Schildbürger: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Schildbürger''', wohnhaft in Schilda, sind Hauptakteure einer ganzen Reihe von kurzen märchenhaften Geschichten und neben der Legende um Till Eulenspiegel die bekannteste Sammlung von Schelmengeschichten.
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Die '''Schildbürger''', wohnhaft in Schilda, sind Hauptakteure der Schildbürgerstreiche,  einer Reihe kurzer närrischer Schwänke und neben der Legende um Till Eulenspiegel die bekannteste Sammlung von Schelmengeschichten.
 
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Die Schildbürger wurden von einem anonymen Autor zuerst im „Lalebuch“ (1597) dargestellt. Er schrieb die haarsträubenden Streiche und Torheiten der Lalebürger satirisch-kritisch auf. Die erfolgreiche Schwanksammlung erhielt in einer zweiten Auflage den Titel „Die Schiltbürger“ (1598). Sie wurde und wird bis in die Gegenwart immer wieder neu aufgelegt und nacherzählt.
  
 
Bei Schilda handelte es sich angeblich um die deutsche Stadt [http://de.wikipedia.org/wiki/Beckum Beckum] ([http://de.wikipedia.org/wiki/Beckumer_Anschl%C3%A4ge Beckumer Anschläge]) zur Zeit des Mittelalters. Gelegentlich wird sie auch in Misnopotamien (einer Verballhornung Mesopotamiens) angesiedelt. Deren Bürger waren gemeinhin als äußerst klug bekannt, weswegen sie begehrte Ratgeber der Könige und Kaiser dieser Welt waren. Da die Stadt auf diese Weise langsam aber sicher entvölkert wurde, verlegte man sich auf eine List:
 
Bei Schilda handelte es sich angeblich um die deutsche Stadt [http://de.wikipedia.org/wiki/Beckum Beckum] ([http://de.wikipedia.org/wiki/Beckumer_Anschl%C3%A4ge Beckumer Anschläge]) zur Zeit des Mittelalters. Gelegentlich wird sie auch in Misnopotamien (einer Verballhornung Mesopotamiens) angesiedelt. Deren Bürger waren gemeinhin als äußerst klug bekannt, weswegen sie begehrte Ratgeber der Könige und Kaiser dieser Welt waren. Da die Stadt auf diese Weise langsam aber sicher entvölkert wurde, verlegte man sich auf eine List:
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Die Schildbürger begannen sich dumm zu stellen, so dumm sogar, daß sie begannen, jede Aussage, auch Metaphern, wörtlich zu interpretieren. Dies war so erfolgreich, daß sie mit der Zeit in ihrer Dummheit verblieben und dafür genauso bekannt wurden wie ehedem für ihre Klugheit.
 
Die Schildbürger begannen sich dumm zu stellen, so dumm sogar, daß sie begannen, jede Aussage, auch Metaphern, wörtlich zu interpretieren. Dies war so erfolgreich, daß sie mit der Zeit in ihrer Dummheit verblieben und dafür genauso bekannt wurden wie ehedem für ihre Klugheit.
  
Die Legende um Schilda ist bis heute Bestandteil der deutschsprachigen Literatur und hat Einzug gehalten in den deutschen Wortschatz, so nennt man eine besonders dumme Aktion zum Beispiel einen Schildbürgerstreich. Auch heute werden teilweise noch Schildbürgergeschichten verfaßt, um auf Vorgänge hinzuweisen, die dem Autor der Geschichte als besonders dumm oder schelmisch vorkommen.
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'''Wie die Schildbürger sich das Wissen eintrichtern wollten'''<br>
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Als eine Gruppe von Schildbürgern einmal [[Nürnberg]] besuchte, fragten sie sich, worum es sich wohl bei dem [[Nürnberger Trichter]] handele. Ein Nürnberger behauptete nun, daß man durch den Trichter hindurch Klugheit aufnehmen könne, wodurch lästiges und zeitraubendes Lernen überflüssig werde. Die Schildbürger waren begeistert und probierten natürlich gleich aus, was dieser ihnen geraten hatte. Die übrigen Nürnberger amüsierten sich prächtig über die Schildbürger und begannen Wasserschläuche auf diese zu richten. Dies bewegte die Schildbürger jedoch dazu, noch eifriger zu „trichtern“, da sie das Wasser für Klugheit hielten. Zurück in Schilda erzählten sie den daheim gebliebenen Schildbürgern von ihrem Besuch in Nürnberg. Diese waren sehr beeindruckt, bis ein kleiner Junge Niespulver unter ihnen verstreute, was zu heftigen Niesanfällen führte. Die Schildbürger waren enttäuscht – so schnell waren sie ihr neu erlangtes Wissen wieder los geworden.
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Auch heute werden teilweise noch Schildbürgergeschichten verfaßt, um auf Vorgänge hinzuweisen, die dem Autor der Geschichte als besonders dumm oder schelmisch vorkommen.
  
 
==Literatur==
 
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* Karl v. Bahder (Hrsg.): ''Das Lalebuch (1597); mit den Abweichungen und Erweiterungen der Schiltbürger (1598) und des Grillenvertreibers (1603)''. Halle a. S.: Niemeyer, 1914, LXXVII, 198 S. (Neudrucke deutscher Literaturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts; Nr. 236/239)
  
 
* Erich Kästner: ''Die Schildbürger''. Nacherzählt von Erich Kästner, mit Bildern von Horst Lemke. Wien: Verlag Carl Ueberreuter, 1954, 47 S.
 
* Erich Kästner: ''Die Schildbürger''. Nacherzählt von Erich Kästner, mit Bildern von Horst Lemke. Wien: Verlag Carl Ueberreuter, 1954, 47 S.
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* [[Nürnberger Trichter]]
 
* [[Schildbürgers Rechtschreibreform‎]]
 
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Version vom 19. Dezember 2011, 16:45 Uhr

Kaestner Schildbuerger.jpg

Die Schildbürger, wohnhaft in Schilda, sind Hauptakteure der Schildbürgerstreiche, einer Reihe kurzer närrischer Schwänke und neben der Legende um Till Eulenspiegel die bekannteste Sammlung von Schelmengeschichten.

Die Schildbürger ziehen eine Kuh zum Weiden auf die grasbewachsene Stadtmauer und erwürgen sie dabei. Radierung von Wunder, um 1825

Geschichte

Die Schildbürger wurden von einem anonymen Autor zuerst im „Lalebuch“ (1597) dargestellt. Er schrieb die haarsträubenden Streiche und Torheiten der Lalebürger satirisch-kritisch auf. Die erfolgreiche Schwanksammlung erhielt in einer zweiten Auflage den Titel „Die Schiltbürger“ (1598). Sie wurde und wird bis in die Gegenwart immer wieder neu aufgelegt und nacherzählt.

Bei Schilda handelte es sich angeblich um die deutsche Stadt Beckum (Beckumer Anschläge) zur Zeit des Mittelalters. Gelegentlich wird sie auch in Misnopotamien (einer Verballhornung Mesopotamiens) angesiedelt. Deren Bürger waren gemeinhin als äußerst klug bekannt, weswegen sie begehrte Ratgeber der Könige und Kaiser dieser Welt waren. Da die Stadt auf diese Weise langsam aber sicher entvölkert wurde, verlegte man sich auf eine List:

Die Schildbürger begannen sich dumm zu stellen, so dumm sogar, daß sie begannen, jede Aussage, auch Metaphern, wörtlich zu interpretieren. Dies war so erfolgreich, daß sie mit der Zeit in ihrer Dummheit verblieben und dafür genauso bekannt wurden wie ehedem für ihre Klugheit.

Wie die Schildbürger sich das Wissen eintrichtern wollten

Als eine Gruppe von Schildbürgern einmal Nürnberg besuchte, fragten sie sich, worum es sich wohl bei dem Nürnberger Trichter handele. Ein Nürnberger behauptete nun, daß man durch den Trichter hindurch Klugheit aufnehmen könne, wodurch lästiges und zeitraubendes Lernen überflüssig werde. Die Schildbürger waren begeistert und probierten natürlich gleich aus, was dieser ihnen geraten hatte. Die übrigen Nürnberger amüsierten sich prächtig über die Schildbürger und begannen Wasserschläuche auf diese zu richten. Dies bewegte die Schildbürger jedoch dazu, noch eifriger zu „trichtern“, da sie das Wasser für Klugheit hielten. Zurück in Schilda erzählten sie den daheim gebliebenen Schildbürgern von ihrem Besuch in Nürnberg. Diese waren sehr beeindruckt, bis ein kleiner Junge Niespulver unter ihnen verstreute, was zu heftigen Niesanfällen führte. Die Schildbürger waren enttäuscht – so schnell waren sie ihr neu erlangtes Wissen wieder los geworden.

Auch heute werden teilweise noch Schildbürgergeschichten verfaßt, um auf Vorgänge hinzuweisen, die dem Autor der Geschichte als besonders dumm oder schelmisch vorkommen.

Literatur

  • Karl v. Bahder (Hrsg.): Das Lalebuch (1597); mit den Abweichungen und Erweiterungen der Schiltbürger (1598) und des Grillenvertreibers (1603). Halle a. S.: Niemeyer, 1914, LXXVII, 198 S. (Neudrucke deutscher Literaturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts; Nr. 236/239)
  • Erich Kästner: Die Schildbürger. Nacherzählt von Erich Kästner, mit Bildern von Horst Lemke. Wien: Verlag Carl Ueberreuter, 1954, 47 S.
  • Otfried Preußler: Bei uns in Schilda: Die wahre Geschichte der Schildbürger nach den Aufzeichnungen des Stadtschreibers Jeremias Punktum. Stuttgart: Thienemann, 1958, 127 S.; 18. Auflage, 1988, ISBN 3-522-10600-8
  • Erich Sielaff (Hrsg.): Die Schildbürger. Nach der ersten Ausgabe von 1598 und dem Narrenbuch von 1811 für die Jugend bearbeitet. Mit Ill. von Erich Gürtzig. Berlin: Kinderbuchverlag, 1958, 111 S.

Über moderne Schildbürgerstreiche

  • Christian Mückl: Schild-Bürger in der Südstadt. Kunst im Nürnberger Zumikon. In: Nürnberger Zeitung vom 13. Juli 2011 - NZ

Querverweise

Netzverweise

Einzelnachweise und Anmerkungen