Wilhelm Schlötterer (Nürnberger Rede)

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Der Artikel Wilhelm Schlötterer (Nürnberger Rede) enthält die Rede des Ex-Steuerfahnders Dr. Wilhelm Schlötterer bei der Großkundgebung „EMPÖRT EUCH – Recht und Freiheit für Gustl Mollath“ am 27. Juli 2013 in Nürnberg.

Einführung

Rede

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„Die Freiheit Mollaths ist unser aller Freiheit.“ Das war das Grußwort des Anwalts Dr. Strate aus Hamburg. Nur allzu wahr! Die Tragweite des Falles Mollath kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Denn was ist denn sonst noch möglich, wenn es möglich ist, einen Menschen, der Schwarzgeldverschiebungen in millionenfacher Höhe anzeigt, in die Psychiatrie wegzusperren, um ihn mundtot zu machen, meine Damen und Herren?

Ich habe in meinem Buch „Macht und Mißbrauch“, das 2009 erschien, und in meinem neuesten Buch, das jetzt vor zwei Tagen erst erschien, mit dem Titel „Wahn und Willkür“, diese Übergriffe der Mächtigen dokumentiert, nicht bloß angesprochen, sondern dokumentiert. Bitte lesen Sie das nach, meine Damen und Herren!

Nicht, daß jeder jetzt befürchten muß, demnächst ebenfalls in die Psychiatrie zu kommen. Aber durch dumme Zufälle, die das Leben schafft, kann man mit irgendwelchen politischen Interessenkonflikten in Kollision kommen und dann den Kürzeren ziehen, sei es in einem Zivilprozeß, den man verliert, sei es in einem Strafprozeß, sei es, daß man verurteilt wird wegen Verleumdung oder daß eine eigene Verleumdungsklage, ein Verleumdungsantrag scheitert, weil diese Staatsanwaltschaft alles herunterbügelt.

Meine Damen und Herren, der Fall Mollath ist kein Justizirrtum, er ist kein Justizirrtum. Es war Vorsatz am Werk. Der Fall Mollath ist ein glasklares Verbrechen. Es ist ein Verbrechen der schweren Freiheitsberaubung über siebeneinhalb Jahre hinweg. Ich will das nicht einfach so behaupten, obwohl ich vom Fach bin, aber deshalb darf ich noch einige Fälle zitieren, meine Damen und Herren. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat in ihrem ursprünglichen Wiederaufnahmeantrag, den dann der hier ansässige Hasso Nerlich, seines Zeichens Generalstaatsanwalt, zurechtgestutzt hat - zahlreiche scharfe Zähne gezogen hat - , in diesem ursprünglichen Antrag folgendes ausgeführt: „Die zahlreichen Verstöße gegen grundlegende Verfahrensvorschriften, die das gesamte Verfahren wie ein roter Faden durchziehen (besser schwarzer Faden!), und ein erhebliches Gewicht haben, bilden für sich schon ein hinreichendes Indiz für eine sachfremde Motivation und damit für den Vorsatz zur Rechtsbeugung.“

Die Süddeutsche Zeitung hat weitere Zitate aus diesem ursprünglichen, geschwächten Wiederaufnahmeantrag gebracht. Sie führte aus, daß der Richter Brixner gegen Regelungen verstoßen hat, die - so eben dieser Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg - juristisches Allgemeingut seien, die jeder Dienstanfänger kenne. Und dann der weitere Vorwurf: „Die von ihm [Brixner] gewählte Vorgehensweise erfüllt den Straftatbestand der Rechtsbeugung.“

Mollath hat sich in seiner Not, während er bereits in der Haft war, wiederholt an Brixner gewandt, als den zuständigen Richter, mit Eingaben, und dazu bemerkt die Staatsanwaltschaft Regensburg: „Brixners Verhalten, Eingaben nicht weiterzuleiten, hat dazu gedient, sein eigenes rechtsbeugendes Vorverhalten zu verdunkeln.“ Daß der ansässige Hasso Nerlich diese Passagen zweifellos in Absprache mit Frau Beate Merk wieder kassiert hat, eliminiert hat, meine Damen und Herren, setzt ihn dem Verdacht ebenfalls der Rechtsbeugung aus. Dieser Herr wird sich - darüber soll er sich nicht täuschen - ggf. einem Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung und schwerer Freiheitsberaubung zu stellen haben.

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Ich darf noch einen weiteren ...helfer zitieren, Strafrechtsprofessor Dr. Henning Müller von der Universität Regensburg. Er schrieb in einem Internet-Blog: „Die Strafsache Mollath ist eine von mir nie gesehene Ansammlung von vorsätzlichen Gesetzesverletzungen, gravierenden Verfahrensfehlern, gepaart mit schweren Verteidigungsfehlern und Versagen von kontrollierenden Instanzen.“

Wer sind die kontrollierenden Instanzen? Das sind zunächst einmal die leitenden Oberstaatsanwälte, das sind die Generalstaatsanwälte, von Herrn Nerlich angefangen rückwärts gehend, und natürlich das Justizministerium. Und da bin ich jetzt bei Frau Merk angekommen. Meine Damen und Herren, Frau Merk ist mit diesem Fall nicht erst durch die Presse konfrontiert worden, sondern bereits im Jahre 2003 aufgrund einer Eingabe Mollaths. Sie mußte dazu gegenüber dem Landtag Stellung nehmen, und natürlich erklärte sie alles für in Ordnung, wobei dem Landtag Unterlagen nicht zugegangen sind im Rahmen dieser Eingabe, die sie dem Landtag zur rechten Zeit hätte zuleiten müssen.

Meine Damen und Herren, Frau Merk wird sich ebenfalls einem Ermittlungsverfahren zu stellen haben. Die Urteile der Gerichte ergehen nicht im Namen von Frau Merk oder anderer politischer Größen, die hier jetzt im Hintergrund bleiben oder früher im Hintergrund standen, meine Damen und Herren, sie ergehen immer noch im Namen des Volkes. Noch!

Aber eines ist nach dem derzeitigen Zustand ganz klar festzustellen: Bayern ist in politischen Fällen kein Rechtsstaat mehr. Das sage ich nicht aus billiger Polemik heraus. Ich habe das in meinem neuen Buch [„Wahn und Willkür“] so niedergelegt, und zwar nach reiflicher Überlegung. Im Normalfall, da tun die Staatsanwaltschaft ihre Pflicht und die Gerichte selbstverständlich auch. Aber in Fällen mit politischem Bezug, und dafür gibt es eben nicht nur den Fall Mollath als Beleg, nein, auch in vielen anderen, die ich in meinen Büchern aufgeführt habe, meine Damen und Herren, da zeigt sich das gleiche Phänomen. Immer, wenn eine ganz bestimmte Interessenlage vorliegt, dann wird plötzlich von oben her eingegriffen und gesteuert. Das geht doch immer in die gleiche Richtung: Bayern ist in Fällen mit politischem Bezug kein Rechtsstaat mehr.

Aber, meine Damen und Herren, ein Rechtsstaat sind wir auch dann nicht mehr, wenn Gustl Mollath zwar freikommt, aber die Verantwortlichen nicht bestraft werden. Es kann nicht angehen, daß Leute wie der vorsitzende Richter Brixner, daß die verantwortlichen Staatsanwälte, daß die Frau Merk sich nach Ausgang des Falles sich dann bequem zurücklehnen und ihre Pension in alle Ruhe genießen können. So nicht!

Meine Damen und Herren, jetzt ein Wort zu Regensburg. Die Staatsanwaltschaft hat sich aktiv gemacht, auch wenn sie dem Druck des Justizministeriums und des Herrn Hasso Nerlich nicht standhalten konnte und ihre Anträge revidieren mußte. Erst der dritte Antrag, meine Damen und Herren, wurde eingereicht, der dritte erst fand das Gefallen! Bereits 18 Tage, nachdem die Ministerin die Weisung erteilt hatte, ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten, legte die Staatsanwaltschaft Regensburg einen solchen Antrag vor. Aber die fanden nicht das Gefallen oben, und deswegen mußte ja revidiert, gesäubert werden. Ich habe die jetzige Entscheidung gelesen. Meine Damen und Herren, was ich da lese, das ist ein Witz! Was diese Herren da in Regensburg fabriziert haben, ich gebrauche ganz bewußt „fabriziert haben“, meine Damen und Herren, das ist nicht hinnehmbar. Diese Entscheidung steht genauso unter dem dringenden Verdacht der Rechtsbeugung wie das ursprüngliche Ausgangs... (?)

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Meine Damen und Herren, es werden zwar Rechtsverstöße zugegeben, wenn es gar nicht anders ging, aber dann heißt es: „Diese Verstöße waren nicht elementar.“ Für Gustl Mollath waren sie sehr wohl elementar, denn er sitzt seit siebeneinhalb Jahren in der Psychiatrie, meine Damen und Herren. (?) ... einen bestimmten Verstoß als Wiederaufnahmegrund anzuerkennen, dazu bedürfte es eines schweren Verdachts, aber hier liege nur ein Anfangsverdacht vor, und das reiche nicht aus.

Also zuerst stuft man einen Regelverstoß als Anfangsverdacht herunter, und dann sagt man: „Das reicht nicht aus.“ Oder aber man sagt zu der mutmaßlichen Absicht des Richters, das sei bloße Spekulation. Bloße Spekulation, meine Damen und Herren! So kann man die Dinge natürlich auch bagatellisieren mit der katastrophalen Folge, daß Mollath weiterhin einsitzt. Wir haben hier heute einen wunderschönen Tag, und demnächst fahren die meisten von uns in Urlaub, aber Gustl Mollath hat heute wie seit Jahren nur eine Stunde Hofgang.

Eine besondere Pikanterie, meine Damen und Herren: Diese Juristen der Kammer in Regensburg, die haben die ehemalige Ehefrau des Herrn Mollath für voll und ganz glaubwürdig erklärt. Ihre Glaubwürdigkeit sei nicht erschüttert. Damit erklären sie eigentlich ihre eigenen Kollegen von der Staatsanwaltschaft, das ist immerhin der Leitende Oberstaatsanwalt sowie der Oberstaatsanwalt, der die Sache unmittelbar bearbeitet hat, für nicht zurechnungsfähig oder jedenfalls nicht fachlich qualifiziert. Denn diese haben nämlich geschrieben, daß die Glaubwürdigkeit der Ehefrau Mollath ausgeräumt sei und daß ihre Angaben nicht glaubhaft seien; und jetzt plötzlich geht das ganz anders.

Meine Damen und Herren, der Fall Mollath ist im Grunde schlimmer als der Fall Dreyfus. Der Fall Dreyfus wurde wiederholt in der Presse zitiert, aber am Anfang des Falles Dreyfus, da stand ein tatsächliches Fehlurteil, basierend auf einem Irrtum. Aber dann, als dieser Irrtum offenbart wurde, wollte man den nicht zugeben. Aber hier steht am Anfang ein vorsätzliches Fehlurteil, gar keine Frage!

Und jetzt will ich Ihnen den Kernpunkt des Falles Mollath schildern: Über den vielen Einzelheiten könnte man den Überblick verlieren. Aber im Grunde ist der Fall Mollath ganz, ganz einfach zu verstehen, und zwar aus folgender Weise: Man hat Mollath in die Psychiatrie eingewiesen mit der Begründung, seine Angaben über Schwarzgeld-Verschiebungen in seinen Strafanzeigen seien paranoide Wahnvorstellungen. Die Staatsanwaltschaft und ebenso das Gericht haben sich jedoch hartnäckig geweigert, geweigert (!), diese Angaben überhaupt zu überprüfen. Sie waren daher außerstande, überhaupt zu behaupten, daß diese Angaben nicht zuträfen, gar, daß es Wahnvorstellungen seien - Paranoia oder Schizophrenie -, wie es im medizinischen Gutachten steht, das dann wortgleich, in vollem Umfang, vom Urteil übernommen worden ist.

Meine Damen und Herren, der dümmste Staatsanwalt, der dümmste Richter kann diese primitive Logik, daß man etwas nicht als Wahn einstufen kann, was man nicht überprüft hat, nicht verkannt haben, und das mag diesen Herren noch zum Verhängnis werden. Es mag sein, daß diese Wahl keine Wende bringt, keinen Regierungswechsel bringt, und dann werden diese Herrschaften mit Sicherheit ungeschoren bleiben, aber es ist noch nicht aller Tage Abend. Es gibt einen ...

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Noch mal zurück zum Fall Mollath, Entschuldigung: zum Fall Dreyfus. Sehen Sie: Dreyfus wurde auf eine Insel verbannt, im Atlantik, so auf der Höhe von Südamerika, aber nach vier Jahren wurde er zurückgeholt. Er kam frei. Warum? Weil sich ein Oberst aus dem Kriegsministerium für ihn eingesetzt hat, das Ganze offenbart hat. Hier findet sich kein Oberer aus irgendeiner Verwaltungsbehörde, Gerichtsbehörde, Justizministerium, der sich für Mollath einsetzt, meine Damen und Herren.

Meine Damen und Herren, wir sprechen vom Fall Mollath, und das ist richtig, aber der Fall Mollath ist zugleich ein Fall Merk. Das braucht man gar nicht mehr besonders herauszuarbeiten. Diese Dame hat nicht nur die Verantwortung, daß der Fall Mollath so gelaufen ist, wie er gelaufen ist. Das ist das eine, dafür hat sie die volle Verantwortung, denn das geschah in ihrer Amtszeit, und sie wurde, das habe ich schon ausgeführt, wiederholt mit diesem Sachverhalt konfrontiert.

Zum zweiten aber, meine Damen und Herren, hat sie, nachdem der Fall publik geworden ist, den Landtag belogen. Belogen und getäuscht! Und das läßt sich sogar per Urkundsbeweis nachweisen. Sie hat einen schriftlichen Bericht vorgelegt. Wenn man das mit der Realität vergleicht, dann kann man ihr vorhalten: Jawohl, hier, Sie haben gelogen.

Meine Damen und Herren, Kabinettsmitglieder haben gegenüber dem Parlament eine Wahrheitspflicht aufgrund der Verfassung. Wenn sie dagegen verstoßen, dann verletzten sie ihre verfassungsrechtlichen Pflichten. Das ist bei Frau Merk im Übermaß der Fall. Aber der Fall Merk ist zugleich ein Fall Horst Seehofer. So sehr Sie das jetzt verblüffen mag, meine Damen und Herren. Denn er hat diese Frau, obwohl er genau von ihren Lügen gegenüber dem Landtag weiß, er hält diese Frau im Amt, er hat ihr im Landtag sogar sein ausdrückliches, sein uneingeschränktes Vertrauen ausgesprochen. Ein Ministerpräsident darf nicht hinnehmen, daß ein Kabinettsmitglied den Landtag belügt, und wenn der Ministerpräsident das tut, dann verletzt er in massiver Weise seine verfassungsrechtlichen Pflichten, meine Damen und Herren, dann befindet er sich außerhalb der Rechtsstaatlichkeit. Und daß er weiterhin jetzt zumindest festhalten will an ihr, bis eine neue Regierung da ist, meine Damen und Herren, das ist doch nicht hinnehmbar. Die Rechtspflege geht doch weiter.

Ich habe bei einer Tagung, die die freien Wähler im Plenum - nein, nicht im Plenum, sondern im Landtag - abgehalten haben, nachdem aus dem Publikum der Fall Mollath nach vorne gebracht wurde, gesagt: „Solange Frau Merk an der Spitze der bayerischen Justiz steht, sehe ich die objektive Anwendung des Rechts nicht gewährleistet. Und das gilt natürlich auch, bis eine neue Regierung im Amt ist.

Warum hat sie überhaupt die Unwahrheit gesagt, meine Damen und Herren? Haben Sie sich darüber überhaupt Gedanken gemacht? Was wäre denn die natürliche Reaktion eines Justizministers oder einer Justizministerin gewesen, nachdem der Skandal publik geworden ist? Der hätte - oder sie hätte - die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt: „Um Gottes Willen! Wenn hier ein Fehlurteil vorliegen sollte, dann muß das natürlich sofort überprüft werden. Ich werde alles tun.“ Und Frau Merk hat genau das Gegenteil getan. Sie hat sich in den Landtag hingestellt, meine Damen und Herren, ich habe es selbst von der Zuschauertribüne aus verfolgt. Sie hat gesagt: „Dieser Mann gehört weiterhin in die Psychiatrie, der sitzt dort zu Recht.“

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Ich will jetzt einmal zurückblenden, damit Sie nicht glauben, das Phänomen, der Fall Mollath sei so was ganz Neues, das sei ein zufälliges Ergebnis vielleicht der letzten Jahre. Nein, wir können weiter zurückgehen: Im Januar 1994 hat der frühere Staatssekretär im Innenministerium und frühere Oberbürgermeister von München nach seiner Rückkehr als Landtagsabgeordneter in den Landtag (er wurde damals von der Justiz bedrängt) wütend folgendes geäußert - wohlgemerkt, im Rechtsauschuß des Landtags und in Gegenwart des damaligen Justizministers Hermann Leeb aus Aschaffenburg. Er sagte: „Spezielle Teile von Staatsanwaltschaft und Gerichten lassen sich in Bayern zu politischen Zwecken gebrauchen und werden dazu mißbraucht.“ Das ist gang und gäbe. Das heißt, die Dinge waren damals schon bekannt. Es begann im übrigen unter Strauß.

Kontakt

Presse

Querverweise

Sachartikel

Personenartikel

Netzverweise

  • Großkundgebung „Recht und Freiheit für Gustl Mollath“ - Facebook

Einzelnachweise und Anmerkungen