Georg Philipp Harsdörffer

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Georg Philipp Harsdörffer (* 1. November 1607 in Fischbach bei Nürnberg; † 17. September 1658 in Nürnberg) war ein Nürnberger Ratsherr, Jurist, Politiker, Literaturtheoretiker, Schriftsteller und Dichter der Barockzeit.

Georg Philipp Harsdörffer
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Leben und Wirken

Herkunft

Harsdörffer stammt aus einer angesehenen und wohlhabenden Nürnberger Patrizierfamilie, die ihre Wurzeln im Landadel unweit von Bayreuth hat und seit 1521 fest zum Nürnberger Rat gehörte.

Sein Vater war Philipp v. Harsdörffer (1577-1631), seine Mutter Lucretia, geb. Scheurl v. Defersdorf (1586-1635).

Ausbildung

Harsdörffer genoß eine humanistische Schulbildung. Von 1623 bis 1627 studierte er an den Universitäten Altdorf bei Nürnberg und Straßburg, wo ihn insbesondere die Späthumanisten Daniel Schwenter und Matthias Bernegger (1582-1640) beeinflußten.

Anschließend begab er sich von 1627 bis 1631 auf die damals für adelige Sprößlinge zum Pflichtprogramm gehörende „Kavalierstour“, eine fünfjährige Bildungsreise durch die Zentren der europäischen Bildungs- und Kunstwelt. Diese führte ihn quer durch Europa durch von Ingolstadt nach Straßburg, Genf und Paris sowie nach England und in die Niederlande sowie schließlich nach Italien bis hinunter nach Neapel.

Beruf

Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Nürnberg arbeitete Harsdörffer sich als Jurist in der reichsstädtischen Hierarchie rasch nach oben. Er trat in den Verwaltungsdienst ein, wo er zunächst in diplomatischen Missionen tätig war.

Exkurs: Ehe und Familie
Georg Philipp Harsdörffer heiratete am 9. Juni 1634 in Nürnberg Susanna Fürer v. Haimendorf (1616-46). Mit ihr hatte er fünf Söhne und drei Töchter.

Ab 1634 war als Assessor am Untergericht und von 1637 bis 1655 am Stadtgericht tätig. 1655 wurde er in den „Kleinen Rat“, den Inneren Rat, gewählt, das zentrale Führungsorgan der Reichsstadt. Als Politiker und Diplomat war er mehrmals im Dienste seiner Heimatstadt tätig.

Literarisches, sprachpflegerisches Schaffen

Seine erworbene literarische Bildung setzte Harsdörffer praktisch um. Er korrespondierte mit in- und ausländischen Literaten und rezipierte die Neuerscheinungen v.a. der italienischen und französischen Literatur; er übersetzte in erheblichem Umfang auch Werke fremdsprachiger Schriftsteller, kompilierte und adaptierte sie für ein deutsches Publikum oder übertrug dort erarbeitete neue Genres und Darstellungsformen (etwa das 'Gesprächspiel') in die deutsche Literatur.

Dem entsprach sein reges Engagement für die Legitimation und Aufwertung der deutschen Sprache, dem er sich im Anschluß an Justus Georg Schottelius verschrieb. Er richtete sich u.a. an ein gegenüber Neuem aufgeschlossenes Publikum, das in seiner Muße moralisch nutzbringend und bildend unterhalten werden sollte. Diese Intention führte Harsdörffer auch über die traditionellen fiktionalen Formen hinaus. Neben geistlicher und weltlicher Lyrik, Novellen und pastoralen Prosaeklogen befaßte er sich ausführlich mit Mathematik und Naturwissenschaften, bildender Kunst, Lexikographie, Philologie und Dichtungstheorie, schrieb Verhaltenslehren ebenso wie Briefsteller oder Ratgeber zu Ernährung und Tafelsitten, so daß er über Deutschland hinaus den Ruf polyhistorischer Gelehrsamkeit genoß. [1]

Pegnesischer Blumenorden

Georg Philipp Harsdörffer war Mitglied der neapolitanischen Accademia degli Oziosi (dt. Die Akademie der Müßiggänger). 1642 wurde er als „Der Spielende“ in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen, die nach dem Vorbild der italienischen Sprachpflegegesellschaft Accademia della Crusca gegründet worden war. 1644 wurde Harsdörffer auch als „Der Kunstspielende“ in die Teutschgesinnete Genossenschaft Philipp von Zesens aufgenommen.

Nach dem Vorbild dieser Sprachpflegegesellschaften gründete er zusammen mit Johann Klaj 1644 in Nürnberg den „Pegnesischen Blumenorden“, dessen erster Präses er wurde. Er trug den Ordensnamen „Strephon“, d.h. Maienblume.

Harsdörffer ist der Verfasser des Librettos zu 'Seelewig', der frühesten erhaltenen deutschen Oper. Sie wurde von Sigmund Theophil Staden vertont.

Ehrungen

Werke (Auswahl)

  • Frauenzimmer-Gesprächsspiele. 8 Bände, 1642-48. Hrsg. von Irmgard Böttcher. Nachdruck. Tübingen: Niemeyer
    • Teil 1: [Nachdruck der Ausgabe] Nürnberg: Endter, 1644. – 1968, 436 S. (Deutsche Neudrucke: Reihe Barock; 13)
    • Teil 8: [Nachdruck der Ausgabe] Nürnberg: Endter, 1649. – 1969, 708 S. (Deutsche Neudrucke: Reihe Barock; 20)
  • Poetischer Trichter. Die Teutsche Dicht- und Reimkunst/ ohne Behuf der Lateinischen Sprache/ in Vl. Stunden einzugiessen. Samt einem Anhang Von der Rechtschreibung / und Schriftscheidung/ oder Distinction. Durch ein Mitglied der hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft. Zum zweiten Mal aufgelegt und an vielen Orten vermehret. Nürnberg/ Gedruckt bey Wolfgang Endter, Nürnberg 1648-1653 [Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums, Sign. 80 01 164/1, Slg. N 943] Erste Auflage: 1647
  • Poetischer Trichter. Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1648 - 1653. Enthält: Teil 1 - 3. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft [Abt. Verl.], 1975, 137, 186, 563 S., ISBN 3-534-04034-1 (In Fraktur)
  • Mathematische Erquickstunden

Dazu Sammlungen von Erzählungen und Memorabilia, viele Übersetzungen.

Literatur

  • Heinz Zirnbauer: Georg Philipp Harsdörffer 1607-1658. In: Wolfgang Buhl: Fränkische Klassiker. Nürnberg, 1971, S. 301-324
  • John R. Paas (Hrsg.): Der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiesbaden: Harrassowitz, 1995, 451 S., ISBN 3-447-03681-8
  • Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Zugleich: Universität Erlangen-Nürnberg, Diss., 1999/2000. Tübingen: Niemeyer, 2002, X, 689 S., ISBN 3-484-36569-2 (= Frühe Neuzeit, Band 69), bes. 148-157.
  • Theodor Verweyen: Georg Philipp Harsdörffer - ein Nürnberger Barockautor im Spannungsfeld heimischer Dichtungstraditionen und europäischer Literaturkultur (I). In: Erlanger Digitale Edition, Beiträge zur Literatur- und Sprachwissenschaft vom 20. Mai 2003 - im Netz
  • Doris Gerstl (Hrsg.): Georg Philipp Harsdörffer und die Künste. Nürnberg: Carl, c 2005, 237 S., ISBN 978-3-418-00110-4 (Schriftenreihe der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg; Band 10)
  • Manfred H. Grieb (Hrsg.): Nürnberger Künstlerlexikon: Bildende Künstler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzene vom 12. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Manfred H. Grieb. München: Saur K.G. Verlag GmbH, September 2007, ISBN 3-598-11763-9
    • Band 2: H - Pe, 2007, S. 540-1133; hier: S. 577
  • Matthias Kröner: Der Trichter und sein Henker. Zum 350. Todestag von Georg Philipp Harsdörffer. Ein Hörbuch. Tonträger, 1 CD ; 12 cm + Booklet 3 S., Ill. Erlangen: Wunderwaldverlag, 2008, ISBN 978-3-940582-09-6

Presse

  • Markus Paul: Georg Philipp Harsdörffer wäre 400 Jahr alt geworden. Nürnbergs vergessener Dichterfürst. In: Nürnberger Zeitung Nr. 259 vom 9. November 2007, S. 3
  • Josef Dirnbeck: Nürnberger Barock zwischen Bibel und Aussteigertum. Seelenlandschaft an der Pegnitz. In: Nürnberger Zeitung vom 8. August 2008 - NZ
  • Herbert Heinzelmann: Richter, Dichter und Gründer des Pegnesischen Blumenordens: Georg Philipp Harsdörffer starb vor 350 Jahren. Poet zwischen Schäferidylle und Dreißigjährigem Krieg. In: Nürnberger Zeitung Nr. 231 vom 2. Oktober 2008, Nürnberg plus, S. + 4 - NZ
  • Erik Stecher: Neue Stadtführung zum Thema Redensarten. Hier kommt man auf den Trichter. In: Nürnberger Zeitung Nr. 245 vom 23. Oktober 2009, Nürnberg plus, S. + 1 - NZ

Querverweise

Netzverweise

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Werner W. Schnabel: Harsdörffer (Harsdorf von Enderndorf), Georg Philipp. In: Michael Diefenbacher; Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: W. Tümmels Verlag, 1999, ISBN 3-921590-69-8 - im Netz

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