Manfred H. Grieb (Rechtschreibreform und Sprache)

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Der Artikel Manfred H. Grieb (Rechtschreibreform und Sprache) enthält einen Vortrag von Manfred H. Grieb am 20. März 2006 vor der Loge „Hain zur Erkenntnis“.

Rechtschreibsiegel für Qualitätsorthographie

Zum Hintergrund des Vortrags

Manfred H. Grieb war nicht nur Unternehmer, sondern auch Mäzen und Stifter. Die Bewahrung der deutschen Sprache war Manfred H. Grieb ein persönliches Anliegen. Deshalb war er im Pegnesischen Blumenorden als Vizepräses tätig und deshalb erschien sein Nürnberger Künstlerlexikon wie schon das Stadtlexikon Nürnberg in der herkömmlichen Orthographie.

Rechtschreibreform und Sprache

In diesen Wochen wurden die Beratungen über die Rechtschreibreform abgeschlossen, die ab Herbst in Kraft treten soll.

Die Kultusministerkonferenz hat dabei bewußt den Rat mit so vielen Urhebern und Nutznießern der Rechtschreibreform besetzt, daß außer einigen Schönheitskorrekturen keine wesentlichen Änderungen möglich waren. Da die Ratsmitglieder mit Zweidrittelmehrheit entscheiden mußten, war nur eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner möglich.

Daß die ganze Reform unnötig war wie ein Kropf, weiß zwar die Mehrheit der Bevölkerung, wird jedoch von amtlicher Seite nicht zugegeben.

Bereits in der Tagesordnung für die Reformkommission legten die Kultusminister fest, was angeblich unstrittig sei und nicht mehr behandelt werden dürfe. Angesichts dieser Einschränkungen legte Professor Theodor Ickler aus Erlangen, einer der profiliertesten Kritiker der Rechtschreibreform sein Amt als Ratsmitglied vor einigen Wochen nieder. In acht Sitzungen in 14 Monaten blieb natürlich keine Zeit, die Probleme überhaupt zu erkennen und zu behandeln. Auch kann von einer Erprobung an der Schreibwirklichkeit keine Rede sein

Neben der geänderten Groß- und Kleinschreibung zählt dazu die reformierte Doppel-s-Regelung statt des scharfen ß. Angeblich ist das scharfe ß, das ursprünglich aus der Ligatur von zwei langen s entstand, uneuropäisch und typisch deutsch. Dabei übersieht man, daß das scharfe ß im 16. und 17. Jahrhundert auch im Italienischen, Spanischen, Französischen und Englischen verwendet wurde.

Es macht immerhin einen Unterschied, ob man Bier in Massen oder in Maßen trinkt, auch ein Kreißsaal kann bei veränderter Schreibweise und bei Trennung zu einem Kreisss-aal werden.

Noch schlimmer sind praktisch die Regeln der Worttrennung. Ein Teenager soll in Tee-nager getrennt werden, ein Juli-abend wurde bei der Trennung zu einer Julia-bend verstümmelt. Nicht viel besser verhält es sich mit der Logik bei den veränderten Schreibweisen. Die „aufwändige„ Rechtschreibreform wird mit dem Stammwort „Aufwand„ begründet, man könnte natürlich auch an eine Wand denken, die den Reformern den Weitblick verwehrt hat. Mit welcher Begründung wird denken weiterhin mit e geschrieben, obwohl der Wortstamm Gedanke ist. Nach der für Aufwand und aufwändig gültigen Regel müßte das Verb dänken heißen.

Welchen Stellenwert man amtlicherseits der deutschen Sprache einräumt, zeigt ein Zitat des Ministerpräsidenten von Baden Württemberg Günter Oettinger. Dieser sagte im November v. J.: „Deutsch bleibt die Sprache der Familie, der Freizeit, die Sprache in der man Privates liest, aber Englisch wird die Arbeitssprache. Das wird die entscheidende kommunikative Aufgabe des nächsten Jahres sein. Deshalb haben wir in Baden-Württemberg, ab der Grundschule 1. Klasse, Englisch eingeführt.” Nach einem Sturm der Entrüstung hat Oettinger seine Aussage zwar relativiert, aber ob er seine Meinung geändert hat, steht zu bezweifeln.

Ich bin zwar durchaus der Meinung, daß Fremdsprachenkenntnisse von großem Vorteil sind, da diese das Verständnis zu anderen Kulturkreisen erleichtern. Aber muß dabei die eigene Sprache und die eigene Kultur auf der Strecke bleiben? Wie weit das Sprachgefühl und die Zumutbarkeit für den Bürger auf der Strecke bleibt, zeigt wohl auch die Umbenennung des Frankenstadions in easy-credit-Stadion.

In Frankreich wurde kürzlich „General Electric„, der zweitgrößte Konzern der Welt, zu einer Strafe von € 580.000.-, zahlbar an den Betriebsrat, verurteilt, weil seine französische Tochter „Gems„ Dokumente und Rechnerprogramme benutzte, die ausschließlich auf Englisch abgefaßt waren. Das Urteil wurde aufgrund des Tourbon-Gesetzes von 1994 gefällt, das Unternehmen in Frankreich die Benutzung der französischen Sprache vorschreibt.

Bei der Deutschen Bank wurde vor einigen Jahren festgelegt, daß Vorstandssitzungen in englischer Sprache stattfinden, da die Mehrzahl der Vermögensberater, meist als investment banker bezeichnet, aus dem angelsächsischen Sprachraum kommt. Ob dies auch heute noch so ist, entzieht sich meiner Kenntnis, vorsorglich hüllt man sich aufgrund der seinerzeitigen öffentlichen Proteste in Schweigen.

Um aber wieder auf die deutsche Sprache zurückzukommen, so gibt es kaum noch einen deutschen Großkonzern, der nicht Anglizismen in seinem Firmennamen unterbringt, wie BWM Group, Deutsche Post World Net, Deutsche Bahn Mobility NetworkLogistics, oder Siemens Power, Siemens Medical, Siemens Lighting.

Auch die Berufsbezeichnungen werden immer mehr amerikanisiert, wie Sales Manager, Freelancer, Controller, Researcher, um nur einige zu nennen, Worte die sich ohne Schwierigkeiten durch deutsche Bezeichnungen ersetzen lassen. Selbst bei Einrichtungen, die nur auf deutschem Boden tätig sind, wie der Bundesagentur für Arbeit, gibt man sich weltmännisch und spricht von Job Center, Job Floater, Assessment, Clearingstellen und so weiter, nur an der Arbeitslosigkeit hat sich dadurch nichts geändert.

Oder wird die Werbung aus Kostengründen schon in Fernost entwickelt? Und werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonauskunft zukünftig Callgirls und Callboys heißen? Callcenter gibt es ja schon massenhaft. Nur wenn man weiß -- ohne erst die Auskunft anzurufen -- welche Leistungen sich hinter den Angeboten verstecken, macht man davon Gebrauch.

Ich lebte zwar lange Zeit im Ausland und beherrsche einige Fremdsprachen in Wort und Schrift, aber mit diesen schwammigen Ausdrücken kann ich nicht viel anfangen. Hochtrabende und im Grunde genommen unverständliche und Nichts sagende Formulierungen sind im allgemeinen ein Merkzeichen von Hochstaplern.

Die Behauptung vieler Werbetexter, daß die Ergebnisse der Marktforschung englischsprachige Ausdrücke bevorzugen, ist in vielen Fällen nicht nachprüfbar. Ich war lange genug in der Industrie tätig um zu wissen, daß Meinungsforschungsinstituten und Werbeagenturen bereits bei Auftragsvergabe klar ist, welche Ergebnisse erwartet werden. Durch die Fragestellung und die Auswahl der Befragten läßt sich fast jedes Ergebnis erzielen. Besonders Einfaltspinsel fühlen sich gebauchpinselt, daß man ihnen Fremdsprachenkenntnisse zutraut, auch wenn sie die Sprache nicht beherrschen und den Sinn der Worte nicht verstehen. Schlimm finde ich wenn ich bei einem Gang durch die Innenstadt feststelle, daß selbst kleinste Klitschen in fremdsprachlichen Ausdrücken schwelgen.

Der Kultusminister des Saarlandes forderte kürzlich alle Zeitungen und Zeitschriften auf, Verantwortung zu übernehmen und die neuen Schreibweisen einzuführen. Auf die Frage von „Der Spiegel„, was sein würde, wenn die Rechtschreibreform auch in 10 oder 20 Jahren immer noch nicht angenommen wurde, antwortete Herr Professor Nerius: „Dann muß zurückgerudert werden, … das Volk ist der Souverän„. Dies zeigt die Einstellung der Politiker, die das Volk zwar als Souverän bezeichnen, aber um Gottes willen nicht jetzt, sondern in ferner Zukunft, wenn Andere regieren. Dies zeigt sich auch bei den Haushalten, die seit Jahren verfassungswidig sind, spätere Generationen können dafür bezahlen.

Was hat die deutschen Kultusminister überhaupt geritten, als sie vor über 10 Jahren die Rechtschreibreform in Auftrag gaben? Eine Notwendigkeit war dafür nicht vorhanden, und nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts lehnen rund 92% der Bevölkerung die Rechtschreibreform ab.

Als Nachfolger von Adelung veröffentlichte Konrad Duden 1880 sein Wörterbuch der deutschen Sprache, das sich in kurzer Zeit als Wegweiser für die Rechtschreibung durchsetzte. Die letzte große Ausgabe des Duden erschien 1981 in 6 Bänden. Die Fortschreibung erfolgte in den ganzen Jahrzehnten durch die Duden-Redaktion, die beim Bibliographischen Institut in Mannheim angesiedelt ist. Die Aufnahme neuer Begriffe oder Worte ergab sich aus der Auswertung der deutschen Literatur, der Zeitungen und Zeitschriften, aber auch des gesprochenen Wortes, einschließlich der Jugendsprache. Es erfolgte eine Fortentwicklung aufgrund des Sprachgebrauches, also aus der Praxis heraus.

Die nun durchgeführte Rechtschreibreform hat dagegen keinerlei praktischen Bezug und ist rein akademisch. Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn diese in der Bevölkerung keinen Anklang findet. So wie es bis jetzt aussieht, wird es auf lange Zeit zwei Schreibweisen geben, die der Kultusminister und die des Volkes. Welche auf die Dauer die Oberhand behält, bleibt abzuwarten.

Jeder der die alte Schreibweise beibehält, befindet sich in guter Gesellschaft vieler Literaten und Germanisten. Auch ich habe bisher noch keinen Grund gesehen, meine Schreibweise zu ändern.

Ein Teil der Angaben wurden der „Deutschen Sprachwelt“ entnommen, die vierteljährlich in Erlangen herausgegeben wird.

Literatur

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Netzverweise

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