Martin Runge (Nürnberger Rede)

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Der Artikel Martin Runge (Nürnberger Rede) enthält die Rede von Dr. Martin Runge bei der Großkundgebung „EMPÖRT EUCH – Recht und Freiheit für Gustl Mollath“ am 27. Juli 2013 in Nürnberg.

Einführung

Es folgt die Rede von Dr. Martin Runge, Fraktionschef der Grünen im Bayerischen Landtag.

Rede

Servus, servus liebe Nürnberger, liebe Franken, liebe Bayern und auch selbstverständlich liebe Gäste, da meine ich vor allem die aus Hessen. Der Wilhelm Schlötterer und ich und manches Mal haben wir auch den Anwalt Strate erfreulicherweise in unserem Gepäck. Wir touren zur Zeit durch Bayern, haben überall volle Säle beziehungsweise volle Biergärten. Heute vormittag in Hausen bei Würzburg, in Hausen bei Schweinfurt, gestern in Würzburg, morgen geht’s dann weiter nach Erding und Kaufbeuren. Wir touren unter dem Motto „Affäre Mollath, Vertuschen, Wegsperren, Lügen und Betrügen“, und davon ist kein Wort übertrieben. All diese Begriffe treffen bedauerlicherweise zu.

Wir, wir haben, wir haben im bayerischen Landtag einen Untersuchungsausschuß beantragt und durchgezogen. Die erste Idee hatte der Florian Streibl von den Freien Wählern. Ich hab dann über Ostern paar hundert Fragen zusammengeschrieben, erstmal eigentlich gedacht als Anfragenpaket. Dann haben wir - sind wir draufgekommen, das wär’ viel zu schade. Dann haben wir das eingereicht und zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen von der SPD haben wir dann der Staatsregierung und manchen Teilen der Justiz ordentlich eingeheizt und was ein Ergebnis war – also das war der kürzeste und intensivste, unseres Erachtens auch der effizienteste und ertragreichste Untersuchungsausschuß – jede Sitzung neue Erkenntnisse und teilweise ganz greusliche Erkenntnisse bedauerlicherweise.

Wir - was ich jetzt vortrage sind Fakten. Das sind also keine Vermutungen, keine Behauptungen. Das sind Fakten. Gustl Mollath ist massiv in seinen Rechten verletzt worden. Weg und Methodik, wie man ihn in die Psychiatrie weggesperrt hat, widersprechen sämtlichen Grundsätzen, also wirklich sämtlichen Grundsätzen von Rechtsstaatlichkeit.

Die, wie Sie alle wissen, und wie es heute auch schon vorgetragen worden ist, die Zuschreibung von Gemeingefährlichkeit und die entsprechende Beweisführung vor Gericht basierten auf mehrfachem Rechtsbruch. Einweisungs- und Prognosegutachten wurden mehrheitlich allein nach Aktenlage erstellt und in letzterer waren wiederum wesentliche Sachverhalte völlig falsch dargestellt. Gustl Mollath fand bedauerlicherweise keinerlei rechtliches Gehör. Und das betrifft zweierlei. Das betrifft zum einen die Anklagen und das Verfahren gegen ihn. Und das betrifft zum anderen auch seine Anzeigen, seine Anzeigen gegen Bankmitarbeiter, Bankmitarbeiterinnen und deren Kunden. Er hat ja angezeigt anonymisierte Kapitaltransfers in die Schweiz, hinter denen er Schwarzgeldverschiebung und Steuerhinterziehung vermutet hat, und das wurde einfach weggewischt. Man ist hier nach einem fatalen Zirkelschluß verfahren. Man hat gesagt, die Anzeigen können wir weglegen, weil der Mann ist nicht ganz richtig im Kopf und umgekehrt hat man gesagt, der Mann ist nicht ganz richtig im Kopf wegen seiner Anzeigen, also ein hundserbärmlicher Zirkelschluß, was eines Rechtsstaates alles andere als würdig ist. Jawohl, und, daß in diesen Anzeigen durchaus Substanz war, das belegt ja die Tatsache, daß aktuell 24 Verfahren laufen beim Finanzamt Nürnberg Süd. Jetzt ist ein tüchtiger Steuerfahnder dran. Und es gibt die ersten beiden Selbstanzeigen, und es gibt zwei Strafbefehle. Also kann das alles gar nicht so falsch gewesen sein, was Gustl Mollath vor zehn Jahren in seinen Anzeigen drin gehabt hat. Also das belegt den Skandal. Im Verfahren und in der Entscheidung gegen Gustl Mollath ist es zu einer Reihe krachender Rechtsfehler gekommen, was nicht nur Mollaths Anwalt Gerhard Strate sondern auch den Oberstaatsanwalt Meindl in seinen ersten zwei Fassungen des Wiederaufnahmegesuches veranlaßt hat, hier von Rechtsbeugung und von Vertuschung selbiger zu sprechen. Und da macht das Regensburger Landgericht jetzt auf einmal draus, kleinere Verfahrensmängel, Sorgfaltsmängel, also das dürfen und das wollen und werden wir nicht hinnehmen. So, und dann ist, dann ist dann ist das Ganze ja weitergegangen, also beginnend von den Anfängen, dem Bestreben, die Schieflagen, Fehler und Rechtsbrüche zu vertuschen, begann ja ein Schweigen-, Lügen-, und Verschleierungskartell in Politik und in Justiz sein unseliges Wirken. Und wie es auch schon ausgeführt war und bekannt war, nicht einmal Spitzenbeamte und Minister – gut, die sagen öfters die Unwahrheit – haben davor zurückgeschreckt, den Landtag und die Öffentlichkeit laufend zu belügen. Der Fall Roland Jüptner ist kurz angesprochen worden. Sie erinnern sich alle – der hat uns gegenüber am 28. Februar – diesen Jahres war’s – im Rechtsausschuß erzählt, es gäbe keinen Aktenvermerk zu den Telefonaten des Richters Brixner, der damals doch gar nicht zuständig war mit dem Regierungsdirektor Kummer, Chef des zuständigen Steuerfahnders, woraufhin das Verfahren eingestellt wär und dieser Anruf hätte auch keinen Einfluß gehabt. Tatsächlich war’s ganz anders. Es gibt mehrere Aktenvermerke, und aus diesen Aktenvermerken geht hervor, wegen dieses Telefonats haben die Steuerfahnder die Akte beiseite gelegt, also eine glatte Lüge, eine glatte Unwahrheit. Das – über den Nerlich ist genug gesagt worden. Wir werden ihm weiter einheizen. Er muß vor allem Druck machen den Banken. Es kann nicht sein, daß die Bankmitarbeiter ungeschoren davonkommen. Seit dem Jahr, spätestens seit dem Jahr 2000 gibt’s höchstrichterliche Rechtsprechung, daß das Mitwirken an anonymen Kapitaltransfers ins Ausland als Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar ist. Das war eine der Wurzeln. Da muß angesetzt werden. Man muß jetzt gegen die HypoVereinsbank und gegen deren Mitarbeiter vorgehen. Und da ist mitnichten alles verjährt. Ein einziges Beispiel für die Lügen der Ministerin – da gibt’s also ungefähr 20 konkrete Beispiele – sie hat uns immer versucht, Gauben zu machen, in dem Sonderrevisionsbericht der HVB ging es nur um dienstrechtliche Vergehen. Tatsächlich gibt es zum Beispiel Gesetze wie diesen: „allen Mitarbeitern waren schwere Vergehen gegen interne Vorgaben und gegen externe Vorschriften – da wird genannt das Wertpapierhandelsgesetz, das Geldwäschegesetz, die Abgabenordnung abzulasten (?) – also von wegen nur dienstrechtliche Vergehen. Es ging um strafrechtliche Geschichten, und da hätte man unbedingt ermitteln müssen.

So, es gibt jetzt … ich, ich komm zum Schluß, weil wir haben ja noch zwei Kollegen, die auch gerne was sagen. Es gibt jetzt für uns im Ergebnis der Arbeit des Untersuchungsausschusses, aber auch weiterer Recherchen, einmal grundsätzliche Schlußfolgerungen. Es liegt, denk ich, auf der Hand, daß die Mißstände bei der Steuerfahndung, bei der Justiz, vor allem auch bei der Staatsanwaltschaft schleunigst behoben werden müssen. Wir brauchen zum Beispiel auch unbedingt deutlich mehr Personalausstattung bei den Betriebsprüfern, bei den Steuerfahndern, bei den Leuten, die die Umsatzsteuer-Sonderprüfung machen, weil das war auch ein klares Ergebnis im Untersuchungsausschuß: Bayern als Eldorado für Steuerbetrüger – das darf es nicht mehr geben. Wir müssen uns unbedingt ransetzen, an die … um die Mißstände in der Forensik im Speziellen und die Mißstände in der Psychiatrie im Allgemeinen zu bekämpfen. Das ist auch überhaupt keine Frage - wie die Schieflagen in der Justiz. Die Kollegen Cibilla (?) und Ritzer (?) haben ja geschrieben hier von Multiorganversagen. An dieser Stelle noch mal ganz herzlichen Dank vor allem an die Nürnberger Journalisten. Der Michael Kasperowitsch, den habe ich vorhin gesehen, von den Nürnberger Nachrichten: herzlichen Dank, lieber Michael Kasperowitsch. Den … den … der Uwe Ritzer ist auch da, an Euch, an Sie beide herzlichen Dank. Zu der Begrifflichkeit Multiorganversagen – diese Begrifflichkeit trifft genau den Nagel auf den Kopf. Wie kann es sein, daß so viele Behörden, so viele Institutionen hier wie ein Räderwerk ineinandergreifen und Unrecht betreiben. Das … dafür gibt es einen einzigen Grund: 56 Jahre die gleiche Fakultät hier an der … am Ruder. Das hat zu unsäglich verfilzten Strukturen geführt, und diese Strukturen gilt es dringend aufzubrechen.

So, und selbstverständlich – und damit bin ich beim Schluß – und selbstverständlich müssen wir alle dafür sorgen, daß die konkret Verantwortlichen für dieses Unrecht zur Rechenschaft gezogen werden. Gustl Mollath muß in die Freiheit kommen, das ist auch gar keine Frage. Aber was uns ganz wichtig ist: Dieses darf nicht nach dem Motto passieren „Gnade vor Recht“. Darum geht es nicht. Es geht darum, Gustl Mollath muß Recht bekommen, und dafür kämpfen wir alle. Und herzlichen Dank an Sie, daß Sie sich hierfür einsetzen. Danke.

Kontakt

Presse

  • Ursula Prem: Demonstration am 27. Juli 2013 in Nürnberg - Dankschreiben von Gustl Mollath. In: Autorenblog ein-buch-lesen.de, Mittwoch, 31. Juli 2013 - ein-buch-lesen.de

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Netzverweise

  • Großkundgebung „Recht und Freiheit für Gustl Mollath“ - Facebook

Einzelnachweise und Anmerkungen