und meine Füße, daß ich es selbst bin; betastet mich und seht, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, daß ich habe.“ (Lk 24, 38-39) Der Verfasser will deutlich machen: Der Christus ist nicht nur im Äther- und Astralleib erschienen, wie man einen Verstorbenen oder Geist wahrnimmt, sondern diese Leiber waren verbunden mit dem völlig intakten Geistleib des Jesus von Nazareth. Der Geistleib oder das Phantom wird, wie oben erwähnt, auch als Form- oder Kräfteleib bezeichnet. Erst durch die 40 Tage hindurch, in denen Christus seinen Jüngern erscheint, beginnen sie das völlig Neue zu begreifen. Sie erkennen ihn durch seine Worte (Maria von Magdala), durch die Wahrnehmung seiner ätherischen Lichtgestalt mit den Wunden (die 11 Jünger im geschlossenen Raum), durch seine Gesten (Brot brechen bei der Mahlzeit in Emmaus), nach Zweifeln (Thomas).

Welche Wirkungen hat des Mysteriums von Golgatha für uns?

Die letzten Worte des Auferstandenen vor der Himmelfahrt waren nach Matthäus: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“ (Mt 28, 20) Diese Worte beruhen auf der Tatsache, daß sich der Christus durch das Mysterium von Golgatha völlig mit der Erde verbunden hat. Er ist zum neuen Geist der Erde geworden und die Erde zu seinem neuen Leib. Dadurch ist die Gefährdung der menschlichen Ich-Entwicklung objektiv aufgehoben. Die Gefahr, daß menschliche Iche keine Leiber für ihre Verkörperungen finden, ist gebannt. Denn nun ist ein neuer, heiler Geistleib da, an den für die weitere menschliche Entwicklung angeknüpft werden kann. Das ist das wirklich Neue, von dem auch Benedikt XVI. spricht. Paulus hatte das erkannt und nannte den Christus auch den zweiten Adam (vgl. Steiner, GA 131, S. 143). Durch Adam erhielten wir den irdischen Leib, durch den Christus einen neuen Geistleib.

Erste Wirkung: Christus wurde zum Retter der menschlichen Ich-Entwicklung.

Als neuer Geist der Erde, der durch sein Erdenleben die menschlichen Gefühle kennen gelernt hat, wird uns der Christus zum Tröster im Leide und zum Spender unserer Freuden. Und er bietet uns an, Anteil zu haben an seinem heilenden Auferstehungsleib. Wer dieses Angebot annimmt und sich mit dem Auferstehungsleib bekleiden läßt, für den wird der Christus zum Heiland am eigenen Geistleib. Unser Phantom, das durch die zu starke Verbindung mit der Materie während der verflossenen Inkarnationen zerstörte wurde, beginnt nun einen Heilungsprozeß zu erleben. Es stellt sich die Frage, wie man sich geeignet macht, daß einen der Christus mit seinem Geistleib bekleiden kann. Das, was dazu nötig ist, muß für alle Menschen möglich sein, egal welcher Religion sie angehören, denn die Christustat wird nur richtig verstanden, wenn sie überreligiös aufgefaßt wird: Er ist für alle Menschen gestorben und auferstanden.

Es gibt mehrere Wege zu Christus. Ich schlage hier einen vor, der für alle Menschen auf der Welt gegangen werden kann – auch vom Atheisten. Wir müssen zwei Fähigkeiten erwerben. Erstens: Wir müssen unterscheiden lernen das Ewige vom Vergänglichen, die Wirklichkeit von der Erscheinung, die Wahrheit von der bloßen Meinung. Zweitens: Wir müssen uns in ein rechtes Verhältnis setzen zum Ewigen, zur Wirklichkeit, zur Wahrheit; wir müssen sie schätzen und lieben lernen. Wenn wir das tun, dann schätzen und lieben wir den Christus, denn er ist ewig, wirklich, wahr. Diese Übung nennt Rudolf Steiner auch die „richtige Meinung“. (vgl. GA 245, S. 27)

Zweite Wirkung: Christus wird zum persönlichen Heiland.

Wenn wir eine Zeitlang mit dem Christus gelebt haben, wenn wir gespürt haben welche Wirkungen von seinem Auferstehungsleib ausgehen, wenn wir erfahren haben, wie die Wahrheitsliebe zunimmt, die Selbstsucht abnimmt und wie sich eine heilende, verjüngende Kraft im Leibe Geltung verschafft, dann kann in der Seele der Wunsch auftreten – nach Jahren, nach Jahrzehnten, vielleicht auch erst in einer nächsten Inkarnation – ganz eins werden zu wollen mit dem Heiland. Nicht nur über den Geistleib mit ihm zusammenzuhängen, sondern auch über den Ätherleib, den Astralleib und das Ich mit ihm verbunden zu sein.

Die Seele weiß, daß dazu Vorbereitungen nötig sind: Der Ätherleib muß befreit werden von unguten Gewohnheiten, der Astralleib muß gereinigt werden von Untugenden und weltlichen Begierden, das Ich wird sich vorzunehmen haben zu lieben - nicht nur den Christus, sondern auch alle seine Geschöpfe. Wir müssen also hinzugewinnen zur Eigen-, Familien- und Christusliebe die Fremden- und Feindesliebe. Wenn uns das gelingt, dann wird uns der Christus zum Erlöser. Zum Erlöser aus den Händen der Gegenmächte, die uns einerseits ganz und gar an die Erde binden wollen und die uns andererseits nur in geistigen Welten halten wollen. Die uns also beide herausreißen wollen aus unserer Ich-Entwicklung, denn gegenwärtig sind wir Bürger zweier Welten, in denen wir abwechselnd zu leben haben und in denen wir abwechselnd leben wollen.

Dritte Wirkung: Christus kann zum Erlöser aus den Händen der Gegenmächte werden.

Wenn man künftig vollständig eins geworden sein wird mit dem Gottessohn, dann ist man auch eins mit dem Vatergott, denn Christus hat oft betont „Ich und der Vater sind eins.“ (z.B. Joh 10, 30). Jetzt versteht man auch seine Worte, die er vor dem Schmerzensgang zu seinen Jüngern sprach: „Niemand kommt zum Vater als nur durch mich.“ (Joh 14, 6) Nur durch die vollständige Einswerdung mit dem Sohn im oben geschilderten Sinne können wir auch eins werden mit dem Vater; es gibt keinen anderen Weg.

Dankbarkeit steigt in der Seele auf, daß die Wege zu den höchsten Göttern schon gedacht werden können, bevor sie gegangen sind. Dieses Denkenkönnen der Wege zur Gottheit hat mit dem Pfingstereignis zu tun, das nach des Sohnes Leben auf der Erde, seines Todeserlebnisses in einem Menschenleib, seiner Auferstehung und Himmelfahrt vollzogen werden konnte: die Ausgießung des Heiligen Geistes. Dieses Ausgießung ereignet sich heute überall dort, wo sich Menschen dem Christus und der Welt - auch anfänglich - in Liebe öffnen. Der Heilige Geist hilft uns die Wege zu beleuchten, die zur Trinität führen. Er schenkt uns Wahrdenken, Wahrfühlen und Wahrwollen, damit wir in Zukunft nicht irre gehen. Dankbarkeit erfüllt die Seele, weil sie sich in der Obhut der Gottheit weiß, in dem Sinne, wie es der Christus-Jesus ins Bild gebracht hat: „Ich bin der gute Hirte; und ich kenne die Meinen und bin gekannt von den Meinen ...“ (Joh 10, 14)

Wie ist die Wiederkehr Christi zu denken?

Bei der Himmelfahrt wird die Wiederkehr Christi verheißen: „Männer von Galiläa, was steht ihr und seht hinauf zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird so kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den Himmel.“ (Apg 1, 11). Das Leben des Gottessohnes in einem menschlichen Leib war ein einmaliges weltgeschichtliches Ereignis. Im Todesaugenblick am Kreuz verließ er den irdischen Leib Jesu, mit der Himmelfahrt auch seinen Ätherleib, in dem er für seine Jünger 40 Tage lang sichtbar gewesen war. Auf seinem Weg zurück in die Sphären des Vaters durchlebt er nacheinander die Astralwelt, die untere Geistwelt und die obere geistige Welt. Von Zeit zu Zeit macht er sichtbar in Welten, die er bereits durchmessen hat. Auch wenn wir ihn nicht sehen, ist er als Geist der Erde immer bei uns.

Rudolf Steiner schildert uns die Rückkehr Christi in die Ätherwelt. Diese Welt meint auch die Apostelgeschichte (Apg) mit „Himmel“, denn man hatte noch nicht unsere Begrifflichkeit. Dort wird ihn eine zunehmende Zahl von Menschen ab dem 20. Jahrhundert schauen – während des Lebens. Das Sichtbarwerden des Christus im Ätherischen geht einher mit einem neuen Amt, das er von Moses und dem „Cherub mit dem feurigen Schwert“ übernimmt: das des karmischen Richters. Er wird zum Herrn des Karma für die Menschheitsentwicklung. Dadurch begegnet jeder Mensch dem Christus beim Eintritt in die Ätherwelt nach dem Leben im irdischen Leibe und davor. Jetzt gilt nicht mehr das strenge mosaische Gesetz sondern das Gesetz der Liebe. Wohl haben wir nach wie vor unsere Taten zu verantworten und auch auszugleichen, aber der Christus richtet diesen karmischen Ausgleich so ein, daß damit zugleich das größtmögliche Heil für die weitere menschliche Entwicklung bewirkt wird (vgl. Steiner, GA 130, S. 165 ff. und GA 131 S. 78).

Literatur

GA = Gesamtausgabe; Ziffer hinter dem Kürzel = Bibliographie-Nummer der Rudolf Steiner Gesamtausgabe

1. Debus, Michael (Hrsg.): Rudolf Steiner: Die Wochensprüche des Anthroposophischen Seelenkalenders im Doppelstrom der Zeit beider Hemisphären, 3. Auflage, Dornach/ Schweiz 2011

2. Humphreys, Colin J.: Die letzten Tage Jesu und das Geheimnis des Abendmahls, Stuttgart 2012

3. Kersten, Holger: Jesus lived in India, New Delhi/India 1981

4. Krüger, Manfred: Die Schriften des Johannes, Band 2 – Wahr ist das Wort, Stuttgart 2011

5. Ratzinger, Joseph: Jesus von Nazareth, Zweiter Teil - Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung, Freiburg, Basel, Wien (2010)

6. Steiner, Rudolf: Die Geheimwissenschaft im Umriss, Dornach/Schweiz, 1. Auflage 1910, letzte Auflage 2012, GA 13

7. Steiner, Rudolf: Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft, Dornach/Schweiz 1975, GA 96

8. Steiner, Rudolf: Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit, Tb-Ausgabe, Dornach/Schweiz 2001, GA 130

9. Steiner, Rudolf: Von Jesus zu Christus, 5. Auflage, Dornach/Schweiz 1974, GA 131

10. Steiner, Rudolf: Anweisungen für eine esoterische Schulung, 5. Auflage, Dornach/Schweiz 1979, GA 245

11. Weymann, Elsbeth: Wege im Buch der Bücher, Stuttgart 2011 ____________________________________________________________________________________________________

Exoterische Beiträge

Nach der Finanzkrise – Bausteine für die Zukunft

Wolfgang Ritter, Nürnberg 2010

Über die Ursachen der Finanzkrise 2008 haben wir inzwischen viel erfahren. Zusammengefasst: ungeregelte Finanzströme, zuviel Spekulation, zuviel Kredit einerseits, zuviel Verschuldung andererseits. Wo stehen wir heute?

Einige Schlagworte aus einem Spiegel-Artikel (vom 23.11.09) mit dem Titel „Die Billionen-Bombe“ reichen aus, die Situation zu beschreiben: Geld der Zentralbanken und Regierungen überflutet die Märkte, exzessive Ausweitung der Geldmenge, Finanzelite scheffelt Milliarden, so billig war das Schuldenmachen und Spekulieren noch nie, unkontrollierte Exzesse der Geldwirtschaft, zu viele Leute gehen zu hohe Risiken ein, Turbo- und Kasino-Kapitalismus, die neuen Verkäufer hochriskanter Papiere sind die alten, ungebremst wächst die neue Spekulationsblase, Oligopol aus Politikern und Banken, Wahnsinn 2.0. Inzwischen ist noch die Schuldenkrise Griechenlands und die Euro-Krise hinzugekommen. Die europäischen Staaten und der Internationale Währungsfonds mussten massiv eingreifen, um diese Krisen abzuwehren.

Die Situation in einem Satz zusammengefasst: Nach der Krise ist vor der Krise! Alle Beteuerungen der Politiker, die Banken müssten an die Kandare genommen werden, wurden nicht wirksam verwirklicht. Es gibt keine Regulierung der Finanzströme, keine umfassendere Bankenaufsicht, keine hinreichende Begrenzung des Kreditschöpfungspotentials der Zentral- und Geschäftsbanken, kein Verbot gefährlicher Derivate (außer dem Handelsverbot von bestimmten Leerverkäufen in Deutschland), keine Zerschlagung der Steueroasen. Und trotz der Geldschwemme sitzen viele Unternehmen in der Kreditklemme, denn die Finanzwelt hat nur noch marginal etwas mit der realen Wirtschaft zu tun. Hat der Countdown zur nächsten Krise begonnen, wie die Financial Times im November 2009 meinte? Warum handeln unsere Politiker nicht?

Die Macht der Korporatokratie
Seit Ende des vorletzten Jahrhunderts gibt es eine Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft. Schon die Kolonialmächte standen im Wettbewerb um die Gewinnung und Beherrschung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil, Politik und Wirtschaft haben noch einen mächtigen Partner hinzu gewonnen: die Banken. John Perkins (Ich war ein Economic Hit Man, Weltmacht ohne Skrupel) nennt das Dreigestirn von Konzernen, Banken und Regierungen die Herrschaft der Korporatokratie. Besonders in den USA ist eine auffällige Verflechtung von Großbanken und Konzernen mit der Politik zu beobachten: Führungskräfte wechseln hin und her. Seit dem zweiten Weltkrieg hat sich die Korporatokratie durch Bündnispolitik zum Welt beherrschenden Faktor entwickelt. Wo Politiker von Entwicklungsländern Bündnisse nicht freiwillig eingehen, Bestechungen nicht annehmen, Drohungen missachten, schreckt man vor Umsturz und militärischer Intervention nicht zurück (Iran, Panama, Irak, Afghanistan). So kommt es, dass viele Entwicklungsländer in die Verschuldung gezwungen und damit in die Abhängigkeit der Korporatokratie gebracht wurden.

Die weltweit arbeitenden Konzerne und Banken lösen Krisen und Kriege aus, weil sie auch dadurch gewinnen (Jean Ziegler: Das Imperium der Schande). Jean Ziegler nennt die international operierenden Konzerne und Banken die Kosmokraten, die Herren des Imperiums der Schande. Den Industrienationen geht es mittlerweile wie den Entwicklungsländern; sie sind hoch verschuldet. Die Bürger werden die Suppe auszulöffeln haben, die ihnen die Korporatokratie eingebrockt hat. Welche Regierung wird es wagen durch strengere Regeln die Gewinnmöglichkeiten der Banker zu beschneiden?

Regulierte Finanzwirtschaft
Gibt es Länder auf der Welt, die dem Finanzsektor rechtzeitig Zügel angelegt haben, die deshalb weniger von der Finanzkrise betroffen sind und beispielgebend für die Zukunft sein können?

Es fallen die Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China (BRIC-Staaten) auf. Nur China hatte die finanziellen Mittel, die Rettungspakete der 20 größten Nationen (1,5 Billionen Dollar) zu finanzieren. Brasilien hat alle Auslandsschulden zurückgezahlt und ist mit über 200 Milliarden Dollar Guthaben sogar Gläubiger des Weltwährungsfonds. Indien tauschte kürzlich einen größeren Dollar-Betrag in Gold um, weil der Dollar der indischen Zentralbank als Weltreservewährung zu weich wird, denn die USA sind der Welt größter Schuldner und zahlen mit selbst gedruckten Dollars. Diese Staaten haben kein Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes. Die kommunistischen Länder kennen das Primat des Staates schon seit ihrer Gründung. Sie haben nicht davon gelassen, auch wenn sie marktwirtschaftliche Elemente in ihre Systeme aufgenommen haben. Brasiliens Präsident Lula da Silva sieht die Politik als Gestalter einer neuen Ordnung: Der Staat muss dem Markt Rahmenbedingungen, Regeln und Grenzen vorgeben. Auch um Armutsbekämpfung und eine gerechte Einkommensverteilung hat er sich zu kümmern. So konnte Brasilien die Finanzkrise besser meistern, weil man rechtzeitig gegengesteuert habe (Der Spiegel Nr. 48/ 2009). Das Finanzmodell der Zukunft muss also heißen: regulierte Finanzwirtschaft.

Zukunftsmodelle
Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit es weder zu Systemkrisen noch zu Geldschwemmen oder zu Kreditklemmen – Begriffe aus ein und demselben Jahr (2009)! - mit gefährlichen Folgen für Staat, Wirtschaft und Verbraucher kommt?

Rudolf Steiner zeigte in seinen Vorträgen vor Studenten der Volkswirtschaftslehre 1922 drei Bedingungen auf: Geld muss gezähmt werden, es muss fließen und die Menschen und Unternehmen erreichen, die es brauchen, und es muss altern können. So unterscheidet er drei Geldqualitäten: Kaufgeld - damit wir die Güter und Dienstleistungen bezahlen können, die wir zum Leben brauchen. Rudolf Steiner nennt dieses Geld auch „junges Geld“.

Leihgeld - das die Unternehmer und Konsumenten für Investitionen brauchen. Schenkungsgeld - Geld das überflüssig ist, das nicht zum Kaufen oder für Investitionen gebraucht wird. Rudolf Steiner nennt dieses Geld auch „altes Geld“. Es wird zu jungem Geld, wenn es dem Geistesleben zufließt, weil es dort zu Kaufgeld wird. Besonders wichtig ist der Satz: „Leihgeld muss nach und nach ganz in Schenkungsgeld übergehen.“ Das kann z.B. dadurch geschehen, dass Branchen-Assoziationen die Kreditinstitute beraten, wem Geld zu leihen und zu schenken ist. Dadurch kommt Vernunft in die Finanzwirtschaft (Nationalökonomischer Kurs, 12. Vortrag).

In den Kernpunkten der sozialen Frage (1919) hatte Rudolf Steiner schon von der Unmöglichkeit des Zinseszinses gesprochen.

Harald Spehl und Christoph Strawe zeigen in ihrem Artikel Wirtschafts- und Finanzkrise – und kein Ende? (Sozialimpulse Nr. 3/ 2009), was jetzt zu tun ist. Ich fasse zusammen:

1. Die wichtigste Funktion des Geldes, nämlich als Tauschmittel zu dienen, muss wieder in den Mittelpunkt rücken. 2. Banken müssen sich auf ihre Aufgabe als Mittler zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern konzentrieren. 3. Scheinmärkte, wo es nicht um reproduzierbare Güter geht (Kapital-, Boden-, Arbeitsmarkt), müssen in den Blick genommen werden.

Welche Erkenntnisse bietet die neuere anthroposophische Forschung zur Zähmung des Geldes? Ich greife einige Autoren beispielhaft heraus:

Wilhelm Schmundt hat dargelegt in Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt, Dornach/Schweiz 1968, wie man sich eine Geldverwaltung und Geldsteuerung vorstellen kann, damit Wirtschaft, Staat und Geistesleben, die drei Funktionsbereiche jeder Nation, ausreichend mit Kapital und Geld versorgt werden und wie Geld ohne Wertbeziehung nach dem Kaufvorgang vom Bankensystem abgesaugt werden muss, damit Inflationen vermieden werden und das Vertrauen in das gesetzliche Zahlungsmittel erhalten bleibt.

Zwischenbemerkung des Autors: Gegenwärtig gibt es drei Geldschöpfungsmöglichkeiten durch die Zentralbanken (ZB)
1. Ankauf von Wechseln oder anderen befristeten Rückzahlungsverpflichtungen der Unternehmen
2. Ankauf von Zahlungsverpflichtungen (Obligationen) fremder Staaten und des eigenen Staates (Bund, Länder, Gemeinden)
3. Ankauf ausländischer Zahlungsmittel (Devisen).
Die Geschäftsbanken (GB) nutzen ebenfalls die genannten drei Elemente der Geldschöpfung, haben darüber hinaus aber noch die Möglichkeit, dinglich gesicherte Kredite oder Personalkredite zu gewähren. Aufgabe der ZB ist es dafür zu sorgen, dass die Geldmenge im Gleichgewicht ist mit der angebotenen Waren- bzw. Dienstleistungsmenge. Zuwenig Geld bedeutet Stagnation/ Deflation, zuviel Geld bedeutet Inflation. Inflationen (Geldentwertungen) begegnen die ZB - und anschließend auch die GB - üblicherweise mit Zinserhöhungen und Kreditrestriktionen, was meist zum Rückgang der Investitionsbereitschaft seitens der Unternehmen und zur Kaufbereitschaft seitens der Verbraucher und dadurch zum Ansteigen der Arbeitslosigkeit und zu Wirtschaftskrisen führt.

Um Wirtschaftskrisen auszuschließen, so Schmundt, darf Geld nicht losgelöst von den Wirtschaftswerten betrachtet und gehandhabt werden; es ist schließlich mehr als ein Zahlungsmittel. Abstrakt gesehen ist es Wertmesser für Waren und Dienstleistungen, konkret betrachtet ist es Wertträger, solange es durch die Adern der Wirtschaft strömt. Es wird wertlos und muss aus dem Zirkulationsprozess herausgezogen werden, wenn es seine Aufgaben erfüllt hat. Schmundt unterscheidet drei Geldströme:
4. Unternehmerkapital (Geld in Synthese mit Fähigkeiten)
5. Konsumkapital: (Geld in Synthese mit Kauf- und Verkaufvorgängen von Waren und Dienstleistungen)
6. Geld ohne Wertbeziehung im Rückfluss (Abzahlung von gewährten Krediten)

Damit diese Geldströme richtig fließen, empfiehlt Schmundt ein viergegliedertes Bankensystem mit unterschiedlichen Aufgaben:
a) Die Zentralbank zur Vergabe von Unternehmerkapital Kapital wird an Menschen mit Fähigkeiten gegeben, eine Unternehmung zu führen.
b) Investitionsbanken zur Vergabe von Krediten und Subventionen Kredit wird nach Absprache mit den Assoziationen an Unternehmen und Einrichtungen vergeben, die Waren erzeugen oder Dienstleistungen bereitstellen.
c) Spar- und Darlehensbanken für Konsumenten und Kleingewerbetreibende für die Bankgeschäfte des täglichen Lebens
d) Außenhandelsbanken
Die Zentralbank soll von der Ankaufspflicht von Devisen befreit werden, um importierte Inflationen zu vermeiden; alle Währungstauschvorgänge werden über die Außenhandelsbanken abgewickelt.

Die Ursachen der gegenwärtigen Finanzkrise finden wir im Verhalten der Banken; hier ist der wunde Punkt unserer Finanzwirtschaft. Die Banken machen mit den zurückfließenden Krediten, dem „Geld ohne Wertbeziehung“ (Schmundt), was Sie wollen - völlig autonom, ohne Absprache mit irgendjemand. Sie verwenden es für Spekulationsgeschäfte, um mit Geld noch mehr Geld zu machen - mit verheerenden Folgen für den gesamten sozialen Organismus.

Udo Herrmannstorfer zeigt in seinem Buch Scheinmarktwirtschaft – Die Unverkäuflichkeit von Arbeit, Boden und Kapital, Stuttgart 1991, wie zur Aufzinsung eine Abzinsung gestellt werden sollte, damit einer unbegrenzten Geldvermehrung durch Geld Einhalt geboten wird. Denn auch er sieht in dem fehlenden Abfluss des „alten Geldes“, das Problem unseres geldwirtschaftlichen Systems. Der Rückfluss von Geld funktioniert zwar über Zins und Tilgung an die Banken, aber der Abfluss ist nicht vorhanden. Er schlägt vor, alles überflüssige Geld mit einem Abzinsungsfaktor zu belegen. Bei einer Abzinsung von z.B. 5% pro Jahr, wäre Spargeld nach 20 Jahren verschwunden. Wird Sparkapital Unternehmen für Anschaffungen und Investitionen zur Verfügung gestellt und man erhielte einen Zins von z.B. jährlich 5%, dann hätte man weder Kapitalgewinn noch Kapitalverlust.

Damit der Abzinsung unterworfenes Kapital nicht in Immobilien abwandert, so Herrmannstorfer, ist zeitgleich oder vorher eine Bodenrechtsreform durchzuführen, die das Eigentum an Boden gegen volle Entschädigung aufhebt und an dessen Stelle ein Nutzungsrecht setzt, denn Boden ist Gemeingut.

Ergänzung durch den Verfasser: Natürlich müssten gewisse derzeitige Börsenspekulationsmöglichkeiten verboten, reglementiert und/ oder besteuert werden, damit eine etwaige Realisierung von Herrmannstorfers Vorschlag der Abzinsung nicht ins Leere liefe.

Michael Rist gibt in seinem Artikel Wirtschafts- Öko- und Kulturkrise an, wie man weltweit die richtige Höhe der Neugeldschöpfung ermitteln könnte (erschienen in „Sozialimpulse“ 4/09). Damit Geld gegenüber verderblichen Waren nicht ein unlauterer Konkurrent bleibe, müssten die Abschreibungen auf Waren/ Investitionsgüter und die Neuschöpfung von Geld einander entsprechen. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird neben dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeder Volkswirtschaft ermittelt, wie hoch der Abschreibungsbetrag des vergangenen Jahres war. Zum Beispiel belief sich das BIP Deutschlands 2007 auf etwa 2,423 Billionen und die Abschreibungen auf etwa 359 Milliarden Euro. Das heißt, die Abschreibungen auf Sachwerte betrugen aufgerundet 15 Prozent des BIP. Das bedeute, so Rist, die jährliche Neugeldschöpfung durch die Zentralbank müsse sich an diesem Prozentsatz orientieren.

Ergänzung durch den Verfasser: Die Federal Reserve Bank of America (FED) verdoppelte im Krisenjahr 2008 die umlaufende Geldmenge (Quelle: Der Spiegel Nr. 48 vom 23.11.09). Das bedeutet Inflationsgefahr!

Wie ist eine Systemänderung möglich?
Im Oktober 2009, nach den gewaltigen staatlichen Zuschüssen, die nötig waren, um den deutschen Rückversicherer Hypo Real Estate (HRE) in der Finanzkrise zu retten, hat die Achberger Kooperative beim Deutschen Bundestag eine Petition eingereicht, in der vorgeschlagen wird, die HRE in eine gemeinnützige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit erweiterten Aufgaben zu überführen. Sie solle im Modellversuch zur Vermeidung von Kreditklemmen insbesondere im Mittelstand zinsgünstige Kredite vergeben. Die Kreditvergabe soll nicht gegen Hinterlegung von Wertpapieren erfolgen, die der Kreditsuchende ja oft gar nicht oder nicht in ausreichender Menge hat, sondern gegen akzeptierte Wechsel. HRE solle sich nicht bei gewinnorientierten Privatanlegern refinanzieren, sondern zinslose Kredite der Bundesbank erhalten. („Sozialimpulse“, Heft Nr. 3/09 und Nr. 1/10, http://www.sozialimpulse.de). Das wäre ein Schritt in die Richtung, die Wilhelm Schmundt (siehe oben) gewiesen hat.

Wir müssen unsere Zukunft selber gestalten
Durch die Verflechtung mit oder Abhängigkeit unserer Politiker von Konzernen und Banken ist derzeit nicht auf grundlegende Änderungen, wie hier vorgeschlagen, zu hoffen. Der Souverän der Demokratie, der Bürger, muss endlich selbst nach seinen Erkenntnissen handeln können. Das Institut für Sozialforschung und Zeitgeschichte in Achberg und die Initiative Mehr Demokratie in Berlin präsentieren seit Jahrzehnten praktikable Vorschläge für eine dreistufige Volksgesetzgebung (Gesetzesinitiative von Bürgern, Volksbegehren, Volksentscheid), die nicht die parlamentarische Gesetzgebung aufheben sondern ergänzen soll, damit der Souverän wichtigste Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen kann. Auf Länderebene ist man diesem Vorschlag in Deutschland gefolgt, auf Bundes- und Europaebene blockieren zu viele konservative Politiker noch immer die direkte Demokratie.
Mehr Info: http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de, http://www.mehr-demokratie.de

Wilfried Heidt vom Institut für Sozialforschung und Zeitgeschichte meint, wir beobachten derzeit den Todeskampf des Finanzkapitalismus. Zusammen mit anderen Persönlichkeiten (Hardorp, Opielka, Rösch, Schliffka, Schuster) hatte er 2006 einen „Dritten Weg“ nach Kommunismus und Kapitalismus für Europa aufgezeigt (Für eine Welt nach Maß des Menschen – Die Alternative zur neoliberal dominierten Gesellschaft ist notwendig und möglich). Dort beschreibt er, wie die viergegliederte Grundstruktur des „gemeinsamen Hauses Europa“ organisiert sein müsste, um auf der Höhe der Zeit zu sein und Krisen entgegenzuwirken.

In seinem Buch Die Chance der Befreiung, führte er bereits 2002 aus, dass Änderungen nur auf evolutionärem Wege herbeigeführt werden sollten, wenn man nicht noch größeren Schaden anrichten wolle als durch das herrschende System schon entstanden sei. Revolutionen seien immer erfolglos geblieben. Man müsse dem Vorschlag Schillers folgen und das Neue neben das Alte stellen. Nur das gute Beispiel könne überzeugen. Wen? Den Souverän, alle Bürger eines Landes. Denn sie sind es, die der Zeit gemäß die Änderung ihrer Verhältnisse in demokratischen Verfahren – also durch parlamentarische Gesetzgebung und Volksgesetzgebung – herbeizuführen haben. Auf der Webseite http://www.volksgestzgebung-jetzt.de wird gezeigt, wie das möglich ist. Außerdem ist dort alles zubereitet, was jetzt zu ändern wäre (Der große Ratschlag).

Wir haben eine pädagogische Aufgabe ersten Ranges
Rudolf Steiner erkannte 1922: „Es hat sich unsere Volkswirtschaftswissenschaft so entwickelt, dass sie nicht mitgemacht hat in ihren Anschauungen dasjenige, was sich vollzogen hat von der Tauschwirtschaft zur Geldwirtschaft und zu der Fähigkeitenwirtschaft.“ (Nationalökonomischer Kurs, am Ende des 8. Vortrages) Das heißt, die Geldbegriffe aus der Tauschwirtschaft müssen ergänzt werden durch solche, die geistgemäß der Industriegesellschaft entsprechen, damit die heutige Finanzwirtschaft verstanden, ins rechte gedacht und gebracht werden kann. Das ist eine pädagogische Aufgabe ersten Ranges! Erst wenn geistgegründete Begriffe Einlass in das Denken einer genügend großen Anzahl von Menschen gefunden haben, kann man sicher sein, dass die Kraft der Ideen auch zu den richtigen Taten führen werden, denn wir können nur das vollbringen, was wir denken können. Alles ist heute zuerst eine Frage des Bewusstseins. Zu den Aufgaben der Pädagogen an Schulen, Hochschulen und Instituten gehört auch die Ankoppelung der Finanzwirtschaft an ethische Werte wie Menschenwürde, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit. Diese Aufgaben sind von einer Reihe von Persönlichkeiten und Instituten ergriffen worden. Ich nenne beispielhaft die folgenden:

Das Institut für soziale Gegenwartsfragen e.V. Stuttgart in Verbindung mit dem Institut für zeitgemäße Wirtschafts- und Sozialgestaltung Dornach/CH, verantwortlich Udo Herrmannstorfer (Dornach), Mag. Friedrich Platzer (Wien), Dr. Michael Ross (Berlin), Prof. Dr. Christoph Strawe (Stuttgart), Prof. Dr. Harald Spehl (Trier/Mainz), widmet sich seit Jahrzehnten der Forschung auf sozial-wirtschaftlichem Felde und bietet Vortragsreihen, Seminare und berufsbegleitende Studiengänge an, z.B. Studiengang „Sozialentwicklung - soziale Dreigliederung als Weg zum Verständnis sozialer Prozesse“.
Mehr Info: http://www.sozialimpulse.de

Das Internationale Kulturzentrum Achberg widmet sich ebenfalls seit Jahrzehnten Forschungen zur Zeitgeschichte, Dreigliederungsentwicklung und sozialen Architektur. In Seminaren und auf Tagungen werden die Forschungsergebnisse diskutiert und in Schriften veröffentlicht. Im August 2010 steht ange­sichts des Bündels der gegenwärtigen Zivilisati­onskrisen und ihrer gesell­schaftlichen Konsequen­zen für Politik, Wirtschaft, Finanzwesen und Kultur eine Aktuali­sie­rung des Steinerschen Dreigliederungs­impulses im Zentrum der Arbeit mit der Perspektive einer »Neuen Sozialen Architektur« im Blick auf das Projekt »Dekade bis 1919 - 100 Jahre Dreigliederungsimpuls und seine Mission in der Gegenwart und nächsten Zukunft.«
Mehr Info: http://www.wilfried-heidt.de

Kürzlich ist in Berlin das Institut für soziale Dreigliederung gegründet worden. Es will alle Menschen verbinden, die an den Ideen zur Dreigliederung des sozialen Organismus Rudolf Steiners arbeiten. Auf der Webseite des Instituts findet man Stichworte, Texte und Schriften zum Themenbereich Dreigliederung ebenso wie Referenten und Initiativen.
Mehr Info: http://www.dreigliederung.de

Die Forschungen des Institute for Social Banking (ISB) sind darauf gerichtet, Probleme und Erfolge aus der Praxis des sozialen Bankwesens zu untersuchen, um das Lernen der Praktiker zu unterstützen und bewährte Methoden zu verbreiten. Hinter diesem Institut stehen elf nachhaltig arbeitende Banken in Europa – die GLS Bank, die Triodos Bank und die Hannoverschen Kassen gehören dazu – und die Edith Maryon Stiftung. Man will zum Paradigmenwechsel beitragen, indem immer mehr Menschen das Geld-, Bank- und Versicherungswesen in einem ethischen und sozial-ökologischen Sinne neu begreifen. Dazu werden Seminare, ein Masterstudiengang in Bochum und eine Summer School (2010 in Florenz) angeboten. Diese Angebote richten sich an interessierte MitarbeiterInnen von „alternativen“ und „traditionellen“ Banken und anderen Finanzinstituten, an AbsolventInnen von wirtschafts- und bankwissenschaftlichen Studiengängen, aber auch an Interessierte aus anderen Arbeitsbereichen.
Mehr Info: http://www.social-banking.org

Welche praktischen Alternativen zum traditionellen Geldwesen gibt es?
Rudolf Steiner ordnete die Ideale der französischen Revolution den drei Funktionsbereichen des gesellschaftlichen Organismus zu: Freiheit müsse herrschen im Geistesleben (Kulturbereich), Gleichheit im Rechtsleben (Politik und Rechtsprechung) und Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben (durch assoziative Zusammenarbeit aller am Wirtschaftsleben Beteiligten: Produzenten, Händler, Konsumenten). Jacques Attali meint in seinem Buch Brüderlichkeit – eine notwendige Utopie im Zeitalter der Globalisierung, Stuttgart 2003, ohne die Brüderlichkeit wird das Überleben bald mit Sicherheit unmöglich werden und nur durch sie, würden Freiheit und Gleichheit kompatibel, d.h. gleichzeitig möglich. Nur sie ermögliche ein effizientes Funktionieren von Demokratie und Markt. Eine brüderliche Finanzwirtschaft sei heute keine Utopie mehr. Sie werde immer dort Wirklichkeit, wo Menschen an Menschen glauben und ihnen Kredit gewähren (credere = glauben) - nicht wegen des Zinses, den sie dafür erhalten, sondern, damit die Kreditnehmer sinnvolle Projekte verwirklichen können. Viele Menschen verstünden auch: Der Erfolg des anderen ist unbedingt erforderlich für meine eigene Existenz, denn ich bin von allen anderen abhängig.

Immer mehr Menschen erkennen auch die Notwendigkeit des Moralischen in der Finanzwirtschaft und gründen Organisationen zur Verwirklichung dieser Erkenntnis. Sie sind die „lebendigen Bausteine“ der Zukunft (ein Begriff Rudolf Steiners im Vortrag vom 1.10.1911 in Basel). Sinnvolle Organisationsformen für Kredit und Schenkungen vermittelnde Institutionen in diesem Sinne sind z.B. Stiftungen, Genossenschaften oder gemeinnützige Vereine. Ich nenne folgende Beispiele:

Die Global Alliance for Banking on Values (GABV), ist ein weltweites Netzwerk von elf nachhaltig arbeitenden Banken - die GLS Bank und die Triodos Bank gehören dazu - das sich vorgenommen hat, Einfluss auf das Finanzgeschehen zu nehmen. Das Bündnis in der Rechtsform einer Stiftung will u. a. Vorschläge für eine Neuordnung des Finanzmarktrahmens machen. Dazu wurde beim Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine Studie in Auftrag gegeben, die neben den Ursachen der Finanzkrise die Konzepte und Arbeitsweisen der Mitgliedsbanken analysieren und daraus übergeordnete Grundsätze ableiten soll.

Durch die GABV werden Gelder für die nachhaltige Entwicklung von unterversorgten Menschen, Gemeinschaften und die Umwelt bereitgestellt. Im Oktober 2009 kündigte die Allianz an, insgesamt 2 Milliarden US$ dafür einzusetzen. Bisher werden sieben Millionen Kunden in zwanzig Ländern betreut. Bis 2020 sollen eine Milliarde Menschen mit nachhaltigen Bankleistungen erreicht und der Einfluss auf die etablierte Finanzwelt stark ausgeweitet werden.
Mehr Info: http://www.gabv.org

Die GLS Bank, größte Ethik-Bank in Deutschland, erlebte nach der Finanzkrise 2008 den größten Boom in ihrer 35-jährigen Geschichte, weil sie sich nicht nur sozial und ökologisch engagiert sondern auch nur ökonomisch vertretbare Geschäfte macht. Als einzige Bank macht sie transparent, wo sie was finanziert. Ziel ist nicht die Gewinnmaximierung – sie schüttet keine Gewinne aus - sondern Menschen mit Ideen zu helfen, ihre Projekte mit Zukunftscharakter zu verwirklichen. Für ihre Anleger soll sich neben der monetären Rendite auch eine Sinnrendite ergeben. Diese können selber bestimmen, in welche Bereiche Ihr Geld fließen soll und erfahren in der Kundenzeitschrift Bankspiegel regelmäßig, welche Projekte finanziert wurden. Spekulationen sind für die gemeinnützige Bank tabu; das Kreditschöpfungspotential ist mit 1:12,5 sinnvoll begrenzt, d.h. mit 100 € Eigenkapital können nur 1.250 € Kredit vergeben werden.

Weltweit kaufen große Investoren riesige Flächen zur Industrialisierung der Landwirtschaft und zunehmend auch zum Zwecke der Spekulation auf. Die Konsequenzen für die Kleinbauern sind katastrophal. Die GLS Bank finanziert seit Jahrzehnten die ökologische Landwirtschaft vor allem in Deutschland, aber auch in Südamerika und Afrika. Sie hat sich am Kauf vieler Höfe beteiligt, deren Land teilweise in gemeinnütziges Eigentum überführt wurde. Aktuell legt sie einen Fonds für ökologischen Landbau auf, um die Idee des Gemeineigentums an Boden zu fördern und weiterzuentwickeln – ganz im Sinne von Udo Herrmannstorfer (siehe oben). Die problematischen Entwicklungen weltweit können allerdings nur durch internationale Regeln gestoppt werden, aber die Projekte der GLS Bank können dafür beispielgebend sein.

Die GLS Bank ist von ihrem Gründungsimpuls her eine „Bank von Menschen für Menschen“ - auch für diejenigen, die gemeinhin als nicht kreditwürdig eingestuft werden. So begann sie im Jahr 2000, die Vergabe von Mikrokrediten in Deutschland zu erproben. Das Ergebnis: Auch in einem Industriestaat sind Mikrokredite ein äußerst effektives Instrument, individuelles Engagement zu fördern. Mit einem Durchschnittsbetrag von 6.500 Euro werden etwa 1,5 Arbeitsplätze pro Mikrokredit geschaffen oder erhalten. Die Ausfallquote betrug 2009 nur 2,8 Prozent, obwohl die Kreditnehmer gemeinhin als „nicht bankfähig“ eingestuft wurden. Der Kreditsuchende soll seine Geschäftsidee in seinem Umfeld besprechen – sowohl in der Gründungsphase als auch während der Kreditlaufzeit. Mikrokreditinstitute und auch die GLS Bank handeln nach dem Motto „Wenn andere an dich glauben, glauben wir auch an dich.“ Die Bundesregierung hat jetzt die GLS Bank beauftragt, ihr Angebot auszubauen: für 2010 sind 900 Mikrokredite geplant, bis 2015 sollen es 15.000 werden. Dabei sichert ein vom Europäischen Sozialfonds und der Bundesregierung zur Verfügung gestellter Mikrokreditfonds Kreditausfälle gegenüber der GLS Bank ab. Sein Volumen von 100 Millionen Euro ermöglicht einer noch nie da gewesenen Anzahl von Kleinunternehmen eine Zukunftsperspektive.

In jüngster Zeit erhielt die GLS Bank mehrere Auszeichnungen. Für ihr beispielhaftes Engagement wurde die GLS Bank mit dem Utopia Award 2008 ausgezeichnet. Eine weitere Auszeichnung erhielt der GLS Bank-Vorstand Thomas Jorberg vom future e.V.: den futureAward 2009, weil er „nicht nur Deutschlands ungewöhnlichster Bankdirektor, sondern auch einer der erfolgreichsten“ ist. Der Preis zeichnet Unternehmen aus, die zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg, Umweltengagement und Verantwortung für Mitarbeiter und Gesellschaft kein Widerspruch sind, sondern sich gegenseitig bedingen (http://www.future-ev.de). Das Magazin The New Economy kürte die GLS Bank zur Most Sustainable Bank Germany. Eine gemeinsame Umfrage von Deutschlands größtem Anlegermagazin Börse Online und dem Nachrichtensender n-tv führte zu dem Ergebnis: die GLS Bank ist die Bank des Jahres 2010.
Mehr Info: http://www.gls.de

Die GLS Treuhand vermittelt Schenkgelder, damit „altes Geld“ (Geld, das der Besitzer nicht braucht) wieder zu „jungem Geld“ (Geld zum Kaufen von Waren und Dienstleistungen) werden kann. Dazu wurden mehrere Stiftungen gebildet, in die laufend zugestiftet werden kann, die aber auch ihr Stiftungskapital verwenden dürfen. Die Zukunftsstiftung Landwirtschaft startete beispielsweise im Jahr 2000 mit einem Kapitalstock von 1,6 Millionen Euro, der bis 2007 auf 637.000 Euro zurückging, aber durch laufende Zustiftungen konnten fast sieben Millionen Euro an Zuwendungen für landwirtschaftliche Projekte gegeben werden.
Mehr Info: http://www.gls-treuhand.de

Die Hannoverschen Kassen (Hannoversche Alterskasse VVaG, Hannoversche Pensionskasse VVaG, Hannoversche Unterstützungskasse e.V.), die Altersruhegelder für Mitarbeiter an Waldorfschulen und anderen gemeinnützigen Trägern bis zur Fälligkeit verwalten und dann auszahlen, legen die ihnen anvertrauten Mittel nicht nur konservativ in Immobilien und Hypotheken an, sondern fördern auch Menschen mit Ideen, aber ohne ausreichende Mittel. Außerdem haben sie einen Sozialfonds für Mitgliedseinrichtungen gebildet.
Mehr Info: http://www.hannoverschekassen.de

Komplementäre Währungen - auch Regionalwährungen genannt - stärken den bewussten Umgang mit Geld, das Regionalbewusstsein und damit die regionalen Wirtschaftskreisläufe. Sie bilden dadurch eine Gegenbewegung zur Globalisierung. Eine monatliche Abzinsung (Wertverlust) von ½ - 1 Prozent pro Monat sorgt dafür, dass das Geld sich nicht vermehren kann, gehortet oder zu Spekulationszwecken verwendet wird, sondern ausschließlich dem Waren- und Dienstleistungsumsatz dient.

Die erfolgreichste Regionalwährung Europas ist der Chiemgauer: 4 Millionen Umsatz pro Jahr und knapp 600 beteiligte Unternehmen. Ihn haben Lehrer und Schüler der Waldorfschule Prien am Chiemsee entwickelt. Der Abschlag wird hier teilweise für soziale Projekte verwendet.
Mehr Info: http://www.regiogeld.de, http://www.chiemgauer.info

Preis für Nachhaltigkeit
2009 erhielt Christian Hiß, Demeter-Gärtner und Gründer der badischen Bürger-Aktiengesellschaft Regionalwert AG (RWAG) aus Eichstetten erstmals den vom Rat für nachhaltige Entwicklung ausgelobten Preis Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit verliehen. Die RWAG erwirbt landwirtschaftliche Betriebe und branchennahe Unternehmen, um sie an qualifizierte Unternehmer zu verpachten, die ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig arbeiten wollen. Der Nachhaltigkeitsrat stellte bei der Preisverleihung besonders heraus, dass durch dieses Modell regionale landwirtschaftliche Betriebe unabhängig von überregionalen Finanzmärkten werden. Mehr Info: http://www.regionalwert-ag.de

Literaturverzeichnis

1. Attali, Jacques: Brüderlichkeit – Eine notwendige Utopie im Zeitalter der Globalisierung, Stuttgart 2003

2. Gemeinnützige Treuhandstelle Hamburg e.V. (Hg.): Zukunft geben, 23 Skizzen zum Stiften, Hamburg 2010

3. Heid, Wilfried: Die Chance der Befreiung, Ideen zur Emanzipation der Gesellschaft von den sie beherrschenden Mächten, Achberg 2002

4. Heisterkamp (Hg.): Kapital = Geist, Pioniere der Nachhaltigkeit: Anthroposophie in Unternehmen, Frankfurt 2009

5. Herrmannstorfer, Udo: Scheinmarktwirtschaft – Die Unverkäuflichkeit von Arbeit, Boden und Kapital, Stuttgart 1991

6. Institut für Zeitgeschichte im Internationalen Kulturzentrum Achberg, die Initiativ-Gesellschaft EuroVision und das Wiener Institut für europäische Gesellschaftsentwicklung (Hg.): Für eine Welt nach Maß des Menschen, Achberg 2006

7. Perkins, John: Bekenntnisse eines Economic Hit Man, München 2005

8. Perkins, John: Weltmacht ohne Skrupel, Heidelberg 2007

9. Schmundt, Wilhelm: Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt, Dornach/ Schweiz 1968

10. Steiner, Rudolf: Die Kernpunkte der sozialen Frage, Dornach/ Schweiz 1973

11. Steiner, Rudolf: Nationalökonomischer Kurs, 14. Vorträge, Dornach/ Schweiz 1979

12. Ziegler, Jean: Das Imperium der Schande, München 2005


Nach der Wirtschaftskrise – Bausteine für die Zukunft

Wolfgang Ritter, Nürnberg 2010

Die Finanzkrise 2008 hat uns an den Rand eines Währungsdesasters gebracht, aber in ihrer Folge auch eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst mit Unternehmenszusammenbrüchen und massenhaften Entlassungen. Die OECD-Länder, das sind die reichen Länder der Welt, müssten 17 Millionen Stellen schaffen, um den Beschäftigungseinbruch durch die Wirtschaftskrise auszugleichen (Nürnberger Nachrichten vom 8. Juli 2010).

Unabhängig von der Finanz- und Wirtschaftskrise beobachten wir seit Jahren eine Tendenz zu immer mehr Rücksichtslosigkeit im Wirtschaftsleben. Die Folgen der Wirtschaftskrise ebenso wie die der Finanzkrise sind systemimmanent. Der Sozialismus brach zusammen, weil sich der Einzelne der Volksgemeinschaft unterzuordnen hatte, sein schöpferisches Potential nicht ausreichend genug zur Geltung kommen konnte. Der Kapitalismus oder Neo-Liberalismus ist gefährdet, weil die Gemeinschaft einzelnen Individuen, Institutionen und Unternehmen keine Grenzen setzt in ihrer hemmungslosen Gier nach Profit. Hier sollen die Schwachpunkte des Systems aufgezeigt werden und es wird dargestellt, wie das System zu ändern ist, um Krisen zu vermeiden. Was sind die Elemente einer neuen Wirtschaftslehre, wie werden sie verbreitet, welche erprobten Alternativen stehen als Vorbild zur Verfügung?

Seit Jahrzehnten ereignet sich, für jeden sichtbar und für viele schmerzlich erfahrbar, eine gewaltige Vernichtung von Wirtschaftspotential – immer mehr Unternehmen und Arbeitsplätze gehen verloren. Große Wirtschaftsunternehmen werden in erster Linie als Instrument zur Vermögensmehrung der Aktionäre verstanden mit dem Drang zu schnellem Profit. Kunden werden als Beute betrachtet, Märkte als zu erobernde Territorien. In einem mörderischen Konkurrenzkampf geht es längst nicht mehr um Leistungswettbewerb sondern darum, dem Konkurrenten zu schaden, wo und wie es nur geht; List, Lügen und Rufmord sind Mittel dazu. Im Wettbewerb überlebt der Mächtigste und Frechste. Moral ist im Wirtschaftsleben zu einem Fremdwort geworden. Arbeitskräfte werden immer seltener als Menschen mit Bedürfnissen betrachtet sondern als austauschbarer Produktionsfaktor. In zunehmendem Maße beschäftigt man sie sozialversicherungsfrei, auf Zeit oder auf Abruf. Für Unternehmensleitungen und Mitarbeiter zeigt sich: Egal, wie gut du arbeitest/ deine Produkte sind/ deine Marktperformance ist, dein Unternehmen/ dein Arbeitsplatz ist früher oder später gefährdet. Ist dein Angebot von ungenügender Qualität oder veraltet, wird dich die Konkurrenz überflügeln und du machst pleite (gewollte Marktbereinigung im Sinne des Systems). Sind deine Produkte/ Dienstleistungen marktkonform, hast du Erfolg, so wird dein Unternehmen zum Begierdeobjekt für die Konkurrenz. Sie kauft dein Unternehmen auf - eventuell auch gegen deinen Willen - (feindliche Übernahme), um dich als Konkurrenten auszuschalten. Dadurch entstehen immer mehr Oligopole und Monopole (Achillesverse der Marktwirtschaft), die den Wettbewerb aufheben und höhere Preise durchsetzen können.

In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?

Immer mehr Verbände und Persönlichkeiten – auch der Papst 2009 – fordern mehr Ethik und Moral in der Wirtschaft. Universitäten entdecken das Thema Wirtschaft und Menschlichkeit als ihr Arbeitsfeld. Im Herbst 2009 wurden zum Beispiel an der Universität Bayreuth im Rahmen der Wochenendtagung „Agenda Humanitas – Wirtschaft (ver)sucht Menschlichkeit“ folgende Fragen diskutiert: Hat der homo oeconomicus ausgedient? Ist Menschlichkeit in der Wirtschaft nur Mittel zum Zeck oder Zweck an sich? Geht es um Image oder echtes soziales Verantwortungsbewusstsein? Und wie viel Menschlichkeit verträgt der Markt überhaupt? http://www.bayreuther-dialoge.de/Dialoge09/inhalt/thema.htm

In einem Vortrag mit dem Titel Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen – Kosmetik oder Ethik? (Kongress der Anthroposophischen Gesellschaft mit dem Titel „Zukunft der Arbeit – Karma des Berufs“, Waldorfschule Bochum, 24.-27.06.2010) wies der Unternehmensberater Friedrich Glasl darauf hin, dass manche Unternehmen, die gesellschaftliches Engagement demonstrieren, in Wirklichkeit damit nur einen Marktvorteil anstreben. So spendete die Zigarettenfirma Philipp Morris 1999 75 Millionen Dollar an humane Organisationen, gab aber 100 Millionen Dollar aus, das PR-mäßig zu vermarkten.

Wertewechsel ist notwendig

Die völlige Entfesselung der Marktkräfte und die „Profitmaximierung um jeden Preis“ hat zum „Kasino-Kapitalismus“ geführt, in dem die Schere zwischen Arm und Reich immer schneller und weiter aufgeht: Die Gier Einzelner kann uns immer wieder in tief greifende Krisen führen. Zwei Grundannahmen des Kapitalismus haben sich als Irrtum herausgestellt: 1. Das Wohl der Gesamtheit ist umso größer, je mehr der Einzelne in Konkurrenz mit anderen seinen Eigennutzen verfolgt. 2. Die Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital sind Bestandteil des Wirtschaftslebens und können deshalb wie Ware gehandelt werden.

Die so genannte „soziale Marktwirtschaft“ ist von Grund auf unsozial, weil man gezwungen ist gegeneinander zu kämpfen und sich kaputt zu machen. Notwendig ist deshalb ein radikales Umdenken, ein Wertewechsel. Das Kurieren wollen an den Symptomen des Kapitalismus reicht nicht mehr aus. Mindestens um folgende Werte müssen wir uns jetzt bemühen:

- angemessene Wohlstandsverteilung zur Abwehr der Armut
- Schutz der Umwelt als Lebensgrundlage aller Menschen
- Solidarisches Wirtschaften

Der Einbau dieser Werte sollte nicht nur beispielhaft von einzelnen Unternehmern und Nationen erfolgen, sondern gehört auch in die Lehrpläne der Volks- und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten. Neben den Blick in Adam Smiths Grundwerk „Wohlstand der Nationen“ von 1776 sollte der in seine „Theorie der ethischen Gefühle“ von 1759 zur Pflicht gehören, denn der Mensch ist nicht nur ein wirtschaftlich sondern auch ein sozial denkendes und handelndes Wesen. Der Sozialimpuls Rudolf Steiners - Elemente einer neuen Wirtschaftslehre Im Sommer 2009 erschien im Info3-Verlag, Frankfurt, ein Buch mit dem Titel Kapital = Geist – Pioniere der Nachhaltigkeit: Anthroposophie in Unternehmen. Ulrich Rösch von der Sektion für Sozialwissenschaften der Freien Hochschule am Goetheanum in Dornach/Schweiz, beschreibt in einem Nachwort dazu die Elemente einer neuen Wirtschaftslehre, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Rudolf Steiner entwickelt wurden.

1. Trennung von Arbeit und Einkommen

In der heutigen arbeitsteiligen Wirtschaft arbeitet sinnvollerweise keiner mehr für sich, sondern immer für die Bedürfnisse anderer. Ausgangspunkt sind also immer die Bedürfnisse der anderen einerseits und die eigenen Fähigkeiten, diese Bedürfnisse zu befriedigen, andererseits. Je mehr ich als Einzelner leisten kann, umso größer wird das Heil der Gemeinschaft sein. Triebfeder für das wirtschaftliche Handeln ist also nicht der Egoismus (Adam Smith), sondern die soziale Verantwortung bei der Bedürfnisbefriedigung der anderen mitzuwirken. Wer für andere arbeitet, muss in die Lage versetzt werden, sich nicht mehr um seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen kümmern zu müssen. Daraus formulierte Rudolf Steiner die Konsequenz: „ … für die Mitmenschen arbeiten und ein Einkommen erzielen“ sind „zwei voneinander ganz getrennte Dinge“ (Geisteswissenschaft und soziale Frage, GA 34).

2. Assoziatives Wirtschaften

Statt den Marktkräften die Regulierung der Waren- und Dienstleistungsströme und die Vergütung dafür zu überlassen (Adam Smiths unsichtbare Hand), was sowieso immer nur im Nachhinein funktioniert, sollten sich alle am Wirtschaftsprozess einer Branche auf regionaler Basis in Assoziationen zusammen finden und Mengen und Preise vorher besprechen. Am runden Tisch werden die gegensätzlichen Interessen von Erzeugern, Händlern und Verbrauchern zu „selbsttätiger Vernunft und objektivem Gemeinsinn“ (Rudolf Steiner). Die Assoziationen haben auch die Aufgabe notwendige Projekte zu besprechen und zu finanzieren. Ihre Urteilsbildung ist Basis für die Kreditgewährung durch die Banken, denn in der Gemeinschaft kommt man zu einem sachgerechten Urteil. Die Initiative für die Realisierung von Projekten liegt dann beim einzelnen Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe.

3. Assoziation von Wirtschaft und Kultur

Rudolf Steiner schwebte auch eine Zusammenarbeit von Wirtschaftsbetrieben mit kulturellen und sozialen Einrichtungen vor, wobei aus den Gewinnen der Wirtschaftsunternehmen, kulturelle und soziale Projekte gefördert werden können, die keine staatlichen Zuschüsse erhalten. Kulturelle und soziale Aktivitäten und Institutionen bereichern wiederum die Unternehmen. Die Bildungseinrichtungen zum Beispiel liefern ja dem Wirtschaftsbetrieb die notwendigen befähigten Mitarbeiter.

Der von Rudolf Steiner begründete Sozialimpuls enthält viele weitere Details, die über das oben Dargestellte weit hinausgehen. Aus Die Kernpunkte der sozialen Frage, 1919, nenne ich ein weiteres, wichtiges Element einer neuen Wirtschaftslehre.

Die Produktionsfaktoren dürfen nicht wie Waren gehandelt werden

Ein wichtiger, Wirtschaftskrisen entgegenwirkender Gedanke ist die Neutralisierung von Bodeneigentum und Produktionskapital. So wie die Arbeitskraft keine Ware sein darf, so auch nicht das Kapital, der Boden und die Unternehmen. Der Boden ist nicht von Menschen erzeugt und nicht vermehrbar. Akkumuliertes Bodeneigentum führt zu geballter Macht, arbeitslosem ewigem Einkommen, zu Ausbeutung und ins unermessliche steigende Bodenpreise. An Stelle des Eigentumsrechts an Boden könnte ein Nutzungsrecht treten. Nach Udo Herrmannstorfer auch bei voller Entschädigung der gegenwärtigen Eigentümer (siehe Udo Herrmannstorfer: Scheinmarktwirtschaft – Die Unverkäuflichkeit von Arbeit, Boden und Kapital, Stuttgart 1991).

Auch eine Unternehmung ist keine Handelsware, denn die Inhaber haben sie nicht alleine geschaffen. Beteiligt am Aufbau einer Unternehmung waren auf alle Fälle auch alle Arbeitskräfte im Unternehmen, die Kreditgeber, die Lieferanten und Kunden und die Gemeinden, die das Unternehmen durch Steuererleichterungen vielleicht förderten. Eine große Unternehmung ist ein Gemeinschaftsprojekt, ein Sozialgebilde; die Eigentümer an Produktionsmitteln haben Verpflichtungen gegenüber ihren Mitarbeitern, ihrem sozialen und kulturellen Umfeld und dem Staat. Deshalb sollte das Eigentum an Produktionsmitteln zeitlich begrenzt sein. Der Staat müsse eingreifen können, so Rudolf Steiner in Die Kernpunkte der sozialen Frage, wenn es zu ungerechtfertigter Machtentfaltung komme. Der Rechtsstaat werde aber nicht enteignen oder bestimmen, wohin ungerechtfertigte Kapitalmassen der Unternehmung zu fließen haben oder wer die Unternehmung fortführen soll, wenn der Unternehmer aufgebe. Er werde nur durch Gesetze dafür zu sorgen haben, dass kein Schaden für die Gemeinschaft entstehe. „Institutionen des Geisteslebens“ sollen einen fähigen Nachfolger bestimmen, wenn es der Unternehmer nicht selbst tue. Um zu gewährleisten, dass nicht unfähige Erben ein Unternehmen in den Ruin treiben, verkaufen oder zerschlagen, solle das gleiche gelten. Es komme darauf an, das Unternehmen im „Kreislauf der Produktionsmittel“ zu halten.

Wie lebt Rudolf Steiners Sozialimpuls heute?

Hat die neuere anthroposophische Forschung die Ideen Rudolf Steiners weiter entwickelt? Wie kann man sich die Verwirklichung dieser Ideen im sozialen Organismus vorstellen? Gibt es Beispiele für assoziative Zusammenarbeit? Viele Fachleute haben Rudolf Steiners Sozialimpuls aufgegriffen und weiter entwickelt bzw. Ansätze davon in ihren Unternehmen verwirklicht.

Erst kürzlich, im Herbst 2010, veröffentlichten sieben Autoren ihre Konzepte und Grundlagen einer solidarischen Wirtschaft in: Die Herausforderungen der Globalisierung, herausgegeben von der Sozialwissenschaftlichen Forschungsgesellschaft e.V./ Dietrich Spitta, Stuttgart. Die Autoren und ihre Themen: Götz Werner: Der unternehmerische Umgang mit Natur, Arbeit und Kapital; Thomas Jorberg: Armutskrise, Klimakrise, Finanzmarktkrise – keine Systemkrise? Fehlsteuerung von Arbeit, Natur und Kapital; Paul Mackay: Wirtschaftskrise – wie kann es weitergehen? Zur Kapitalentstehung und Verwaltung; Ulrich Rösch: Trennung von Arbeit und Einkommen als Aufgabe für das 21. Jahrhundert; Gerald Häfner: Brüderlichkeit im Zeitalter der Globalisierung – Aufgaben und Grenzen der Politik; Dietrich Spitta: Voraussetzungen für solidarisches Wirtschaften: Erneuerung des Geisteslebens und eine neue Eigentumsordnung sowie: Kooperation statt Konkurrenzkampf. Die Selbstverwaltung des Wirtschaftslebens als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise; Christoph Strawe: Solidarisches Wirtschaften: Aufgaben, praktische Ansätze, Perspektiven Auch viele andere Fachleute haben ihre Arbeitsergebnisse zu den Elementen einer neuen Wirtschaftslehre vorgelegt. Es folgen Beispiele dazu.

Trennung von Arbeit und Einkommen

Benediktus Hardorp sieht Die Entkopplung von Arbeit und Einkommen als Weg zu selbst motivierter Arbeit (in: Arbeit und Kapital als schöpferische Kräfte, Karlsruhe 2008) und nennt dafür gute Gründe. Der Arbeitswille entspringt aus dem verborgenen Wesen des Menschen und ist eigentlich unbezahlbar, weil Arbeit eine wichtige Möglichkeit der Selbstverwirklichung ist. Wer nur um der Entlohnung willen tätig ist, macht sich abhängig von dem, der ihn entlohnt. Außerdem: Lohn für Arbeit motiviert nicht – man fühlt sich immer unterbezahlt. Was soll an die Stelle der Lohn- und Gehaltszahlung treten? Hardorp setzt sich für die Ertragsteilung im Unternehmen ein. Auch heute ist es ja schon so, das Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam ein Produkt/ eine Dienstleistung erstellen und dafür jeder seinen Anteil erhält, entweder in Form von Gewinnausschüttung oder in Form der Lohn- und Gehaltszahlung. Es ist also nur eine Frage der Vertragsgestaltung. Je mehr aber motiviert gearbeitet wird, umso mehr wird geleistet und umso mehr kann verteilt werden. Ertragsteilung lässt alles Personal gesamtverantwortlicher handeln, macht bisher unterstellte Mitarbeiter zu Partnern.

Hardorp unterstützt die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen als einen wichtigen Schritt zur Trennung von Arbeit und Einkommen, weil ein Einkommen jedem Menschen zusteht, egal ob er arbeitet oder nicht. Die Unternehmen würden um den Betrag des Grundeinkommens ihrer Mitarbeiter entlastet. Er greift auch einen Hinweis Rudolf Steiners auf, man müsse weg von der Einkommens- und hin zur Konsumbesteuerung. Dadurch würde das Steuersystem wettbewerbsneutral, kolossal vereinfacht und für jeden verständlich. Steuererklärungen und Steuerflucht wären überflüssig, die Leistungsbereitschaft würde zunehmen. Mit der Mehrwertsteuer seien wir bereits auf dem richtigen Weg. Die Konsumbesteuerung sei auch der beste Weg zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens (Ausgaben- statt Einkommenssteuer in: Paul Mackay und Ulrich Rösch (Hg.), Grundeinkommen für jeden Menschen – Eine Herausforderung für Europa?, Dornach/ Schweiz 2007). Götz Werner, Begründer der dm Drogeriemarktkette und Leiter des Interfakultativen Instituts für Entrepreneurship der Universität Karlsruhe, bespricht in seinen Büchern Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen, Stuttgart 2006 und 1000 € FÜR JEDEN - Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen, Berlin 2010, die Notwendigkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens. Es soll jedem Menschen ab der Geburt zustehen - bedingungslos. Wir beobachten den Rückgang der Erwerbsarbeit, die möglicherweise zu einer 20:80-Gesellschaft führt: 20 Prozent der Erwerbsfähigen reichen aus, um die Menschheit mit Gütern und Dienstleistungen zu versorgen, 80 Prozent müssen in die Lage versetzt werden, diese Güter und Dienstleistungen auch kaufen zu können. Schon heute leben im Sozialstaat Deutschland mehr Menschen (etwa 60 Prozent) von Transfer- als von Erwerbseinkommen: sie beziehen Kindergeld, Elterngeld, Studiengeld, Krankengeld, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Renten und Pensionen. Teilweise geschieht das unter entwürdigenden Bedingungen. Werner: „Hartz IV ist offener Strafvollzug. Es ist die Beraubung von Freiheitsrechten, … quält die Menschen, zerstört ihre Kreativität.“ (Stuttgart 2006)

Verschiedene Autoren zeigen auf, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen durch Zusammenlegung aller Transferzahlungen in Deutschland finanziert werden könnte, z.B. Benediktus Hardorp, Ausgaben- statt Einkommensteuer, a.a.O., Christoph Strawe, Überlegungen zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens, Skript zum Tagungsband „Karlsruher Symposium Grundeinkommen: bedingungslos“ (2006/ 2007) André Presse, Grundeinkommen: Idee und Vorschläge zu seiner Realisierung, Karlsruhe 2010.

Zur Frage einer gerechten Einkommensverteilung in den Unternehmen hat Michael Rist, Russikon/ Schweiz, ein Bedarfdeckungsmodell mit fünf Verwirklichungs- oder Entwicklungsstufen entwickelt. Es ist geeignet zu zeigen, wie man in den Unternehmen sofort schrittweise einen Anfang zur Trennung von Arbeit und Einkommen vollziehen und Managergehälter sinnvoll begrenzen kann (Zur Debatte über die Einkommensbildung – Ein Bedarfsdeckungsmodell in Sozialimpulse Nr. 1/ 2007). Sein Modell hat dazu beigetragen, dass die JungsozialistInnen (Juso) in der Schweiz im Oktober 2009 die Volksinitiative „1:12 – Für gerechte Löhne“ gestartet haben. Wenn es nach Ablauf der Unterschriften-Sammelfrist im April 2011 zu einem Volksentscheid kommen sollte und der im Sinne der Initiative ausfällt, dann gilt künftig in der Schweiz: „Der höchste von einem Unternehmen bezahlte Lohn darf nicht höher sein als das Zwölffache des tiefsten vom gleichen Unternehmen bezahlten Lohnes“ (Juso-Flyer zur Unterschriftensammlung).

Assoziatives Wirtschaften

Lex Bos zitiert Rudolf Steiner aus einem Vortrag von 1922: „Es ist ein … soziales Mysterium, … dass jedes soziale Einzelurteil falsch ist.“ (Urteilsbildung in Assoziationen in: Die wirtschaftlichen Assoziationen – Beiträge zur Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben, Stuttgart 1987) Er beschreibt dann, wie die „falschen sozialen Einzelurteile“ in den wirtschaftlichen Assoziationen zusammengetragen, korrigiert, abgeschliffen und schließlich zu einem „richtigen sozialen Gesamturteil“ aufgebessert werden können. Inhalt der Gespräche in den Branchen-Assoziationen könnten sein: Produktqualität, Erfahrungen mit Verpackungen, Vereinbarungen und Service, Preisverlauf im vergangenen Jahr, Folgen von Mechanisierungen, Importtrends, Unternehmensumsätze, Verwischung von Branchengrenzen usw. Das „Erkenntnisurteil“, aus dem Assoziationsgespräch gewonnen, ist vergangenheitsbezogen, führt aber zu individuellen „Entscheidungsurteilen“ für die Zukunft, denn jeder Assoziationspartner wird seine Erkenntnisse den Menschen kommunizieren, die er in der Assoziation vertritt. So können die Wirtschaftspartner – jeder einzelne Unternehmer, jeder einzelne Konsument - aus Erkenntnis handeln.

Hakan Blomberg beschreibt in seinem Aufsatz Solidarisch wirtschaften mit Risikokapital (erschienen in Sozialimpulse Nr. 2/09), wie assoziatives Wirtschaften für größere Projekte mit Risikokapital möglich ist - unter Ausschaltung der Nachteile der Generierung von Eigenkapital über die Aktienbörse.

Das Aktienrecht bietet den Anteilseignern u. a. das Recht sich Gewinne auszahlen zu lassen. Viele Aktionäre haben außer diesem Wunsch auch gar keine weitere Beziehung zum Unternehmen. Wenn eine Auslagerung von Produktionskapazitäten, der Verkauf oder die Zerschlagung der Aktiengesellschaft ihnen Vorteile bringt, sind sie auch damit einverstanden. Das Schicksal der Mitarbeiter, die von heute auf morgen arbeitslos werden, ist ihnen gleichgültig. Anders sieht die Sache aus, wenn zur Finanzierung eines Projektes/ einer Unternehmung Bürgen gefunden werden, die Kreditgarantien geben. Noch sinnvoller ist es, wenn sich diese Bürgen in einem Kreditgarantieverbund zusammenschließen. Der Vorteil hierbei ist, dass der Garantiebetrag nicht eingezahlt werden muss und trotzdem im Unternehmen als Eigenkapital ausgewiesen wird. Eine Bürgschaft wird nur gegeben, wenn man von der Notwendigkeit einer Initiative überzeugt ist und an deren Gelingen glaubt. Der Kreditgarantieverbund, man kann ihn auch als Assoziation bezeichnen, haftet den Banken zu 100 Prozent für die gewährten Kredite. Eine Spekulation wie mit Aktien ist ausgeschlossen. Zwischenbemerkung des Autors: Die im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise von vielen Ländern gegebenen Kreditgarantien haben einen anderen Charakter. Man wollte Altes retten und nicht Neues ermöglichen. Die Kreditgarantien gebenden Regierungen waren nicht vom Erfolg der Unternehmung überzeugt, waren auch nicht bei Projektplanungen dabei. Man musste einfach mehr oder weniger blind etwas tun, um für das System wichtige Unternehmen oder Arbeitsplätze zu retten. Kreditgarantien zu geben fällt den Politikern relativ leicht, denn sie haften ja nicht mit ihrem eigenen Vermögen, sondern mit dem der Steuerzahler.

Blomberg führt an, dass Kreditgarantieverbände erstmals sehr erfolgreich im Energiesektor in den Ländern Dänemark und Schweden gearbeitet haben. Heute gibt es sie in 17 Ländern – auch in den USA und Japan – aber ohne Konsumentenbeteiligung. Sie erlauben meist kleineren und mittleren Unternehmungen eine alternative Eigenkapitalbeschaffung. 1992 wurde eine Dachorganisation gegründet, die Association Européene du Conditionnement Mutuel (http://www.aecm.be). 1999 haben sich in Schweden fast 20 regionale Kreditgarantieverbände zur Sveriges Kreditgarantieförening (http://www.kgf.se) zusammengeschlossen. 2009 starteten zwei Projekte in Deutschland, die Energiekontingente großer Energieversorger in Bürgerhand bringen wollen (http://www.energie-in-buergerhand.de, http://www.neue-energiekultur.de), um überhöhte Preise für Endverbraucher zu vermeiden.

Eine assoziative Zusammenarbeit wäre in allen die Grundbedürfnisse deckenden Branchen notwendig, also außer in der Energiewirtschaft auch in der Wasser- und Lebensmittelversorgung. Wenn Bauern von dem vom Mark diktierten Preis nicht mehr existieren können (Milch- und Getreideschwemme 2009), dann verlieren wir nicht nur regionale Erzeuger, sondern auch möglicherweise viele Arten und eine vielgliedrige Landschaft. Die Markt beherrschende Stellung großer Einzelhandelsketten und der von ihnen ausgehende Preisdruck können zu diesem Szenario führen. Einige Molkereien erkennen, dass ein familiengeführter Milchviehbetrieb mit 70 Kühen von 20 Cents, die er für den Liter Milch erhält, nicht einmal die laufenden Kosten decken, geschweige denn Investitionen tätigen kann. Sie haben mit ihren Bauern Liefermengen und Preise vereinbart. Aber an den runden Tisch gehören auch die Abnehmer, nämlich die Groß- und Einzelhändler und die Verbraucher. Erst in einer solchen Assoziation, in der die Notwendigkeiten der Erzeuger und die Möglichkeiten der Verbraucher besprochen werden, kann es zur richtigen Milchmenge und einem gerechten Milchpreis kommen. Die Verhandlungsergebnisse, richtig kommuniziert, stoßen dann auch bei den Verbrauchern auf Verständnis (Wolfgang Ritter: Wirtschaftskrise erreicht Bauern – und was dagegen zu tun ist in: Info-Brief 21, Januar 2010, http://www.bio-verbraucher.de/Bio-Nachrichten).

Während einer 7-jährigen Arbeit am Sozialimpuls Rudolf Steiners im Rahmen der Initiative Dreigliederung Nürnberg ergab sich die Frage nach Zusammenschlüssen von Verbrauchern. Zum Beispiel gibt es im Bio-Sektor Organisationen der Erzeuger und Händler. Aber wo ist die Verbraucher-Organisation, die als Gesprächspartner dieser Verbände in künftigen Assoziationen auftreten könnte? Um diese Aufgabe künftig wahrnehmen zu können, gründete Wolfgang Ritter mit einigen Freunden 1994 den Bio-Verbraucher e.V. Dieser gemeinnützige Verein berät Verbraucher und pflegt die Zusammenarbeit mit Erzeugern und Händlern im Bio-Bereich ebenso wie mit deren Verbänden - als Vorbereitung auf eine künftige assoziative Zusammenarbeit. Durch die Wahrnehmung des jeweils anderen Wirtschaftspartners, seiner Arbeitsbedingungen, Notwendigkeiten und Wünsche wird die Anonymität des Marktes und die Konzentration auf den eigenen Vorteil aufgehoben. Mehr Info: http://www.bio-verbraucher.de

Erster Schritt zur Assoziation: Kooperation statt Konkurrenz

Nach Bernard Lievegoed durchläuft jede Einrichtung/ Unternehmung im Laufe der Zeit drei Entwicklungsphasen: die Pionierphase, die Unternehmung als Großfamilie bzw. als verschworene Aktionsgemeinschaft, die Differenzierungsphase, das Unternehmen als Apparat bzw. als rationales Konstrukt, die Integrationsphase, das Unternehmen/ die Einrichtung als Organismus. Friedrich Glasl beschreibt eine vierte Entwicklungsphase: die Assoziationsphase. In dieser Phase erkennt sich das Unternehmen bzw. die Einrichtung als Glied eines Biotops oder Teil der Wertschöpfungskette mit Bewusstsein und Verantwortung in beide Richtungen des Wertschöpfungsstromes – stromaufwärts bis zur Rohstoffgewinnung (Urproduktion) und stromabwärts bis zum Werteverbrauch (Konsumption und Recycling). Unternehmen, die in diese Phase eintreten, erkennen den Vorteil der Zusammenarbeit für alle am Wertschöpfungsprozess Beteiligten. Sie bilden deshalb assoziativ-kooperative Formen der Zusammenarbeit in permanenten gemeinsamen Organen zur Marktforschung, Strategieentwicklung, Logistik, Produktions- und Verfahrensentwicklung. Sie helfen sich gegenseitig aus mit Material und Arbeitskräften (trouble shooting), geben den Partnern Einblick in ihre Bücher und Kalkulationen und teilen den Gewinn (profit-sharing). Die Assoziationsphase ist gekennzeichnet von einem Nutzen für alle: Kunden, Lieferanten, Unternehmen und ihre Eigentümer, sonstige Unternehmenspartner und Gesamtgesellschaft (Friedrich Glasl, Bernard Lievegoed: Dynamische Unternehmensentwicklung, Bern, Stuttgart, Wien, 3. Auflage (2004) sowie Skript zum Vortrag Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen – Kosmetik oder Ethik?, a.a.O.).

Wie werden die Vorteile assoziativer Zusammenarbeit kommuniziert?

Viele Menschen, die sich mit Rudolf Steiners Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus und der assoziativen Zusammenarbeit im Wirtschaftleben beschäftigt haben, übertragen ihre Erkenntnisse als Autoren, Seminarleiter und Unternehmensberater in die Praxis. Sie erfüllen damit eine pädagogische Aufgabe von höchster Bedeutung. Ich nenne drei Beispiele:

Bernard Lievegoed hat 1954 in Rotterdam (Niederlande) das Nederlands Pedagogisch Instituut für Organisationsentwicklung (NPI) gegründet und bis 1971 geleitet. Später übersiedelte es nach Zeist (NL), wo es 2010 aufgelöst wurde. Seine Mitarbeiter – auch Friedrich Glasl von 1967 bis 1985 – erforschten Organisationsentwicklung und verbreiteten ihre Erkenntnisse in Publikationen und in der Praxis der Unternehmensberatung. Tausende Unternehmen und Organisationen sind schon in diesem Sinne weltweit beraten worden. So entwickelt sich zunächst aus einem auf Ruin angelegten Wettbewerb im neo-liberalistischen System im Laufe der Zeit eine Kultur der Zusammenarbeit der Unternehmen. Möglicherweise erkennt man dann in der Folge, dass auch eine Zusammenarbeit mit den Konsumenten in zu bildenden Branchen-Assoziationen Vorteile für alle am Wirtschaftsprozess Beteiligten bringt. Karl-Martin Dietz, Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler, Mitbegründer des Friedrich von Hardenberg Instituts in Heidelberg, setzt auf drei Säulen einer kreativen Zusammenarbeit, die auf den zu beobachtenden neuen Individualismus setzt: Kreativität und Originalität

An die Stelle von Normen und Traditionen tritt die geistige Produktivität des Einzelnen. Er fragt nicht: „Was ist hier üblich? Oder: Wie hat man das bisher gemacht?, sondern: Was fällt mir dazu ein? Und: Was fällt den anderen ein?“

Individuelles Erfassen der Situation

An Stelle der Frage: „Wie soll ich das interpretieren? Was ist die herrschende Ansicht dazu?“ tritt die Frage: „Verstehe ich von mir aus, was hier vorgeht oder vorliegt?“ Ich frage mich nicht mehr: „Was soll oder darf ich?, sondern: Was will ich?“ Schließlich ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit nur möglich, wenn jedes Glied eines Kollektivs seine Fähigkeiten entfalten kann und von dem jeweils anderen das gleiche erwartet wird (Karl-Martin Dietz: Diesseits von Freiheit und Würde, in Die Drei, Nr. 6/ Juni 2010).

Otto Scharmer, Absolvent der Universität Witten-Herdecke, jetzt Dozent am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Gründungsvorstand des Presencing Institute, berät international vernetzte Firmen, Organisationen und Regierungen weltweit. Zu seinen Kunden gehören unter anderem Daimler Benz, Price Waterhouse Coopers, Fujitsu und Google. In seinen Büchern Theory U: Leading from the Future as it emerges (2007) und Presence: An Exploration of Profound Change in People, Organisations and Society (2005) zeigt er, wie man Intuitionen für sein Handeln aus der Zukunft heraus empfangen kann. In sieben Schritten deckt er das „Urphänomen des unternehmerischen Handelns“ auf, führt die Menschen dazu die Zukunft zu erinnern („Remembering the Future“) und „gemeinsame Bewusstseinräume“ zu schaffen, um so zu einem assoziativen Wirtschaften zu kommen. Auf diese Weise arbeitet er daran, die nächste Stufe des Kapitalismus, die Einführung eines neuen „Koordinationsmechanismus“ vorzubereiten. Gemeinsame Wahrnehmungs- und Willensbildungsräume ersetzen einen „übergeordneten Markt“ und eine „unsichtbare Hand“. Diese neuen Koordinationsmechanismen kann man schon dort beobachten, wo in kleineren Formen Zusammenarbeit gepflegt wird – aus der Zukunft heraus (alle Zitate aus: Die Drei, Nr. 6/ Juni 2010).

Assoziation von Wirtschaft und Kultur

Als Rudolf Steiners Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus nicht aufgegriffen wurde, die er nach dem Ersten Weltkrieg zuerst an die Regierungen in Berlin und Wien, dann an das deutsche Volk und die Kulturwelt heran getragen hatte, richtete er 1919 in Zusammenarbeit mit einem Zigarettenfabrikanten und interessierten Lehrern die erste freie Waldorfschule in Stuttgart ein (Herbert Hahn: Die Geburt der Waldorfschule aus den Impulsen der Dreigliederung des sozialen Organismus in: Wir erlebten Rudolf Steiner, Stuttgart 1956). 1920 gründete er zusammen mit verständigen Unternehmern zwei Aktiengesellschaften, die einen assoziativ fördernden Ausgleich pflegten: Der Kommende Tag, Aktiengesellschaft zur Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte und die Futurum AG (siehe Ulrich Rösch in Kapital = Geist, 2009). In diesem Zusammenschluss arbeiteten einerseits mehrere Wirtschaftsbetriebe verschiedener Branchen miteinander zusammen, aber auch Kultur- und Sozialeinrichtungen (Klinik, Forschung, Schule). 1923 mussten die Zusammenschlüsse wegen der galoppierenden Inflation aufgelöst werden, um wenigstens Unternehmensteile zu retten. Die Handlungsweise Rudolf Steiners, seine Ideen in Unternehmen leben zu lassen, deutet den Weg an, der gegangen werden muss, um Veränderungen zu bewirken. Ein Systemwandel in der Wirtschaft wird sich Schritt für Schritt durch vernünftige Tätigkeit der einsichtigen, am Wirtschaftsprozess beteiligten Menschen selbst vollziehen.

Elisabeth Voß hat mit dem Wegweiser Solidarische Ökonomie einen Überblick über die in Deutschland aktiven Initiativen für alternative Wirtschaftsformen gegeben. Die knappen Darstellungen spannender Einzelprojekte reichen von selbst verwalteten Betrieben über Bildungseinrichtungen bis hin zu Alternativ-Banken. Mehr Info: http://www.dreigliederung.de

Christoph Strawe beschreibt in Solidarisches Wirtschaften: Aufgaben, praktische Ansätze, Perspektiven in: Die Herausforderungen der Globalisierung, Stuttgart 2010, die gesellschaftliche Kraft, von der wir am ehesten erwarten können, dass sie eine „Mixed Economy“ oder gerechte Wirtschaft erarbeiten, propagieren und durchsetzen kann: die globale Zivilgesellschaft. Sie habe Ende des letzten Jahrhunderts die Weltbühne betreten und sich bei Weltwirtschafts- und Weltsozialforen sowie bei regionalen Foren Gehör verschafft. Sie finde Verbündete bei den rund acht Millionen Menschen in der EU, die in Wirtschaftbetrieben arbeiten, die eine „solidarische Ökonomie“ verwirklichen (Genossenschaften, selbst verwaltete Betriebe, Wohn- und Gemeinschaftsprojekte, Tauschringe, fairer Handel, landwirtschaftliche Direktvermarkter, Umsonstläden). Die Zivilgesellschaft brauche beim Aufzeigen von Alternativen zum herrschenden Wirtschaftsystem keine Rücksicht zu nehmen auf politische Machtkonstellationen und ökonomische Interessen. Das biete auch einsichtigen Menschen in der konventionellen Politik und Wirtschaft die Chance, Kontakt zur Zivilgesellschaft aufzunehmen und diese bei der Forderung nach Veränderungen zu unterstützen.

Unternehmen mit Sozialverantwortung

Die heute vielleicht größte Initiative auf der Welt, die an Rudolf Steiners Versuch anknüpft, startete Ibrahim Abouleish in den 1970-er Jahren mit Sekem in Ägypten. Heute arbeiten mehrere Sekem-Wirtschaftsbetriebe mit selbständigen Landwirten, Export-, Handels- und Verarbeitungsbetrieben, aber auch Forschungsinstituten, Schulen, Hochschulen und kulturellen Einrichtungen im eigenen Land und weltweit zusammen. Soziale und kulturelle Projekte vor Ort ergänzen das Engagement. Auf den Sekem-Grundstücken bei Kairo gibt es biologisch-dynamisch arbeitende Landwirtschaft, mehrere Produktionsbetriebe, Kindergarten, Schule, Berufsschulen, Bildungs- und Gesundheitszentrum, Akademie. Mehrere Projekte verbessern die Lebensbedingungen der Menschen in der Umgebung. Vor kurzem nahm eine private Universität ihre Arbeit auf, der Lehrbetrieb beginnt im Herbst 2011. 2003 wurde Dr. Abouleish als Entrepreneur des Jahres geehrt und erhielt zusammen mit Nicanor Perlas, der die Dreigliederung in die Philippine Agenda 21 eingebracht hatte, den Right Livelihood Award (alternativer Nobelpreis). Literatur dazu: Ibrahim Abouleish, Die Sekem-Vision – eine Begegnung von Orient und Okzident verändert Ägypten, Stuttgart und Berlin 2004 und Nicanor Perlas, Shaping Globalization – Civil Society, Cultural Power and Threefolding, o.O. (2000)

Patrick Hohmann ist es gelungen eine transparente Wertschöpfungskette aufzubauen, in der von den biologisch-dynamisch arbeitenden Bauern in Indien und Tansania über die Spinnereien und Webereien dort, seine Remei AG in der Schweiz, die die Stoffe zu Kleidungsstücken verarbeitet, bis hin zu den Vertriebspartner Coop, dm, Waschbär, Hess und andere nachhaltig und sozialverantwortlich gearbeitet wird. Auch die Verbraucher haben Gelegenheit zum Kleidungsangebot, zur Qualität und zum Preis Stellung zu nehmen (Christoph Strawe: Solidarisches Wirtschaften: Aufgaben, praktische Ansätze, Perspektiven in: Die Herausforderungen der Globalisierung, Stuttgart 2010 und Wolfgang Ritter: Das Maikaal-Projekt – ein Beispiel für weltweite assoziative Zusammenarbeit in: Info-Brief 1, Januar 2005 bei: http://www.bio-verbraucher.de, Bio-Nachrichten/ Assoziative Zusammenarbeit). In dem Buch Kapital = Geist – Pioniere der Nachhaltigkeit (Frankfurt am Main 2009) werden 12 Unternehmen vorgestellt, die auf den Impulsen Rudolf Steiners fußen: Weleda, Wala, Alnatura, Voelkel, Sonett, Stockmar, Speick, Bauckhof, GLS Bank, Hannoversche Kassen, dm-Drogerie-Marktkette, Hessnatur. Die Gründer dieser Unternehmen brachten bzw. bringen damit neues Denken und Handeln in die Wirtschaft. Jens Heisterkamp schreibt dazu in der Einleitung: „Anthroposophie in Unternehmen fügt dem Prinzip Nachhaltigkeit außerdem neben der sozial-ethischen und ökologischen Dimension die oft vernachlässigte „dritte Speiche“ hinzu: eine ganzheitliche Philosophie und Spiritualität, die Nachhaltigkeit erst in der Tiefe verankert.“

Ich hebe diejenigen hervor, die beispielhaft sind für Kapitalneutralisierung und Mitarbeiterführung: Seit ihrer Gründung sind die Hauptgesellschafter der Weleda AG das Klinisch-Therapeutische Institut in Arlesheim/ Schweiz und das Goetheanum in Dornach/ Schweiz. Es ist das älteste anthroposophische Unternehmen, das die durch Rudolf Steiner mitbegründete Der kommende Tag AG 1923 überlebte, und mit seinen Dividenden einen wesentlichen Beitrag für die Arbeit der Freien Hochschule am Goetheanum leistet. Gemäß der besonderen Firmenphilosophie ist das Unternehmen unverkäuflich. Die Weleda Gruppe mit ihren fast 50 Unternehmen weltweit engagiert sich in herausragender Weise sowohl für ihre Mitarbeiter als auch in der medizinischen Forschung, dem Umweltschutz, im kulturellem und sportlichen Sponsoring sowie in sozialen Partnerprojekten mit Rohstofflieferanten.

Eigentümer der Wala GmbH ist eine Stiftung, deren Satzung den Verkauf der Unternehmung verbietet. Damit ist ein Modell für eine Alternative zum Staatssozialismus und zum Privatkapitalismus gewiesen: der Treuhand-Kapitalismus. Die Wala will auch nicht die geleistete Arbeit ihrer Mitarbeiter bezahlen sondern sie ermöglichen (Stichwort: Entkopplung von Arbeit und Einkommen). Darum erfolgt die Gehaltszahlung zu 80% am Monatsanfang. Darüber hinaus sind die Mitarbeiter am Gewinn beteiligt, genießen vielfältige Sozialleistungen und Kulturangebote. Das Unternehmen pflegt auch soziale Partnerprojekte mit Rohstofflieferanten.

Auch die Stockmar GmbH bekennt sich zu der Idee, dass Unternehmen nicht verkauft werden können und gehört zu einem Verbund von Unternehmen, die „nicht kapitalgeführt“ sind. Dazu gehören auch Unternehmer, die um das Fortbestehen ihrer Unternehmen und die Erhaltung der Arbeitsplätze in ihnen besorgt sind.

Damit Sonett nicht verkauf- oder vererbbar ist, hat man eine ungewöhnliche Konstruktion gewählt: Drei voll haftende Gesellschafter kümmern sich um das Tagesgeschäft, eine GmbH ist Eigentümerin des Anlagevermögens, die GmbH gehört einer Stiftung, die den Verkauf verbietet und gleichzeitig mehrere Forschungsprojekte fördern kann, die für ökologische Reinigungsmittel relevant sind. „Wir arbeiten nicht für Geld“ heißt es auf den Internetseiten von Sonett. Die betreuten Mitarbeiter der Camphill Werkstätten Lehenhof, die für Sonett tätig sind, „arbeiten um der Arbeit willen – mit Freude, Hingabe und Einsatzwille. Der Lebensunterhalt ist unabhängig von der Arbeit abgesichert, die Trennung von Arbeit und Einkommen ist eine Wirklichkeit. Da sind sie uns weit voraus, die so genannten Behinderten.“

Der Gründer der Bauckhof GmbH & Co. KG nahm seinen Besitz in den 1960-er Jahren aus dem Erbstrom heraus, indem er ihn in eine gemeinnützige Treuhandgesellschaft umwandelte. Bei Herstellung, Handel und Versand von Demeter-Naturkost-Produkten, steht nicht in erster Linie die Gewinnerzielung im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handelns sondern der Anspruch den regionalen Demeter-Landwirten einen gesicherten Absatz zu gewährleisten und den Markt mit gesunden Nahrungsmitteln zu versorgen. Die dm-drogerie markt GmbH & Co. Kg ist mit mehr als 4,7 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 2000 Filialen in Deutschland und Südosteuropa das größte Unternehmen mit anthroposophischem Hintergrund. Der Gründer, Götz Werner, hat durch Verantwortungsdelegation sowie kulturelle und soziale Förderungen dafür gesorgt, dass sich die 30.000 Mitarbeiter wohl fühlen. Die Firma engagiert sich im Bereich Transparenz und Nachhaltigkeit sowie für bürgerschaftliche Projekte. Sie wurde 2007 mit dem Deutschen Handelspreis ausgezeichnet.

Bausteine für die Zukunft

Lebendige Bausteine für die Zukunft sind Menschen, die ihrer Erkenntnis gemäß handeln: Unternehmer mit Sozialverantwortung und bewusst kaufende Konsumenten. Wenn auf diese Weise gelebte Vernunft in den Wirtschaftspartnern den Wunsch nach besserer gegenseitiger Wahrnehmung aufkommen lässt, ist der Weg für die Bildung von Branchen-Assoziationen frei.

Literaturverzeichnis

1. Abouleish, Ibrahim: Die Sekem-Vision – eine Begegnung von Orient und Okzident verändert Ägypten, Stuttgart und Berlin 2004

2. Blomberg, Hakan: Solidarisch wirtschaften mit Risikokapital, in: Sozialimpulse Nr. 2/09

3. Bos, Lex: Urteilsbildung in Assoziationen in Leber, Stefan (Hg.): Die wirtschaftlichen Assoziationen – Beiträge zur Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben, Stuttgart 1987

4. Dietz, Karl-Martin: Diesseits von Freiheit und Würde, in: Die Drei, Zeitschrift für Anthroposophie in Wissenschaft, Kunst und sozialem Leben, Zukunft der Arbeit – Arbeit der Zukunft, Nr. 6/ Juni 2010

5. Glasl, Friedrich und Lievegoed, Bernard: Dynamische Unternehmensentwicklung, Bern, Stuttgart, Wien, 3. Auflage (2004)

6. Hahn, Herbert: Die Geburt der Waldorfschule aus den Impulsen der Dreigliederung des sozialen Organismus in: Wir erlebten Rudolf Steiner, Stuttgart 1956

7. Hardorp, Benediktus: Arbeit und Kapital als schöpferische Kräfte, Karlsruhe 2008

8. Hardorp, Benediktus: Ausgaben- statt Einkommensteuer in: Mackay, Paul und Rösch, Ulrich (Hg.): Grundeinkommen für jeden Menschen – Eine Herausforderung für Europa?, Dornach/Schweiz 2007

9. Heisterkamp, Jens (Hg.): Kapital = Geist, Pioniere der Nachhaltigkeit: Anthroposophie in Unternehmen, Frankfurt 2009

10. Herrmannstorfer, Udo: Scheinmarktwirtschaft – Die Unverkäuflichkeit von Arbeit, Boden und Kapital, Stuttgart 1991 11. Presse, André: Grundeinkommen: Idee und Vorschläge zu seiner Realisierung, Karlsruhe 2010

12. Rist, Michael: Zur Debatte über die Einkommensbildung – Ein Bedarfsdeckungsmodell, in: Sozialimpulse Nr. 1/ 2007

13. Ritter, Wolfgang: Das Maikaal-Projekt – ein Beispiel für weltweite assoziative Zusammenarbeit, in: Info-Brief 1, Januar 2005, http://www.bio-verbraucher.de/ Bio-Nachrichten/ Assoziative Zusammenarbeit

14. Ritter, Wolfgang: Wirtschaftskrise erreicht Bauern - und was dagegen zu tun ist, in: Info-Brief 21, Januar 2010, a.a.O.

15. Rösch, Ulrich in: Heisterkamp, Jens (Hg.): Kapital = Geist, a.a.O.

16. Scharmer, Otto in: Die Drei, a.a.O.

17. Spitta, Dietrich (Hg.): Die Herausforderungen der Globalisierung - Konzepte und Grundlagen einer solidarischen Wirtschaft, Stuttgart 2010

18. Steiner, Rudolf: Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft, Dornach 1973 (GA 23)

19. Strawe, Christoph: Überlegungen zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens, Skript zum Tagungsband „Karlsruher Symposium Grundeinkommen: bedingungslos“ (Ende 2006/ Anfang 2007)

20. Strawe, Christoph: Solidarisches Wirtschaften: Aufgaben, praktische Ansätze, Perspektiven, in: Die Herausforderungen der Globalisierung, a.a.O.

21. Werner, Götz: Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen, Stuttgart 2006

22. Werner, Götz und Goehler, Adrienne: 1000 € FÜR JEDEN – Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen, Berlin 2010 ___________________________________________________________________________________________________

Esoterisch-exoterische Beiträge

Zeitgeistimpulse und Menschengeschichte

Michaelische Impulse und ihre Auswirkungen in drei Kulturepochen

Skript zum Vortrag von Wolfgang Ritter am 24. September 2011 in Nürnberg

Rudolf Steiner schildert, dass sich sieben Erzengelwesenheiten in der Impulsierung der Menschheit als Zeitgeister ablösen. Diese Wesenheiten sind die Sonnenintelligenz Michael und die Planetenintelligenzen Oriphiel (Saturn), Anael (Venus), Zachariel (Jupiter), Raphael (Merkur), Samael (Mars), Gabriel (Mond) (GA 237, S. 169 f). Jede Zeitgeistherrschaft dauert immer „etwa drei bis dreieinhalb Jahrhunderte“ (ebenda, S. 124). Wir erfahren, dass „mit dem Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts die Michaelzeit begonnen hat“ (ebenda, S. 104). Aus Notizbucheinträgen Rudolf Steiners zu dem Vortragszyklus „Das Initiaten-Bewusstsein“ in Torquay im August 1924 wissen wir die Abfolge und Länge der einzelnen Zeitgeistregentschaften von 200 vor Chr. (Oriphiel) bis 1879 n. Chr. (Gabriel) (in GA 245, S. 171). Dort wird auch angegeben, dass das diesmalige „Michaelzeitalter von 1879 bis ca. 2300 gerechnet wird.“ Ein Zyklus aller Zeitgeister dauert also rund 2500 Jahre.

Zu den Zeitgeistepochen haben außer Rudolf Steiner auch Tritenius von Sponheim (1462 -1517), Friedrich Nielsen (+1980) und Christine Krüger gearbeitet. Quelle: Christine Krüger, Zusammenstellung, Blatt VI/ 95/ 4. Durch unterschiedliche astronomische Betrachtungen kommen alle zu leicht unterschiedlich langen Zeitgeistregentschaften. Für meine Betrachtung von drei Michaelzeitaltern bedarf es keiner genauen Abgrenzung, denn die Aufzeichnungen aus der Zeit von vor etwa 5000 Jahren sind teilweise nicht eindeutig historisch zuzuordnen. Außerdem erfahren wir bei Rudolf Steiner auch davon, dass Zeitgeister ihre Regentschaften vorbereiten. Dadurch kann es sein, dass Menschen schon vor einer Zeitgeistepoche erhaltene Impulse umsetzen. Ein gewisser Unschärfebereich ist also nur natürlich. Nach Rudolf Steiners Angaben endete die vorausgegangene Michaelherrschaft 200 v. Chr.; sie hatte also etwa um 550 v. Chr. begonnen. Rechnet man sieben Zeitgeistepochen mit einer Länge von 2500 Jahren zurück, so begann die vorletzte Michaelzeit um 3050 v. Chr. und währte bis etwa 2700 v. Chr. Es ergeben sich also folgende drei Michaelzeitalter: I II III ca. 3050 – 2700 v. Chr. ca. 550 – 200 v. Chr. ab 1879 – etwa 2300

Rudolf Steiner spricht von der Signatur eines jeden Michaelzeitalters: 1 Die geistigen Interessen der Menschheit werden tonangebend (GA 237, S. 107) 2 Ein kosmopolitischer, ein internationaler Zug geht durch die Welt (ebenda) 3 Die Menschen durchdringen sich mit dem Bewusstsein: „Wir können doch zur Gottheit hinauf.“ (ebenda, S. 125)

Durch welche Menschentaten kann man die Signatur Michaels erkennen?

I. Michaelzeitalter von ca. 3050 – 2700 v. Chr.

Dieses Michaelzeitalter beginnt mit einem Paukenschlag: Die Schrift taucht auf! In der ägyptisch-chaldäischen Kulturperiode sollte der Mensch die Empfindungsseele entwickeln. Michael, Verwalter der kosmischen Intelligenz, gibt den Impuls zur Entwicklung der Schrift, damit die Menschen in die Lage kommen, ihren Empfindungen auch Ausdruck verleihen zu können. Wie könnten die geistigen Interessen der Menschen, die jetzt tonangebend werden sollen, besser manifestiert werden als durch die Schrift – auch wenn sie anfänglich noch bildhaft erscheint? Liefert die Geschichte auch Zeugnisse für den kosmopolitischen Impuls Michaels in diesem Zeitalter? Und durchdringen sich die Menschen schon mit dem Bewusstsein „Wir können doch zur Gottheit hinauf“?

Mesopotamische Frühgeschichte (ca. 3300 – ca. 2900 v. Chr.) und frühdynastische Zeit (2900 – 2350 v. Chr.)

Um 3200 v. Chr. begannen die Menschen in Mesopotamien mit der Entwicklung der Keilschrift, die von zahlreichen Völkern (Sumerer, Akkader, Babylonier, Assyrer, Perser und anderen) bis etwa 400 v. Chr. verwendet wurde. Die frühesten bekannten Texte aus der Stadt Uruk sind zumeist bildhafte Zeichen, die aber bald zu einer Wort- und Silbenschrift und zu immer abstrakter werdenden Zeichen entwickelt werden. Die Schrift diente zunächst der Erleichterung und Vereinfachung der sumerischen Tempelwirtschaft, denn der Tempel bildete den Mittelpunkt des Gemeinwesens, an dessen Spitze eine Führungspersönlichkeit stand, die priesterliche und weltliche Funktionen in sich vereinte. Schon im frühen 3. Jahrtausend wurde die Schrift auch literarisch verwendet, um menschliche Erkenntnisse, Ideen und Verabredungen auf den verschiedensten Lebensgebieten für die Zukunft festzuhalten.

Die Sumerer im südlichen Mesopotamien bildeten in mehreren größeren oder kleineren Stadtstaaten, z.B. Eridu, Ur, Nippur, Uruk (Hier wirkte der legendäre Herrscher Gilgamesch.) die erste Hochkultur der Menschheit aus. Die Stadtstaaten erleben um 2900 v. Chr. Zusammenbrüche und kulturelle Umwälzungen, die mit einwandernden semitisch sprechenden Völkern in Verbindung gebracht werden. Erst am Ende der frühdynastischen Zeit - also weit nach dem Ende der damaligen Michaelherrschaft - gelingt es Sargon von Akkad (2334 – 2279 v. Chr.) ganz Mesopotamien zu einem Reich zu vereinen. Quellen: Wikipedia/ Keilschrift; Katalog des Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim zur Ausstellung „Sumer Assur Babylon“, 1978

Deutlich ist der Wunsch der alten Sumerer mit den Göttern in Verbindung zu bleiben dadurch, dass ihre Führungspersönlichkeit im Staate ein Priester war. „Die chaldäischen Völker sahen …, wie außerirdische geistige Wesen – gute und böse – in das Erdenleben eintraten, um da zu wirken.“ (Rudolf Steiner, GA 26, S. 172). Der Priesterkönig hatte die Aufgabe, den Kontakt zur guten göttlich-geistigen Welt zu halten.

Ägyptische Früh- oder Thinitenzeit (3150 – 2657 v. Chr.)

In Ägypten taucht die Schrift etwa um 3100 v. Chr. unter Pharao Skorpion I., 0. Dynastie, auf. Schon aus der Regierungszeit von Ka’a (Ende der 1. Dynastie) fand man sprachliche Formeln, die in späterer Zeit wiederkehren und am Ende der 2. Dynastie werden hieroglyphische Formen verwendet, die sich von denen der folgenden Zeit kaum unterscheiden (vgl. Emery: Ägypten, S. 198).

Die Ägypter nannten sie „heilige Schrift“ (ta hieroglyphica = gr. heilige, gemeißelte Zeichen) und erst der geschriebene Name auf einem Bild oder einer Statue verlieh dem Dargestellten seine einzigartige Identität; das Bild alleine genügte nicht. Eine namenlose Darstellung gewährte nicht die Voraussetzungen für die Fortführung des gewohnten Lebens im Jenseits (vgl. Putnam: Die Ägypter, S. 90).

Jenseits und Name waren für den Ägypter von zentraler Bedeutung: Der tote Pharao - am Ende des Alten Reiches (2657 – 2166 v. Chr.) jeder Verstorbene - wurde nach bestandener Prüfung durch die Götter, dem „Totengericht“, zum Bruder und Erben des Horus ausgerufen. Er wurde selber zum Gott. Er fühlte sich dadurch verjüngt, „neu geboren“ für ein ewiges Leben (vgl. Kolpaktchy in: Barth: Das ägyptische Totenbuch, S. 29). Deshalb ist der Name auf dem Bild oder der Statue des Verstorbenen von so elementarer Bedeutung; wie ein Lehrer einen Schüler, den er loben oder tadeln will, vor der Klasse beim Namen nennt, musste er von den Göttern nach dem Tode „ausgerufen“ werden können, damit der Tote ewiges, göttliches Leben erhielt.

Narmer (um 3020 – 2982 v. Chr., der letzte Pharao der 0. Dynastie, den manche Historiker auch als den sagenhaften Menes identifizieren, vollzieht die Reichseinigung, d. h. Unterägypten wird von den oberägyptischen Thiniten – sie stammen aus der Stadt Thinis – erobert; sie bauen aus Teilstaaten den „ersten Territorialstaat in der Geschichte der Menschheit“ auf (vgl. Schlögl: Das Alte Ägypten, S. 64). Und wie verhalten sich die Eroberer in religiöser und menschlicher Hinsicht gegenüber den Besiegten? Die Götter der Besiegten wurden nicht abgeschafft, sondern annektiert. Der Sieger setzte den Besiegten als Sohn der betreffenden Gottheit ein. Als oberste Gottheit wird zur Zeit der Reichseinigung der Himmelsgott Horus verehrt (vgl. Emery, a. a. O., S. 130). Narmers Nachfolger Aha (1. Dynastie), den manche Forscher ebenfalls mit dem sagenhaften Menes gleichsetzen, konsolidiert das Staatswesen und unter ihm wird die Schrift fortentwickelt. Aha führt auch einen Kalender ein, der sich an dem Sonnenlauf orientiert und die Grundlage unseres Kalenders bildet. Zer oder Djer (um 2949 – 2950 v. Chr., Nachfolger von Aha) soll nach dem ptolemäischen Priester und Geschichtsschreiber Manetho („Geschichte Ägyptens von den ältesten Zeiten an bis zur makedonischen Eroberung“) als Heilkundiger Bücher über Anatomie geschrieben haben, die zu seiner Zeit, also etwa 2800 Jahre später, noch existierten (vgl. Emery, a. a. O., S. 53).

Als es unter späteren Herrschern der Frühzeit zu einer erneuten Zersplitterung des Landes kommt, ist es der letzte Pharao der 2. Dynastie und damit der Frühzeit, Chasechemui (2684 – 2657 v. Chr.), der eine erneute Einigung herbeiführt. Er ist der letzte ägyptische Herrscher während dieser Michaelzeit und legt damit die Grundlage für eine über 500 Jahre währende stabile Periode des Alten Reiches, in der die Baukunst eine erste Hochzeit erlebt, die Hieroglyphen zu einer Kombination von Piktogrammen (Bildzeichen), Ideogrammen (Zeichen, die assoziativ erschlossen werden) und Phonogrammen (Zeichen, die Laute ausdrücken) entwickelt wurden. 24 Hieroglyphen entsprachen 24 Konsonanten. Vokale wurden nicht geschrieben. Es gibt über 6000 überlieferte Hieroglyphen, von denen die meisten allerdings erst in der griechisch-römischen Spätzeit für religiöse Zwecke entwickelt wurden. 700 davon wurden über alle historischen Perioden hinweg verwendet (vgl. Putnam, a. a. O., S. 86 ff.).

Welches geistige Interesse haben die Menschen in der ägyptischen Frühzeit mit Hilfe der Hieroglyphen ausgedrückt?

Die Herrscher von der Prädynastik bis zur Mitte der 1. Dynastie lassen ihre göttlichen Namen (Horusnamen) auf Ton, Elfenbein und Stein schreiben und gravieren (Wikipedia/ Menes). Sie deuten damit darauf hin, dass sie sich als von Gott eingesetzt empfinden und für ihn auf Erden handeln. Horus, Sohn von Isis und Osiris, verkörpert als „Harachte“ („horizontischer Horus“) die Taggestalt der Sonne. Die vielfache Manifestation ihres Horusnamens kann auch ein Hinweis darauf sein, dass sich die frühägyptischen Herrscher als von dem Sonnengeist Michael inspiriert wissen.

Bis zur Mitte des 3. vorchristlichen Jahrtausends dienen die komplizierten Hieroglyphen überwiegend zur Verwaltung der beiden Reichsteile Ober- und Unterägypten. Die Ägyptologen entschlüsselten knappe Mitteilungen, die den König und seine Beamtenschaft betrafen. Hieroglyphen eigneten sich nicht zum schnellen Schreiben; deshalb wurden sie zu der fließenden „hieratischen Schrift“ (hieratika = gr. priesterlich) und zur „demotischen Schrift“ (demotika = gr. volkstümlich) weiter entwickelt. Diese beiden Schriftarten wurden dann sowohl für administrative und geschäftliche als auch für literarische, wissenschaftliche und religiöse Zwecke verwendet (vgl. Putnam, a. a. O., S. 90 f.). Aus späterer Zeit sind ausführlichere Mitteilungen zur Weltanschauung, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung erhalten und die Schrift dient auch als Kunstmedium (vgl. Schlögl, a. a. O., S. 34).

II. Michaelzeitalter von ca. 550 – 200 v. Chr.

Während der griechisch-römischen Kulturepoche sollte die Verstandesseele ausgebildet werden; dieses Michaelzeitalter ist deshalb deutlich geprägt von einem neuen Geistesleben: Michael gibt Impulse, die Welt gedanklich zu verstehen, zu erklären und entsprechend der gewonnenen Einsicht zu gestalten. Die michaelischen Impulse werden von einer Vielzahl von Individualitäten aufgegriffen: Von Herrschern, die erfassen, was klug ist, um erfolgreich zu sein und Philosophen, die Welt-Gedanken-Gebäude errichten. Wikipedia nennt für die Zeit der Michaelherrschaft von 550 – 200 v. Chr. 84 griechische Philosophen und stellt 10 von ihnen heraus, die am nachhaltigsten in der europäischen Philosophie fortwirken: Aristoteles, Demokrit, Epikuros, Heraklit, Parmenides, Platon, Plotin, Pythagoras, Sokrates, Thales.

Rudolf Steiner: Ein Denker der damaligen Zeit dachte nicht anders als: Michael wirkt in mir und gibt mir die Gedanken. Auch ein Mensch, wie zum Beispiel Alexander der Große, hatte durchaus ein deutliches Bewusstsein davon, dass ihm seine Gedanken auf dem Michaels-Wege kamen. Auch wenn die entsprechende geistige Wesenheit anders hieß, er sah sich als ein Missionar, ein Werkzeug Michaels an. Das gab ihm auch die Kraft des Willens zu den vollbrachten Taten (GA 237, S. 109). Dieses Fühlen, im Auftrag einer göttlichen Wesenheit zu wirken, gilt auch für die Perserkönige, die durch Ihre Kriegszüge ein erstes Weltreich schafften.

Der Perserkönig Kyros II. oder der Große, (Regierungszeit von 559 bis 530 v. Chr.),

ein Teispide, vereint um 550 v. Chr. Persien mit Medien. Er übernahm von den Medern einen gut funktionierenden Verwaltungs- und Militärapparat, der es ihm ermöglichte, das erste Weltreich der Geschichte aufzubauen. Zu seinen Erfolgen trug sicherlich auch die Tatsache bei, dass er besiegte Gegner nicht demütigte, sondern ihre Persönlichkeit, Religion und Fähigkeit achtete und sie oft als Herrscher eines Teilgebietes in seinem Großreich einsetzte. Den Lyderkönig Krösus rettete er nach Herodot z. B. vor dem Scheiterhaufen und verwendete ihn künftig als Berater. Als er 539 v. Chr. in Babylon einzieht, achtet er im Gegensatz zu früheren Eroberern (Hethiter, Kassiten, Assyrer) die dortige Kultur und Religion und belässt hohe Priester und Beamte in ihren Positionen. Die Israeliten entlässt er aus der Gefangenschaft. Nach dem Buch Esra, Kapitel 6,9 ff. und 7,20 ff, gewährt er sogar finanzielle Hilfen für den Wiederaufbau ihres Tempels in Jerusalem.

Phönizien zeigte sich gegenüber Kyros kooperativ und konnte deshalb eigenständig bleiben. Sicher erkannte man, dass es klug war, sich dem Stärkeren zu beugen (Verstandesseele!). Kann man dieses Verhalten, das bei vielen Völkern in dieser Zeit zu beobachten ist, als Inspiration Michaels werten? Persien hatte den Riesen-Vorteil durch die phönizische Flotte auch zu einer bedeutenden Seemacht zu werden.

Nach seinem Einzug in Babylon erklärt Kyros folgende „ Charta der Menschenrechte“ (Vereinten Nationen 1971) als für sein Handeln verbindlich:

Nun dass ich mit dem Segen von Ahura Mazda (Gott) die Königskrone von Iran, Babylon und den Ländern aus allen vier Himmelsrichtungen aufgesetzt habe, verkünde ich, dass solange ich am Leben bin, und Mazda mir die Macht gewährt, ich die Religion, Bräuche und Kultur der Länder, von denen ich der König bin, ehre und achte und nicht zulasse, dass meine Staatsführer und Menschen unter meiner Macht die Religion, Bräuche und Kultur meines Königreiches oder anderer Staaten verachten oder beleidigen.

Ich setze heute die Krone auf und schwöre bei Mazda, dass ich niemals meine Führung einem Land aufzwingen werde. Jedes Land ist frei zu entscheiden, ob es meine Führung möchte oder nicht, und wenn nicht, versichere ich, dass ich ihnen niemals Krieg aufzwingen werde.

Solange ich der König von Iran, Babylon und den Ländern aus allen vier Himmelsrichtungen bin, werde ich nicht zulassen, dass jemand einem anderen unrecht tut, und wenn jemandem unrecht geschieht, dann werde ich ihm sein Recht zurückgeben und den Ungerechten bestrafen.

Solange ich der König bin, werde ich nicht zulassen, dass sich jemand ohne einen Gegenwert oder ohne Zufriedenheit oder Zustimmung des Besitzers sich sein Eigentum aneignet. Solange ich am Leben bin, werde ich nicht zulassen, dass jemand einen Menschen zu einer Arbeit zwingt oder die Arbeit nicht gerecht vergütet.

Ich verkünde heute, dass jeder Mensch frei ist, jede Religion auszuüben, die er möchte, und dort zu leben, wo er möchte, unter der Bedingung, dass er das Besitztum anderer nicht verletzt. Jeder hat das Recht, den Beruf auszuüben, den er möchte, und sein Geld so auszugeben, wie er möchte, unter der Bedingung, dass er dabei kein Unrecht begeht.

Ich verkünde, dass jeder Mensch verantwortlich für seine eigenen Taten ist, und niemals seine Verwandten für seine Vergehen büßen müssen und niemand aus einer Sippe für das Vergehen eines Verwandten bestraft werden darf. Bis zu dem Tage, an dem ich mit dem Segen von Mazda herrsche, werde ich nicht zulassen, dass Männer und Frauen als Sklaven gehandelt werden, und ich verpflichte meine Staatsführer, den Handel von Männern und Frauen als Sklaven mit aller Macht zu verhindern. Sklaverei muss auf der ganzen Welt abgeschafft werden!

Ich verlange von Mazda, dass er mir bei meinem Vorhaben und meinen Aufgaben gegenüber den Völkern von Iran, Babylon und den Ländern aus allen vier Himmelsrichtungen zum Erfolg verhilft. Quelle: www.geistigenahrung.org/ftopic29110.html

Der Name Kyros wird von manchen Historikern als „Gnädiger Herrscher über die Feinde“ übersetzt (Wikipedia/ Kyros II.). Er erfüllte überall die Erwartungen und Hoffnungen unterdrückter Völker, und er beherrschte sie mit einer Toleranz und humanen Gesinnung, wie sie die Welt zuvor nie erlebt hatte. Bei einem Feldzug gegen aufständische Stämme fand er neun Jahre nach der Eroberung Babylons den Tod (haroldgraf.blog.de). Schon bald nach seinem Tod wurde er von den Persern als idealer König legendenhaft verklärt und der positive Blick auf ihn wurde von den Griechen übernommen (wikipedia.org/ Kyros II.).

Kambyses II. (Regierungszeit von 529 bis 522),

der schon zu Lebzeiten seines Vaters zum König von Babylon ernannt worden war, folgt Kyros II. auf den persischen Königsthron und vergrößert das Perserreich um Ägypten und Libyen. Nach Herodot heiratet er die ägyptische Prinzessin Nitetis, um seinen Anspruch auf den ägyptischen Thron zu legitimieren. Veranlasst durch eine Empörung in der persischen Heimat verlässt Kambyses mit dem persischen Heer Ägypten drei Jahre später. Er stirbt an den Folgen eines Unfalles in Syrien 522 (wikipedia.org/ Kambyses II.).

Darius I., der Große (Regierungszeit von 522 bis 486 v. Chr.),

aus achämenidischem Geschlecht und persönlicher Lanzenträger des Kambyses, lässt sich in Pasargadae, der persischen Hauptstadt seit Kyros II., zum König krönen. Er ist zunächst mit Aufständen in fast allen Reichsteilen (Baktrien, Persis, Elam, Medien, Parthien, Assyrien, Ägypten) konfrontiert. Mit Hilfe seiner loyalen Streitmacht gelingt es ihm nach eigenen Angaben innerhalb eines Jahres nacheinander acht „Lügenkönige“ zu besiegen. Ende 521 v. Chr. herrscht Frieden im persischen Großreich. Nachdem das Reichsinnere gefestigt war, galt es Angriffe im Norden abzuwehren: Er unterwirft die Saken. Auch Bedrohungen von der Ostgrenze wollte er zuvorzukommen. Das Gebiet der Sattagyden wird dem Reich einverleibt und die Grenze bis zum Industal vorgeschoben.

Darius I. gilt neben Kyros II. als der bedeutendste Großkönig des altpersischen Reiches, weil er sich nach der Niederwerfung der Aufstände und Grenzsicherungen einer Erneuerung der Reichsstrukturen zuwendet. Sein Name bedeutet „Das Gute aufrechterhaltend“. Allen Völkern des Reiches wird die Ausübung ihrer Sitten und Religionen zugestanden. Er selbst fördert vorsichtig den Zarathustrismus mit Ahura Mazda als oberstem Gott, der keine anderen Götter neben sich duldet. Aber auf Geheiß des Großkönigs wurde auch den iranischen, elamitischen und babylonischen Göttern geopfert. Seine Verwaltungsreformen wurden noch lange nach dem Ende des Achämenidenreiches als vorbildhaft betrachtet und beeinflussten möglicherweise sogar die Organisation des römischen Reiches. Die Wirtschaft profitierte von dem Ausbau eines Straßennetzes, das die wichtigsten Gebiete des Reiches durch „Königsstraßen“ verband, einem Brückenschlag über den Bosporus, der Vollendung eines Kanals vom Roten Meer zum Nil und der Einführung einer einheitlichen Währung im ganzen Reich (wikipedia.org/ Dareios I.).

Der unter Darius entstandene „Persische Frieden“ bedeutete eine vorsichtige Angleichung der unterschiedlichen Strukturen der zusammengeschlossenen Völker mit weitgehender Selbstbestimmung der regionalen Herrscher unter einheitlicher Führung durch persische Satrapen, die dem persischen Adel angehörten, dem Großkönig nahe standen, ihn in allen Reichsteilen repräsentierten, Abgaben einsammelten und Truppen aushoben. Darius sah sich nicht mehr als „König der Perser“ sondern als „König aller Länder und Völker“. Hauptresidenz wurde Susa, daneben das unter seinem Auftrag errichtete Persepolis. Die verschiedensten künstlerischen und architektonischen Stilelemente wurden hier bewusst aus dem ganzen Reich zusammengetragen: Palastgrundrisse = ägyptisch, indisch, griechisch, Säulen = mesopotamisch, griechisch, ägyptisch (wikipedia/ Dareisos I.). Darius fühlte sich als von Gott eingesetzt; auf einer Inschrift verkündet er: „Als Ahura Mazda die Welt in Aufruhr sah, ließ er sie mir danach zuteil. Er machte mich zum König.“ (vgl. Brosius in: Meißner, Schmitt, Sommer (Hrsg.): Krieg, Gesellschaft, Institutionen, S. 140) Die Perser hatten ein Weltreich geschaffen, in das die Griechen 150 Jahre später das Neue, die Philosophie, einfließen lassen konnten.

Alexander der Große (356 – 323 v. Chr.)

Philipp II. hatte aus dem bis dahin eher unbedeutenden Makedonien die stärkste Militärmacht der griechischen Welt gemacht und alle griechischen Stadtstaaten mit Ausnahme Spartas in den Korinthischen Bund unter seiner Führung gezwungen. Als er 336 v. Chr. ermordet wird, folgt ihm sein Sohn Alexander auf den makedonischen Thron. Er erneuert nicht nur den Korinthischen Bund, sondern erobert auch das Achämenidenreich und dehnt es bis über den Indus hinaus aus. Seine Eroberungen sorgten für die Hellenisierung der ganzen fast damals bekannten Welt und wirkten noch Jahrhunderte in Rom und Byzanz fort (wikipedia/ Alexander der Große).

Alexander gilt als einer der bedeutendsten Herrscher der Welt und wird wegen seines Mutes, seines Erfolges, vieler weisheitsvoller Entscheidungen und seiner vielen Stadtgründungen bewundert. So achtet auch er, wie die persischen Herrscher vor ihm, Religionen, Sitten und Kultur der eroberten Völker und so integriert auch er ihre Könige in die Reichsverwaltung und ihre Streitkräfte in sein Heer. Durch ihn kommt es zu einer Verschmelzung der menschlichen Errungenschaften von Orient und Okzident. Das wird am Ende seiner Feldzüge mit einer Massenhochzeit von 10.000 persischen Frauen mit griechischen Soldaten in Susa bekräftigt. Er selbst war mit drei Frauen von besiegten Herrschern verheiratet (Roxane aus Baktrien, Stateira, eine Tochter des Großkönigs Darius III. und Parysatis, Tochter des persischen Königs Artaxerxes III.). Er war makedonischer König, Oberbefehlshaber des Korinthischen Bundes, ließ sich in Heliopolis zum Pharao Ägyptens und in Babylon zum König von Asien krönen. Im Alter von 33 Jahren starb Alexander nach übermäßigem Alkoholgenuss und einem Fieber 323 v. Chr. in Babylon. Sein Leichnam wurde nach einer zweijährigen Vorbereitung nach Ägypten gebracht und zunächst in Memphis, später in Alexandria bestattet. Alexanders Feldherren übernahmen die Macht, ermordeten seine Frauen und Verwandten und bekriegten sich (Diadochenkriege). Es entstanden schließlich drei Diadochenreiche: das der Antigoniden in Makedonien (bis 148 v. Chr.), das der Seleukiden in Vorderasien (bis 64 v. Chr.) und das der Ptolemäer in Ägypten (bis 30 v. Chr.) (vgl. wikipedia/ Alexander der Große).

Rudolf Steiner: Durch die Alexanderzüge wurde die griechische Kultur und Zivilisation in Asien und Afrika verbreitet - in Völker hinein, die sich bis dahin zu ganz anderem bekannten. Die ganze ungeheure Tat fand ihren Abschluss mit der Begründung der Bibliothek im ägyptischen Alexandrien. Die geistigen Kräfte, die sich in Griechenland gesammelt hatten, wurden der ganzen damals zivilisierten Welt gegeben (vgl. GA 237, S. 107).

Dass ein „Werkzeug Michaels“ (Rudolf Steiner) nicht auch ein moralisches Vorbild sein muss, zeigen viele brutale und grausame, oft auch unverständliche Charakterzüge und zornige Handlungen Alexanders: - Schon in den ersten Tagen, als er mit 20 Jahren seinem Vater auf dem Thron folgt, lässt er Mitglieder des Hofstaats exekutieren, die das Gerücht verbreiteten, er habe etwas mit der Ermordung seines Vaters zu tun.

- Den Aufstand der Thebaner beantwortet er durch die Zerstörung ihrer Stadt, die Tötung von 6000 Einwohnern und die Versklavung der übrigen 30.000.

Nach sechs Monaten Belagerung der Stadt Tyros ließ er im Zorn alle männlichen Einwohner töten und die letzten 2000 Überlebenden entlang der Küste kreuzigen.

Nach dreimonatigem Widerstand, den die Einwohner von Gaza leisteten, ließ er die gesamte männliche Bevölkerung ermorden.

- Parmenion, der ihn als jungen König unterstützt hatte, aber jetzt Wortführer seiner Kritiker war, denen Alexanders Neigung die Perser zu ehren und sogar ihre Gewänder zu tragen, nicht mochten, und seinen Sohn Philotas ließ er töten.

- Dem persischen Satrapen Bessos von Baktrien, bei dem der persische Großkönig auf der Flucht vor Alexander Unterschlupf suchte, der ihn aber festsetzte und ihn Alexander gegen ein freies Baktrien anbot und diesen dann tötete, als Alexander dieses Angebot ablehnte, wurden nach Flucht und Gefangennahme Nase und Ohren abgeschnitten. Später wurde er gekreuzigt.

- Als sich das bereits von Alexanders Truppen eroberte Sogdien erhob und sich seiner makedonischen Besatzer entledigte, rächte sich Alexander, indem er sieben rebellische Städte belagerte und anschließend sämtliche männlichen Einwohner töten ließ. Im Zorn brannte er Dörfer und Felder der Bauern nieder, die die sogdische Revolte unterstützt hatten.

- Seinen General Kleitos, der ihm am Granikos das Leben gerettet hatte, tötet er bei einer Siegfeier in betrunkenem Zustand mit einer Lanze. Diese Tat sah er selbst als einen seiner schwersten Fehler an.

- Bei seiner Heirat der sogdischen Prinzessin in Baktra schickt er seine langjährige Geliebte und den gemeinsamen unehelichen Sohn Herakles fort.

- Nach Alexanders Anordnung, das persische Hofritual der Proskynese auch für Griechen verpflichtend einzuführen (vor ihm das Gesicht auf den Boden zu pressen), kam es zu einer offenen Revolte unter den griechischen Soldaten. Alexander ließ eine Reihe von einstigen Gefolgsleuten hinrichten, darunter auch seinen Hofbiographen Kallisthenes.

- Für seinen Indienfeldzug gab es keinerlei militärische Notwendigkeit und sein Vorstoß war von besonderer Grausamkeit geprägt. Immer seltener ließ er gegenüber den eroberten Regionen Großzügigkeit walten. Städte und Dörfer wurden zerstört und ihre Bevölkerungen ermordet.

- Den zunächst besiegten und dann rebellierenden indischen König Musicanos lässt er kreuzigen. Harpalos, ein Jugendfreund Alexanders und sein Schatzmeister, fürchtete, wie mehrere Statthalter, einen Prozess. Er floh nach Griechenland und wurde bald darauf auf Kreta ermordet.

- Alexanders Freund Hephaistion war nach einem der vielen Trinkgelage erkrankt und in Ekbatana gestorben. Außer sich vor Trauer lässt er Plutarch, den Arzt seines Freundes, kreuzigen. Anschließend stürzt er sich in einen Krieg gegen die Kossaier und lässt alle Männer umbringen.

Quelle: wikipedia/ Alexander der Große

III. Michaelzeitalter ab 1879 – etwa 2300 n. Chr.

In der mitteleuropäischen Kulturepoche geht es darum, die Bewusstseinseele auszubilden und die michaelischen Impulse richten sich auf ein bewussteres Zusammenleben der Erdenbewohner untereinander ebenso, wie auf die Suche nach einer Verbindung mit den göttlich-geistigen Welten. Die Sehnsucht der Menschen nach dem Übersinnlichen zeigt sich u. a. auch in dem Interesse der westlichen Welt an traditionellen östlichen Praktiken (Esoterikwelle). Rudolf Steiner, zeigt die Wege auf, wie „das Geistige im Menschen mit dem Geistigen im Weltall“ in Verbindung gebracht werden kann.

Michaels Gegenspieler, die er in den übersinnlichen Welten besiegen konnte, finden in dieser Michaelszeit einen vorher nie erlebten Zugang zum menschlichen Denken, Fühlen und Wollen. Luziferisch inspirierte Eliten sind dabei, eine lebensverachtende Neue Weltordnung mit einer Eine-Welt-Regierung vorzubereiten. (Zu ihren Zielen siehe: Coleman, Die Hierarchie der Verschwörer, S. 71 ff.) Dazu schaffen oder missbrauchen sie kosmopolitische Einrichtungen (vgl. ebenda, S. 165 ff. und S. 213 f.). Die Christustat wird herunter gespielt, für unmöglich erklärt oder ganz geleugnet, z.B. der Christus-Jesus überlebte die Kreuzigung, heiratete Maria von Magdala und bekam mit ihr drei Kinder (vgl. ebenda, S. 183). Ahrimanisch inspirierte Eliten verwenden die Intelligenz auch zu einer automatisierten, menschenverachtenden Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik und betreiben „Meinungsmache durch Meinungsumfragen“, um uns geschickt manipulieren zu können (vgl. ebenda, S. 176). Wir erleben heute deutlich, wie der von Michael inspirierte „kosmopolitische Zug“ zu Bündnissen, Organisationen und Verträgen führt, die aber auch von den durch seine Gegenspieler inspirierte Menschen genutzt und missbraucht werden.

Rudolf Steiner: In unserem Michael-Zeitalter werden die nationalen Impulse im Laufe von drei Jahrhunderten vollständig überwunden werden (vgl. GA 237, S. 197). Der kosmopolitische Zug, der Zug zur Überwindung der Nationalismen wird nach dem Zweiten Weltkrieg durch Bündnisse sichtbar und realisiert:

a) Internationale Bündnisse

- 1944 Internationaler Währungsfonds (IWF): Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Währungspolitik, Ausweitung des Welthandels, Stabilisierung von Wechselkursen, Kreditvergabe, Überwachung der Geldpolitik, Technische Hilfe; heute 187 Mitgliedsstaaten

-1944 Weltbank, bestehend aus fünf Organisationen (Weltbankgruppe); ursprüngliche Aufgabe: Finanzierung des Wiederaufbaus der vom Zweiten Weltkrieg verwüsteten Staaten

- 1945 Vereinte Nationen (UNO), Organisation zur Wahrung des Weltfriedens und zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit; heute: 193 Mitgliedsstaaten

- 1949 Organisation des Nordatlantikvertrages (NATO): westliches Verteidigungsbündnis, ehemalige Feinde werden zu Partnern; heute 28 Mitgliedsstaaten

- 1994 Welthandelsorganisation (WTO): handels- und wirtschaftspolitische Vereinbarungen mit globaler Reichweite

b) Bündnisse und Verträge zur Integration Europas

- 1949 Europarat: Organ für den Versuch der politischen Einigung Europas; heute 47 Mitgliedsstaaten

- 1951 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), sechs Länder (F, I, BRD und BeNeLux), die oft miteinander im Krieg lagen, starten den Vorläufer der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957, Europäischen Gemeinschaft (EG) 1993 und der Europäischen Union (EU) 2009

- 1973 Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) später Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), in der die westliche Welt immer auch das Gespräch mit den Staaten des Ostblocks pflegte, was möglicherweise auch ein vorbereitender Baustein für die Wiedervereinigung Deutschlands und die Selbständigkeit der osteuropäischen Staaten nach der Auflösung des Warschauer Paktes und des Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (Comecon) sowie des Zusammenbruchs der UDSSR war. Heute: 56 Teilnehmerstaaten

- 1979 Europäisches Parlament (EP) gewinnt an Einfluss; alle Bürger können erstmals ihre EP-Abgeordneten direkt wählen.

- 1993 Vollendung der „vier Freiheiten“ im EU-Binnenmarkt: freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital

- 1999 Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU): Die gemeinsame Währung Euro für EU-Mitgliedsstaaten wird geschaffen.

- 2001 Der Euro ersetzt die Landeswährungen zahlreicher Europäer. Heute zahlt man in folgenden Ländern mit der Gemeinschaftswährung Euro: Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern.

- 2004 Mit dem Beitritt von nicht weniger als zehn neuen Ländern zur EU wird die politische Spaltung zwischen Ost- und Westeuropa für überwunden erklärt.

- 2009 Am 1. Dezember wird die Existenz der EG beendet; ihre Rechtsnachfolgerin wird die EU. Die Europäische Union ist eine einzigartige wirtschaftliche und politische Partnerschaft zwischen 27 europäischen Ländern. Sie hat ein halbes Jahrhundert Frieden, Stabilität und Wohlstand hervorgebracht, zu höheren Lebensstandards beigetragen und eine europäische Einheitswährung eingeführt. Sie hat derzeit rund 500 Millionen Einwohner.

Quellen: europa.eu, wikipedia.org, un.org, osce.org

Viele Menschen haben sich für die Überwindung von Nationalismen und Hass eingesetzt. Ich hebe drei Politiker hervor, die ähnlich handelten, wie jene in früheren Michaelzeiten (Skorpion und Narmer, Kyros und Alexander):

- US-Außenminister Byrnes gibt dem besiegten Deutschland in seiner Stuttgarter Rede 1946 Hoffnung auf Wiedererlangung der vollen staatlichen Souveränität und Wirtschaftshilfe. 1948 beschließt das amerikanische Parlament einen Plan zum Wiederaufbau Europas (European Recovery Programm, bekannt auch als Marshall-Plan), der das besiegte Deutschland ausdrücklich mit einbezieht.

- Der französische Außenminister Robert Schuman veröffentlicht 1950 seine historische Erklärung für die Neukonstruktion Europas, die dem besiegten Deutschland von Anfang an eine zentrale Rolle zuweist, beginnend mit der Montanunion, die politisch zur Föderation Europas führen sollte.

- Michael Gorbatschow, Generalsekretär der KPDSU, verfolgt ab 1985 eine Politik von Perestroika und Glasnost (Umgestaltung und Transparenz) in der Sowjetunion und verspricht den Ostblockländern außerhalb der UdSSR, deren Eigenständigkeit zu achten sowie in keinem Fall militärisch einzugreifen. Er ebnete damit den Weg zur Demokratisierung dieser Staaten und Wiedervereinigung Deutschlands.

Das Neue im diesmaligen Michaelzeitalter

Die weltweite Bildung von Bündnissen und der Abschluss von bi- und multilateralen Verträgen werden begleitet vom Erwachen eines dritten Machtfaktors. Neben Politik und Wirtschaft tritt als dritte gesellschaftliche Kraft die Zivilgesellschaft. Warum? Die Eliten aus Politik und Wirtschaft handeln eher selbstsüchtig und weniger zum Wohle der Gemeinschaft. Die Konzentration auf ihre eigenen Vorteile treibt immer mehr Menschen in Hoffnungslosigkeit, Hunger, Krieg, Krankheit und Tod. Durch sie verursachte Katastrophen bringt die Existenzgrundlage aller Menschen in Gefahr. So kämpfen zahlreiche NGO’s (non-government-organisation) für die unterschiedlichsten Bürgeranliegen: z. B. Schutz des Planeten, eine nachhaltige und sozialverträgliche Wirtschaftsweise, eine gerechtere und stabilere Geldordnung, Etablierung der Menschenrechte überall auf der Welt, Demokratie, Volksabstimmungen, gesicherte soziale Verhältnisse, Frieden und Abrüstung, Abschaffung von Nuklearwaffen und -Kraftwerken, eine Welt ohne Hunger, gentechnikfreie Landwirtschaft und Nahrung. Wirksames Medium zur weltweiten Kommunikation untereinander ist das Internet. Man trifft sich auf Welt-, Erdteil-, Regional- und Fachforen. Das Motto: „Eine bessere Welt ist möglich!“

Man sieht, eine Vielzahl irdischer und geistiger Interessen von allgemeiner Bedeutung für die Menschheit sind noch umzusetzen. Dazu gehört auch die Aufgabe Europas, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die Forderungen in der französischen Revolution von 1789, zu verwirklichen. Rudolf Steiner hat diese Forderungen den gesellschaftlichen Lebensbereichen zugeordnet: Freiheit im Geistesleben (kulturellen Leben), Gleichheit im politischen Leben und Rechtsbereich und Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben (GA 23). Auch das Geld- und Währungswesen gehört überarbeitet und grundlegend geändert und Rudolf Steiner hat Anregungen dazu gegeben (GA 340). Immer mehr Menschen erkennen den wunden Punkt unseres Geld- und Kreditsystems und zeigen Lösungsansätze auf (siehe z. B. Wilhelm Schmundt, Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt, Dornach/Schweiz 1968).

Das jetzige Michaelzeitalter unterscheidet sich aber noch von allen vorangegangenen durch das zentrale, einmalige, geistig-irdische Ereignis, das stattfand zwischen dem jetzigen und dem vergangenen: das Mysterium von Golgatha.

Michael und die Seinen hatten erlebt, wie Christus die Sonnensphäre verließ, um zur Erde hinab zu steigen und wie ihm, dem Michael, die Herrschaft über die kosmische Intelligenz allmählich entglitt. Die Intelligenz ging mit dem Christus zur Erde hinunter und die Menschen fühlten in zunehmendem Maße, selber die Eigner von Intelligenz zu sein (vgl. GA 237, S. 109 und S. 120 ff). Die Intelligenz war durch die Taten der ersten Hierarchie zu einer Kopfangelegenheit geworden; Michael will sie wieder zu einer Herzensangelegenheit machen (vgl. GA 237, S.115 ff) Diese Tatsachen veranlassten ihn, dem Christus auf die Erde zu folgen, ohne sich mit ihr selbst zu verbinden, um die Intelligenz im Menschen wieder zu finden und die Herrschaft über sie zurück zu gewinnen.

Was tut nun Michael, der erkennen muss, dass seine Impulse auch von seinen Gegenspielern aufgegriffen, benutzt und missbraucht werden? Michael gibt einen weiteren Impuls: Er legt den Menschen Liebesgedanken ins Herz. Rudolf Steiner: „Das Michaelzeitalter ist angebrochen, die Herzen beginnen Gedanken zu haben.“ (GA 26, S. 62). Damit wird Michael auch zum Wegbereiter des Menschen zu Christus, denn die Christustat ist nur erfassbar durch die Liebe, die der Mensch zu ihr aufbringt (vgl. GA 26, S. 175).

Dieser Michaelimpuls löst in vielen Menschen eine Auseinandersetzung zwischen Herz und Verstand aus. Es bleibt dabei völlig offen, wer gewinnen wird. Da der michaelische Impuls ein globaler ist, gibt es überall auf der Welt Menschen, deren Herz den Verstand davon überzeugen kann, dass man einfacher, glücklicher und trotzdem erfolgreich lebt, wenn man liebt. Diese Liebenden finden sich in allen drei gesellschaftlichen Bereichen: im kulturellen Leben, im politisch-rechtlichen Leben und im Wirtschaftsleben. Er wird deutlich in den Zielen vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen zum Ausdruck gebracht. Wie kann er auch in der Wirtschaft, die heute Kultur und Politik beherrschen, Fuß fassen?

Wege zur Brüderlichkeit/ Liebe im Wirtschaftsleben

Partner im Wirtschaftsleben sind Käufer und Verkäufer. Brüderlichkeit/ Liebe im Wirtschaftsleben bedeutet: Interesse für den Geschäftspartner, Kenntnis seiner Handlungsbedingungen und Verständnis für seine Bedürfnisse. Wie kommen nun Käufer und Verkäufer zu brüderlichem Handeln?

Man kann eine erste Erfahrung machen: Ich denke! Also bin ich verbunden mit übersinnlichen Welten, denn das Denken ist zwar an den physischen Leib gebunden, aber übersinnlicher Natur. Es funktioniert z. B. auch nach dem Tode. Durch mein Denken habe ich Anteil an der göttlichen Weisheit - und alle anderen Menschen auch. Alle Menschen sind von den gleichen Göttern gedacht wie du und haben durch ihr Denken Anteil am göttlichen Weisheitsstrom, der aber frei lässt im Handeln. Bedenke die anderen Menschen, deine Brüder! Aus der Erfahrung eines vertikalen Weisheitsstromes bilde ich einen horizontalen und löse damit Egoismen auf der Denkebene auf.

Eine zweite Erfahrung sagt mir: Göttliche Liebe durchströmt mich - und alle anderen Geschöpfe auch. Alle Geschöpfe werden von den Göttern genauso geliebt wie du. Liebe du sie auch! Aus der Erfahrung eines vertikalen Liebesstromes bilde ich einen horizontalen und löse damit Egoismen auf der Gefühlsebene auf.

Jetzt kommt es darauf an, den Egoismus auch auf der Willensebene zu überwinden bzw. die Liebe auch im täglichen Handeln walten zu lassen.

Gesichtspunkte für den Käufer

Der Käufer als Wirtschaftspartner entscheidet durch seine Nachfrage über das, was produziert wird. Rege Nachfrage führt zu erneuter Produktion; Güter, die nicht genügend nachgefragt werden, verschwinden aus dem Angebot. Er kann für seine Kaufentscheidungen Firmen/ Angebote bedenken, durch die Vernunft und Liebe in das wirtschaftliche Miteinander hinein kommt. Es gibt für den Käufer verschiedene Gesichtspunkte, sich für das eine oder andere Produkt zu entscheiden. Folgende Überlegungen können Beispiele dafür sein:

a) klassische Gesichtspunkte

Das Unternehmen

- bietet genau das Produkt/ die Dienstleistung, das/ die ich brauche

- hat Waren zu günstigen/ günstigsten Preisen

- verkauft Produkte guter/ bester Qualität

- fertigt schöne Produkte

- bietet viele Arbeitsplätze

- ist bedeutend für mein Land

- zahlt Steuern im Inland

b) moderne Gesichtspunkte im Sinne der Brüderlichkeit

Das Unternehmen

- fördert das Gemeinwohl, die Wissenschaft, die Bildung, das sonstige kulturelle Leben

- folgt im eigenen Unternehmen sozialen Grundsätzen (social entrepreneur)

- arbeitet nachhaltig (ökologisch)

- produziert in der Region (regionale Wirtschaftskreisläufe entlasten die Umwelt)

- handelt fair (gerechte Preise für die Rohstofflieferanten, fair trade)

Gesichtspunkte für den Verkäufer

Den vom Herzen dirigierten Unternehmern hat man die Bezeichnung „social entrepreneur“ (Sozialunternehmer) gegeben. Ihnen ist nicht ein maximaler, eigener Gewinn wichtig, sondern die bedarfsgerechte Versorgung ihrer Mitmenschen. Sie beziehen die Käufer in ihre Produktionsentscheidungen/ ihr Angebot und ihre Mitarbeiter in ihre Arbeitsablauf- und Arbeitsplatzgestaltung mit ein. Sie überlegen zum Beispiel Folgendes:

a) klassische Gesichtspunkte

- Kundenzufriedenheit ist der Schlüssel für geschäftlichen Erfolg. Das bedeutet: Wir müssen moderne Produkte in ausreichender Menge und guter Qualität liefern.

- Wir müssen unser Angebot/ unsere Arbeitsbedingungen optimieren, um möglichst hohe Gewinne zu erzielen und langfristig im Wettbewerb bestehen zu können.

- Wir wollen neue Produkte/ Dienstleistungen auf den Markt bringen, um unseren Umsatz und Gewinn zu steigern. Dazu müssen wir Geld für Marktforschung einsetzen, um zu erfahren, was bei den Kunden ankommt.

- Um eine marktbeherrschende Stellung zu erzielen, müssen wir versuchen die Konkurrenz durch ruinösen Wettbewerb zu verdrängen oder durch Übernahme mit anschließender Integration oder Zerschlagung auszuschalten.

b) moderne Gesichtspunkte im Sinne der Brüderlichkeit

- Jeder Mensch ist auch ein potentieller Wirtschaftspartner, Kunde oder Mitarbeiter mit Fähigkeiten, Ideen und Kaufkraft für unsere Unternehmung. Deshalb gilt es, das Image des Unternehmens zu pflegen. Wir wollen uns als nachhaltig arbeitendes, sozial geführtes, dem Allgemeinwohl verpflichtetes Unternehmen einen guten Namen machen.

- Wir sollten die wirklichen Bedürfnisse/ den wirklichen Bedarf ermitteln, um bedürfnis- und bedarfsgerecht zu erzeugen/ anzubieten.

- Unsere Mitarbeiter leisten gute Arbeit, wenn sie alle Arbeitsschritte kennen, ihren Beitrag im Betriebsgeschehen beherrschen und ihren Arbeitseinsatz angemessen gewürdigt und honoriert sehen. Mitarbeiteraus- und -fortbildung, menschengemäße Arbeitsablauf- und Arbeitsplatzgestaltung sowie zeitgemäße Einkommensgestaltung gehören zu den Aufgaben der Unternehmensführung.

- Ertrag wird durch den Einsatz von Kapital und Arbeit erzielt; er gehört also aufgeteilt unter den Kapitalgebern und Arbeitsleistenden. Langfristig ist die Entlohnung abzulösen durch die Ertragsteilung. Man kann vorläufig Modelle der Arbeitnehmerbeteiligung am Gewinn erproben. Auf diese Weise gelebte Vernunft und Liebe wird bei den Wirtschaftspartnern zu dem Wunsch nach besserer gegenseitiger Wahrnehmung führen: Der Weg für die Bildung der von Rudolf Steiner vorgeschlagenen Branchen-Assoziationen ist frei.

Zusammenschau der drei Michaelzeiten

Wir konnten die michaelischen Impulse aller drei betrachteten Epochen im menschlichen Handeln wieder finden:

1 Die geistigen Interessen der Menschheit werden tonangebend

Welt- und Gottverständnis schlagen zu Michaelzeiten ein wie Blitze. Die von Michael begeisterten Menschen wollen ihr Welt- und Gottverständnis umsetzen. Sie bilden zunächst Hochkulturen und Territorialstaaten sowie Techniken, die die Einswerdung mit den Göttern nach dem Tode versprechen (erste Michaelepoche), dann Weltreiche und philosophische Gedankengebäude (zweite Michaelepoche) und jetzt globale Bündnisse, Netzwerke und Anleitungen zur Verbindung des Geistigen im Menschen mit dem Geistigen im Weltall (dritte Michaelepoche).

2 Ein kosmopolitischer, ein internationaler Zug geht durch die Welt

Waren zum Transfer eines neuen Weltverständnisses in den beiden Michaelzeiten vor dem Mysterium von Golgatha noch kriegerische Auseinandersetzungen nötig, funktioniert das weltliche Zusammenleben der Völker jetzt durch bilaterale und multilaterale Verträge und Bündnisse. Kriege werden dort geführt, wo dauerhafte Bündnisse nicht geschlossen sind oder wo die Eliten wollen, dass sie geführt werden, um Völker zu schwächen und in den Besitz von Rohstoffquellen zu gelangen. In allen drei Michaelzeiten tolerieren kosmopolitische Herrscher die Weltanschauung und Religion, die Sitten und Kultur der eroberten Völker. Der Einzelne ist in dieser Hinsicht in den ersten beiden Michaelzeiten noch abhängig von der Weltanschauung seines Souveräns; in der diesmaligen Michaelzeit erleben wir auch in dieser Hinsicht einen kosmopolitischen Zug: das Individuum ist frei. In den Gemeinden und Ländern moderner Staaten leben Menschen verschiedener Ethnien und Religionen zusammen.

3 Die Menschen durchdringen sich mit dem Bewusstsein: „Wir können doch zur Gottheit hinauf.“

Der Mensch fühlt sich im Verlaufe der Geschichte einerseits immer unabhängiger von der Gottheit. Andererseits besteht durchaus der Wunsch einer erneuten Anknüpfung an die geistigen Welten. Er wird über die drei Michaelepochen hinweg immer individueller und das Bewusstsein einer Realisierung dieses Wunsches verschiebt sich im menschlichen Dasein von der Zeit nach dem Tode auf die Zeit davor:

1. Der Priesterkönig/ der Pharao/ der Eingeweihte fühlt noch die Verbindung zur göttlich-geistigen Welt und er tut alles, um nach dem Tode eins werden zu können mit ihr, ja selbst zum Gott zu werden (Empfindungsseelenzeitalter).

2. Philosophen versuchen die Beziehungen von Mikro- und Makrokosmos/ von Mensch und Geistwelt zu verstehen und zu erklären (Verstandesseelenzeitalter).

3. Jeder Mensch hat Fähigkeiten, sich zur Geistwelt zu erheben (GA 10, S. 16), eins zu werden mit Christus und dadurch schon während des Lebens „zur Gottheit hinaufzukommen“ (Bewusstseinsseelenzeitalter).

Literaturverzeichnis

1. Brosius, Maria, in: Meißner, Schmitt, Sommer (Hrsg.): Krieg, Gesellschaft, Institutionen, Berlin 2005

2. Coleman, John: Die Hierarchie der Verschwörer: Das Komitee der 300, 4. Auflage, Gelnhausen-Roth 1997 – 2006

3. Emery, Walter: Ägypten – Geschichte und Kultur der Frühzeit 3200-2800 v. Chr., Wiesbaden 1964

4. Kolpaktchy, Gregoire in: Barth, O. W. (Hrsg.): Das ägyptische Totenbuch, Frankfurt 1954/ 2006

5. Krüger, Christine: Zusammenstellung, Blatt VI/ 95/ 4

6. Putnam, James: Die Ägypter, Köln 2008

7. Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Katalog zur Ausstellung: Sumer Assur Babylon – 7000 Jahre Kunst und Kultur zwischen Euphrat und Tigris, 23. Juni – 24. September 1978

8. Schlögl, Hermann: Das Alte Ägypten, München 2006

9. Steiner, Rudolf: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten, Dornach/ Schweiz 1982 (GA 10)

10. Steiner, Rudolf: Die Kernpunkte der sozialen Frage, Dornach/ Schweiz 1973 (GA 23)

11. Steiner, Rudolf: Anthroposophische Leitsätze, Dornach/ Schweiz 1982 (GA 26)

12. Steiner, Rudolf: Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge, 3. Band, Dornach/ Schweiz 1982 (GA 237)

13. Steiner, Rudolf: Anweisungen für eine esoterische Schulung, Dornach/ Schweiz 1979 (GA 245)

14. Steiner, Rudolf: Nationalökonomischer Kurs, Dornach/ Schweiz, 1979 (GA 340)


Ägypten – Leben für das Leben oder für den Tod?

Wolfgang Ritter, Skript zum Vortrag gehalten in Nürnberg 2011

I. Das alte Ägypten

5000 Jahre alte Zeugnisse belegen, dass schon in der ägyptischen Frühzeit, während der 1. und 2. Dynastie, die Menschen dieses Landes Wert auf gutes und reichliches Essen und Trinken, ein schönes Heim und Kunstgegenstände gelegt haben - sofern sie es sich leisten konnten. Dazu musste man zur Führungsschicht, zum Verwaltungsapparat der Provinzen oder zum Hofe des Herrschers über beide Länder (Ober- und Unterägypten), des Pharaos, gehört haben.

Landwirte, Handwerker und Diener lebten mit all ihren Kräften, um sich selbst am Leben zu erhalten und Bedürfnisse der Führungsschicht befriedigen zu können. Die Soldaten hatten die Macht des Herrschers und die Grenzen des Landes zu sichern. Man tat das ohne Groll, denn der Pharao war Sohn Gottes. Durch ihn war geordnetes Leben und Wohlergehen gewährleistet. Man wusste auch zu feiern: mit Wein und Bier, mit Tanz, Musik und Gesang.

Besondere Anlässe zum feiern waren:

1. Beginn der Nilschwemme im Hochsommer, wenn der Sirius am Himmel erschien

2. Götter- und Tempelfeste, in denen das Volk die Götterbilder zu sehen bekam

3. Königsjubiläen (Sedfeste)

4. Bürgerehrungen durch den Pharao in der Öffentlichkeit

5. Lampenfest am letzten Tag des vierten Erntemonats

Diese gemeinsam begangenen Feste wurden mit alkoholischen Getränken, üppigem Essen, Parfüms, die Wohlgerüche verbreiteten, mit Musik und Tanz begangen. Geburtstage, Hochzeiten und andere persönliche Jubiläen waren kein Anlass großartig zu feiern (vgl. Maria Regina Kaiser, Ramses II. und die Tauben des Friedens, Würzburg 2010, S. 63 ff).

Feiere einen schönen Tag, tue Balsam und Wohlgeruch auf deine Nase, auf deine Brust Kränze von Lotos und Liebesäpfeln, während die Frau deines Herzens bei dir sitzt. Hole Gesang und Vortrag dir vor Augen. Übersehe alles Übel und gedenke der Freuden, bis jener Tag kommt, an dem du landest in jenem Land, das das Schweigen liebt.

Das Lied eines Harfners im Grab des Neferhotep (14. Jahrhundert v. Chr., entnommen aus Philipp Vandenberg, Ramses der Große, 2. Auflage, Bern und München (1980), S. 129), deutet an, dass man auch das Lebensende immer deutlich im Bewusstsein hatte. Obwohl man das Leben liebte, viel und hart arbeitete, um es bewältigen zu können, und es genoss, so gut es ging, wurde auch viel für das Leben nach dem Tod getan, denn man wollte dann genau so weiter leben können, wie man es während des irdischen Daseins gewohnt war. Die diesseitige soziale Stellung sollte schon in der Frühzeit durch aufwendige Grabgestaltung und Grabbeigaben abgesichert werden. Die Gräber glichen genau den Häusern, in denen man lebte. Die Wände der Gräber waren kunstvoll bemalt, Möbel und Kunstgegenstände gehörten ins Grab - und reichlich Essen und Trinken. Bis in die Mitte der 2. Dynastie wollte ein Pharao auch seine Dienerschaft im Tode um sich haben, damit sie nach wie vor ihren Dienst an ihm leisten konnte. Sie wurde getötet und mit ihm beerdigt.

Durch die Nennung des Namens des Verstorbenen im Opferkultus war seine Existenz im Jenseits garantiert. Durch die Scheintür im Opferraum, der an den Grabraum anschloss - im Alten Reich gab es auch separate Opfertempel -, konnte der Verstorbene den Opferraum mit den Speisen und Getränken betreten und verlassen. Die Versorgung war dreifach abgesichert:

1. Speisen und Getränke in Realität als Grabbeigaben

2. bildliche Darstellung der Herstellung von Lebensmitteln

3. üppig gedeckte Speisetische und Listen mit Grabbeigaben, die bis zu 90 Produkte enthalten konnten und riesige Mengen nannten, z. B. „1000 Brote, 1000 Krüge Bier, 1000 Rinder, 1000 Stück Geflügel, 1000 Kleider …“

So war sicher gestellt, dass die Versorgung auch dann gewährleistet blieb, wenn die Verwandten oder Priester den Opferkult nicht mehr vollzogen. „Bild und Schrift waren nicht Abbilder der Realität, sondern erschufen selbst auf magische Weise eine Realität.“ (vgl. Manuela Gander, Ewiges Leben – Grabarchitektur, Infoblatt für Besucher der Staatlichen Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Berlin 2009)

Den kleinen Mann erwarteten im Jenseits die gleichen Aufgaben wie im Diesseits. Landwirte, Handwerker, Soldaten, Diener wollten sich aber nach dem Tode ebenso frei bewegen können und mit den Göttern vereint sein wie ihre Herren. Die Eingeweihten ab der 18. Dynastie empfahlen dafür als Grabbeigabe Uschebti („magische Puppen“), die für den Verstorbenen die geforderte Arbeit verrichten sollten:

Magische Puppe, hör mich an! Bin ich gerufen, bin ich verurteilt auszuführen die Arbeit, welche im Jenseits die Toten verrichten, wisse denn du, oh magische Puppe, da du Werkzeuge hast; in deiner Not gehorche dem Toten! Wisse, du bist an meiner Statt von den Duat-Hütern verurteilt: zu säen die Felder, zu füllen mit Wasser die Kanäle, den Sand herüber zu schaffen von Osten nach Westen … (Die magische Puppe erwidert:) Hier bin ich horchend deinen Befehlen … (vgl. O. W. Barth (Hrsg.), Das ägyptische Totenbuch, Frankfurt 1954/ 2006, S. 66)

Wichtig für das Leben nach dem Tod waren Bilder und Statuen mit dem Namen des Verstorbenen, denn ohne Namen hatte man keine Identität. Der Sarg wurde mit Augen bemalt, damit der Tote in die Welt hinaus sehen könne; der Grabraum mit einer Scheintür versehen, damit die Seele jederzeit in ihn eintreten könne, und in manchen Gräbern gibt es oben ein Fenster, damit der ewig lebendige Geist beobachten kann, ob der Totenkult auch verlässlich durchgeführt wird.

Weltanschauung und Religion

Es gab im alten Ägypten mehrere Weltschöpfungslehren und Weltschöpfer, die verehrt wurden. Eine davon ist die Folgende (vgl. Michel Baud, Unter der Herrschaft der Sonne, In: Sahure – Tod und Leben eines großen Pharao, hrsg. von Vinzenz Brinkmann, Frankfurt, S. 32 f):

Atum (der Vollendete) ist Schöpfergott und Herr des Universums. Aus der dunklen Urflut (Nun) erhob er sich aus einem Erdhügel. Dieser wurde mit der Stadt Iunu, das Heliopolis der Griechen, gleichgesetzt. Er zeugt aus den Substanzen seines Körpers das erste Götterpaar Schu (das Licht = männlich) und Tefnut (die Wärme = weiblich). Schu ist für das Leben, Tefnut für die kosmische und soziale Ordnung zuständig. Das Paar zeugt in einem ersten „wirklichen“ Schöpfungsakt die Götter Geb (Erde = männlich) und Nut (Himmel = weiblich). In der nächsten Generation folgen die Gottheiten Osiris (erster Herrscher der geschaffenen Welt), sein Bruder Seth, der ihn ermordete, sowie die Schwestern Nephtys und Isis, die seinen zerstückelten Leichnam wieder zusammentrugen.

Osiris symbolisierte fortan den toten König, dem sein Sohn Horus, Symbol des lebenden Königs, nachfolgt. Die ersten neun von Atum gezeugten Götter residierten in Heliopolis, der irdischen und himmlischen Stadt. Atum selber scheint sich aus seiner Schöpfung zugunsten von Re, dem Sonnengestirn, zu entfernen. Der Sonnengott besitzt in seinem Tageslauf drei Positionen: Chepri, die aufgehende Sonne, Re, das Gestirn im Zenith und Atum, die untergehende Sonne. Re ist dafür verantwortlich, dass die Ordnung der Welt aufrechterhalten bleibt. Von Osten nach Westen zieht er in einer Barke stehend am Tag über den Himmel, um dann in der Nacht die gefahrvolle unterirdische Welt der Toten zu durchqueren. Die Pyramidentexte, eine Art Handbuch für die Wiedergeburt des Königs, beschreiben, wie sich der Pharao, nachdem er zum Himmel aufgestiegen ist, mit Re vereinigt und aus dem Himmel den Fortbestand der Monarchie sichernd wirkt. Ohne sein Wirken während des Lebens und auch danach konnte die erschaffene und geordnete Welt nicht existieren (vgl. Baud, a. a. O., S 33 f).

Im Besitz einer uralten esoterischen Überlieferung und zahlreicher gut organisierter Einweihungsstätten, glaubte der Ägypter des Altertums den Tod meistern zu können. Die Eingeweihten hatten eine Technik ausgearbeitet, die den Verstorbenen in den Zustand versetzte, seine jenseitige Existenz nach seinem Willen gestalten zu können. Das war zunächst ein Vorrecht der Könige, wovon die Pyramidentexte der 5. und 6. Dynastie (2456 – 2166 v. Chr.) Zeugnis ablegen. In Folge von Umstürzen politischer, sozialer und religiöser Art nach dem Ende des Alten Reichs (2657 – 2166 v. Chr.) wurden die Mysterien „verraten“ und Jedermann bekam Zugang zu ihnen. Jeder einfache Sterbliche konnte nach dem Tode zum “König“, zum „Gott“ werden, wenn er die Formeln der „Machtsprüche“ besaß.

Aus dem Alten Reich (2657 – 2166 v. Chr.) kennen wir Pyramidentexte (z. B. Unas-Pyramide/ 5. Dynastie), seit Beginn des Mittleren Reiches (11. und 12. Dynastie, 2020 – 1793 v. Chr.) finden wir Inschriften auf Sarkophagwänden, später auch auf Papyrusrollen, die man den Toten in den Sarg legte, die eine Auswahl solcher „Machtsprüche“ enthielten. Die Ägyptologie blickt heute auf eine Sammlung von 190 Fragmenten; Richard Lepsius hat sie 1842 erstmals geordnet, durchnummeriert und unter dem Namen „Totenbuch“ herausgegeben. Der Name ist beibehalten worden, obwohl ihr wirklicher Titel das „Heraustreten ins Tageslicht“ ist (vgl. Gregoire Kolpaktchy In: Barth (Hrsg.), Das ägyptische Totenbuch, a. a. O., S. 11 f).

Die wesentlichen Leitmotive des Totenbuches, dieser „Bibel des alten Ägypten“ sind nach Kolpaktchy (a. a. O., S. 29):

1. Das „Totengericht“ und die Rechtfertigung des Verstorbenen

2. Die „Reisen“ des Verstorbenen im Himmel, auf Erden und in der Unterwelt

3. Der Verstorbene wird mit offenen Armen von den Göttern empfangen und als Gott, des Horus Bruder und Erbe, ausgerufen

4. Er bekämpft die Dämonen, die Feinde der Götter

5. Er fühlt sich verjüngt; er wird zu einem „neugeborenen Kind“

6. Die unbegrenzte Seinskraft des Verstorbenen (seine Metamorphosen)

7. Die himmlische Barke (von Ra, Nut usw.)

8. Die psychische und geistige Vielfalt des menschlichen Wesens

9. Das Prinzip der Entsprechung („falls Ra lebt, lebe ich auch“)

10. Die kosmischen Katastrophen der Urzeit

11. Das kosmische Gleichgewicht der „Waage“

12. Die kosmische Natur und Bestimmung des Menschen

Der Tod ermöglichte es dem Mensch mit den Göttern zusammen zu kommen. „Ba“ löste sich im Augenblick des Todes vom leblosen Körper und konnte sich im Jenseits frei bewegen. Dieser Teil des Menschen hatte materielle Bedürfnisse und um diese befriedigen zu können, mussten dem Verstorbenen Speisen, Getränke und andere Dinge im Grab bereitgestellt werden. Die Seele behielt dadurch ihre Lebenskraft („Ka“) und der Geist („Ach“) die materiellen Voraussetzungen für das ewige Leben. In einem Gerichtsverfahren wurde das Herz des Verstorbenen aufgewogen mit der Feder der Maat als Zeichen für die bei der Schöpfung gesetzte Ordnung. Der Tote bedurfte eines Führers, um sich im Totenreich zurechtzufinden. So wie wir heute ein fremdes Land mit einem schriftlichen Reiseführer in der Hand erkunden, wollten sich die alten Ägypter mit Jenseitsliteratur ausgestattet wissen. Das waren die Machtsprüche, die wir als „Totenbuch“ kennen. Sie wurden nach Bedarf zusammengesetzt (vgl. Hermann Schlögl, Das alte Ägypten, München 2006, S. 50 f).

Ein zentraler Gedanke in der ägyptischen Religion war der Glaube an die Verjüngung im Jenseits. Nur dort konnte der Greis wieder zum Jüngling werden. Nichts fürchtete man mehr, als einen nochmaligen Tod im Jenseits, der die endgültige und vollständige Auslöschung bedeutet hätte (Schlögl, a. a. O., S. 47). Dazu durfte es nicht kommen, man musste durch ein gottgefälliges Leben dafür sorgen, dass man die Prüfungen vor Osiris und den 42 Totenrichtern bestand. Das bedeutete die Ausbildung von Tugenden. Kapitel 125 im Totenbuch (Barth, a. a. O., S. 189/ Auszug) gibt Aufschluss über die ethischen Werte der altägyptischen Gesellschaft:

- Siehe, ich bringe in meinem Herzen Wahrheit-Gerechtigkeit, denn ausgerissen daraus habe ich das Böse.

- Nicht habe ich bewirkt das Leiden der Menschen, noch meinen Verwandten Zwang und Gewalt angetan.

- Nicht habe ich das Unrecht an die Stelle des Rechtes gesetzt, noch Verkehr gepflegt mit dem Bösen.

- Ich habe kein Verbrechen begangen, ließ nicht die anderen sich abmühen über Gebühr.

- Nicht habe ich Ränke und Ehrgeiz geschmiedet.

- Meine Diener habe ich nicht misshandelt.

- Die Götter habe ich nicht gelästert.

- Dem Bedürftigen habe ich nicht die Nahrung entzogen.

- Die von den Göttern verabscheuten Handlungen sind mir fremd.

- Ich habe nie zugelassen, dass ein Diener von seinem Meister misshandelt würde.

- Nie habe ich ein Leiden veranlasst.

- Die Hungersnot habe ich nie verursacht.

- Meine Mitmenschen ließ ich nicht Tränen vergießen.

- Ich habe nicht getötet, noch einen Mord angestiftet.

- Ich habe keine Krankheit unter den Menschen verbreitet.

- Die Opfergaben in den Tempeln habe ich nicht gestohlen.

- Das heilige Brot, den Göttern bestimmt, habe ich nicht geraubt.

- Die Opfer habe ich nicht den geheiligten Geistern entzogen.

- Schändliche Handlungen habe ich nicht in den Tempelmauern begangen.


Tiergottheiten und heilige Tiere

Warum verehrten die alten Ägypter Götter mit Tier- oder Tier-Menschengestalt? Maria Regina Kaiser (a. a. O., S. 118 f) gibt sinngemäß folgende Begründung:

Tierverehrung und Götterverehrung in Tiergestalt geht auf die vorgeschichtliche Zeit zurück. Jeder Ort hatte einen eigenen Gott und ein eigenes Totemtier. Darauf geht die Verehrung einer Schutzgottheit in Gestalt eines heiligen Tieres zurück. Das heilige Tier durfte an seinem Verehrungsort nicht verzehrt werden. Es wurde nach seinem Tod mumifiziert und begraben. Beispiel Apis-Kult in Memphis: Ein bestimmter Stier, der schon bei der Geburt bestimmte körperliche Merkmale aufwies, verkörperte den Gott Ptah (Schöpfergott in Memphis). Er wurde verwöhnt, geehrt und wie ein Pharao in einem Steinsarkophag bestattet. Verehrte Tiere wurden nicht als Götter angesehen, sondern als deren irdische Erscheinung.

Rudolf Steiner (vgl. Anthroposophische Leitsätze, Dornach/ Schweiz 1982, S. 170 ff) unterscheidet drei geschichtliche Epochen:

1. Himmelsgeschichte: Göttlich geistige Wesen standen vor der menschlichen Seele. Sie offenbarten ihre Gestalt und der Mensch schaute sie in Traum-Imaginationen; sie sprachen und der Mensch vernahm die Sprache in Traum-Inspirationen.

2. Mythische Geschichte (Verbindung von Himmelsgeschehen und Erdgeschehen): Übermenschliche Wesen (Heroen) tauchen in den Leib eines Menschen unter und können so durch Menschen wirken (Eingeweihte der älteren Zeit).

3. Eigentliche Geschichte: Während dieser Zeit hielten die Völker noch an Weltanschauungen fest, die einer früheren Wirklichkeit entsprachen; das menschliche Bewusstsein, hielt nicht Schritt mit dem kosmischen Geschehen. Zuerst wurde das Alte wirklich noch geschaut und als es verblasste, wurde aus Tradition noch daran festgehalten. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Völker Verschiedenes schauten. So sahen die Ägypter Wesen, die auf dem Wege zur Menschwerdung stehen geblieben sind; sie sahen den Menschen nach seinem Erdenleben in alledem, was er mit solchen Wesen zu tun hat.


Grabanlagen, Mumifizierung und Grabausstattungen

Die Gräber der Frühzeit (3150 – 2657 v. Chr.) liegen im Wüstenboden auf der Westseite des Nil. Zahlreiche Grabanlagen von Königen dieser Zeit und des Alten Reiches (2657 – 2166 vor Chr.) sind mit Schiffsgräbern ausgestattet, in denen teilweise auch die Reste von Holzbarken gefunden wurden. Aus einem Schiffsgrab an der großen Pyramide von Gizeh hat man alle Teile eines seegängigen Schiffes geborgen und wieder zusammen gefügt. Welche Bedeutung haben diese Schiffe im Grabkomplex? Zeitgenössische Forscher glauben, in ihnen sollte der Geist des Königs zusammen mit den Göttern bei Tag durch den Himmel und bei Nacht durch die Unterwelt segeln (vgl. Walter Emery, Ägypten, München 1964, S. 53). Dadurch wurde die Wiedervereinigung des Toten mit dem Sonnengott bewirkt, von dem er abstammte und in dessen Vollmacht er zu Lebzeiten sein Volk regiert hatte.

Aus der Zeit des Alten Reiches (2657 – 2166 vor Chr.) sind über 100 Pyramiden bzw. Reste von Pyramiden erhalten. Die meisten Forscher glauben, dass sie als Königsgräber anzusehen sind, die die Mastabas der Frühzeit ablösten. „Jede Pyramide war ein Königsgrab“, aber auch ein Symbol für die absolute Königsherrschaft (vgl. Hans Strelocke, Ägypten, 6. Auflage, Köln 1981, S. 27). Einige Gräber von Herrschern des Neuen Reiches (1540 – 945 v. Chr.) und ihrer Angehörigen hat man in den Felsengräbern im „Tal der Könige“ und im „Tal der Königinnen“ gefunden. Alle Königsgräber liegen auf der Westseite des Nil und waren den Blicken der Menschen und der Sonne entzogen. Amenophis IV., Echnaton (1351 – 1335 v. Chr.), der auch als Ketzerkönig und Religionsstifter bezeichnet wird, weil er den Monotheismus einführte und in seiner neuen Residenzstadt Achetaton ausschließlich dem Sonnengott Aton huldigte, machte es anders. Er ließ sein Grab und die Gräber für seine Familie sichtbar in die östlich des Nil gelegenen Felsformationen schlagen. Dadurch waren sie für den Lichtgott Aton real zugänglich. Sie wurden so ausgerichtet, dass die Sonne ins Innere hinein scheinen konnte. Auf diese Weise sollten die Verstorbenen die belebende Kraft des Gottes direkt empfangen können und der König für sein Volk eine wichtige Figur bleiben, ohne die es keine Jenseitshoffnung gab (Schlögl, a. a. O., S. 235).

Der Leichnam hatte für den Verstorbenen existenzielle Bedeutung. Ba, Ka und Ach setze ich, Wolfgang Ritter, gleich mit Ätherleib, Astralleib und Ich oder anders ausgedrückt mit geistig physischem Leib + Ätherleib, Seele und Geist. Diese verließen den materiell physischen Leib im Todesaugenblick nur vorübergehend und wollten jederzeit zu ihm zurückkehren können. Der Leichnam wurde für die Wesensglieder, die ihn im Todesaugenblick verlassen hatten, Gegenstand kontemplativer Betrachtung, denn gemeinsam hatte man die Erdenerfahrungen gemacht und irdische Gewohnheiten angenommen, die das Ich/ den Geist ja nach dem Tode noch einige Zeit beschäftigen. Der abgelegte Leib blieb Eigentum des Verstorbenen und bot ihm jetzt einen Fixpunkt, um sich in den übersinnlichen Welten orientieren zu können. Er verschaffte ihm die Illusion von Stabilität und Sicherheit (vgl. Kolpaktchy, a. a. O., S. 49). Darum kam es darauf an, ihn so lange wie möglich zu erhalten.

Obwohl man in der Frühzeit noch nicht die Technik der Mumifizierung der Leichname kannte, versuchte man, die Erscheinung des Lebenden zu bewahren, indem man ihn dick in Leinwand einwickelte. Schon aus den Gräbern der zweiten Dynastie haben wir klare Belege für die ersten Schritte zur Mumifizierung, wie wir sie aus späterer Zeit kennen: Die in einen Klebstoff getauchte Leinwand wurde so um Kopf, Oberkörper und Glieder modelliert, dass deren Umrisse ihre Form behielten, auch wenn der Leib darunter schon längst zerfallen war (vgl. Emery, a. a. O., S. 171).

Durch die Kunst der Mumifizierung in späterer Zeit sind Jahrtausende alte Körper bis auf den heutigen Tag sehr gut erhalten. Selbst seine verderblichsten Teile, die Eingeweide, wurden eingewickelt und in Kanopen (Krügen) bestattet. Die Mumifizierungsprozedur dauerte 30 Tage – bei Vornehmen und dem Pharao 70 Tage (vgl. Manfred Clauss, Ramses der Große, (Darmstadt 2010), S. 38 f). In der Zeit der 18. bis 21. Dynastie erreichte die Mumifizierung ihren Höhepunkt. Der Grieche Herodot (* 490/480 v. Chr., † um 424 v. Chr.) beschreibt nachfolgend die „teuerste“ Methode der Mumifizierung:

„[...]das ist ihre beste Methode der Einbalsamierung. Zunächst ziehen sie mittels eines Eisenhakens das Gehirn durch die Nase heraus. Wenn sie alles herausbekommen haben, was möglich war, waschen sie den Rest mit einer Infusion aus. Dann machen sie mit einem scharfen Obsidianmesser einen Schnitt auf der Seite. Hierdurch holen sie die Eingeweide heraus. Die Bauchhöle wird mit Palmwein gereinigt und dann mit Gewürzpulver gespült, aber nicht mit Weihrauch, und zugenäht.  Danach überhäufen sie die Leiche mit Natron für 70 Tage, aber nicht länger, und dann ist die Mumie fertig. Nach 70 Tagen waschen sie den Leichnam und wickeln ihn in feine Bandagen und tragen darüber Harz auf.[...] Schließlich geben sie den Körper der Familie zurück, die ihn in einen Sarg legt, bevor sie ihn, aufrecht an die Mauer angelehnt, im Grab einsperrt."

Vierhundert Jahre später beschreibt Diodorus Siculus, der im 1. Jahrhundert v. Chr. lebte, was geschah, nachdem die Bauchhöhle geöffnet worden war:

„[...] einer von ihnen steckt seine Hand in die Brust der Leiche und nimmt außer Herz und Nieren alles heraus. Ein anderer wäscht jedes Organ mit Palmwein und Weihrauch. Schließlich, nachdem sie den ganzen Körper gewaschen haben, behandeln sie ihn 30 Tage lang sorgfältig mit Zedernöl und anderen Dingen, und dann mit Myrrhe, Zimt und Gewürzen [...]. Dann geben sie die Leiche der Familie zurück und jedes Glied ist so perfekt erhalten, dass sogar die Wimpern  und die Augenbrauen noch vorhanden sind. Das ganze Aussehen des Körpers ist unverändert und die Gesichtszüge sind erkennbar.“ Er beschreibt auch eine weniger kostspielige und weniger arbeitsintensive Methode: „Die Einbalsamierer füllen ihre Spritzen mit Zedernöl auf, und spritzen sie dann in den Unterleib. Sie schneiden den Rumpf nicht auf und nehmen die Organe nicht heraus, sondern spritzen das Öl durch den Anus, der dann zugestopft wird. Dann mumifizieren sie den Leichnam so lange, wie es vorgeschrieben ist, und lassen dann das Öl wieder heraus fließen. Dabei werden die Organe in flüssiger form herausgespült.“

Quelle: Originaltexte aus Tyldesley 1999 angeführt bei: www.meritneith.de/urspruenge_der_mumifizierung

Nach der Mumifizierung wurde der Leichnam in einen Sarg gelegt und in einer feierlichen Prozession zum Grab gebracht. Eine Fahrt von Memphis nilaufwärts nach Theben dauerte für Sethos I. (Neues Reich, 19. Dynastie/ 1290 – 1279 v. Chr.), den Vater Ramses’ II., z. B. zwei Wochen. Nach verschiedenen Zeremonien an der Mumie im Totentempel, der direkt am Nil lag, wurde der Sarg auf einem Schlitten zum Grab gezogen. Mitgeführt wurden alle Gegenstände, die dem Verstorbenen im Jenseits zur Verfügung stehen sollten. Für Sethos führt Manfred Clauss (a. a. O., S. 40) z. B. folgendes auf: beschriftete Krüge mit einer Fülle von Lebensmitteln und Getränken, Truhen mit Stoffen, Perücken, Sandalen, Uschebti, Götterfiguren, Statuen des Königs, zahlreiche Möbel, erlesene Gefäße, Schmuck, Schatullen, Blumensträuße, den Streitwagen des Königs und Handschuhe, die er als Wagenlenker trug. Priester, die verstorbene Könige darstellten, brachten den Sarg ins Grab, öffneten ihn hier, um die Mumie zu entnehmen und an ihr das Ritual der Mundöffnung vorzunehmen, die dem Toten das ewige Leben sichern sollte. Mit einer Umarmung der Mumie verabschiedeten sich dann die Angehörigen vom Verstorbenen. Die Mumie wurde in den Holzsarg zurückgelegt, der dann in den Steinsarkophag versenkt wurde. Anschließend wurden die Korridore des Grabes mit schweren Steinplatten versiegelt. Im Gegensatz zu anderen Menschen, die aus der Welt der Lebenden in das Totenreich hinüberfahren, steigt der König, der als Mensch bereits göttlich ist, in den Himmel auf. „Menschen gehen dahin, Könige fliegen empor.“ (Clauss, a. a. O., S. 41).

Das Alte Reich ist die Epoche, in der die Glaubens- und Jenseitskonzepte ausgestaltet und vollendet wurden. Einen Höhepunkt in der Grabarchitektur bildet die Pyramidenanlage des Sahure (5. Dynastie, 2428 – 2416 v. Chr.) Sie stellt den absoluten Höhepunkt in der Tradition des Pyramidenbaus dar und die künstlerische Ausschmückung mit 10.000 m² farbigen Reliefs belegt mit Schönheit und Bilderreichtum unangefochten den ersten Platz (vgl. Zahi Hawass, Grabungen und Funde in Abusir, in: Sahure – Tod und Leben eines großen Pharao, a. a. O., S. 19).

Mit dem Schiff erreichten die Trauernden mit dem Toten den Taltempel an der Westseite des Nil. Hier wurden drei Rituale an der Mumie und den aufgestellten Königsstatuen vollzogen: Reinigung, Einbalsamierung und „Mundöffnung“. Dies geschah, damit der Verstorbene das Leben fortsetzen konnte und alle Glieder des Königs vergöttlicht wurden. Danach schritt der Trauerzug durch einen teilweise gedeckten 235 m langen Aufweg hinauf zum Pyramidentempel. In seinem offenen Säulenhof, in dem möglicherweise das Totenmal eingenommen wurde (Vermutung des Verfassers), mussten sich dann die Familienangehörigen endgültig vom Verstorbenen verabschieden, denn zu den weiteren Räumlichkeiten (Fünfnischenkammer, Opferkammer mit der Scheintür, Magazine) und zum Grab in der Pyramide hatten nur hohe Eingeweihte Zugang (I. E. S. Edwards, Die ägyptischen Pyramiden, Wiesbaden o. J., S. 93 ff).


II. Das moderne Ägypten

Das moderne Ägypten wurde in den letzten 30 Jahren von einem Präsidenten in „pharaonischer Art“ geführt. Jetzt steht er vor Gericht für Angriffe auf sein Volk, das verbesserte Lebensbedingungen in Kundgebungen forderte und ihn entmachtete. Gibt es heute in Ägypten Ansätze für eine menschenwürdige Gestaltung des sozialen Organismus?

Dr. Ibrahim Abouleish, ein Ägypter, der in Deutschland studiert, gearbeitet und die Anthroposophie sowie die biologisch-dynamische Landbaumethode kennen gelernt hatte, ging vor über drei Jahrzehnten in sein Land zurück, um dort die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus Rudolf Steiners zu verwirklichen und die biologisch-dynamische Landbaumethode einzuführen. Die SEKEM-Erfolge sind einzigartig in der Welt.

Ibrahim Abouleish knüpft an die alte ägyptische Tradition an. Seine Unternehmensgruppe nennt er SEKEM; Sitz ist Heliopolis. Sekhem und Heliopolis finden wir schon im Totenbuch (Barth, O. W. (Hrsg.), Das ägyptische Totenbuch, a. a. O., S. 60):

Seht ich ziehe die Riegel der Pforte, welche den Zugang erschließt zu den Rätseln der Welten des Jenseits! Zur Zeit, wo Horus in Sekhem den Feinden den linken Arm des Osiris entreißt, bleib ich an Seiten des Horus. Ohne Schaden dringe ich ein und wandle inmitten der flammenden Götter am Tag der Dämonenvernichtung in Sekhem. Ständig begleite ich Horus zur Zeit der Feste Osiris’. Am sechsten Tag der Denit-Feste im Tempel Heliopolis’ bring ich die Opfergaben.

Abouleish folgt als Mensch und Unternehmer den ethischen Werten der altägyptischen Gesellschaft (siehe Seite 4 in diesem Skript), durch die der Mensch nach dem Tode vor den Göttern bestehen konnte. Er ist damit ein geachtetes Mitglied der modernen Gesellschaft (z. B. Right Livelihood Award 2003, Social Entrepreneur des Jahres 2006).


Abouleish - europäisierter Ägypter, anthroposophischer Moslem

Es folgt ein Kurzbericht an Hand von Stichpunkten zu den Ausführungen Dr. Ibrahim Abouleishs beim SEKEM-Tag 2011 am 14. Mai in Stuttgart:

Mohammeds Gebot, „wir leben, arbeiten und pflegen Beziehungen unter uns für Allah“ wurde nur 12 Jahre eingehalten. Danach regierten Mord und Macht; die Ideale haben eigentlich nie existiert. Wie lernt man? Durch Nachahmung, Erfahrung, Verständnis. Mamelukken und Osmanen beherrschten und unterdrückten das ägyptische Volk; Dialog und Bildung kam erst durch die Europäer nach Ägypten. Mit der Revolution von 1952 (Hinauswurf der Europäer) wollte man Freiheit, Gerechtigkeit und Würde installieren. Es funktionierte nicht. Mit der Revolution in diesem Jahr zündeten junge Leute ein Licht der Hoffnung an, aber die Flamme zog zu viele Motten an. Die Armen verwechselten Licht mit Finsternis.

Die Mitarbeiter der SEKEM-Betriebe schützten während des Aufruhrs ihre Betriebe; sie hatten wahres Licht erlebt. 1000 Unternehmer haben ihre Betriebe geschlossen und sind mit ihrem Kapital ins Ausland geflohen. Alle SEKEM-Betriebe arbeiten weiter - auch mit 30% Umsatzeinbuße. Wir machen keinen Gewinn mehr, aus dem die zahlreichen sozialen und kulturellen Projekte weiter gefördert werden könnten. Eine Expansion ist zurzeit nicht möglich. Auf die negativen Ergebnisse und Nachrichten reagiert SEKEM mit einer Erhöhung des Kunstbudgets: kulturelle Veranstaltungen heben die Stimmung.

Die Baugenehmigung für die schon lange geplante Universitätsgründung in Heliopolis wurde nicht erteilt. Dafür wurde ein Grundstück im Sinai und später eines südlich von Ismailia am Westufer des Suez-Kanals angeboten. Beide waren ungeeignet. Seit der Revolution ruhen alle Planungen.

Helmy Abouleish, jetzt 50 Jahre alt, sitzt wegen angeblicher Konspiration mit dem bisherigen Regime in Untersuchungshaft. Er nutzt die Zeit, um seine Biographie zu schreiben. Außerdem hat er in der Haftanstalt einen Kulturzirkel initiiert, in dem die Bibel und der Koran gelesen und Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit für die Zukunft des Landes diskutiert werden. Er wird die Haftanstalt voraussichtlich am 4. Juni 2011 verlassen können, denn alle Anklagepunkte gegen ihn wurden widerlegt.

20 Journalisten kamen nach SEKEM und erlebten, was sie suchten. Kann unser Land auf diese Weise gerettet werden? Was macht SEKEM zum Hoffnungsträger?

Die wichtigsten gesellschaftlichen Gebiete/ Inhalte sind:

1. Naturwissenschaft/ Technik

2. Ökonomie/ Politik

3. Spiritualität/ Kultur

4. Ethik/ Gesellschaft

Die ersten beiden sind stark entwickelt, die anderen beiden wurden vernachlässigt. SEKEM arbeitet an der Aufwertung der beiden letzteren (Ende des Kurzberichts).

Vor 33 Jahren konnte Dr. Abouleish seine Landsleute begeistern, mit ihm die Wüste fruchtbar zu machen. Heute arbeiten 850 Farmer in Ägypten biologisch-dynamisch. In SEKEM-Betrieben werden die landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu Nahrungs- und Heilmitteln, Kleidung und Puppen verarbeitet. Die Gewinne der Wirtschaftsbetriebe werden zur Finanzierung von kulturellen und sozialen Einrichtungen auf dem SEKEM-Gelände verwendet, kommen aber auch den umliegenden Dörfern zugute (13-Dörfer-Projekt). Das für die Zukunft notwendige Prinzip der Integration von Spiritualität und Ethik in das wirtschaftliche Handeln wurde gelernt. Alles geschieht nachhaltig. Die geplante SEKEM-Universität will Menschen hervorbringen, die Multiplikatoren des Integrationsgedanken und der Nachhaltigkeit sein können. Als Zwischenschritt arbeitet man an einem Haus des Friedens (Dar-Es-Salam), das zum Gedankenaustausch einlädt.

Im Internet-Lexikon findet man bei www.wikipedia.org/ Ibrahim Abouleish folgende Ausführungen: Abouleish studierte ab 1956 Technische Chemie in Graz. 1960 heiratete er eine Grazerin, mit der er zwei Kinder hat. Abouleish promovierte 1969 in technischer Chemie und arbeitete anschließend in führender Position in der industriellen Arzneimittelforschung. Während eines Ägypten-Besuchs 1977 bedrückten ihn die Probleme des Landes (Bildungsnotstand, Überbevölkerung, Umweltverschmutzung). Er kehrte noch im selben Jahr in seine Heimat zurück und gründete die Entwicklungsintiative SEKEM auf 70 Hektar Wüste etwa 47 Kilometer nordöstlich von Kairo.

SEKEM (altägyptische Hieroglyphe: „sonnenhafte Lebenskraft“) ist heute Marktführer in der biologischen Landwirtschaft und bei pflanzlichen Heilmitteln. Das Unternehmen forciert den landesweiten Einsatz biologisch-dynamischer Anbaumethoden mit einer umweltverträglichen Schädlingsbekämpfung, insbesondere beim Baumwollanbau. Es betreibt Schulen, Arbeits- und Erziehungsprogramme, ein medizinisches Zentrum und eine Akademie für angewandte Kunst und Wissenschaften.

1984 gründete Abouleish die „Gesellschaft zur Förderung der kulturellen Entwicklung in Ägypten“ (SCD), heute SEKEM Stiftung für Entwicklung (SDF). Die SDF ist eine gemeinnützige Stiftung und Durchführungsorganisation aller gemeinnützigen Projekte der Initiative. SEKEM beschäftigt heute knapp 2000 Menschen. Rund 250 Kleinbauern beliefern SEKEM mit biologisch angebauten Produkten. Ein Großteil der Produkte ist nach Demeter-Richtlinien angebaut.

2003 erhielt Ibrahim Abouleish für die Entwicklung eines Geschäftsmodells für das 21. Jahrhundert, in dem wirtschaftlicher Erfolg in die soziale und kulturelle Entwicklung der Gesellschaft integriert ist und dies durch die „Wirtschaft der Liebe“ fördert, den Right Livelihood Award. Seit Mai 2007 ist Abouleish zudem Ratsmitglied im World Future Council im Fachbereich "Future Finance", nachdem ihn der Gründer des Right Livelihood Award und Initiator der World Future Council Initiative, Jakob von Uexküll, fragte, ob dieser dem Council neben 49 anderen Persönlichkeiten beitreten wolle.

„Insbesondere faszinierte mich die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die aus der Anthroposophie entwickelt worden war und mit der man in Europa schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgreich arbeitete. Durch sie, so war ich sicher, würde die landwirtschaftliche Situation in Ägypten entscheidend verbessert werden können.“ (zitiert aus Ibrahim Abouleishs Buch: Die Sekem Vision - Eine Begegnung von Orient und Okzident verändert Ägypten, 2. Auflage Stuttgart und Berlin 2004)


Helmy Abouleishs Verhaftung und Verurteilung

Mitte Juli kam die Nachricht, dass Ibrahim Abouleishs Sohn Helmy am 6. Juli 2011 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde und am gleichen Tag seine Arbeit für SEKEM wieder aufgenommen habe. Er war am 29. März 2011 in Untersuchungshaft genommen worden, weil man Fehlverhalten während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und Aufsichtsratmitglied des Industrial Modernization Centre (IMC) zu erkennen glaubte. Man warf ihm u. a. vor, SEKEM hätte während seiner Amtszeit beim IMC nicht von Förderleistungen des IMC profitieren dürfen. Eine durch den Staatsanwalt beauftragte Prüfungskommission war schon im Februar zu der Erkenntnis gekommen, dass die Vorwürfe haltlos seien. Dennoch wurde die Untersuchungshaft Ende März verfügt und dennoch verurteilte ihn der Richter am 5. Juli 2011 zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung, zur Rückzahlung der Fördergelder und zu einer Strafzahlung. Helmy Abouleish will gegen das Urteil und die Bemessung der Strafzahlung Berufung einlegen (SEKEM Insight Nr.107/ Juli 2011).


SEKEM – Modell für die Zukunft

Ibrahim Abouleish, sein Sohn Helmy und die Mitarbeiter und Partner von SEKEM haben mit ihrer Tätigkeit funktionierende Modelle sowohl für die Dreigliederung des sozialen Organismus als auch für tri-sektorale Zusammenarbeit geschaffen, die zu einer nachhaltigen Entwicklung Ägyptens und anderer (Entwicklungs-)Länder führen können.

Wie seine altägyptischen Vorfahren, weiß Ibrahim Abouleish als Moslem und Anthroposoph, was ihn im Jenseits erwartet. Aber im Gegensatz zu ihnen erstrebt er nicht nur für sich das Paradies im Jenseits, sondern er will einen „Abglanz des Paradiesgartens“ für seine Mitmenschen bereits im Diesseits schaffen. Er weiß: „Wir können unser Schicksal selber in die Hand nehmen.“ (Ibrahim Abouleish, In: Geseko von Lüpke und Frauke Liesenborghs, Das Wunder der Wüste – Vier europäische Vereine engagieren sich für eine ägyptische Initiative, o. O. o. J., S. 4) Ich füge hinzu: Mit Wirkung auf das Leben im Diesseits und auf das Leben nach dem Tod.

Im Gegensatz zu den alten Ägyptern, bei denen nur der Pharao schon zu Lebzeiten ein Gott war, die Untertanen aber nach dem Tode auch die Vereinigung mit den Göttern erlangen konnten, ist es heute, nach dem Mysterium von Golgatha, für jedermann möglich, schon während des Lebens eins zu werden mit dem Sohnesgott. Der Christus bietet jedem Menschen an, Anteil zu haben an seinem heilenden Auferstehungsleib. Wenn man dieses Angebot annimmt und sich mit dem Auferstehungsleib bekleidet, tritt eine Veränderung im Menschen ein, die ihn anders handeln lässt, als er es bisher gewohnt war. An Ibrahim Abouleish kann man das ablesen. Er ist Sozialunternehmer (internationaler Fachbegriff: Social Entrepreneur) und praktiziert eine „Wirtschaft der Liebe“ (siehe Terminus bei Wikipedia auf Seite 9 in diesem Skript).


Literatur

1. Barth, O. W. (Hrsg.), Das ägyptische Totenbuch, übersetzt und kommentiert von Gregoire Kolpaktchy, Frankfurt 1954/ 2006

2. Baud, Michel, Unter der Herrschaft der Sonne, In: Sahure – Tod und Leben eines großen Pharao, hrsg. von Vinzenz Brinkmann, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 24. Juni bis 28. November 2010, Liebieghaus Frankfurt/ Main

3. Clauss, Manfred, Ramses der Große, (Darmstadt 2010)

4. Edwards, I. E. S., Die ägyptischen Pyramiden, Wiesbaden o. J.

5. Emery, Walter, Ägypten – Geschichte und Kultur der Frühzeit, München 1964

6. Gander, Manuela, Ewiges Leben – Grabarchitektur, Infoblatt für Besucher der Staatlichen Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Berlin 2009

7. Hawass, Zahi, Grabungen und Funde in Abusir, In: Sahure – Tod und Leben eines großen Pharao, hrsg. von Vinzenz Brinkmann, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 24. Juni bis 28. November 2010, Liebieghaus Frankfurt/ Main

8. Kaiser, Maria Regina, Ramses II. und die Tauben des Friedens, Würzburg 2010

9. Kolpaktchy, Gregoire, In: Barth, O. W. (Hrsg.), Das ägyptische Totenbuch, Frankfurt 1954/ 2006

10. Lüpke, Geseko von und Liesenborghs, Frauke, Das Wunder der Wüste – Vier europäische Vereine engagieren sich für eine ägyptische Initiative, o. O. o. J.

11. Schlögl, Hermann, Das alte Ägypten, München 2006

12. SEKEM Insight Nr.107/ Juli 2011

13. Steiner, Rudolf, Anthroposophische Leitsätze, Dornach/ Schweiz 1982, GA 26

14. Strelocke, Hans, Ägypten - Geschichte, Kunst und Kultur im Niltal: Vom Reich der Pharaonen bis zur Gegenwart, 6. Auflage, Köln 1981

15. Vandenberg, Philipp, Ramses der Große, 2. Auflage, Bern und München (1980) ____________________________________________________________________________________________________

Initiativen, die aus der Anthroposophie erwachsen sind

Der anthroposophisch erweiterte Wissenschaftsbegriff hat viele Lebensgebiete befruchtet und zu neuen Impulsen geführt, z.B. in der Pädagogik (Waldorfpädagogik, Heilpädagogik), Landwirtschaft (biologisch-dynamische Landwirtschaft/ Demeter), Medizin (anthroposophische Kliniken und Arzneimittelfirmen), Kunst (organischer Baustil, Eurythmie, Sprachgestaltung) und im Wirtschafts- und Sozialbereich (alternative Banken, dreistufige Volksgesetzgebung).

Die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus von Rudolf Steiner

Zusammenfassung durch Wolfgang Ritter

In jedem Staat kann man mindestens drei Aktivitätsbereiche beobachten: Politik/ Recht, Kultur, Wirtschaft. Rudolf Steiner schlug zum Wohle der Volksgemeinschaft und als Prävention gegen Krieg und Rassismus die Dreigliederung des sozialen Organismus vor. Dreigliederung bedeutet die jeweilige Selbständigkeit der drei Bereiche.

1. Dem Staat obliegt Politik und Rechtsprechung; er soll nicht Kulturveranstalter sein und nicht wirtschaftlich tätig werden. 2. Wirtschaftsunternehmen versorgen die Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen; sie sollen nicht das kulturelle und das staatliche Leben bestimmen. 3. Das kulturelle Leben, frei von Zwängen durch Staat und Wirtschaftsunternehmen, wird wesentlich durch zivilgesellschaftliche Organisationen getragen.

Trotz Selbständigkeit der drei Glieder kann man von einem sozialen Organismus nur sprechen, wenn eine Zusammenarbeit erfolgt, denn jedes Glied ist auf die beiden anderen angewiesen.

Aus dem Kulturleben erwachsen dem Staat und der Wirtschaft innovative Ideen und gebildetes Personal. Die Wirtschaftsunternehmen finanzieren aus ihren Überschüssen Kultur und Staatsverwaltung. Wirtschaftsleben und Kultur brauchen Gesetzgebung, politische Repräsentation und Rechtsprechung, damit ein Makroorganismus, wie ihn eine Volkswirtschaft, eine Nation oder ein Staatenbund darstellt, funktioniert.

Dreigliederung findet man aber auch in jedem Mikroorganismus. Jedes Unternehmen, jedes Theater, jede Schule hat ein Rechts-, Wirtschafts- und Kulturleben.

Rudolf Steiners herausragende Leistung war es nun, die Ideale der französischen Revolution, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, diesen gesellschaftlichen Bereichen richtig zuzuordnen:

Gleichheit im politischen Leben/ im Rechtsleben Männer und Frauen können gleichberechtigt wählen und gewählt werden und jede abgegebene Stimme hat gleiches Gewicht. (Auch eine Volksgesetzgebung neben der parlamentarischen Gesetzgebung in drei Stufen - Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid - lässt sich aus dieser Forderung ableiten.) Vor dem Gesetz und vor dem Richter sind alle Menschen gleich.

Freiheit im Kulturleben Forschung und Lehre, Kunst- und Religionsausübung müssen frei sein, das heißt Staat und Wirtschaft dürfen nicht die Inhalte, Methoden und Ergebnisse vorschreiben.

Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben Die am Wirtschaftsprozess Beteiligten, das sind die Erzeuger, Händler und Verbraucher, sollten assoziativ zusammenarbeiten, damit jede der drei Gruppen die Situation, Wünsche und Möglichkeiten der jeweils anderen Gruppen erfährt. Die Triebfeder für wirtschaftliches Handeln, wie sie die klassische Volkswirtschaftslehre beschreibt, ist die Gewinnaussicht. Zu ihr stellt Rudolf Steiner die soziale Verantwortung. Sie ist notwendig, um dem Teufelskreis der sich zyklisch wiederholenden wirtschaftlichen Krisen, Finanzkrisen und Zusammenbrüche von Unternehmen und Volkswirtschaften zu entkommen.


Wesentliche Elemente der biologisch-dynamischen Landbaumethode

zusammengestellt von Wolfgang Ritter

Auf Einladung von Johanna Gräfin und Karl Graf von Keyserlingk hielt Rudolf Steiner zu Pfingsten 1924 acht Vorträge mit anschließender Aussprache auf dem Gut Koberwitz bei Breslau. Die etwa 100 Teilnehmer wollten die „geisteswissenschaftlichen Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“ kennenlernen. Das, was Rudolf Steiner ihnen vortrug, legte den Grund zur heutigen Bio-Bewegung. Einzelne Persönlichkeiten, Forschungsgemeinschaften und viele Höfe forschten und experimentierten nach dem Landwirtschaftlichen Kurs in Koberwitz selbständig. (Rudolf Steiner konnte man nicht mehr fragen, denn er starb schon ein Jahr danach.) Auf diese Weise entwickelte sich seit 1924 parallel zum Ausbau der Landwirtschaft zur Agro-Industrie mit Einsatz von Kunstdüngern, Pestiziden und genverändertem Saatgut zunächst die biologisch-dynamische Landbaumethode und später, als die ersten Erfolge sichtbar wurden, die Öko-Bewegung. Mehrere Anbauverbände entstanden mit jeweils leicht unterschiedlichen Richtlinien. Alle Bio-Verbände und Bio-Betriebe lehnen den Einsatz chemischer Dünger und Pestizide ab.

Im biologisch-dynamischen Landbau wird der landwirtschaftliche Betrieb als Organismus verstanden, der weitgehend aus sich selbst heraus leben und wirtschaften kann, so dass wenige Roh- und Hilfsstoffe von außen beschafft werden müssen. Pflanzenabfälle und Tiermist, gerne von Wiederkäuern, werden zu Kompost verarbeitet und dienen als Dünger. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Aufbau eines gesunden Bodens gewidmet. Der Vorgang der Humusbildung im Boden wird durch das Präparat 500 (Hornmist) unterstützt. Wenn eine Spritzbrühe aus dem Präparat 500 mehrfach zur Pflanz- bzw. Aussaatzeit ausgebracht wird, fördert das die Humusbildung. Für manche Kulturen sind keine anderen Düngergaben notwendig. Auch in Betrieben, in denen nicht auf Dung zurück gegriffen werden kann oder eine Kompostbildung unmöglich ist, gelingt auf diese Weise der Humusaufbau im Boden. Die Fruchtbildung wird durch das mehrfache Ausbringen einer Spritzbrühe mit dem Präparat 501 (Hornkiesel) auf die Kulturen vor der Ernte gefördert. Die Präparate 502 bis 507 (Brennessel, Löwenzahn, Schafgarbe, Kamille, Baldrian, Eichenrinde) sind weitere Präparate, die für ein gesundes Pflanzenwachstum eingesetzt werden. Durch Jahrzehntelanges Forschen und Experimentieren hat man herausgefunden, wie man die kosmischen Rhythmen ertragfördernd im Land- und Gartenbau beachten kann. Ein großes Verdienst in der praktischen Erprobung und Publikation der Ergebnisse kommt der Familie Thun zu; seit 50 Jahren wird die Broschüre „Maria Thun Aussaattage“ herausgegeben. Man beachtet für Aussaat/ Pflanzung und Ernte nicht die Mondphasen (die auf der Erde sichtbare Belichtung des Mondes durch die Sonne), wie oft fälschlich berichtet wird, sondern den durch die Tierkreiszeichen aufsteigenden und absteigenden Mond innerhalb seines Zyklus' von 28 Tagen. Von seiner tiefsten Stellung im Sternbild des Schützen steigt er auf zu seinem Höchststand in den Zwillingen. Damit verbunden ist ein stärkerer Saftanstieg in den Pflanzen: gut für die Ernte; Lagerobst bleibt zum Beispiel länger frisch und saftig. Anschließend werden die Halbkreise des Mondes am Südhimmel täglich kleiner, bis er wieder seine tiefste Stellung im Schützen erreicht hat. Saatgut/ Wurzeln von Jungpflanzen verbinden sich während des absteigenden Mondes besser mit der Erde. Die Sternbilder ordnet man seit alters her den vier Elementen Erde (Steinbock, Stier, Jungfrau), Wasser (Fische, Krebs, Skorpion), Luft (Wassermann, Zwillinge, Waage), Feuer (Widder, Löwe, Schütze) zu. Die Forschung zeigt, dass die Erträge gesteigert werden können, wenn man bei Aussaat und Pflegemaßnahmen auf die Stellung des Mondes vor einem entsprechenden Sternbild achtet. Beispiel: Wurzelgemüse (Sellerie, Möhren Rote Beete) werden dann ausgebracht, gepflegt und geerntet, wenn der Mond vor einem Erdzeichen, Blattgemüse (Salat, Spinat, Kresse), wenn er vor einem Wasserzeichen steht. Will man die Blüten oder die Früchte ernten, achtet man auf Tage an denen der Mond vor Luft- bzw. Feuerzeichen steht.


Grundlagen der Waldorfpädagogik

zusammengestellt von Hans-Albrecht Zahn, Nürnberg, Waldorf-Lehrer i. R.

Die Waldorfpädagogik fußt auf der Menschenkunde Rudolf Steiners, in der die geistig seelische Entwicklung des Menschen beschrieben wird. Der Schwerpunkt der Waldorfpädagogik liegt in erster Linie darin, den jungen Menschen in seinem Selbst-Werdungs-Prozess biographisch anzuregen und weniger darum, nur äußere Funktionen des Wissens und Verhaltens auszubilden. Steiner formuliert dies in einer Ansprache an Erzieher so: „Daher wird es sich für Sie nicht handeln um die Überlieferung eines Wissensstoffes als solchen, sondern um die Handhabung dieses Wissensstoffes zur Entwicklung der menschlichen Fähigkeiten.“ (R. Steiner Erziehungskunst, Methodisch- Didaktisches, Dornach 1975, S. 7). Es geht also primär um die Erziehung und Selbsterziehung und sekundär um einen Wissens- und Verhaltenskanon, den man trainieren muss. Das Studium der Bewusstseinsentwicklung in den unterschiedlichen Lebensphasen ist dabei von großer Bedeutung. In den ersten sieben Lebensjahren steht die leibliche Entwicklung im Vordergrund. Das Kind lernt seinen Leib zu ergreifen, lernt gehen, sprechen und gedankliche Vorstellungen zu bilden. Die grundlegende Lernmethode des ersten Jahrsiebtes ist die Nachahmung. Dabei werden nicht nur äußere Verhaltensweisen, sondern Emotionen und Haltungen nachgeahmt. Die Aufgabe des Erziehers ist ein nachahmenswertes Vorbild für das kleine Kind. Die Erziehung läuft weniger durch Worte und Erklärungen als vielmehr durch konkrete Handlungen und Taten des Pädagogen. Im zweiten Jahrsiebt steht die Entwicklung des Gefühls und Gemüts im Vordergrund. Das Kind sollte in erster Linie künstlerisch angesprochen werden. Dies geschieht über phantasiehafte Sprachbilder, wie sinnige Geschichten, Märchen, Legenden, Mythen und Sagen. Man lernt künstlerisch, indem man die behandelten Inhalte malt, singt, tanzt, spielt oder plastiziert. Das Kind lernt in diesem Alter weniger „sachlich-dinghaft“, sondern über einen Menschen, der ihm Vorbild ist und dem es nachfolgen will. Das Bild eines Hirten, der seiner Herde vorausgeht, ist ein Bildsymbol für die Beziehung zwischen Erzieher und Kind. Erst im dritten Jahrsiebt tritt das eigene denkerische Urteilen in den Vordergrund. Der Jugendliche möchte nun nicht mehr von den Erwachsenen vorgesagt bekommen, was richtig und was falsch ist und was er zu tun und zu lassen hat. Er möchte sich sein eigenes Urteil mit Hilfe seiner intellektuellen Kräfte bilden. Er möchte in selbstständiger Weise unter einem Fachmann lernen. Deshalb wird das Klassenlehrerprinzip des zweiten Jahrsiebtes von dem Fachlehrerprinzip im dritten Jahrsiebtes abgelöst. Ein symbolhaftes Bild für die Sozialstruktur in diesem Lebensalter ist das einer Schiffsmannschaft mit ihrem Kapitän, die durch stürmische See ihren Weg sucht. Die Aufgabe der Lehrer in der Waldorfpädagogik ist es, die Unterrichtsinhalte nicht nur äußerlich funktional, sondern innerlich wesenhaft zu erfassen und zu unterrichten. Im Erstklassunterricht würde eine rein funktionale Betrachtung des Lautes „A“ sich darin erschöpfen ein Phonem „A“ zu beschreiben, das einem Graphem „A“ zugeordnet ist und in einem Lautgefüge einen Bedeutungszusammenhang beschreibt. Ein Waldorflehrer darf nicht nur fragen, wie funktioniert ein „A“, sondern er muss fragen: „Was bist du, Laut „A“, für ein Wesen? Welche Qualitäten hast du?“ Er wird dann versuchen den Laut „A“ gleichsam innerlich zu „meditieren“ und vielleicht als Qualität dieses Lautes eine gewisse Andacht, Verehrung, Offenheit, oder Ähnliches finden. In ähnlicher Weise wird die Zahl „Eins“, die er mit den Kindern im Unterricht behandelt, auch eine Qualität haben, die mit dem Einmaligen und Einzigartigen zu tun hat. Das betrifft alle Unterrichtsinhalte. Man sucht neben dem funktionalen Aspekt, auch einen wesenhaften Aspekt der Unterrichtsinhalte zu erfassen und zu behandeln. Neben den Unterrichtsinhalten hat der Pädagoge auch die Aufgabe konstitutionelle Einseitigkeiten auszugleichen. Wenn ein Schüler dauernd tendenziell Wutanfälle bekommt, ist es sinnvoll dem Schüler Möglichkeiten an die Hand zu geben wie er sich selbst besser in den Griff bekommen kann. Eine wichtige Rolle spielt dabei in der Menschenkunde die Konstitutions- und Temperamentslehre. Ein Lehrer kann beispielsweise dafür sorgen, das zwei tendenziell cholerische Kinder eine längere Zeit zusammensitzen. Er kann dadurch bewirken, dass die beiden Choleriker ihre eigenen Seelenstrukturen am anderen erleben können und mit der Zeit von sich aus den Drang entwickeln, bestimmte grenzüberschreitende Verhaltensweisen zurückzunehmen, weil sie sie als unangenehm erleben. Die Waldorfpädagogik möchte nicht nur das Denken, sondern auch das Fühlen und Wollen erzieherisch entwickeln. Deshalb gibt es einen umfassenden Fächerkanon, der nicht nur die üblichen Wissensfächer umfasst. Die Fülle aller künstlerischen Fächer wird gelehrt und geübt, um das Empfinden und Gefühl der Kinder zu schulen. Dazu gehört das Malen, Zeichnen, Plastizieren, Gesang, Instrumentalkunst, Eurythmie, Sprachkunst und Theaterspiel. Diese Dinge werden nicht nur in Fachunterrichten, sondern auch in Projekten (Theaterprojekte in den achten und 12-ten Klassen und Theaterprojekten in den Fremdsprachen) durchgeführt. Zur Schulung des Willens gibt es eine Fülle von Fächern, wie Handwerk, Handarbeit, Gartenbau, Töpfern, Schnitzen, Kupfertreiben, Spinnen, Weben, Nähen, Buchbinden, Feldmessen, usw. die teilweise als Unterrichtsfächer oder als Projekte durchgeführt werden. Die Waldorfpädagogik hat im Laufe ihrer Geschichte eine Reihe von pädagogischen Strukturen, Methoden und Techniken entwickelt, wie z.B. das Klassenlehrerprinzip, bildhaft-künstlerische Unterrichtsmethodik, Wortzeugnisse, Epochen-Unterricht, Betonung der künstlerischen Fächer usw. Die Methoden und pädagogischen Techniken sind aber nicht das Primäre. Sie sind nur Hilfsmittel um innere Fähigkeiten anzuregen. Es kommt weniger auf die Technik als auf den menschlichen Prozess an, der mit Hilfe solcher Methoden angeregt werden kann. Waldorfpädagogik versteht sich weniger als eine pädagogische Lehre oder Methode, an die man glauben oder nicht glauben kann, als eine Anregung zur Entwicklung der menschlichen Kreativität. Sie will ein Lebensimpuls und kein abstraktes Lehrgebäude sein.


Anthroposophische Medizin

zusammengestellt von Wolfgang Ritter unter Zuhilfenahme folgender Quellen: http://www.wikipedia.org/ Anthroposophische Medizin; http://www.gaed.de/ Was-ist-Anthroposophische-Medizin; Dr. Jan Vagedes und Georg Soldner: Das Kinder Gesundheitsbuch, o.O., o.J.

Rudolf Steiner hat zahlreiche Vorträge für Ärzte und Medizinstudenten (Bände 312–319 der Gesamtausgabe) gehalten und mit der Ärztin Ita Wegman 1925 das Buch „Grundlegendes zu einer Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen“ herausgegebenen. Die anthroposophisch erweiterte Medizin stützt sich zur Erforschung der physischen, seelischen und geistigen Phänomene sowohl auf die Prinzipien der Naturwissenschaft als auch auf die anthroposophische Geisteswissenschaft, wie sie von Rudolf Steiner begründet worden ist. Auf diese Weise ergibt sich eine Erweiterung der ärztlichen Kunst, die das Verhältnis von Leib, Seele und Geist des Menschen in seiner Beziehung zu den Substanzen und Kräften in der Natur und im Kosmos – jeweils in seiner individuellen Schicksalssituation – diagnostisch verstehen und therapeutisch zu behandeln sucht.

Für Diagnose und Therapie berücksichtigt der anthroposophische Arzt alle vier Wesensglieder des Menschen. Man nennt das die „ganzheitliche Sichtweise“. Die vier Wesensglieder sind:

1. Der physische Leib, der den Gesetzen der Physik gehorcht und von der konventionellen Wissenschaft erforscht werden kann

2. Der ätherische Leib oder Lebensleib, den alle Lebewesen haben, und der den Gesetzmäßigkeiten folgt, die dem Lebendigen („Ätherischen“) eigen ist

3. Der astralische Leib oder Empfindungsleib, der nur bei beseelten Organismen, also bei Tieren, nicht aber bei Pflanzen vorhanden ist

4. Das Ich, die geistige Individualität, die den Menschen über das Tierreich erhebt

Man geht davon aus, dass jeder Mensch ein einmaliges Individuum ist mit seinem unsterblichen Ich in wiederholten Erdenleben immer wieder einen neuen Leib annimmt. Das Ich, der geistige Teil des Menschen und der Leib, sein physischer Teil bilden eine Polarität, die durch die Seele verbunden sind. Man nennt das „die Dreigliederung des Menschen“. Parallel zu diesen drei Wesensgliedern unterscheidet man am menschlichen Körper drei Bereiche:

1. Das Nerven-Sinnes-System im oberen Bereich, durch die wir zum Beispiel Licht und Klang aufnehmen.

2. Das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System im unteren Bereich, in dem Nahrungsstoffe aus der Außenwelt in Energie für die Glieder umgesetzt wird.

3. Das rhythmische System im mittleren Bereich, in dem sich Außenwelt (Atemluft) und Innenwelt (Blutflüssigkeit) begegnen.

Krankheit besteht im Sinne dieser Anschauung darin, dass die gesunde Wechselwirkung dieser Wesensglieder in irgendeiner Weise gestört ist. Sie ist sinn- und bildhaftes Geschehen im psychophysischen Kontext, das der Arzt nicht (nur) zu beseitigen hat, sondern dessen Entstehungsbedingungen er zusammen mit dem Patienten aufzufinden sucht, um gemeinsam mit ihm eine individuelle therapeutische Perspektive zu entwickeln. In der näheren Bestimmung dieser Störung im jeweiligen Einzelfall besteht im Wesentlichen die „anthroposophisch-menschenkundliche“ Diagnose, die man als eine Erweiterung oder Ergänzung der konventionellen Diagnose ansehen kann. Der Patient ist dann nicht nur Objekt medizinischer Maßnahmen, sondern wird mitverantwortliches, mitentscheidendes Subjekt in der Therapie.

Spezifisch anthroposophische Arzneimittel beruhen auf der Annahme, dass mineralische, pflanzliche und tierische Substanzen in jeweils spezifischer Weise die Wechselwirkung der menschlichen Wesensglieder beeinflussen können. Vielfach werden diese Substanzen in homöopathischer Form verabreicht. Daneben gibt es auch nicht-medikamentöse Therapieformen wie die Heil-Eurythmie, die rhythmische Massage und die Kunsttherapie.

In der Schweiz können Fachärzte nach einer mindestens zweijährigen Zusatzausbildung den von der Schweizerischen Ärztegesellschaft FMH vergebenen Fähigkeitsausweis „Arzt/ Ärztin für anthroposophisch erweiterte Medizin“ erlangen. Ärzte für anthroposophisch erweiterte Medizin gibt es in über 80 Ländern der Welt. __________________________________________________________________________________________________

Bio-Verbraucher e.V

Ziele und Aufgaben

Zusammenfassung durch Wolfgang Ritter, Vorstandsvorsitzender

Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben

Um den negativen Begleiterscheinungen der Marktwirtschaft entgegenzuwirken, empfiehlt Rudolf Steiner die Zusammenarbeit aller am Wirtschaftsprozess Beteiligten, also Erzeuger, Händler und Verbraucher, in Assoziationen. Die Assoziationen sollen Wahrnehmungsorgane sein. Die Vertreter der Konsumenten erfahren in ihnen die Arbeitsbedingungen, Nöte und Erfolge der Unternehmen, die Unternehmen die Wünsche und Möglichkeiten der Konsumenten. Aus dieser Wahrnehmung könnten sich Produktionsmengen, Qualitätsstandards und Verkaufspreise ergeben. Sie könnten sogar vor der Produktion verabredet werden. Den Marktprinzipien würde dadurch die so wichtige Komponente der Verlässlichkeit hinzugefügt.

Eine assoziative Zusammenarbeit macht nur Sinn, wenn sie nach Branchen und Regionen gegliedert erfolgt. In einer Branchen-Assoziation für Bio-Erzeugnisse zum Beispiel sollten Vertreter der Bio-Erzeuger, der Bio-Händler und der Bio-Verbraucher zusammenkommen. Die Bio-Erzeuger und Bio-Händler haben Verbände, aus denen sie Vertreter in eine Bio-Branchen-Assoziation entsenden könnten. Der Bio-Verbraucher e.V. ist bereit, die Bio-Verbraucher zu repräsentieren.

Die Arbeitsweise des Bio-Verbraucher e.V.

Persönlichkeiten des Bio-Verbraucher e.V. haben Hunderte Bio-Unternehmen – überwiegend in der Metropolregion Nürnberg - besucht, ihnen kund getan, dass sie ihre Arbeit schätzen und sie für eine Zusammenarbeit im Bio-Verbraucher e.V. gewonnen. Auch mit den Bio-Anbau-Verbänden und anderen Organisationen, die sich für die Bio-Nahrungsmittel-Erzeugung und eine gesunde Umwelt engagieren, wird regelmäßig zusammengearbeitet. In der Bio-Metropole Nürnberg wird seit vielen Jahren eine tri-sektorale Zusammenarbeit zur Förderung des Bio-Konsums gepflegt.

Gemeinnützig sind wir, weil wir Verbraucher beraten – auch Großverbraucher, wie Kindertagesstätten und Schulen. Das geschieht individuell durch unsere Ernährungsberater, regelmäßig am eigenen Info-Stand auf Bio-Märkten und Bio-Hoffesten, durch den vierteljährlich erscheinenden Info-Brief und unsere Internet-Seiten, wo u.a. auch Bio-Adressen nachgewiesen werden.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Vertretung der Interessen der Bio-Verbraucher gegenüber Politikern auf allen Ebenen. Wir setzen uns ein für ökologische Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung, regional erzeugte bzw. fair gehandelte Lebensmittel ohne gentechnisch veränderte Organismen.

Die Zusammenarbeit in Bio-Assoziationen im Blick

Der nächste Schritt, die Zusammenarbeit in Bio-Assoziation auf regionaler und nationaler Ebene, kann erfolgen, wenn der Bio-Verbraucher e.V. über Nordbayern hinaus gewachsen sein wird und die Bio-Verbände ihn als gleichwertigen Partner akzeptieren können. Dazu bedarf es Zweierlei:

1. Der Bio-Verbraucher e.V. braucht über ganz Deutschland verteilt wesentlich mehr Mitglieder. Hier gilt das Gesetz der großen Zahl. Zur Erreichung dieses Zieles kann jeder durch Mitgliedschaft beitragen!

2. Es bedarf Persönlichkeiten, die die Idee der assoziativen Zusammenarbeit voran bringen wollen und die den bisher vom Bio-Verbraucher e.V. beschrittenen Weg als Basis für ihre Verwirklichung im Bio-Bereich sehen. Wer möchte den Bio-Verbraucher e.V. in seiner Regionen vertreten, Kontakte zu Bio-Verkaufsstellen herstellen, Mitglieder werben? Man kann sich damit eine eigene Existenz aufbauen, ein Einkommen erzielen!

Kontakt: Bio-Verbraucher e.V., Rieterstr. 20, 90419 Nürnberg, Tel. 0911 – 30735890, http://www.bio-verbraucher.de, info@bio-verbraucher.de, ritter@bio-verbraucher.de


Beiträge zu Bio-Themen

Bio-Assoziationen notwendig

Wolfgang Ritter, Nürnberg

Im November gab es erneute Demonstrationen von Milchbauern in Brüssel. Sie kommen mit den ihnen gezahlten Milchpreisen nicht zurecht. 40 Cents bräuchten sie mindestens, um überleben zu können. Vor etwa zwei Jahren hatten sie schon einmal mit spektakulären Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Darauf hin näherte sich der Durchschnittspreis pro Liter mit 38 Cents ihren Forderungen an; in diesem Jahr fiel er wieder auf 32 Cents zurück.

Nun gibt es Stimmen, die sich auf die Marktgesetze berufen: Wenn der Preis für ein Gut sinkt, dann wird eine zu große Menge angeboten. Auch manche Verbraucher denken so: Warum soll ich einen kleinen Bauern mit 30 oder 40 Milchkühen durch einen erhöhten Milchpreis subventionieren? Wer nicht wettbewerbsfähig ist, soll fusionieren oder aufgeben (so gehört in Bayern 2 am 28.11.2012). Die Fusion (Zusammenschluss) von Kleinbauern stelle ich mir schwierig vor; ihr ungebremstes, durch Uneinsichtigkeit gefördertes weiteres Verschwinden wäre fatal.

So segensreich der Wettbewerb ist – er sorgt für neue Produkte, in guter Qualität, ausreichender Menge, zu günstigen Preisen -, er hat den Nachteil des ruinösen Wettbewerbs und des Preisdiktats durch Oligopolisten oder Monopolisten. Jedenfalls für die Landwirtschaft sollte der Nachteil des Preisdiktats durch Weiterverarbeiter und Handelsketten ausgeschaltet werden. Der Landwirt muss für seine Produkte den Preis erhalten, der ihm langfristig ein Überleben garantiert. Er erzeugt die für uns notwendigen Nahrungsmittel, sorgt für Diversität und pflegt unsere Landschaft. Was wir aus der Region an Nahrung kaufen können, braucht nicht von weit entfernt herangeschafft zu werden, belastet also die Umwelt wenig durch vermiedene lange Transporte.

Mit der Tendenz zum Agrargroßbetrieb wird die Artenvielfalt weiter eingeschränkt, die Erde durch den Einsatz großer Landbearbeitungsmaschinen weiter verdichtet und die Umwelt noch stärker belastet. Bienen und andere wichtige Bestäuber werden ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Wir sollten das nicht zulassen! Wie könnte man zum richtigen Preis für Milch und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse kommen, ohne dass die Landwirte mit ihren Traktoren nach Brüssel fahren oder ihre Milch vor 's Kanzleramt schütten müssen?

In einer Einrichtung der Lebensmittelbranche müssten sich alle Marktteilnehmer treffen können, also Vertreter der Landwirte (z.B. Milcherzeugerverband), Vertreter der Verarbeitung (z.B. Molkereiverband), Vertreter des Handels und der Verbraucher. Eine solche Einrichtung könnte man eine Assoziation nennen. In ihr könnten die Vertreter der Landwirte, der Verarbeitung und des Handels ihre Kalkulationen beispielhaft für ein Grundnahrungsmittel (z.B. die Milch) offen legen und dann den Richtwert für den endgültigen Verkaufspreis verabreden. Hier wäre auch der Ort über Mengen und Qualitäten zu sprechen. Vielleicht würde hier mancher Erzeuger auch Ideen und Produktionsmotivationen für andere Produkte erhalten. Die Vertreter der Verbraucher könnten die Kalkulation veröffentlichen und für Verständnis bei den Verbrauchern werben. Wenn auf diese Weise für wichtige Grundnahrungsmittel der Preis für z.B. ein Jahr verabredet würde, erhielten alle am Wirtschaftsprozess Beteiligten Planungssicherheit; den Marktgesetzen würde das für alle Beteiligten so wichtige Element der Verlässlichkeit hinzugefügt.

Der Bio-Verbraucher e.V. strebt an, Partner der Bio-Erzeuger- und Handelsverbände in einer zu bildenden Bio-Assoziation zu werden. ____________________________________________________________________________________________________

Freunde der Malawi-Waisen e.V

Projekte

Zusammenstellung durch Wolfgang Ritter, stellvertretender Vorstandsvorsitzender

Der gemeinnützige Verein Freunde der Malawi-Waisen e.V. ist eine private Hilfsorganisation für Waisen und Kleinbauern im malawischen Busch. Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe. Die Menschen werden durch unsere Mittel und mit unserem Rat angeleitet selbst für ihre Zukunft zu sorgen. Derzeit betreuen wir zwei Projekte.

Hoffnung für Misanjo (HfM)

Über hundert Kinder und Jugendliche aus zehn Dörfern im Süden Malawis werden in drei Waisenhäusern betreut. Sie erhalten Nahrung, Bildung und Ausbildung zum Schreiner oder Schneider. In jedem der zehn Dörfer gibt es ein Feld, auf dem Nahrungsmittel nach den Richtlinien der biologischen Landwirtschaft für die Waisen angebaut werden. Dadurch ist langfristig für ihre Ernährung gesorgt. Auch die Kinder und Jugendlichen lernen den biologischen Landbau kennen, damit sie als Erwachsene wissen, wie sie sich am Leben erhalten können. FMW finanziert die Unterweisung im biologischen Landbau durch Fachleute.

Seit einigen Jahren versuchen wir HfM unabhängig von unserer Hilfe zu machen. Nachdem der Verkauf von Möbeln und Kleidung im Busch gescheitert ist – es gibt keinen Markt dafür -, will man nun durch Produktion und Verkauf von Särgen versuchen ein Einkommen zu erzielen. FMW unterstützt diese Idee mit dem Vorschlag, eine Verkaufsstelle in der nächsten Stadt einzurichten. Dort sehen wir auch die Möglichkeit, Kleidung aus der Schneiderei zum Verkauf anzubieten.

Mother Elisabet Organic Farming (MEOF)

Weil die biologische Landwirtschaft ein Schlüssel zur Überwindung des Hungers in der Welt und in Malawi ist, hatte FMW vor einigen Jahren vier Malawiern (zwei jungen Frauen und zwei jungen Männern) die Möglichkeit geschaffen den organischen Landbau am Kenja Insitute of Organic Farming (KIOF) zu studieren. Die beiden jungen Männer (Aaron und Patrick) haben das Studium 2011 mit Erfolg abgeschlossen und sind als diplomierte Bio-Landwirte in ihr Heimatland zurück gekehrt.

Durch großzügige Spenden von Elisabet Sjöborg konnte im Norden von Malawi ein Stück Land erworben werden, auf dem die neu gegründete FMW-Partnerorganisation MEOF eine Bio-Musterfarm einrichtet. Unter der Anleitung der beiden Bio-Landwirte Aaron und Patrick können Kleinstlandwirte hier in mehrmonatigen Kursen die biologischen Anbaumethoden kennen lernen und so selbst zu Multiplikatoren in ihren Dörfern werden. Da die armen Kleinbauern keine Gebühren zahlen können, arbeiten sie auf den MEOF-Feldern und -Gärten mit. MEOF soll künftig Einnahmen erzielen können. Dazu sind mehrere Hütten auf dem Farmgelände errichtet worden, die an Besucher des nahe gelegenen Nationalparks vermietet werden können.

Die FMW-Arbeitsweise

Alle Investitionen und alle laufenden Ausgaben für HfM und MEOF wurden bisher und werden gegenwärtig vom eigenen Beitrags- und Spendenaufkommen der FMW-Mitglieder aufgebracht. Die in Deutschland anfallenden Verwaltungskosten werden von den Vorstandsmitgliedern getragen. Das gilt auch für die Kosten, die für die notwendigen Reisen nach Malawi entstehen. Auf diese Weise kommen alle Beiträge und Spenden zu 100% in Malawi an – dort, wo sie gebraucht werden. Viele große Hilfsorganisationen verwenden dafür bis zu 80%. Wir wollen erreichen, dass wir auf absehbare Zeit überflüssig werden. Deshalb tun wir alles, dass die von uns betreuten Menschen unabhängig von uns werden. Sie sollen selbst in den von uns geförderten Projekten ihre Nahrung erzeugen und durch sie ein Einkommen erzielen.

Kontakt: Freunde der Malawi-Waisen e.V., c/o Georg Modlmair, Wacholderweg 8, 96149 Breitengüßbach, Tel.09544 – 5843, http://www.malawi-waisen.de, freunde@malawi-waisen.de Bankverbindung: Sparkasse Bamberg, BLZ 770 500 00, Konto 300 855 160


Malawi-Nachrichten/ 5. Ausgabe Dezember 2012

Entwurf durch Wolfgang Ritter, stellvertretender Vorstandsvorsitzender

Liebe Freunde und Mitglieder,

manche unserer Mitglieder haben uns auf gewaltsame Auseinandersetzungen in Malawi angesprochen. Ursache dafür sind die sich immer weiter verschlechternden Lebensbedingungen im Lande: fortschreitende Arbeitslosigkeit, zunehmende Geldentwertung, Hunger. Die Verzweiflung der Menschen macht sich in den Ballungsgebieten Luft. Unsere Initiativen liegen im Busch, die eine im Süden die andere im Norden Malawis. Beide sind von Gewalttaten verschont geblieben. Aber durch die Preissteigerungen konnte nicht alles angeschafft werden, was geplant war. Leider erlaubten es unsere Mittel auch nicht, die Preissteigerungen dort durch höhere Überweisungen auszugleichen.

Wir erfahren auch oft schmerzlich, wie langwierig es ist, in Afrika etwas zu erreichen, wie schwierig es sich gestaltet dort etwas einzukaufen, auch wie nervenaufreibend es sein kann überhaupt Antworten auf Fragen zu erhalten. Unsere Freunde in Malawi und wir in Deutschland müssen große Geduld aufbringen und einen langen Atem haben.

Freunde der Malawi-Waisen (FMW) – wir arbeiten effektiv

Wir sind und bleiben eine der effizientesten Hilfsorganisationen der Welt:

1. Kein Cent unserer Spender geht für Verwaltungs- und Personalkosten in Deutschland verloren; die Vorstandmitglieder arbeiten ehrenamtlich und tragen alle Verwaltungskosten in Deutschland selber. Während bei vielen großen Hilfsprojekten 80% der Spendengelder für die Sach- und Personalkosten der Hilfsorganisationen drauf gehen, kommen bei uns 100% Ihrer Spende bei den Hilfsbedürftigen an.

2. Viele Hilfsorganisationen werben damit, dass man mit 30 oder 40 € die Ernährung für ein Kind in Afrika für einen Monat sicherstellen kann. Wir schaffen es mit 5,50 € ein Kind bei HfM einen Monat lang zu betreuen, zu füttern und auf die Schule vorzubereiten. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass wir kein teures deutsches Personal in Afrika unterhalten müssen mit deutschen Gehältern, Unterbringung und Verpflegung in Hotels mit internationalem Standard und teurem Geländefahrzeug. Alle Monats-Einkommen unseres afrikanischen Personals – auch das der Projektmanager – liegen im zweistelligen Euro-Bereich.

Im folgenden geben wir einen Überblick über die Entwicklungen in den beiden Initiativen, die bisher ausschließlich von unseren Spenden und Beiträgen existieren: unser Waisenprojekt Hoffnung für Misanjo (HFM) im Süden und unsere Musterfarm Mother Elisabeth Organic Farming (MEOF) im Norden des Landes.

Hoffnung für Misanjo (HfM) - detaillierter Plan für 2013 liegt vor

„50 Waisenkinder im Alter von 3 bis 6 Jahren werden betreut und 40 Jugendliche (Straßenkinder) werden in zwei Berufen ausgebildet. Alle bekommen eine Ausbildung in biologischer Landwirtschaft. Jeweils 20 werden zusätzlich noch als Schreiner und Schneider ausgebildet.“ So steht es in unserem Flyer und so lief es auch tatsächlich bis 2011. Dann wurden die Schreiner- und Schneiderwerkstätten geschlossen, weil wir unsere Zahlungen reduzieren mussten und für Möbel und Kleidung im Busch keine Nachfrage existiert, HfM also keine Einnahmen erzielen konnte. Bis zur Kürzung unserer Förderung hatte man für den eigenen Bedarf gearbeitet: das Waisenhaus wurde mit Möbeln ausgestattet, Kinder und Jugendliche erhielten ordentliche Kleidung.

Mit Amos Chikaonda haben wir eine sehr fähige und inzwischen in der Verwaltung gemeinnütziger Projekte ausgebildete Führungskraft. Er hat uns jetzt einen schlüssigen und nachvollziehbaren Plan vorgelegt, was HfM im nächsten Jahr vor hat, um die Versorgung der Waisen in der Region Misanjo langfristig sicher zu stellen und eigene Einkünfte zu erzielen. Aus seinem detaillierten Plan greifen wir einige Punkte heraus:

- Bisher werden Waisen aus 10 Dörfern in unserem Waisenhaus betreut und in jedem Dorf werden Äcker biologisch bestellt, um Nahrungsmittel für die Kinder zu erzeugen. Jetzt soll das Waisen-Haus Dependancen erhalten, damit auch Waisen in weiter entfernt liegenden Dörfern betreut werden können.

- Man hat jetzt die Gelegenheit sehr günstig Land zu erwerben, um den eigenen Garten zu vergrößern. Man möchte dort u.a. verschiedene Gemüsesorten anbauen und einige Milchkühe halten – für den Eigenbedarf und zum Verkauf.

- Dazu braucht man ein Stallgebäude, eine mit Diesel betrieben Wasserpumpe, ein kleines Pumpenhaus dafür und verschiedene landwirtschaftliche Geräte.

- Die Schreinerei soll wieder eröffnet werden und jährlich etwa 700 Särge fertigen. Dafür besteht ein großer Bedarf in der Region.

Die zu bezahlenden Kräfte sind: der Projektmanager (Amos Chikaonda) und sein Assistent, vier Kindergärtnerinnen, zwei Wächter (für Pumpenhaus und Stall), ein Schreiner und ein Helfer in der Schreinerei. Ohne Bezahlung arbeiten in dem Projekt die 10 HfM-Komitee-Mitglieder und 180 Eltern und Verwandte der Waisen. Investitions-, Material- und Personalkosten belaufen sich für 2013 auf 14.000 €, wobei man nach dem Finanzplan glaubt, 10.000 € durch den Verkauf von Särgen und Milch selbst zu erwirtschaften. Das ist ein Plan, der uns sehr gut gefällt. Wir sind sicher die Differenz von 4.000 € durch unsere Beiträge und Spenden aufzubringen.

Mother Elisabet Organic Farming (MEOF) – weitere Investitionen sind nötig

Leider hat der MEOF-Aufsichtsrat, bestehend aus Bürgermeistern der umliegenden Dörfer, nicht wirksam gearbeitet. Er sollte unsere Muster- und Ausbildungsfarm unterstützen. Das ist nicht geschehen. Georg Modlmair sah sich bei seinem Besuch im vergangenen Jahr gezwungen, alle Aufsichtsratsmitglieder zu entlassen. Die Suche nach kompetenten Persönlichkeiten nahm einige Zeit in Anspruch; jetzt glauben wir einen Aufsichtsratsvorsitzenden gefunden zu haben, auf den wir uns verlassen können: Amos Chikaonda. Ihn kennen wir seit vielen Jahren, er hat sich im HfM-Projekt als Führungskraft bewährt, er wird die Menschen finden, mit denen er auch für MEOF zusammen arbeiten kann.

Aber während dieser Zeit der Schwierigkeiten ist auf unserer Musterfarm gearbeitet worden. Unsere beiden in Kenia ausgebildeten Öko-Landwirte Aaron und Patrick haben mit ihren Mitarbeitern bisher folgendes erreicht:

- Ein Verwaltungs-, Vorrats- und Schulungsgebäude mit Küche und Sanitärbereich wurde errichtet, ein Brunnen gebohrt, der Menschen, Vieh und Pflanzen mit Wasser versorgt.

- Um das Grundstück wurde ein Feuerschutzwall errichtet, so dass man von Buschbränden verschont bleibt.

- Entlang der Grundstücksgrenzen wurden Bäume und Büsche gepflanzt, um den Grundwasserspiegel zu heben, Schatten zu spenden und Nützlingen eine Existenzgrundlage zu bieten.

- Ställe für Rinder, Schweine, Ziegen und Hühner wurden gebaut.

- 50 Multiplikatoren aus der Umgebung wurden 6 Monate lang im biologischen Landbau unterwiesen. Diese haben ihr Wissen in ihren Dörfern an jeweils 10 Landwirte weitergegeben. Bisher haben also etwa 500 Menschen aus der unmittelbaren Umgebung der Musterfarm den biologischen Landbau kennengelernt.

- Fundamente wurden gelegt und die Ziegel gekauft, damit vier Hütten für die Besucher des Nationalparks in der Nähe gebaut werden können, um so ein nachhaltiges Einkommen zu erwirtschaften. Ein Hektar Buschland wurde urbar gemacht und Hirse, Soja, Bohnen, Süßkartoffeln, Gemüse und Obst angepflanzt.

- 15 junge Ziegen wurden gekauft und aufgezogen, um Dung für den Kompost zu haben.


Die Unterweisung im biologischen Landbau hat man für die armen Nachbarn bisher kostenlos geleistet und die erzeugten Nahrungsmittel für den Eigenbedarf verwendet. In Zukunft will man nur eine zweiwöchige Einweisung in den biologischen Landbau kostenlos geben; für die sechsmonatige Schulung erhofft man sich Einnahmen aus Unterbringung und Verpflegung von Schulungsteilnehmern aus ferneren Gebieten. Für sie muss aber erst auf der Farm eine Herberge geschaffen werden. Anfragen von jungen Kleinstlandwirten zur Schulung liegen bereits vor. Für dieses Jahr erhofft man sich durch den erstmaligen Einsatz von Ziegenmist erstmals eine gute Ernte, von der man auch einen Teil verkaufen kann.

Wofür wird bei MEOF jetzt Geld gebraucht?

Die laufenden Ausgaben werden aus Beiträgen und zugesagten Spenden finanziert. Zusätzliche Spenden brauchen wir, damit folgende Projekte begonnen werden können:

- Kauf von Rindern, Schweinen und Hühnern

- Bau einer Herberge mit Küche, Speiseraum und Sanitärbereich zur Unterbringung von 20 Schulungsteilnehmern

- Wir müssen einen Maschendrahtzaun um die Farm ziehen lassen, denn die Blätter und Fürchte der Bäume und Büsche sind bei Wildtieren sehr beliebt.

- Es sind Wasserleitungen zu legen vom Brunnen zu den Feldern und Hütten.


Wir bitten Sie herzlich, uns bei obigen Vorhaben mit Ihrer Spende zu unterstützen und versichern Ihnen: Wir sind die effektivste Hilfsorganisation, die es gibt. Unser Konto: Sparkasse Bamberg, Konto 300 855 160, BLZ 770 500 00.

Mit herzlichen Grüßen und guten Wünschen für die Weihnachtszeit und das kommende Jahr Der Vorstand Freunde der Malawi-Waisen e.V. (FMW)

Vorstandsvorsitzender Georg Modlmair, Wacholderweg 8, 96149 Breitengüßbach Stellvertretender Vorstandsvorsitzender, Wolfgang Ritter, Fallrohrstr.90, 90480 Nürnberg http://www.malawi-waisen.de, freunde@malawi-waisen.de, Tel. 0049-(0)9544-5843