Babylonische Sprachverwirrung

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Die Babylonische Sprachverwirrung ist eine biblische Geschichte. Danach bestrafte Gott den Turmbau zu Babylon mit einer Sprachenvielfalt und Sprachverwirrung für die gesamte Menschheit.

Der Turmbau zu Babel
Hendrick van Cleve (etwa 1525–1589)
Wikimedia Commons
Die Sprachverwirrung
Bibelillustration von Gustave Doré (1865)
Wikimedia Commons

Der biblische Grund der Sprachverwirrung

Die Bibel beschreibt im hebräisch-aramäischen Teil im 1. Buch Mose 11:1-9 den Turmbau zu Babel im 18. bis 16. Jahrhundert v.u.Z.. Das Vorhaben wird als Versuch betrachtet, Jahwe gleichzukommen und seinen Vorsatz für die Erde (sie sollte mit Menschen gefüllt werden) zunichtezumachen. Folglich vereitelte er das Vorhaben, indem er den Bauleuten ob solcher Selbstüberhebung einem jeden seine eigene Sprache gab, damit keiner mehr den anderen verstehe. Zuvor habe die ganze Welt eine gemeinsame Sprache gesprochen. Der Turm blieb aufgrund der Sprachbarrieren unvollendet und verfiel alsbald.

„Babylonische Verwirrung“ als „Geflügeltes Wort“

In Anlehnung an die biblische Geschichte wird ein unverständliches Sprachdurcheinander häufig als „babylonische Sprachverwirrung“ bezeichnet. So hat die „Babylonische Sprachverwirrung“ als Redewendung Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden, beispielsweise hat Georg Büchmann sie in seine Zitatensammlung Geflügelte Worte aufgenommen.

Übertragene Redewendung

Der Begriff „Babylonische Sprachverwirrung“ wird auch als übertragene Redewendung verwendet.

Verwirrung durch Sprachenvielfalt

Auf die „Babylonische Sprachverwirrung“ wird z. B. häufig bei der Berichterstattung über die Verwaltung der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel Bezug genommen, wo sich auf Grund der sprachlichen Vielfalt Mehrarbeiten und Kosten ergeben. [1] Im Rahmen der Europäischen Union heißt es immer wieder verkürzt: „Babylon in Brüssel“. [2] [3]

Eine Sprachenvielfalt kann man bereits in Schulklassen von Großstädten beobachten. Schon Konrad Duden fiel 1869 in Schleiz in Schulklassen eine „babylonische“ Sprachverwirrung durch Mundarten wie Fränkisch, Thüringisch und Sächsisch auf. [4]

Verwirrung durch Denglisch

Die Redewendung „Babylonische Sprachverwirrung“ wird auch im Rahmen der Sprachkritik an Denglisch angewendet. So betitelte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ eine sprachkritische Geschichte über den „Mischmasch namens Denglisch“ mit: „Welcome in Blabylon“.[5]

Verwirrung durch die Rechtschreibreform

Die Rechtschreibreform hat auf dem Gebiet der Orthographie eine kulturelle Wüste hinterlassen. Von einer babylonischen Sprachverwirrung spricht man daher seit 1996 auch, wenn man die durch die Rechtschreibreform hervorgerufene Schreibverunsicherung meint:

„Die babylonische Sprachverwirrung ist kein ausschließlich biblisches Phänomen, denn Muttersprachler deutscher Landen kennen sie nun seit bald 20 Jahren. 1987 gaben die deutschen Kultusminister, vergleichbar mit den kantonalen Erziehungsdirektoren in der Schweiz, dem Institut für deutsche Sprache in Mannheim den Auftrag, ein neues Regelwerk für die deutsche Sprache zu schaffen.“ [6] [7]

Ähnlich sprachkritisch äußerten sich auch Gegner der Rechtschreibreform. Sie bezeichneten den Beschluß der Kultusministerkonferenz, nur einen kleinen Teil der Reform ausbessern zu wollen, als „babylonischen Irrsinn“. [8]

Die Verwirrung durch die Rechtschreibreform ist so groß, daß Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) im Mai 2012 eine neue Rechtschreibreform gefordert haben soll. Diese solle sich stark an Grundschülern orientieren, die Wörter häufig genauso schreiben wie sie ausgesprochen werden. [9]

Literatur

Verwirrung durch Sprachenvielfalt

  • Franz Kaulen: Die Sprachverwirrung zu Babel. Linguistisch-theologische Untersuchungen über Genesis XI, 1-9. Mainz: Franz Kirchheim, 1861, 248 Seiten
  • Aemilian Schöpfer: Bibel und Wissenschaft. Grundsätze und deren Anwendung auf die Probleme der biblischen Urgeschichte: Hexaemeron, Sintflut, Völkertafel, Sprachverwirrung. Brixen, 1896, VIII, 279 Seiten
  • Herbert Brakebush: Die babylonische Verwirrung in der lutherischen Not- und Verlegenheitskirche und ihre Auflösung durch die endliche Errichtung der einen wahren Kirche, wie sie Luther gedacht und gewollt. Braunschweig: Wagner, 1918, 67 Seiten
  • Josef Ponten: Der Babylonische Turm. Geschichte der Sprachverwirrung einer Familie. Stuttgart und Berlin: Deutsche Verlags-Anstalt, 1918, 439 S.
  • Toni Manander: Bazillus Babylonensis oder Babylonische Verwirrung. Komödie in 3 Akten. Berlin: S. Fischer Verlag, 1937, 124 Seiten
  • Adalbert Hudak: Die babylonische Sprachverwirrung in unserer Zeit. Sachsen bei Ansbach: Evangelische Notgemeinschaft in Deutschland, 1979, 15 Seiten (Beiheft des Monatsblattes der Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland e.V. "Erneuerung und Abwehr"; Nr. 28)
  • Sigurd Hjelde: Das Eschaton und die Eschata. Eine Studie über Sprachgebrauch und Sprachverwirrung in protestantischer Theologie von der Orthodoxie bis zur Gegenwart. Beiträge zur evangelischen Theologie, 102, München, Kaiser 1987, 523 S.
  • Monika Chinwuba: Vertragsrecht und Rechtsprechung. Eine kritische Auseinandersetzung mit der in der Maklerrechtsliteratur festgestellten Sprachverwirrung zum Makler- und Vertragsrecht. 2. Auflage. Bonn: Verlag für Maklerwesen, 1992, II, 388 Seiten
  • Arno Borst: Der Turmbau von Babel. Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völker; 4 Bände; Stuttgart: Hiersemann, 1957-1963; München: dtv, 1995; ISBN 3-423-59028-9
  • Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.): Sprachenvielfalt. Babylonische Sprachverwirrung oder Mehrsprachigkeit als Chance? Ringvorlesung der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Mit Beiträgen von: Peter Cichon ... Innsbruck; Wien; München; Bozen: Studien-Verlag, 2003, 201 S., ISBN 3-7065-1787-6
  • Silke Wettach: Übersetzungsengpass. EU: Sprachwirrwarr in Brüssel. Nach dem Beitritt zehn neuer Mitglieder lähmt der Sprachenwirrwarr die Brüsseler Institutionen. In: WirtschaftsWoche vom 6. September 2004 - wiwo.de
  • Babylonische Namensverwirrung. In: Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Band 1, 16. Auflage, 2005, S. 63-67

Verwirrung durch Denglisch

  • Gerhard Illgner: Die deutsche Sprachverwirrung. Lächerlich und ärgerlich: das neue Kauderwelsch. Paderborn: IFB-Verlag, 2000, 134 S., ISBN 3-931263-13-4; 3., überarb. Auflage 2003, 148 S., ISBN 3-931263-38-X
  • Hermann Zabel (Hrsg.): Denglisch, nein danke! Zur inflationären Verwendung von Anglizismen und Amerikanismen in der deutschen Gegenwartssprache. Aufsätze von Hermann H. Dieter, Hermann Fink, Helmar G. Frank, Klaus Gosmann, Gerhard H. Junker, Reiner Pogarell, Heinz-Günter Schmitz , Gerd Schrammen, Franz Stark, Wolfram Wills, Hermann Zabel. Paderborn: IFB-Verlag, 2001, 296 S., ISBN 3-931263-20-7; 2. Auflage, 2003, 360 S., ISBN 3-931263-35-5 - im Netz
  • Petra Nossek-Bock: Portrait: Deutliche Worte im Sprachwirrwarr. SIN-Vorsitzender Erwin Prey kämpft gegen zuviel »D’englisch« . In: Sechsundsechzig, Magazin für selbstbewußte ältere Menschen, Ausgabe 3, August 2006 - im Netz

Verwirrung durch die Rechtschreibreform

  • Gütersloh und Mannheim liegen bei Babylon. Getrennt wird, was zusammengehört: Die Rechtschreibreform hat bislang nur Verwirrung gestiftet, und das Durcheinander wird von Tag zu Tag größer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 139 vom 19. Juni 1997, S. 39
  • Babylon in Mannheim. Bericht über die Verleihung des Konrad-Duden-Preises 2001 am 13. März 2002 an Prof. Dr. Hans-Werner Eroms - VRS
  • Rechtschreibliches Babylon. Mai 2003. In: Bernhard Rindgen: Die Rechtschreibreform – Seismograph einer Krise. In: Häretische Blätter - im Netz
  • Horst Haider Munske: Rechtschreibung gegen Schlechtschreibung. Germanistische Sprachwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Germanistische Sprachwissenschaft, 19. August 2004 - im Netz
  • Rechtschreibreform. „Babylonischer Irrsinn“. Ab 1. August tritt ein Teil der Rechtschreibreform in Kraft, während andere Teile noch überarbeitet werden. In: FOCUS vom 3. Juni 2005 - FOCUS
  • Gegen die babylonische Sprachverwirrung. Der „Duden“ ist das Wörterbuch der deutschen Rechtschreibung. Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), Figaro, Kultur und gut, Sendung vom 1. August 2011 - mdr.de (Einer der Kritiker der Rechtschreibreform ist der Schriftsteller Reiner Kunze. FIGARO fragt ihn, wie er die Rechtschreibung nun handhabt. Welche Einwände hat er? In: Journal am Morgen | 06:00-09:00 Uhr)

Querverweise

Netzverweise

  • Diskussion:Babylonische Sprachverwirrung - Wikipedia
  • Norbert Bienefeld: Vandalismusmeldung gegen Onkel Sam wegen Babylonische Sprachverwirrung - Wikipedia
  • Predigt von Prof. Dr. Christoph Markschies zum Thema (2005) - im Netz

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Dieter E. Zimmer: Warum Deutsch als Wissenschaftssprache ausstirbt. In: DIE ZEIT Nr. 30, 1996 - ZEIT
  2. Dieter Martiny: Babylon in Brüssel? Das Recht und die europäische Sprachenvielfalt, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (ZEuP), Nr. 2, 1998, S. 227 ff.
  3. Harald Schmidt: Sprachengemisch. Babylon in Brüssel. In: Stern vom 21. April 2004 stern-Serie: Das neue Europa - STERN
  4. Galina Breitkreuz: 125 Jahre Duden. In: Bayerischer Rundfunk online, 11. September 2005 - BR-Online
  5. Nicole Alexander, Nikolaus von Festenberg: Welcome in Blabylon. Alberne Anglizismen überspülen das Deutsche und erzeugen einen Mischmasch namens Denglisch. In: Der Spiegel, 16. Juli 2001
  6. Die neue Rechtschreibung ist ab 1. August 2005 amtlich In: anthrazit, Oktober 2004, S. 40 - PDF
  7. Alfons Peter: Babylonische Verwirrung. In: Tages-Anzeiger (Zürich), 17. August 1999, Leserforum („Den Zeitungsleser erwartet also eine babylonische Sprachverwirrung sondergleichen, anscheinend verursacht durch eine Akademiker-Kaste, die sich damit vor Arbeitslosigkeit schützen will.“)
  8. Rechtschreibrat berät über Streitfälle. science.ORF.at/APA/dpa, 3. Juni 2005 - im Netz
  9. EZ: Bildungsministerin will Rechtschreibung an Grundschulniveau anpassen. In: Eine Zeitung vom 18. Mai 2012 - eine-zeitung.net

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